Erbrecht

Bundesverfassungsgericht erklärt die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung für verfassungswidrig

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

(Auszugsweise Wiedergabe der Leitsätze des Urteils)

IV. Die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestal- tungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

a. Es liegt allerdings im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der Erbschaftsteuer weitgehend oder vollständig freizustellen. Für jedes Maß der Steuerverschonung benötigt der Gesetzgeber allerdings tragfähige Rechtfertigungsgründe.

b. Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.

c. Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz verfassungsgemäß; die Freistellung von der Mindestlohnsumme privilegiert aber den Erwerb von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig.

d. Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie den Erwerb von begünstigtem Vermögen selbst dann uneingeschränkt verschont, wenn es bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, ohne dass hierfür ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt.

 

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH vom 27.09.2012 musste sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Frage auseinandersetzen, ob das seit 01.01.2009 gültige Erbschaftsteuerrecht verfassungskonform ausgestaltet ist. Vom BFH kritisiert wurde insbesondere die umfassende Verschonung von unternehmerischem Vermögen nach den §§ 13a, 13b ErbStG, die nach dessen Auffassung zu einer „das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung“ führe.

Angesichts der am Verkehrswert orientierten Neuregelung der Bewertung von betrieblichem Vermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer kommt der Inanspruchnahme von Verschonungsregelungen in der Unternehmensnachfolge eine hohe praktische Bedeutung zu.

II. Zum Sachverhalt

In dem vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Ausgangsverfahren ging es nicht um die steuerliche Verschonung für betriebliches Vermögen. Vielmehr war der Kläger des Ausgangsverfahrens Miterbe nach dem 2009 verstorbenen Erblasser. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer mit einem Steuersatz von 30 % nach Steuerklasse II fest. Der Kläger machte geltend, die nur für das Jahr 2009 vorgesehene Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III sei verfassungswidrig. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Im Revisionsverfahren hatte der Bundesfinanzhof mit dem vorgenannten Beschluss vom 27.09.2012 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 ErbStG in der 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind. Der BFH vertrat die Auffassung, dass die Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III in § 19 Abs. 1 ErbStG zwar verfassungsrechtlich hinzunehmen sei, jedoch sei diese Vorschrift in Verbindung mit den Steuervergünstigungen der §§ 13a und 13b ErbStG gleichheitswidrig.

III. Entscheidungsgründe

In dem mit Spannung erwarteten Urteil kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass die §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 ErbStG in Teilen gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßen und damit verfassungswidrig sind. Im Einzelnen begründet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung wie folgt:

Zulässigkeit des Verfahrens und Gesetzgebungskompetenz des Bundes:

Zunächst führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Vorlage des Bundesfinanzhofs im Wesentlichen zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht stellt auch klar, dass für die vorgelegten Normen des ErbStG eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG besteht. Diese Gesetzgebungskompetenz wurde im Vorfeld der Entscheidung verschiedentlich in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass der Bundesgesetzgeber davon ausgehen durfte, dass ohne bundesgesetzliche Regelung eine Rechtszersplitterung mit nicht unerheblichen Nachteilen für Erblasser und Erwerber betrieblichen Vermögens wie auch für die Finanzverwaltung zu befürchten wäre.

Sodann befasst sich das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen mit den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen für den Übergang betrieblichen Vermögens und begründet seine Auffassung, warum diese in Teilen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Verschonungsregelungen grundsätzlich  verfassungsgemäß

