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Versorgungsausgleich

Keine Umgehung des gesetzlichen Verbots auf Trennungsunterhalt

Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Beschluss des BGH befasst sich mit der Wirksamkeit des vollständigen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs bei einer Alleinverdienerehe in einem (bevorstehenden) Scheidungsverfahren. Die Beteiligten hatten nach der Eheschließung unter dem Eindruck einer Ehekrise einen notariellen Vertrag (sog. Krisen-Ehevertrag) geschlossen, in dem sie gegenseitig auf den Ausgleich des Zugewinns sowie vollständig auf Unterhalt und Versorgungsausgleich verzichteten.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

  1. Der BGH kommt hier zum Ergebnis, dass der Verzicht auf Versorgungsausgleich, Unterhalt und Zugewinnausgleich sowohl für sich genommen als auch im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht zu einer sittenwidrigen Benachteiligung des verzichtenden Ehegatten gemäß 138 Abs. 1 BGB geführt haben. Nach ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung unterliegen die Regelungen zu den Scheidungsfolgen zwar grundsätzlich der Disposition der Ehegatten, gleichwohl darf diese Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen beliebig unterlaufen werden kann.
  1. Der Versorgungsausgleich steht als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Disposition nur begrenzt Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist schon für sich genommen sittenwidrig und damit unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte auf Grund des schon bei Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Der BGH kommt hier zu dem Ergebnis, dass der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs wirksam ist, da die durch den Ausschluss benachteiligte Ehefrau ausreichende Kompensationsleistungen erhalten habe. Entscheidend hierfür ist, ob die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für den belasteten Ehegatten durch die ihm versprochenen Gegenleistungen ausreichend abgemildert werden. Die von dem begünstigten Ehegatten vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen müssten zwar zu einem angemessenen, aber nicht notwendig zu einem gleichwertigen Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich führen. Eine sog. Halbteilungskontrolle wie sie beim gerichtlich durchzuführenden Versorgungsausgleich vorgesehen ist (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) findet bei der Inhaltskontrolle von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich mithin nicht statt. Unzureichend seien die Kompensationsleistungen allenfalls dann, wenn sie nicht annähernd geeignet sind, die aufgrund des geplanten Zuschnitts der Ehe sicher vorhersehbaren oder die bereits entstandenen ehebedingten Vermögensnachteile des verzichtenden Ehegatten zu kompensieren. Eine derartige Ungeeignetheit der vereinbarten Kompensationsleistungen wurden von der Ehefrau nicht vorgetragen und konnte das Gericht hier auch nicht feststellen.
  1. Ein vereinbarter Verzicht auf den Zugewinnausgleich unterliegt keinen Wirksamkeitsbedenken am Maßstab des § 138 BGB, da dieser nach ständiger und vorliegend wieder bestätigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vom Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts umfasst wird. Im vorliegenden Fall war der Verzicht schon deshalb rechtlich unbedenklich, weil dieser nicht kompensationslos erfolgte.
  1. Schließlich bestanden auch keine Wirksamkeitsbedenken gegen den vollständigen Verzicht auf nachehelichen Der dem Kernbereich zuzurechnende Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB war nicht betroffen, weil der gemeinsame Sohn der Beteiligten bereits 17 Jahre alt und mit weiteren Kindern nicht mehr zu rechnen war. Eine Sittenwidrigkeit lag hier nicht vor, da aufgrund des eigenen, aus Erbschaften herrührenden Vermögens der Ehefrau und der ihr vom Ehemann im Ehevertrag zugesagten Kompensationsleistungen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden konnte, dass die Ehefrau später im Falle von Alter oder Krankheit in eine finanzielle Notlage geraten würde. Ein Ausschluss des Unterhalts wegen Erwerbslosigkeit begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, weil dieser grundsätzlich nachrangig ist und nur ganz ausnahmsweise in den Fokus richterlicher Wirksamkeitskontrolle rücken kann, wenn dem belasteten Ehegatten aufgrund des beabsichtigten bzw. gelebten Ehemodells ehebedingte Nachteile im beruflichen Fortkommen entstehen.
  1. Auf zweiter Stufe ist im Rahmen der Inhaltskontrolle zu prüfen, ob trotz Wirksamkeit der einzelnen Vertragsregelungen die Gesamtbetrachtung des Vertrages sich als sittenwidrig erweist, weil das Zusammenwirken aller Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung des Ehegatten abzielt. Auf die insoweit verlangte verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist zu schließen, falls ein unausgewogener Vertragsinhalt auf eine einseitige Dominanz hinweist und die Vertragsparität gestört Eine subjektive Störung der Vertragsparität hat der BGH hier mit der Begründung verneint, da die Vereinbarung unter anwaltlichem Beistand auf beiden Seiten nach langen Verhandlungen und genügender Überlegungszeit im Hinblick auf eine bereits bestehende Ehekrise abgeschlossen wurde.
  2. Schließlich ist im Rahmen der Ausübungskontrolle zu untersuchen, ob es dem Begünstigten nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die ihn begünstigenden Regelungen zu berufen, weil sich aus dem vereinbarten Ausschluss eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen Lebensplanung grundlegend abweicht. Hierzu gab der Sachverhalt keinen Anlass.
  1. Der BGH bestätigt im Wesentlichen die von ihm in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Zu beachten ist, dass bei im Hinblick auf eine bevorstehende Scheidung abgeschlossenen familienrechtlichen Verträgen eher damit gerechnet werden muss, dass die belastenden Vertragsbestimmungen in absehbarer Zeit zum Tragen kommen können. Sie haben somit eine höhere Bestandskraft als vor der Ehe abgeschlossene Eheverträge. In jedem Fall sollten bei Totalverzichten, sofern sie den Kernbereich betreffen, im Ehevertrag immer ausreichende Kompensationsleistungen vereinbart Obwohl der BGH die geleisteten Kompensationsleistungen in seiner Entscheidung jeweils bei allen Scheidungsfolgenansprüchen aufgeführt hat, sollten bei der Ehevertragsgestaltung wie bisher auch –, die Kompensationsleistungen konkret einzelnen Verzichten zugeordnet werden. Bestätigt hat der BGH schließlich auch, dass durch eigene anwaltliche Vertretung des „benachteiligten“ Ehegatten das Indiz der Imparität, das sich aus dem objektiven Vertragsinhalt ergibt, widerlegt werden kann.

