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Finanzgerichtsordnung

Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung bei Erbschaftsteuerbescheiden

Günther Claß, Dipl.-Jurist, Dipl.-Betriebswirt (BA), Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Problemstellung

Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist auf Vorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Normenkontrollverfahren zu der Frage anhängig, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG (Tarifvorschrift) i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG (betreffend die Verschonungsabschläge von 85 % oder 100 % für betriebliches Vermögen) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig ist. Nach Auffassung des BFH ist das ErbStG verfassungswidrig, da die in den §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilen mit großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgingen und dadurch die Steuerpflichtigen, die die Vergünsti- gungen nicht in Anspruch nehmen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt würden (vgl. zu diesem Vorlagebeschluss des BFH vom 27.09.2012, Az. II R 9/11, die Ausführungen in FuS 6/2012, 244). Mit einer Entscheidung des BVerfG in dieser Sache wird im 1. Halbjahr 2014 gerechnet. Bis zur Entscheidung des BVerfG stellt sich aber für die Steuerpflichtigen, die von der Festsetzung von Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer betroffen sind, die Frage, ob sie unter Berufung auf das beim BVerfG anhängige Verfahren Aussetzung der Vollziehung bezüglich der festgesetzten Steuer beantragen können. Eine Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden ist immer dann geboten, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung bestehen. Allerdings müsste dann gegen den Erbschaftsteuerbescheid Einspruch eingelegt werden.

Mit dieser Frage beschäftigt sich der hier dargestellte Beschluss des BFH vom 21.11.2013. Im Kern geht es um die Frage, ob eine Aussetzung der Vollziehung auch dann gerechtfertigt ist, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erb- schaftsteuerbescheides einzig auf der Verfassungswidrigkeit des ErbStG beruhen. In einer solchen Konstellation bedarf es neben der Prognose der Verfassungswidrigkeit auch der Prognose über die mögliche Entschei- dung des BVerfG, welches aufgrund der Tragweite der Entscheidung möglicherweise nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit dem Grundgesetz feststellen und die begrenzte Weitergeltung anordnen könnte, sodass im Ergebnis trotz der Verfassungswid- rigkeit des ErbStG – die im Steuer- bescheid festgesetzte Steuerschuld bestehen bliebe.

Nach bisheriger gefestigter Rechtsprechung des BFH (zuletzt BFH v. 04.05.2011, Az. II B 151/10, BFH/NV 2011, 1395; zum ErbStG 2009 BFH v. 01.04.2010, Az. II B 168/09, BStBl. II 2010, 588) wurde dem Steuerpflichtigen, sofern als Entscheidung des BVerfG die begrenzte Fortgeltung des verfassungswidrigen Rechts zu erwarten war, einstweiliger Rechtsschutz in Form der Aussetzung der Vollziehung nicht gewährt. Dies wurde in der Literatur unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG hef- tig kritisiert (vgl. u.a. Seer in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 96; Koch in Gräber, FGO, 7. Auflage, § 69 Rn. 113).

Zum Sachverhalt

Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des im September 2011 verstorbenen Erblassers. Aufgrund eines Vermächtnisses auf Lebenszeit erhält sie eine monatliche Rente in Höhe von 2.700 €. Die dafür festgesetzte Erbschaftsteuer betrug 71.000 €, die die Antragstellerin zunächst im Jahre 2012 entrichtete.

Die Antragstellerin legte hiergegen unter Hinweis auf die anhängigen Verfahren zur Verfassungswidrigkeit des ErbStG Einspruch ein, beantragte das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung durch das BVerfG und die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt und das Finanzgericht lehnten den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin Beschwerde beim BFH ein.

Entscheidungsgründe

Der BFH gab der Beschwerde statt und gewährte der Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der festgesetzten Erbschaftsteuer.