Trotz der mit den Verschonungsregelungen verbundenen Ungleichbehandlungen der Erwerber betrieblichen und nichtbetrieblichen Vermögens, die im Hinblick auf den Verschonungsabschlag von 85 % oder 100 % ein enormes Ausmaß erreichen können, hält das Bundesverfassungsgericht die §§ 13a und 13b ErbStG für grundsätzlich geeignet und im Grundsatz auch erforderlich, um die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen. Das Bundesverfassungsgericht attestiert dem Gesetzgeber insoweit einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum. Das Gericht anerkennt in seiner Entscheidung die Einschätzung des Gesetzgebers, dass eine ernsthafte Gefahr von Liquiditätsproblemen im Falle einer vollen Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von Unternehmen unterstellt werden kann. Die im Vorfeld des Urteils immer wieder diskutierte Frage, ob es eines empirischen Nachweises für die Gefährdung von Unternehmen durch die Erbschaftsteuer bedarf, verneint das Bundesverfassungsgericht. Wörtlich heißt es hierzu in der Tz. 152 der Entscheidung: „Durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass in nicht nur seltenen Fällen eine Belastung der Unternehmensnachfolge mit Erbschaft- und Schenkungsteuer die Betriebe in Liquiditätsschwierigkeiten bringen kann und letztlich Arbeitsplätze gefährdet…, liegt es auch im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, die Verschonung ohne individuelle Bedürfnisprüfung zu gewähren.“ Das Bundesverfassungsgericht anerkennt in diesem Zusammenhang auch, dass die Stundungsregelung, wie sie beispielsweise in § 28 ErbStG verankert ist, keine ebenso effektive Entlastung bewirkt wie eine Befreiungsnorm. Auch der Verschonungsabschlag von 100 % wird vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzgebers, kleine und mittelständische, durch personale Führungsverantwortung geprägte Unternehmen – insbesondere Familienunternehmen – zu fördern und zu erhalten, im Grundsatz anerkannt.

Anwendung der Verschonungsrege- lungen bei großen Unternehmensvermögen erfordert eine individuelle Bedürfnisprüfung

Allerdings sieht es das Bundesverfassungsgericht als unverhältnismäßig

an, wenn die Ungleichbehandlung zwischen begünstigtem unternehmerischen und nicht begünstigtem sonstigen Vermögen auf Unternehmen Anwendung findet, welche die Größe kleiner und mittlerer Unternehmen überschreiten. Zwar schließt das Bundesverfassungsgericht nicht aus, dass auch sehr große Unternehmen im Falle des Wegfalls von Verschonungsabschlägen durch eine entsprechend hohe Erbschaft- oder Schenkungsteuerbelastung der Erwerber in finanzielle Schwierigkeiten geraten und an Investitionskraft verlieren könnten. Diese Risiken können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis auch die Steuerverschonung sehr großer Unternehmen rechtfertigen. Allerdings wird die Verhältnismäßigkeit dieser Ungleichbehandlung dann aber vom Bundesverfassungsgericht an eine Bedürfnisprüfung geknüpft. Das Bundesverfassungsgericht lässt in seiner Entscheidung offen, ab wann genau die aus der Steuerverschonung des unentgeltlichen Erwerbs unternehmerischen Vermögens folgende Ungleichbehandlung nicht mehr verhältnismäßig ist und es einer solchen Bedürfnisprüfung bedarf. Als mögliche Orientierung verweist das Bundesverfassungsgericht auf die in der EU gültige Definition für kleine und mittlere Unternehmen, zu denen solche gezählt werden, die weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. € beläuft. Ergänzend bringt das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch eine Förderungshöchstgrenze ins Spiel. Es verweist in seiner Entscheidung auf den ursprünglichen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unternehmensnachfolge vom 30.05.2005, in dem eine Förderungshöchstgrenze von 100 Mio. € (bezogen auf den einzelnen Erwerb) vorgesehen war, bis zu dem die Steuerverschonung möglich sein soll.

Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Anwendung der Lohnsummenregelung ist verfassungswidrig

Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Lohnsummenregelung im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, nicht jedoch die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten, wird damit begründet, dass Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten dadurch unverhältnismäßig privilegiert würden. Das Bundesverfassungsgericht verweist auf die Ausführungen des Bundesfinanzhofs, wonach weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte haben. Betriebe könnten daher fast flächendeckend die steuerliche Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen, obwohl der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht so hoch ist, wie das teilweise geltend gemacht würde.

Regelungen zum Verwaltungsvermögen sind verfassungswidrig

Auch die Ausgestaltung der Regelungen zum Verwaltungsvermögen ist nach Auffassung des Gerichts nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit diese begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss eines Verschonungsabschlags und der sonstigen Begünstigungen bringen. Das Bundesverfassungsgericht sieht es als problematisch an, dass die großzügige Freistellung von Verwaltungsvermögen von bis zu 50 % steuerliche Gestaltungen, z.B. die Verlagerung von privatem in betriebliches Vermögen, begünstigt.