Rechtsprechung

GmbH-Gesellschafterliste – Zur Wirksamkeit von Beurkundungen in der Schweiz

Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar, Dr. Alexander Haines, Rechtsanwalt und Notar

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Entscheidung des BGH betrifft zuvorderst die handelsregisterrechtliche Frage, inwieweit das Handelsregister eingereichte Gesellschafterlisten einer GmbH prüfen und ggf. zurückweisen darf. Bei jeder Veränderung der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung an der GmbH (zum Beispiel bei Gesellschafterwechseln aufgrund von Abtretungen oder Erbfolge) ist eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen. Grundsätzlich ist der Geschäftsführer zuständig und verpflichtet, die neue Gesellschafterliste einzureichen (§ 40 Abs. 1 GmbHG). Hat ein Notar an solchen Veränderungen mitgewirkt, so ist er für die Listeneinreichung zuständig (§ 40 Abs. 2 GmbHG).  Bisher höchstrichterlichungeklärt war die Frage, inwieweit das Handelsregister neu eingereichte Gesellschafterlisten überprüfen darf. Der BGH hat mit diesem Beschluss die Prüfungskompetenz der Handelsregister  deutlich eingegrenzt.

Inzident war vom BGH auch darüber zu entscheiden, ob ausländische Notare wirksam GmbH-Anteilsabtretungsverträge beurkunden können. Die Frage, ob solche Verträge im Ausland beurkundet werden können und wer in einem solchen Fall für die Einreichung der neuen Gesellschafterliste zuständig ist, ist nach Inkrafttreten des sog. MoMiG 2008 streitig. Mit dem MoMiG wurde die Gesellschafterliste zum wichtigsten Nachweisdokument bei der GmbH, da sie sämtliche Veränderungen im Bestand der Gesellschafter abbilden soll und nur Gesellschafter, die in der Liste aufgenommen sind, gegenüber der GmbH legitimiert sind, die Rechte der Gesellschafter wahrzunehmen (§ 16 Abs. 1 GmbHG).