In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschied der BFH, dass auch bei eingeschränkten Erfolgsaussichten des Einspruchs im Hauptsacheverfahren aufgrund der denkbaren Anordnung der zeitlich begrenzten Weitergeltung des verfassungswidrigen ErbStG durch das BVerfG eine Aussetzung der Vollziehung gewährt werden kann, sofern ein qualifiziertes Interesse des Steuerpflichtigen vorhanden ist. Dies sei ein Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Denn auch im Falle einer begrenzten Weitergeltung des als verfassungswidrig eingestuften Gesetzes sei es denkbar, dass Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet wird, auf Antrag von einer zukünftigen gesetzlichen Neuregelung, die den Anforderungen des BVerfG Rechnung trägt, Gebrauch zu machen.

Nach Auffassung des BFH bedarf es der Abwägung der widerstreitenden Interessen, wobei das besondere Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung des Steuerbescheids auf der einen Seite dem Vollzugsinteresse der öffentlichen Hand auf der anderen Seite gegenüberstehe. Dabei sei auf Seiten der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, ob der steuerpflichtige Erwerb aus liquiden Mitteln in Form von Bargeld, Bankguthaben, fälligen Versicherungsforderungen etc. bestünde, oder ob zur Begleichung der fälligen Erbschaftsteuerschuld eigenes Vermögen eingesetzt oder die erworbenen (illiquiden) Vermögensgegenstände ggf. unter Wert veräußert oder belastet werden müssten.

Vorliegend sei entscheidend, dass die Antragstellerin aufgrund der ratierlichen Rentenzahlung mangels ausreichendem Zufluss aus dem Vermächtnis überwiegend eigenes Vermögen zur Begleichung der fälligen Erbschaftsteuer einsetzen müsse. Daher trete das öffentliche Interesse an einem ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug und an einer geordneten Haushaltsführung hinter das Interesse der Antragstellerin zurück.

Weitere Hinweise und Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BFH ist aus Sicht der Beratungspraxis zu begrüßen. Einen weitergehenden Rückschluss hinsichtlich des Ausgangs des beim BVerfG anhängigen Verfahrens in Bezug auf die grundsätzliche Frage der Verfassungswidrigkeit des ErbStG lässt sich dieser Entscheidung aber nicht entnehmen.

In der Praxis stellt die Erbschaftsteuer für den Steuerpflichtigen regelmäßig eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bereicherung des Erben oder Vermächtnisnehmers nicht aus Barvermögen, sondern aus betrieblich gebundenem Vermögen, Immobilienwerten oder anderweitig nicht liquiden Mitteln, wie beispielsweise eines (zukünftigen) Rentenanspruchs besteht. In diesen Fällen eröffnet die dargestellte Rechtsprechung des BFH dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, durch Antrag auf Aussetzung der Vollziehung die Fälligkeit der Erbschaftsteuerschuld bis zur endgültigen Entscheidung des BVerfG über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG aufzuschieben.

Für die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung bedarf es allerdings eines berechtigten Interesses, sodass nicht in jedem Fall unter Hinweis auf das anhängige Verfahren vor dem BVerfG die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist. In den vorgenannten Fällen, in denen die Erbschaft aus nicht liquiden Mitteln besteht, ist dieses berechtigte Interesse aber mit Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 21.11.2013  regelmäßig darstellbar.

In diesem Zusammenhang dürfen aber auch die Zinsrisiken bei Erfolglosigkeit des dem Aussetzungsantrags zu Grunde liegenden Einspruchs nicht verkannt werden. Hat die Steuerfestsetzung aufgrund der Entscheidung des BVerfG weiterhin Bestand, werden für die „Steuerstundung“ Aussetzungszinsen gem. § 237 AO in Höhe von 0,5 % je Monat (6,0 % p.a.) fällig. Aufgrund des derzeitigen Zinsniveaus kann dies einen teuren Kredit vom Fiskus darstellen. Es gilt daher in jedem Einzelfall abzuwägen, ob ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung festgesetzter Erbschaftsteuer sinnvoll ist.

