Erbrecht

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Beschluss des BFH betreffend die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des seit dem 01.01.2009 gültigen  neuen Erbschaftsteuergesetzes

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Problemstellung und praktische Bedeutung

Wieder einmal kommt das Erbschaftsteuergesetz auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Es liegen zwar zwischenzeitlich drei Verfahren von Finanzgerichten vor, die die gegen das neu gefasste Erbschaftsteuergesetz vorgebrachten Bedenken zurückweisen (siehe im Einzelnen die Nachweise bei Wachter, DStR 2011, S. 2331 ff.). Zwei Verfahren vor dem Finanzgericht München und dem Finanzgericht Köln haben allerdings lediglich Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zum Gegenstand, die Entscheidung in der Hauptsache stehen bei diesen Verfahren noch aus. Der BFH knüpft nun mit seinen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des neuen Erbschaftsteuergesetzes an das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf an, das das Begehren des Steuerpflichtigen nach einer günstigeren Besteuerung in der Steuerklasse II abgelehnt hatte. Die praktische Bedeutung dieses BFH-Beschlusses liegt darin, dass das Gericht die grundsätzliche Fragestellung aufwirft, ob die neuen Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen (§§ 13a, 13b und 19a ErbStG) verfassungswidrig sind, weil es diese Vorschriften ermöglichen, durch geeignete Gestaltungen Erbschaftsteuer zu vermeiden, ohne dass es dabei auf eine Gemeinwohlverpflichtung und Gemeinwohlbindung des erworbenen Vermögens ankommt. Der BFH setzt sich sehr anschaulich mit bestimmten Gestaltungsüberlegungen auseinander, die in der Beratungspraxis entwickelt wurden, um erbschaftsteuerliche Verschonungsregelungen in Anspruch nehmen zu können. Hierzu gehört beispielsweise die gewerblich geprägte Festgeld-GmbH & Co. KG, die sogenannte „Cash-GmbH“, die Begründung einer Forderungs-GmbH oder aber bestimmte Betriebsaufspaltungskonstellationen. In all diesen Fällen kann es gelingen, Vermögen ohne das Eingreifen der Lohnsummenregelung in die nächste Generation zu übertragen. Der Beschluss macht deutlich, dass die  gesamten Verschonungsregelungen und die damit verbundenen Abgrenzungsprobleme eine Gefahr für die Anerkennung der Verfassungsmäßigkeit des neuen Erbschaftsteuergesetzes darstellen. Der BFH hat das BMF aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Es ist zu erwarten, dass der BFH das Verfahren dann wohl aussetzen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit erneut dem Bundesverfassungsgericht vorlegen wird. Ob das Bundesverfassungsgericht sich dann in diesem Fall tatsächlich mit den Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen auseinandersetzen wird, bleibt abzuwarten. Die vom BFH aufgeworfenen Fragen könnten aber als willkommener Anlass in der Politik genommen werden, die derzeitigen erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen und die Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme deutlich zu verschärfen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise.