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde eine GmbH-Anteilsabtretung von einem Notar in Basel-Stadt, Schweiz, beurkundet. Dieser Notar reichte eine von ihm erstellte und mit einer Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 GmbHG versehene Gesellschafterliste ein, die den Erwerber als Inhaber der Geschäftsanteile auswies. Das Registergericht lehnte die Aufnahme der Liste in das elektronische Handelsregister ab, da sie nicht von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl unterzeichnet sei. Die Unterzeichnung durch den Schweizer Notar genüge deshalb nicht, weil dieser nicht zuständig sei. Die grundsätzliche Zuständigkeit der Geschäftsführer nach § 40 Abs. 1 GmbHG werde nach Ansicht des Registergerichts nur dann verdrängt, wenn der die Abtretung beurkundende Notar nach § 40 Abs. 2 GmbHG auch zur Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste verpflichtet sei. Der ausländische Notar könne aber nicht durch den deutschen Gesetzgeber zur Erstellung und Einreichung der Gesell- schafterliste verpflichtet werden. Das OLG München als Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Registergerichts bestätigt.

Der BGH hielt dagegen die gegen die Entscheidung des OLG München eingelegte Rechtsbeschwerde für begründet. Das Handelsregister hat nach Ansicht des BGH nur zu prüfen, ob die eingereichte Liste von den Geschäftsführern oder einem Notar stammt, der an den Veränderungen mitgewirkt hat (Prüfung der sog. formalen Einreichungszuständigkeit). Das Handelsregister sei nicht dafür zuständig, die Berechtigung des Geschäftsführers oder Notars zur Einreichung der Liste im konkreten Einzelfall zu überprüfen, da sonst die angestrebte schnelle Veröffentlichung der Liste im Handelsregister nicht erreicht wird. Die von einem ausländischen Notar eingereichte Gesellschafterliste könne vom Registergericht im Rahmen seines formellen Prüfungsrechts nur dann zurückgewiesen werden, wenn dieser unter keinerlei Umständen zur Einreichung einer Gesellschafterliste berechtigt sei. Nach Ansicht des BGH ist dies aber nicht Fall, da auch ein im Ausland ansässiger Notar grundsätzlich zur Einreichung der Gesellschafterliste berechtigt sei, wenn die von ihm vorgenommene Beurkundung einer Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig und deshalb auch im Inland wirksam sei. Die Einreichungskompetenz ergebe sich als Annex zur Beurkundungskompetenz. Ob das Registergericht neben diesem formellen Prüfungsrecht ein beschränktes materielles Prüfungsrecht hat und die Aufnahme einer Gesellschafterliste zumindest dann verweigern kann, wenn die Gesellschafterliste offensichtlich inhaltlich unrichtig ist, lässt der BGH ausdrücklich offen. Denn offensichtliche Unrichtigkeit im Zusammenhang mit einer Auslandsbeurkundung sei nur dann anzunehmen, wenn für das Registergericht ohne Weiteres feststeht, dass die Beurkundung im Ausland nicht gleichwertig sei. Dies sei bei einer Beurkundung bei einem Basler Notar, dessen Gleichwertigkeit zumindest vor dem MoMiG und der Reform des Schweizer Obligationenrechts von 2008 anerkannt war, nicht der Fall. Der BGH bejaht damit entgegen gewichtigen Stimmen im Schrifttum, dass auch nach Änderung des GmbH-Gesetzes durch das MoMiG die Beurkundung einer Anteilsabtretung im Ausland im Grundsatz zulässig sei, wenn die Beurkundung durch den ausländischen Notar gleichwertig ist. Der BGH wiederholt dann zwar in seinem Urteil die bisher von ihm aufgestellten Voraussetzungen zur Gleichwertigkeit. Danach ist Gleichwertigkeit gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deut- schen Notars entsprechende Funk- tion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkun- dungsrechts entspricht.