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Verfassungswidrigkeit des neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts? – Vorlagebeschluss des BFH an das BVerfG

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die erneute Vorlage der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an das Bundesverfassungsgericht mit dem hier dargestellten Beschluss vom 27.09.2012 kommt nicht überraschend. Bereits in der FuS 2012, S. 39 f. haben wir über das durch den BFH eingeleitete Verfahren berichtet. In seinem Beschluss vom 05.10.2011 hatte das Gericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen (§§ 13a, 13b und 19a ErbStG) geäußert. In dem damaligen Beschluss hat der BFH das BMF aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Entgegen der vom BMF geäußerten Auffassung, dass die gültigen Vorschriften des ErbStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, ist der BFH der Auffassung, dass § 19 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 13a und 13b ErbStG in der auf den 01.01.2009 zurückwirkenden Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22.12.2009 gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verstoßen, weil die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen (Freistellung von Betriebsvermögen zu 85 % bzw. 100 %) in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgingen. Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass auch unter Berücksichtigung der Freibeträge des § 16 ErbStG und der umfangreichen Verschonungsregelungen die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme ist. Deshalb muss sich das BVerfG nun zum dritten Mal in Folge mit der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG beschäftigen. Wann das Bundesverfassungsgericht über diese Vorlage entscheiden wird, ist derzeit nicht bekannt. Das letzte Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2006 ist erst rund viereinhalb Jahre nach der entsprechenden Vorlage durch den BFH entschieden worden. Eine ähnlich lange Verfahrensdauer angenommen, würde somit erst im Jahr 2017 mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen sein. Die spannende Frage ist nun, wie der Gesetzgeber und auch die Finanzverwaltung auf die Argumentation des BFH und die aus seiner Sicht zu beanstandenden Ungereimtheiten und Missstände des bestehenden Rechts reagieren werden. Jedenfalls drohen weitere Jahre der Unsicherheit bezüglich der Weiterentwicklung des Erbschaftsteuergesetzes. Schon jetzt werden Stimmen laut, die Erbschaftsteuer endgültig abzuschaffen, weil der Gesetzgeber eingestehen müsse, dass er es zum dritten Mal in Folge nicht geschafft hat, ein den Vorgaben der Verfassung entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Andererseits werden auch diejenigen Stimmen lauter, die eine Reduzierung oder gar Abschaffung der Verschonungsregelungen auf unternehmerisches Vermögen fordern. Letztlich wird die BFH-Entscheidung erneut zum Gegenstand scharfer politischer Auseinandersetzungen im bevorstehenden Bundestagswahlkampf werden. Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist wohl damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung, wie auch in den vorangegangenen Vorlagebeschlüssen an das Bundeverfassungsgericht, die Steuerfestsetzungen nach dem Erbschaft und Schenkungsteuergesetz mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen wird. Die Folge eines solchen Vorläufigkeitsvermerks wäre, dass die Festsetzung von Erbschaft oder Schenkungsteuer im Umfang der Vorläufigkeit aufgehoben oder geändert werden kann. Solange noch kein solcher Vorläufigkeitsvermerk in aktuell ergangenen Steuerbescheiden enthalten ist, sollte vorsorglich unter Hinweis auf den BFH-Beschluss und eine mögliche Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- steuergesetzes Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt werden. Sollte das Bundesverfassungsgericht zu der Auffassung gelangen, dass das geltende Erbschaft und Schenkungsteuergesetz verfassungswidrig ist, so würden sich im Falle eines Vorläufigkeitsvermerks keine Rechtsnachteile, z.B. in Gestalt eines Wegfalls von Verschonungsabschlägen ergeben, da unter Hinweis auf § 176 Abs. 1 Satz 1 AO bereits erlassene Steuerbescheide zumindest nach herrschender Meinung nicht zu Ungunsten der Steuerpflichtigen abgeändert werden dürfen (vgl. beispielsweise Eisele, NWB 2012, S. 3453 ff., 3466 mit weiteren Nachweisen). Sollte das Bundesverfassungsgericht wider Erwarten das geltende Erbschaft und Schenkungsteuergesetz rückwirkend für verfassungswidrig erklären und nicht, wie in den vorangegangenen Verfahren, den Gesetzgeber auffordern, bis zu einem in der Zukunft gelegenen Zeitpunkt den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende gesetzliche Regelungen zu verabschieden, so wäre in der Tat in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen (z.B. mit Vorläufigkeitsvermerk versehene Steuerbescheide oder aber Steuerbescheide, gegen die Einspruch eingelegt wurde) die Steuerfestsetzung aufzuheben. Mit diesem für den Steuerpflichtigen günstigsten Fall ist aber wohl nicht zu rechnen.