Gestaltungsanfälligkeit des ErbStG

Im Zusammenhang mit der Lohnsummenregelung und der Regelung zum Verwaltungsvermögen wird das ErbStG auch insoweit vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt, als es Gestaltungen zulässt, mit denen Steuerentlastungen erzielt werden können, die es nicht bezweckt und die gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind. In diesem Zusammenhang weist das Bundesverfassungsgericht auf Gestaltungen hin, welche die Lohnsummenpflicht durch Betriebsaufspaltungen umgehen oder welche sich die 50-Prozent-Regel für Verwaltungsvermögen in Konzernstrukturen nutzbar machen oder – zumindest in der Vergangenheit – bei sogenannten Cash-Gesellschaften.

Gesamtbeurteilung durch das Gericht, Übergangsfrist und Vertrauensschutz

Im Ergebnis kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Urteil, dass die festgestellten Gleichheitsverstöße die §§ 13a und 13b ErbStG insgesamt erfassen und diese Normen daher als verfassungswidrig anzusehen sind. Dies hat nach Auffassung des Gerichts auch Auswirkungen auf die Tarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG, welche die Besteuerung begünstigten wie nicht begünstigten Vermögens gleichermaßen betrifft und daher vom Gericht ebenfalls für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt wurde. Damit ist nach Auffassung des Gerichts auch die Erhebung der Erbschaftsteuer für den Übergang von Privatvermögen blockiert.

Dem Gesetzgeber wird aber die Möglichkeit eingeräumt, einen verfassungsgemäßen Zustand durch eine umfassende Nachbesserung oder grundsätzliche Neukonzeption der gesamten Verschonungsregelungen binnen angemessener Zeit herbeizuführen. Das Gericht ordnet in diesem Zusammenhang die begrenzte Fortgeltung der genannten Normen bis zum 30.06.2016 an. Allerdings weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen ein auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils (17.12.2014) bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltung der §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt.

In der Urteilsbegründung wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einstimmig ergangen ist. Von drei Richtern des ersten Senats wurde aber ein Sondervotum abgegeben, wonach sich die Begründung der Verfassungswidrigkeit der vorgenannten Normen des Erbschaftsteuergesetzes auch aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ableiten ließe. Die Erbschaftsteuer wird in diesem Zusammenhang als ein Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit angesehen.

IV. Ergänzende Hinweise

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird in ersten Stellungnahmen überwiegend positiv kommentiert, vor allem im Hinblick auf die grundsätzliche Anerkennung der Verschonungsabschläge für betriebliches Vermögen als verfassungsgemäß.

Zur Bedürfnisprüfung bei der Übertragung großer Unternehmensvermögen

Allerdings führt die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Bedürfnisprüfung bereits jetzt zu erheblichen Diskussionen in der Politik und auch zu Unsicherheit bei den von dieser Diskussion Betroffenen. Das der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angehängte Sondervotum trägt seinerseits zu den Befürchtungen bei, dass die Erbschaftsteuer instrumentalisiert werden könnte, um Vermögen umzuverteilen.

Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung, insbesondere in den Tz. 171 ff., klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die Erbschaft- oder Schenkungsteuerlast auch große Unternehmen und deren Gesellschafter in Schwierigkeiten bringen kann und diese Schwierigkeiten zum Verlust von Arbeitsplätzen und zum Verlust an Investitionskraft führen können. Diese Risiken können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch die Steuerverschonung sehr großer Unternehmen rechtfertigen. Es muss im Zuge der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Neuregelung der Verschonungsregelungen vor allem vermieden werden, dass die Bedürfnisprüfung für größere Familienunternehmen hohe bürokratische Hürden mit sich bringt. Es gilt ferner zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig mit dieser Bedürfnisprüfung auch eine Verschärfung der Vorschriften zum Verwaltungsvermögen anmahnt.