Die Frage, ob eine Beurkundung durch einen Baseler oder sonstigen Schweizer Notar tatsächlich diesen Anforderungen genügt, hat der BGH allerdings offengelassen, da dies hier nicht entscheidungserheblich war. Leider hat es der BGH damit versäumt, umfassend zu der Frage, wann ein ausländisches Beurkundungsverfahren mit dem deutschen Beurkundungsverfahren vergleichbar ist, Stellung zu nehmen. So ist weiterhin umstritten, ob Gleichwertigkeit erfordert, dass das ausländische Beurkundungsverfahren als gesetzliche Mindestanforderung zwingend das Verlesen der Niederschrift vorsieht oder ob die bloß freiwillige Einhaltung des deutschen Beurkundungsverfahrens ausreichend ist. In dem in der hier besprochenen Entscheidung mehrmals zitierten BGH-Beschluss vom 16. Februar 1981 ist der BGH wohl von einer zwingenden Verlesung bei Beurkundungen ausgegangen. Tatsächlich ist dagegen in vielen Kantonen der Schweiz das Selbstleseverfahren als gleichwertig zugelassen (z.B. § 33 NotariatsG Basel-Stadt). Wenn die Urkunde aber nicht zwingend zu verlesen ist, so handelt es sich aus deutscher Sicht eher um ein Beglaubigungs als um ein Beurkundungsverfahren. Das Selbstleseverfahren ist dem deutschen Beurkundungsverfahren, das zwingend die Verlesung vorsieht, nicht vergleichbar.

Schweizer Notare wie in Basel halten das Beurkundungsverfahren, das dem deutschen vergleichbar ist, dementsprechend nicht wie die deutschen Notare aufgrund ihrer Amtspflicht ein, sondern lediglich aufgrund des Wunsches der Parteien (z.B. § 33 NotariatsG, Basel-Stadt). Ob ein solches Verfahren, dass mithin der Dispositionsfreiheit der Parteien und des Notars unterliegt, dem deutschen Beurkundungsverfahren vergleichbar ist, erscheint zumindest zweifelhaft.

Unerheblich soll es dagegen für die Gleichwertigkeit sein, ob der ausländische Notar genaue Kenntnis vom materiellen deutschen (Gesellschafts-) Recht hat. Der BGH geht vielmehr davon aus, dass die Urkunds- beteiligten dies von einem ausländischen Notar gerade nicht erwarten und hierauf verzichten. Dies erscheint insofern bedenklich, als sich auch der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit stets aus dem materiellen Recht ergibt und der ausländische Notar somit für Fehler in diesem Zusammenhang, die regelmäßig zur Unwirksamkeit des Vertrages führen, den Parteien gegenüber nicht verantwortlich ist. So ist im Schrifttum von Schweizer Berufsträgern bereits darauf hingewiesen worden, dass der Schweizer Notar nicht für die Wirksamkeit der Beurkundung haftet, sondern sich die Parteien insoweit an ihre deutschen Rechtsanwälte halten müssen.

Konsequenzen

In der Praxis ist die Beurkundung durch Baseler oder sonstige Schweizer Notare also weiterhin mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden. Da nunmehr feststeht, dass das Registergericht nur eine ein- geschränkte Prüfungskompetenz im Zusammenhang mit der Aufnahme einer Gesellschafterliste hat, werden sich in Zukunft die Fälle häufen, in denen der Listengesellschafter nicht mit dem wahren Gesellschafter übereinstimmt. Denn eine Gesellschafterliste muss bereits dann vom Handelsregister aufgenommen werden, wenn die ausländische Beurkundung nicht offensichtlich ungleichwertig ist, während es für die Wirksamkeit der Abtretung oder sonstigen Verfügung (z.B. Verpfändung) neben der grundsätzlichen Gleichwertigkeit des Notars auch auf die Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens im konkreten Fall ankommt. Bei den gerade im Zusammenhang mit Verpfändungsverträgen üblichen Legal Opinions werden insbesondere die Banken als Pfandgläubiger bei einer Beurkundung im Ausland darauf zu achten haben, dass diese im Hinblick auf die Wirksamkeit der Beurkundung ohne jegliche Einschränkung und unbedingt abgegeben werden. Auch Erwerber von GmbH-Anteilen sollten die Wirksamkeit von durch Auslandsbeurkundung entstandenen Veränderungen der Gesellschafterstruktur, die in der Gesellschafterliste wiedergegeben sind, genau prüfen.