Zum Sachverhalt

Der Entscheidung der Vorinstanz (Finanzgericht Düsseldorf) sowie dem BFH-Beschluss lag folgender Sachver- halt zu Grunde:

Ein Neffe war zu einem Viertel Miterbe des im Januar 2009 verstorbenen Onkels. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und eines Steuererstattungsanspruchs zusammen und belief sich auf 51.266,– `. Unter Berücksichtigung eines persönlichen Freibetrags von 20.000,– ` setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer in Höhe von 9.360,– ` fest, basierend auf dem in der Steuerklasse II vorgesehenen Steuersatz von damals noch 30 %. Der Neffe begehrte die Herabsetzung der Steuer auf 4.680,– ` und machte geltend, dass mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 der Steuersatz für die Steuerklasse II in seinem Fall auf 15 % reduziert wurde, allerdings nicht rückwirkend zum 01.01.2009, sondern erst für die Steuer, die nach dem 31.12.2009 entsteht. Gegen die Gleichstellung von Personen in der Steuerklasse II und III beim Steuersatz im Veranlagungszeitraum 2009 äußerte der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken und wollte die ab 2010 gültige Besserstellung der Steuerklasse II bereits für sich geltend machen. Das Finanzgericht Düsseldorf hat seine Klage abgewiesen und entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten sei, Personen in der Steuerklasse II erbschaftsteuerlich besser zu behandeln als Personen in der Steuerklasse III. Gegen diese Entscheidung hat sodann der Kläger Revision beim BFH eingelegt, der zu dem Beschluss geführt hat.

Entscheidungsgründe

Der BFH stützt seine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht insbesondere auf folgende Kritikpunkte am geltenden Erbschaft und Schenkungsteuergesetz:

Nach Auffassung des BFH stellt die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von Anteilen an Kapitalgesellschaften eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung dar. Nach Auffassung des BFH kann nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde. Dabei verweist der BFH auch auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim BMF aus dem Jahre 2012, das auf der Homepage des BMF abgerufen werden kann. Nach Auffassung des BFH ist auch der Begünstigungsgrund „Arbeitsplatzer- halt“ nicht tragfähig, weil mehr als 90 % aller Betriebe nicht mehr als 20 Beschäftigte hätten und schon deshalb nicht unter die Arbeitsplatzklausel fielen. In diesem Zusammenhang weist der BFH auch auf Gestaltungmöglichkeiten hin, die es seiner Auffassung nach auf einfache Art und Weise ermöglichen, diese Vorschriften zu umgehen. Sodann setzt sich der BFH ausführlich mit rechtlichen Gestaltungen auseinander, die dazu führen, dass nicht betriebsnotwendiges Vermögen ohne oder mit nur geringer Steuerbelastung auf die Nachfolgegeneration übertragen werden kann. Hier stellt er beispielsweise auf die Möglichkeit der Übertragung von liquiden Vermögen im Rahmen der sogenannten Cash-GmbH oder Cash-Personengesellschaft ab. Der BFH führt aus, dass beispielsweise ein Anteil an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, deren Betriebsvermögen aus 100 Mio. ` Festgeldguthaben besteht, nach Maßgabe der erbschaftsteuerlichen Regelungen übertragen werden kann, ohne dass Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer anfällt und ohne dass dieses Vermögen einer besonderen Gemeinwohlbindung oder Gemeinwohlverpflichtung unterliegt.