Übergangsbestimmungen und Vertrauensschutz

Ein weiterer Diskussionspunkt wird sich aus den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Übergangsbestimmungen ergeben. Im Schlussteil des Urteils begründet das Bundesverfassungsgericht die übergangsweise Fortgeltung der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen neben haushaltswirtschaftlichen Überlegungen damit, dass eine Ungewissheit über den Inhalt der künftigen, dann mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils in Kraft zu setzenden Regeln des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts vor allem für die Inhaber von Unternehmen und ihre künftigen Erben oder sonstigen Nachfolger schwer erträglich wäre. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass gerade sie ein berechtigtes Interesse an einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Nachfolgeplanung auch in steuerlicher Hinsicht haben. Erst am Ende des Urteils, in Tz. 292, führt das Bundesverfassungsgericht aber aus, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltungen der §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt. Es stellt sich nun die Frage, was unter einer solchen exzessiven Ausnutzung zu verstehen ist. Fallen darunter nur die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beanstandeten Gestaltungsmöglichkeiten in Form der Betriebsaufspaltungsfälle (Vermeidung der Lohnsummenprüfung) oder der Gestaltung von Verwaltungsvermögensquoten bei Konzernstrukturen (sogenannter Kaskadeneffekt durch Verlagerung von Verwaltungsvermögen in Tochtergesellschaften) und die Cash-Gesellschaften, die zwischenzeitlich aber bereits ohnehin gesetzgeberisch eingedämmt wurden? Oder kann als exzessive Ausnutzung der §§ 13a und 13b ErbStG auch der vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Umfang des verschonten Verwaltungsvermögens (50 %-Grenze) angesehen werden? Letzterenfalls würde eine Neuregelung mit Rückwirkung zum Tag der Urteilsverkündung durchaus eine Vielzahl von Fällen betreffen. Dies stünde in Widerspruch zu der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass die Inhaber von Unternehmen und ihre Nachfolger ein berechtigtes Interesse an einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Nachfolgeplanung auch in steuerlicher Hinsicht haben und deshalb die Ungewissheit über den Inhalt der künftigen gesetzlichen Regelungen im Falle von deren Rückwirkung schwer erträglich wäre. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier baldmöglichst eine klarstellende Aussage trifft, wie er dem vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Prinzip der Rechtssicherheit Rechnung tragen möchte.

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes im Personengesellschaftsrecht – erweiterte Gestaltungsfreiheit bei Mehrheitsklauseln in Gesellschaftsverträgen

Dr. Sebastian von Thunen, LL.M., Rechtsanwalt

  1. Die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft festlegen, dass Gesellschafterbeschlüsse nicht einstimmig, sondern mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit gefasst
  2. Es reicht aus, wenn dem Gesellschaftsvertrag nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu entnehmen ist, dass für den Beschlussgegenstand eine Mehrheitsentscheidung genügen soll (formelle Legitimation, Stufe 1). Der frühere sogenannte Bestimmtheitsgrundsatz gilt hierfür  nicht
  3. Allgemeine Mehrheitsklauseln können sich deshalb auch auf Grundlagen- oder ungewöhnliche Geschäfte der Gesellschaft
  4. Liegt eine derartige formelle Grundlage für einen Mehrheitsbeschluss vor, so ist in einem weiteren Prüfungsschritt (materielle Legitimation, Stufe 2) zu prüfen, ob die Mehrheitsentscheidung als solche im Einzelfall inhaltlich wirksam ist. Das ist nicht der Fall, wenn sie sich als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit (Leitsätze des Verfassers)

 

I. Hintergrund

Die Gesellschaftsverträge von Familienunternehmen, die als Personengesellschaft (OHG, KG, GmbH & Co. KG) organisiert sind, enthalten oft umfangreiche Kataloge, in denen en détail die Beschlussgegenstände aufgeführt sind, über die die Gesellschafterversammlung mit Mehrheitsbeschluss entscheiden kann. Die Beratungspraxis hat derart ausführliche Kataloge in Reaktion auf die vormals von der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommene Geltung des sogenannten Bestimmtheitsgrundsatzes eingeführt.