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Ergebnisverwendung

Satzungsdurchbrechung – Zu den Wirksamkeitsvorausset- zungen eines von der gesellschaftsrechtlichen Regelung abweichenden   Gewinnverwendungsbeschlusses

Dr. Sabine Funke, Rechtsanwältin und Notarin; Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Entscheidung des OLG Dresden betrifft das in der gesellschaftsrechtlichen Praxis häufig vorkommende Thema sog. satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschlüsse. Als satzungsdurchbrechend bezeichnet man einen Gesellschafterbeschluss, der eine Regelung enthält, die zum Gesellschaftsvertrag im Widerspruch steht, ohne diesen jedoch generell für die Zukunft abändern zu wollen. Vielmehr soll für zukünftige Fälle die betroffene gesellschaftsvertragliche Regelung unverändert fortgelten. Dabei ist weiterhin zwischen punktuellen Satzungsdurchbrechungen und Satzungsdurchbrechungen mit Dauerwirkung zu unterscheiden. Unter punktuellen Satzungsdurchbrechungen sind Beschlüsse zu verstehen, bei denen sich die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme erschöpft, wie etwa die Befreiung eines Gesellschafters vom Wettbewerbsverbot für einen ganz konkreten Einzelfall. Eine Satzungsdurchbrechung mit Dauerwirkung liegt demgegenüber dann vor, wenn der vom Gesellschaftsvertrag abweichende Gesellschafterbeschluss eine fortdauernde Wirkung besitzt und sei es auch nur für einen beschränkten Zeitraum. Hierzu gehören etwa Beschlüsse, die einen Gesellschafter generell von einem Wettbewerbsverbot befreien, oder die Wahl von mehr Beiratsmitgliedern für eine bestimmte Periode als dies der Gesellschaftsvertrag vorsieht. Für satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse gelten besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen. Punktuelle Satzungsdurchbrechungen bedürfen nach der höchstrichterlich allerdings noch nicht bestätigten Rechtsprechung zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung sämtlicher Vorschriften über die Änderung des Gesellschaftsvertrages (mit qualifizierter Mehrheit zu fassender und notariell zu beurkundender Gesellschafterbeschluss gemäß § 53 GmbHG), mit Ausnahme der Anmeldung und Eintragung des Beschlusses im Handelsregister. Wird den Voraussetzungen an die Beschlussfassung nicht entsprochen, ist der Beschluss wohl anfechtbar. Haben jedoch sämtliche Gesellschafter dem Beschluss zugestimmt, so ist der Beschluss wirksam.Satzungsdurchbrechungen mit Dauerwirkung bedürfen zu  ihrer Wirksamkeit ebenalls der Einhaltung sämtlicher Vorschriften über die Änderung des Gesellschaftsvertrages, allerdings zusätzlich der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister (§ 54 GmbHG). Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, ist der Beschluss unwirksam und zwar auch dann, wenn ihm sämtliche Gesellschafter zugestimmt haben.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

In dem vom OLG Dresden zu entscheidenden Fall gab der Gesellschaftsvertrag vor, vom Jahresüberschuss der Gesellschaft vor Steuern abzüglich eines Verlustvortrages ein Viertel in die Gewinnrücklage einzustellen und den verbleibenden Betrag grundsätzlich an die Gesellschafter auszuschütten. Die Gesellschafter fassten über mehrere Jahre hiervon abweichende Gesellschafterbeschlüsse, die im Wesentlichen zu niedrigeren Rücklagenzuführungen und höheren Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter führten. Da für keinen der Gesellschafterbeschlüsse die Vorschriften über Gesellschaftsvertragsänderungen eingehalten wurden, fassten die Gesellschafter später in einer notariell beurkundeten Gesellschafterversammlung einen Bestätigungsbeschluss, mit dem sämtliche der satzungsdurchbrechenden Gewinnverwendungsbeschlüsse bestätigt wurden. Dieser wurde anschließend zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das Registergericht lehnte die Eintragung des Bestätigungsbeschlusses ab, da die Gewinnverwendungsbeschlüsse nicht bewusst entgegen der gesellschaftsvertraglichen Regelung gefasst worden und daher nicht satzungsdurchbrechend seien. Hiergegen richtete sich die Beschwerde, über die das OLG Dresden zu ent- scheiden hatte. Das OLG Dresden ist der Sichtweise des Registergerichts zu Recht nicht
gefolgt. Zutreffend weist das Gericht zunächst darauf hin, dass es für den Begriff der Satzungsdurchbrechung unerheblich sei, ob die Gesellschafter bei ihrer Beschlussfassung eine Satzungsänderung bewusst herbeiführen wollen oder nicht. Das Gericht stuft sodann die Gewinnverwendungsbeschlüsse, und zwar jeden einzelnen von ihnen, als satzungsdurchbrechende Beschlüsse mit Dauerwirkung ein und nicht lediglich als punktuelle Satzungsdurchbrechung. Die Ausschüttung der für die Rücklagen gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Beträge wirke sich nämlich über die laufende Abrechnungsperiode aus, da die nicht für die Rücklagen verwendeten Beträge auch in zukünftigen Perioden nicht mehr als Eigenkapital zur Verfügung stünden. Eine Heilung der Beschlüsse komme nur durch beurkundeten Bestätigungsbeschluss und dessen Eintragung in das Handelsregister in Betracht.Für die Praxis bedeutet die Entscheidung für vergleichbare Fälle ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit. Die Entscheidung zeigt zugleich aber auch, dass bereits bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages mögliche Durchbrechungen der gesellschaftsrechtlichen Regelung durch entsprechende Öffnungsklauseln antizipiert werden sollten. Denn eine Satzungsdurchbrechung liegt dann nicht vor, wenn der Gesellschaftsvertrag die Abweichung von der fraglichen Satzungsregelung gestattet. Dabei ist zu beachten, dass Öffnungsklauseln immer für jeden konkreten Einzelfall angeordnet werden müssen. Ein lediglich allgemeiner Vorbehalt im Gesellschaftsvertrag zugunsten abweichender Gesellschafterbeschlüsse oder schematische Vorbehaltsklauseln für eine Vielzahl von gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen sind nach allgemeiner Auffassung nicht genügend.