Ergänzende Hinweise

Wie oben bereits vor dem Hintergrund der verfahrensrechtlichen Situation dargestellt, sollte gegen aktuell ergangene Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheide Einspruch eingelegt werden, sofern der Steuerbescheid nicht bereits von der Finanzverwaltung mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen wird. Aus Sicht des Steuerpflichtigen und seiner Berater sollten auch die Bemühungen des Gesetzgebers, „Steuersparmodelle“ wie die Cash-GmbH oder andere Gestaltungen einzudämmen, kritisch verfolgt und im Hinblick auf die konkreten Auswirkungen auf die Gestaltung der Unternehmensnachfolge im Auge behalten werden. Die Erweiterung des Verwaltungsvermögensbegriffs in der Stellungnahme des Bundesrats zum Jahressteuergesetz 2013 zeigt hier exemplarisch, welche Dimension gesetzgeberische Gegenmaßnahmen erreichen können. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen, jetzt aber nicht in die vom Bundestag beschlossene Fassung des Jahressteuergesetzes aufgenommenen Gesetzesformulierungen wären mit sehr weitgehenden Konsequenzen für die Unternehmensnachfolge bei solchen Unternehmen verbunden, die liquiditätsmäßig Vorsorge getroffen haben und würden viele Familienunternehmen bei Schenkungen oder im Erbfall ins Mark treffen. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden längeren Unsicherheitsphase bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollten Schenkungsverträge mit Widerrufsklausel versehen werden, die auch den Fall umfassen, dass das derzeit gültige Erbschaft und Schenkungsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt wird und z.B. durch Zeitablauf außer Kraft gesetzt wird. Es wäre dann eine erbschaft- und schenkungsteuerfreie Zeit gekommen, die es ermöglichen würde, Schenkungen zu widerrufen und eine unter Inanspruchnahme des 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ursprünglich festgesetzte Schenkungsteuer zum Erlöschen zu bringen. Die erneute Schenkung zu einem Zeitpunkt, in dem kein gültiges Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz mehr vorhanden wäre, würde somit auch zu keiner Belastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer führen. Allerdings ist bei der Ausgestaltung solcher Widerrufsklauseln Vorsicht geboten. Es dürfen daraus keine grundsätzlichen Zweifel an der Wirksamkeit der Schenkung entstehen.

Erbrecht

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Beschluss des BFH betreffend die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des seit dem 01.01.2009 gültigen  neuen Erbschaftsteuergesetzes

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Problemstellung und praktische Bedeutung