Danach konnten die Gesellschafter von Personengesellschaften zwar vom eigentlich kraft Gesetzes geltenden, jedoch unpraktikablen Einstimmigkeitsprinzip für Gesellschafterbeschlüsse abweichen, indem sie im Gesellschaftsvertrag Regelungen zu Mehrheitsentscheidungen aufnahmen. Sofern jedoch im Gesellschaftsvertrag nur allgemein vorgesehen war, dass für Gesellschafterbeschlüsse die einfache Stimmenmehrheit genügen sollte, galt diese Bestimmung nach herkömmlichen Verständnis nur für Geschäftsführungsfragen und laufende Angelegenheiten. Erstreckte sich die Mehrheitskompetenz auch (ausdrücklich) auf Änderungen des Gesellschaftsvertrages, so wurden davon nur Beschlüsse über gewöhnliche Vertragsänderungen erfasst. Ein Gesellschafterbeschluss ungewöhnlicher Art war demgegenüber selbst dann, wenn der Gesellschaftsvertrag Vertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluss zuließ, nur wirksam, wenn der Beschlussgegenstand sich unzweideutig – d.h. hinreichend bestimmt – aus dem Gesellschaftsvertrag ergab (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,  HGB, 3. Aufl. 2014, § 109, Rn. 18 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Das Erfordernis, im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich festzuschreiben, welche ungewöhnlichen Gesellschafterbeschlüsse mit Mehrheit (statt einstimmig) getroffen werden können, sollte dem Minderheitenschutz dienen, indem für den einzelnen Gesellschafter zumindest erkennbar war, welche Entscheidungen die Gesellschaftermehrheit ohne seine Stimmen treffen konnte. Als Instrument des Minderheitenschutzes wurde der Bestimmtheitsgrundsatz jedoch in der jüngeren rechtswissenschaftlichen Diskussion zunehmend in Zweifel gezogen, weil die extensive Auflistung von Beschlussgegenständen, die der Mehrheitsentscheidung unterworfen sind, im Gesellschaftsvertrag für den einzelnen von der jeweiligen Maßnahme betroffenen Gesellschafter im konkreten Fall als bloß formalabstrakte Regel keinen wirksamen Schutz bietet, andererseits aber die – grundsätzlich sinnvolle und praktikable Möglichkeit, statt des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips im Personengesellschaftsvertrag Mehrheitsentscheidungen zuzulassen, mit unnötiger Rechtsunsicherheit belastet (Vgl. Schäfer, NZG 2014, 1401 m.w.N.). Auch der BGH war bereits in zwei jüngeren Entscheidungen (BGHZ 170, 283 – „Otto“; BGHZ 179, 13 – „Schutzgemeinschaftsvertrag  II“) von dem so verstandenen Bestimmtheitsgrundsatz abgerückt: Das Verständnis, eine Mehrheitsklausel müsse stets die betroffenen Beschlussgegenstände minutiös auflisten, denaturiere den Bestimmtheitsgrundsatz zu einer Förmelei. Es genüge vielmehr, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag – sei es auch durch dessen Auslegung – eindeutig ergebe, dass der in Frage stehende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein solle.

Sodann sei in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Mehrheitsbeschluss als solcher inhaltlich wirksam sei.

Diese Rechtsprechung führt der BGH in dem vorliegenden Urteil konsequent fort und gibt dabei nunmehr den Bestimmtheitsgrundsatz ausdrücklich auf.

II. Zum Sachverhalt

Der Kläger war Minderheits-Kommanditist einer GmbH & Co. KG. Er klagte auf Feststellung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen, mit denen der Übertragung u.a. seines Kommanditanteils auf eine Stiftung zugestimmt worden war. Dabei waren die Beschlüsse mit den Stimmen der übrigen Kommanditisten mit einfacher Mehrheit gefasst worden. Diese hatten sich dabei auf eine Klausel im Gesellschaftsvertrag gestützt, die allgemein und ohne Einschränkung auf bestimmte Beschlussgegenstände Beschlussfassungen mit einfacher Mehrheit zuließ. Der Kläger war der Ansicht, die Beschlüsse seien nichtig, weil die Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln durch den Bestimmtheitsgrundsatz auf gewöhnliche Beschlussgegenstände beschränkt sei. Die Zustimmung zur Anteilsübertragung sei davon nicht umfasst. Diese hätte als ungewöhnliche Maßnahme ausdrückliche Erwähnung in der Mehrheitsklausel finden müssen.