Zum Sachverhalt

Der Entscheidung der Vorinstanz (Finanzgericht Düsseldorf) sowie dem BFH-Beschluss lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Neffe war zu einem Viertel Miterbe des im Januar 2009 verstorbenen Onkels. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruchs zusammen und belief sich auf 51.266,– `. Unter Berücksichtigung eines persönlichen Freibetrags von 20.000,– ` setzte das Finanz- amt Erbschaftsteuer in Höhe von 9.360,– ` fest, basierend auf dem in der Steuerklasse II vorgesehenen Steuersatz von damals noch 30 %. Der Neffe begehrte die Herabsetzung der Steuer auf 4.680,– ` und machte geltend, dass mit dem Wachstumsbe- schleunigungsgesetz vom 22.12.2009 der Steuersatz für die Steuerklasse II in seinem Fall auf 15 % reduziert wurde, allerdings nicht rückwirkend zum 01.01.2009, sondern erst für die Steuer, die nach dem 31.12.2009 entsteht. Gegen die Gleichstellung von Personen in der Steuerklasse II und III beim Steuersatz im Veranlagungszeitraum 2009 äußerte der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken und wollte die ab 2010 gültige Besserstellung der Steuerklasse II bereits für sich geltend machen. Das Finanzgericht Düsseldorf hat seine Klage abgewiesen und entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten sei, Personen in der Steuerklasse II erbschaftsteuerlich besser zu behandeln als Personen in der Steuerklasse III. Gegen diese Entscheidung hat sodann der Kläger Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, die zu dem Beschluss des BFH vom 05.10.2011 geführt hat.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BFH hat in seinem Beschluss vom 05.10.2011 keine Entscheidung in der Sache getroffen. Vielmehr hat er das Bundesministerium der Finanzen (BMF) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Der BFH setzt sich in seinem Beschluss mit der eigentlichen Frage, ob denn im Jahr 2009 eine Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III verfassungsrechtlich bedenklich sein sollte, nur in einem kurzen Absatz seines Beschlusses auseinander. Dabei verweist er auf umfangreiche Schrift- tumsnachweise, in denen solche verfassungsrechtlichen Bedanken geäußert wurden. Sodann nutzt der BFH aber die Möglichkeit, auf verschiedenste, Eingangs bereits kurz beschriebene Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die Verschonungsregelungen des neuen Erbschaftsteuergesetzes auch für solches Vermögen zu nutzen, das nicht den  vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 07.11.2006 zum alten Erbschaftsteuergesetz definierten Anforderungen für die Inanspruchnahme von Steuerentlastungen genügt. Hierzu gehört aus der Sicht des BFH die Inanspruchnahme erbschaftsteuerlicher Begünstigungen bei gewerblich geprägten Personengesellschatten (z.B. bei einer GmbH & Co. KG). Beispielsweise wird vom BFH auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Anteil an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, deren Betriebsvermögen aus 100 Mio. ` Festgeldguthaben besteht, nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 ErbStG erbschaftsteuerfrei in die nächste Generation zu übertragen, ohne dass dieses Vermögen einer besonderen Gemeinwohlbindung oder Gemeinwohlverpflichtung unterliegt. In diesem Zusammenhang weist der BFH darauf hin, dass die vom Gesetz definierten Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme in einem solchen Fall keine Rolle spielen, da derartige gewerblich geprägten Personengesellschaften regelmäßig nicht mehr als 20 Beschäftigte haben und somit nicht unter die Lohnsummenregelung fallen (vgl. § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG). Gleiches gilt auch für den Fall, dass solches Festgeld in einer GmbH gehalten wird. In der Beratungspraxis werden solche Modelle auch als sogenannte „Cash-GmbH“ bezeichnet. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit, die Lohnsummenregelung zu unterlaufen, sieht der BFH darin, dass das wesentliche Vermögen eines Unternehmens in einer Besitzgesellschaft konzentriert wird, die nicht mehr als 20 Beschäftigte hat, wäh- rend die Betriebsgesellschaft durch Schulden belastet wird und so einen nur geringen Steuerwert aufweist. Der Entwicklung der Lohnsumme in der Betriebsgesellschaft kommt auf Grund von deren geringen erbschaftsteuerlichen Wert in diesem Fall keine besondere Bedeutung zu. Im Zuge des vom BFH geforderten Beitritts des Bundesministeriums der Finanzen wird dieses um Mitteilung gebeten, ob und ggf. welche  praktischen Erfahrungen es im Besteuerungsverfahren oder bei Anträgen auf verbindliche Auskunft zu den aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten bisher gibt. Bei der weiteren Diskussion von Gestaltungsmöglichkeiten sollte aber auch Berücksichtigung finden, dass es trotz aller Verschonungsregelungen Fälle gibt, die nicht unter die Vergünstigungsnormen fallen, z.B. eine Beteiligung an Kapitalgesellschaften von 25 % oder weniger. Auch so mancher Immobilieneigentümer wird sich zu Recht fragen, warum ein Bestand von 100 oder 200 Wohnein- heiten nicht ausreichend sein soll, um erbschaftsteuerliche Begünstigungen in Anspruch nehmen zu können. Daher gilt es die weitere Diskussion in diesem Verfahren aufmerksam zu verfolgen. Vor dem Hintergrund der derzeit vorhandenen Verschonungsregelungen sollte deren Inanspruchnahme konsequent genutzt werden. Angesichts der Staatsschuldenkrise und der in verschiedensten Parteiprogrammen erhobenen Forderung nach einer drastischen Reduzierung der Begünstigungen für Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist mit einer Abschaffung dieser Steuer nicht zu rechnen. Allerdings sollte angesichts der unsicheren Rechtslage geprüft werden, ob in Schenkungsverträgen eine Steuerklausel aufgenommen wird, die den Fall regelt, dass das geltende Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt wird. Es besteht sodann unter Hinweise auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Möglichkeit, bei Ausübung des Rückforderungsrechts die festgesetzte Steuer rückwirkend zum Erlöschen zu bringen. Dies wäre für den Fall interessant, dass das Erbschaftsteuergesetz dieses Mal rückwirkend für verfassungswidrig erklärt würde und somit bis zu einer den Anforderungen des Verfassungsrechts genügenden Neufassung des Erbschaftsteuergesetzes quasi eine erbschaftsteuerfreie Zeit gegeben sein könnte.