Wieder einmal kommt das Erbschaftsteuergesetz auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Es liegen zwar zwischenzeitlich drei Verfahren von Finanzgerichten vor, die die gegen das neu gefasste Erbschaftsteuergesetz vorgebrachten Bedenken zurückweisen (siehe im Einzelnen die Nachweise bei Wachter, DStR 2011, S. 2331 ff.). Zwei Verfahren vor dem Finanzgericht München und dem Finanzgericht Köln haben allerdings lediglich Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zum Gegenstand, die Entscheidung in der Hauptsache stehen bei diesen Verfahren noch aus. Der BFH knüpft nun mit seinen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des neuen Erbschaftsteuergesetzes an das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf an, das das Begehren des Steuerpflichtigen nach einer günstigeren Besteuerung in der Steuerklasse II abgelehnt hatte. Die praktische Bedeutung dieses BFH-Beschlusses liegt darin, dass das Gericht die grundsätzliche Fragestellung aufwirft, ob die neuen Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen (§§ 13a, 13b und 19a ErbStG) verfassungswidrig sind, weil es diese Vorschriften ermöglichen, durch geeignete Gestaltungen Erbschaftsteuer zu vermeiden, ohne dass es dabei auf eine Gemeinwohlverpflichtung und Gemeinwohlbindung des erworbenen Vermögens ankommt. Der BFH setzt sich sehr anschaulich mit bestimmten Gestaltungsüberlegungen auseinander, die in der Beratungspraxis entwickelt wurden, um erbschaftsteuerliche Verschonungsregelungen in Anspruch nehmen zu können. Hierzu gehört beispielsweise die gewerblich geprägte Festgeld-GmbH & Co. KG, die sogenannte „Cash-GmbH“, die Begründung einer Forderungs-GmbH oder aber bestimmte Betriebsaufspaltungskonstellationen. In all diesen Fällen kann es gelingen, Vermögen ohne das Eingreifen der Lohnsummenregelung in die nächste Generation zu übertragen. Der Beschluss macht deutlich, dass die  gesamten Verschonungsregelungen und die damit verbundenen Abgrenzungsprobleme eine Gefahr für die Anerkennung der Verfassungsmäßigkeit des neuen Erbschaftsteuergesetzes darstellen. Der BFH hat das BMF aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Es ist zu erwarten, dass der BFH das Verfahren dann wohl aussetzen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit erneut dem Bundesverfassungsgericht vorlegen wird. Ob das Bundesverfassungsgericht sich dann in diesem Fall tatsächlich mit den Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen auseinandersetzen wird, bleibt abzuwarten. Die vom BFH aufgeworfenen Fragen könnten aber als willkommener Anlass in der Politik genommen werden, die derzeitigen erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen und die Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme deutlich zu verschärfen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise.