Bedingung und Zeitbestimmung

Publizitätswirkung der GmbH Gesellschafterliste – Kein gutgläubiger Zweiterwerb eines zuvor bereits aufschiebend bedingt abgetretenen GmbH-Geschäftsanteils

Dr. Sabine Funke, Rechtsanwältin und Notarin, Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

  1. Das Registergericht ist berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen §40 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt.
  1. Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach § 161 3 BGB i.V.m. § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.

 

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der vorstehend mit seinen amtlichen Leitsätzen wiedergegebene Beschluss des BGH nimmt zu einer der seit Reform des GmbHG durch das MoMiG in Schrifttum und obergerichtlicher Rechtsprechung umstrittensten Fragen im Zusammenhang mit der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen Stellung. In der Vertragspraxis ist es zur Gewährleistung einer Zug- um-Zug Abwicklung üblich, die Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen aufschiebend durch den Eingang des Kaufpreises beim Veräußerer zu bedingen. Dadurch wird sichergestellt, dass der Veräußerer die Rechtsinhaberschaft an dem veräußerten Geschäftsanteil erst dann verliert, wenn er auch den vereinbarten Kaufpreis erhalten hat. Gleichzeitig ist der Erwerber gesetzlich geschützt, falls der Veräußerer den Geschäftsanteil bis zum Bedingungseintritt an einen Dritten veräußert. § 161 Abs. 1 BGB bestimmt nämlich, dass mit Bedingungseintritt (Kaufpreiszahlung) jede in der Zwischenzeit vorgenommene weitere Verfügung (Veräußerung, Belastung) unwirksam ist. Auf dieser Schutzwirkung des § 161 Abs. 1 BGB basiert auch die Absicherung des Treugebers bei Treuhandverträgen (aufschiebend auf die Beendigung des Treuhandvertrages bedingte Abtretung des Geschäftsanteils an den Treugeber) sowie des Übergebers bei vorweggenommener Erbfolge (bedingte Rückabtretung für den Fall der Ausübung vertraglich vereinbarter Widerrufsrechte). Durch die mit dem MoMiG erstmals eingeführte Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen ist fraglich geworden, ob sich durch die aufschiebend bedingte Abtretung allein die gewünschte Absicherung der Vertragsparteien weiterhin erreichen lässt. Denn die Sicherung des Ersterwerbers bei bedingter Abtretung versagt nach § 161 Abs. 3 BGB grundsätzlich gegenüber einem gutgläubigen Zweiterwerber. Die herrschende Meinung im Schrifttum hielt die aufschiebend bedingte Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen für einen Anwendungsfall des § 161 Abs. 3 BGB, da die Gesellschafterliste infolge der bedingten Abtretung unrichtig sei und daher ein gutgläubiger (Zweit-)Erwerb von dem nicht mehr berechtigten, aber weiterhin in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter in Betracht komme mit der Folge, dass der Ersterwerber bei Bedingungseintritt den Geschäftsanteil nicht erwerbe. Die Praxis hat hierauf reagiert und im Wesentlichen zwei Modelle zur Sicherung der Rechtsposition des Ersterwerbers entwickelt. Beim sog. Zwei-Listen-Modell wurde unmittelbar im Anschluss an die Beurkundung eine erste Gesellschafterliste eingereicht, die den mit Bedingungseintritt erfolgenden, zukünftigen Erwerb durch den Käufer durch einen entsprechenden Vermerk ankündigte, und eine zweite Liste nach Bedingungseintritt, d.h. nach erfolgter Abtretung. Beim Widerspruchsmodell bewilligte der Verkäufer die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der