Zum Sachverhalt

Der Entscheidung der Vorinstanz (Finanzgericht Düsseldorf) sowie dem BFH-Beschluss lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Neffe war zu einem Viertel Miterbe des im Januar 2009 verstorbenen Onkels. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruchs zusammen und belief sich auf 51.266,– `. Unter Berücksichtigung eines persönlichen Freibetrags von 20.000,– ` setzte das Finanz- amt Erbschaftsteuer in Höhe von 9.360,– ` fest, basierend auf dem in der Steuerklasse II vorgesehenen Steuersatz von damals noch 30 %. Der Neffe begehrte die Herabsetzung der Steuer auf 4.680,– ` und machte geltend, dass mit dem Wachstumsbe- schleunigungsgesetz vom 22.12.2009 der Steuersatz für die Steuerklasse II in seinem Fall auf 15 % reduziert wurde, allerdings nicht rückwirkend zum 01.01.2009, sondern erst für die Steuer, die nach dem 31.12.2009 entsteht. Gegen die Gleichstellung von Personen in der Steuerklasse II und III beim Steuersatz im Veranlagungszeitraum 2009 äußerte der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken und wollte die ab 2010 gültige Besserstellung der Steuerklasse II bereits für sich geltend machen. Das Finanzgericht Düsseldorf hat seine Klage abgewiesen und entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten sei, Personen in der Steuerklasse II erbschaftsteuerlich besser zu behandeln als Personen in der Steuerklasse III. Gegen diese Entscheidung hat sodann der Kläger Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, die zu dem Beschluss des BFH vom 05.10.2011 geführt hat.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BFH hat in seinem Beschluss vom 05.10.2011 keine Entscheidung in der Sache getroffen. Vielmehr hat er das Bundesministerium der Finanzen (BMF) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Der BFH setzt sich in seinem Beschluss mit der eigentlichen Frage, ob denn im Jahr 2009 eine Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III verfassungsrechtlich bedenklich sein sollte, nur in einem kurzen Absatz seines Beschlusses auseinander. Dabei verweist er auf umfangreiche Schrift- tumsnachweise, in denen solche verfassungsrechtlichen Bedanken geäußert wurden. Sodann nutzt der BFH aber die Möglichkeit, auf verschiedenste, Eingangs bereits kurz beschriebene Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die Verschonungsregelungen des neuen Erbschaftsteuergesetzes auch für solches Vermögen zu nutzen, das nicht den  vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 07.11.2006 zum alten Erbschaftsteuergesetz definierten Anforderungen für die Inanspruchnahme von Steuerentlastungen genügt. Hierzu gehört aus der Sicht des BFH die Inanspruchnahme erbschaftsteuerlicher Begünstigungen bei gewerblich geprägten Personengesellschatten (z.B. bei einer GmbH & Co. KG). Beispielsweise wird vom BFH auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Anteil an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, deren Betriebsvermögen aus 100 Mio. ` Festgeldguthaben besteht, nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 ErbStG erbschaftsteuerfrei in die nächste Generation zu übertragen, ohne dass dieses Vermögen einer besonderen Gemeinwohlbindung oder Gemeinwohlverpflichtung unterliegt. In diesem Zusammenhang weist der BFH darauf hin, dass die vom Gesetz definierten Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme in einem solchen Fall keine Rolle spielen, da derartige gewerblich geprägten Personengesellschaften regelmäßig nicht mehr als 20 Beschäftigte haben und somit nicht unter die Lohnsummenregelung fallen (vgl. § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG). Gleiches gilt auch für den Fall, dass solches Festgeld in einer GmbH gehalten wird. In der Beratungspraxis werden solche Modelle auch als sogenannte „Cash-GmbH“ bezeichnet. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit, die Lohnsummenregelung zu unterlaufen, sieht der BFH darin, dass das wesentliche Vermögen eines Unternehmens in einer Besitzgesellschaft konzentriert wird, die nicht mehr als 20 Beschäftigte hat, wäh- rend die Betriebsgesellschaft durch Schulden belastet wird und so einen nur geringen Steuerwert aufweist. Der Entwicklung der Lohnsumme in der Betriebsgesellschaft kommt auf Grund von deren geringen erbschaftsteuerlichen Wert in diesem Fall keine besondere Bedeutung zu. Im Zuge des vom BFH geforderten Beitritts des Bundesministeriums der Finanzen wird dieses um Mitteilung gebeten, ob und ggf. welche  praktischen Erfahrungen es im Besteuerungsverfahren oder bei Anträgen auf verbindliche Auskunft zu den aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten bisher gibt. Bei der weiteren Diskussion von Gestaltungsmöglichkeiten sollte aber auch Berücksichtigung finden, dass es trotz aller Verschonungsregelungen Fälle gibt, die nicht unter die Vergünstigungsnormen fallen, z.B. eine Beteiligung an Kapitalgesellschaften von 25 % oder weniger. Auch so mancher Immobilieneigentümer wird sich zu Recht fragen, warum ein Bestand von 100 oder 200 Wohnein- heiten nicht ausreichend sein soll, um erbschaftsteuerliche Begünstigungen in Anspruch nehmen zu können. Daher gilt es die weitere Diskussion in diesem Verfahren aufmerksam zu verfolgen. Vor dem Hintergrund der derzeit vorhandenen Verschonungsregelungen sollte deren Inanspruchnahme konsequent genutzt werden. Angesichts der Staatsschuldenkrise und der in verschiedensten Parteiprogrammen erhobenen Forderung nach einer drastischen Reduzierung der Begünstigungen für Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist mit einer Abschaffung dieser Steuer nicht zu rechnen. Allerdings sollte angesichts der unsicheren Rechtslage geprüft werden, ob in Schenkungsverträgen eine Steuerklausel aufgenommen wird, die den Fall regelt, dass das geltende Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt wird. Es besteht sodann unter Hinweise auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Möglichkeit, bei Ausübung des Rückforderungsrechts die festgesetzte Steuer rückwirkend zum Erlöschen zu bringen. Dies wäre für den Fall interessant, dass das Erbschaftsteuergesetz dieses Mal rückwirkend für verfassungswidrig erklärt würde und somit bis zu einer den Anforderungen des Verfassungsrechts genügenden Neufassung des Erbschaftsteuergesetzes quasi eine erbschaftsteuerfreie Zeit gegeben sein könnte.