Gesellschafterliste. Beide Varianten zielen darauf ab, die fehlende Berechtigung des Gesellschafters offenzulegen und so einen etwaigen guten Glauben auszuschließen. Nicht geeignet sind diese Sicherungsmittel allerdings bei Treuhandverträgen, bei denen typischerweise gerade keine Transparenz hinsichtlich des wirtschaftlich Berechtigten gewollt ist. Dem Sachverhalt des BGH Beschlusses lag das vorstehend beschriebene Zwei-Listen-Modell zugrunde. Das Registergericht hat die Aufnahme der unmittelbar nach der bedingten Abtretung eingereichten und mit entsprechendem Vermerk versehenen ersten Liste abgelehnt und wurde darin durch das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht bestätigt. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde beim BGH.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BGH hat die Entscheidungen des Registergerichts und des Oberlandesgerichts bestätigt und entschieden, dass das Registergericht berechtigt sei, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die keine Veränderungen in der Person der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern nur ankündigt. Weiterhin hat der BGH entschieden, dass das in § 161 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Prioritätsprinzip, das den Ersterwerber nach einer bedingten Anteilsabtretung gegen einen Zweiterwerb schützt, durch die Einführung des gutgläubigen Erwerbs in § 16 Abs. 3 GmbH nicht außer Kraft gesetzt wurde. Ein vorrangiger Schutz des gutgläubigen Zweiterwerbers nach § 161 Abs. 3 BGB komme nur dann in Betracht, wenn nach den einschlägigen Vorschriften über den jeweiligen Verfügungsgegenstand der gute Glaube in die Verfügungsbefugnis geschützt sei. Bei GmbH- Geschäftsanteilen erstrecke sich der

Stiftung

Gutglaubensschutz der Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 3 GmbHG aber nur auf den guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft des eingetragenen Gesellschafters. Die Gesellschafterliste begründe dagegen keinen Vertrauenstatbestand für die Freiheit des Geschäftsanteils von Belastungen (Nießbrauch, Pfandrecht) oder dafür, dass der Gesellschafter gesellschaftsvertraglich in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit. Da ein gutgläubiger Erwerb der Geschäftsanteile von demjenigen, der diese bereits aufschiebend bedingt übertragen hat, nicht möglich ist, bedarf es keiner weiteren Maßnahmen zur Sicherung des endgültigen Erwerbs durch den Käufer. Die damit einhergehende und dem gesetzgeberischen Plan, die Due Diligence Prüfung bei Anteilskäufern zu erleichtern zuwiderlaufende weitere Beschränkung der Reichweite des § 16 Abs. 3 GmbHG ist zugunsten dieses Zugewinns an Rechtssicherheit hinzunehmen. Entschieden hat der BGH ferner, dass es nicht im Belieben der Beteiligten steht, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen. Außer dem Tatbestand der erfolgten aufschiebend bedingten Abtretung können somit auch keine sonstigen Verfügungsbeschränkungen und wohl auch keine Belastungen (z.B. Pfandrechte) in die Gesellschafterliste aufgenommen werden. Hierzu hat das OLG München jüngst entschieden, dass das Registergericht berechtigt sei, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die einen Testamentsvollstreckervermerk enthält, da die Gesellschafterliste gerade keinen Vertrauenstatbestand dafür begründe, dass der Gesellschafter in seiner Verfügungsmacht über den Geschäftsanteil beschränkt sei (OLG München, Beschl. v. 15.11.2011, 31 Wx 274/11).