Dieser einigermaßen kuriose Sachverhalt wird nur erklärlich, wenn man weiß, dass u.a. der Kläger mit den Mehrheitsgesellschaftern in einem schädigungslos auf eine Stiftung übertragen zu müssen.

III. Entscheidungsgründe

Der BGH verdeutlicht zunächst nochmals seinen in der jüngeren Rechtsprechung bereits angelegten zweistufigen Prüfungsansatz für die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen in Personengesellschaften: Danach ist auf der ersten Stufe wertneutral die formelle Legitimation für eine Mehrheitsbeschlussfassung zu prüfen. Diese ist schon dann gegeben, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrages ergibt, dass der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll. Erst auf einer zweiten Stufe wird die materielle (inhaltliche) Wirksamkeit des Beschlusses unter individual- und minderheitsschützen- den Gesichtspunkten geprüft.

Dabei hält der BGH fest, dass die Prüfung auf der ersten Stufe (formelle Legitimation) allein nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu erfolgen hat. Der Gesellschaftsvertrag ist also dahingehend auszulegen, ob eine Mehrheitsklausel nach dem Willen der Gesellschafter auch den in Frage stehenden Beschlussgegenstand erfassen sollte. Das gilt allgemein für alle Beschlussgegenstände, auch für sogenannte „Grundlagengeschäfte“ oder Maßnahmen, die in den sog. „Kernbereich“ der Mitgliedschaftsrechte bzw. in absolut oder relativ unentziehbare Rechte der Minderheit eingreifen. Dabei kommt dem früheren Bestimmtheitsgrundsatz laut BGH keine Bedeutung mehr zu. Es bedarf also keinesfalls mehr einer ausdrücklichen Spezifizierung tauglicher Mehrheitsbeschlüsse im Gesellschaftsvertrag, die so eindeutig ist, dass über ihren Wortlaut hinaus keine Auslegung möglich ist. Insbesondere ist es nicht mehr erforderlich, dass ungewöhnliche Geschäfte explizit in Mehrheitsklauseln  erwähnt werden.

Der Schutz von Minderheitsgesellschaftern  bei Mehrheitsbeschlüssenwird vielmehr stets dadurch bewirkt, dass auf der zweiten Prüfungsstufe der jeweilige Mehrheitsbeschluss im Einzelfall inhaltlich daraufhin untersucht wird, ob die Mehrheit gesellschafterliche Treuepflichten gegenüber der Minderheit verletzt hat, indem sie den konkreten Beschluss gefasst hat. Der BGH unterwirft nun- mehr alle Beschlussgegenstände, also auch sog. „Grundlagengeschäfte“ und Maßnahmen, die in den sog. „Kernbereich“ der Mitgliedschaftsrechte eingreifen, dieser zweiten Prüfungsstufe, die im Ergebnis auf eine Interessensabwägung hinauslaufen dürfte.

Dabei ist zusätzlich zu vermerken, dass der BGH von der früher gebräuchlichen Begrifflichkeit „Kernbereich“ abrückt und – wie in der gesamten jüngeren Rechtsprechung zum Themenkreis – stattdessen von „absolut unverzichtbaren“ oder „relativ unentziehbaren Rechten“ spricht. Werde in derartige Rechte eines Gesellschafters durch Mehrheitsbeschluss eingegriffen, habe dies nunmehr lediglich die Bedeutung, dass regelmäßig eine treuepflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht indiziert sei. Das ist praktisch vor allem für die Beweislastverteilung relevant: Der Minderheitsgesellschafter muss bei festgestellten Eingriffen in derartige Rechte nicht mehr, wie in den sonstigen Fällen, den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung führen. Hier bietet das Urteil durchaus Anlass zur Kritik, da sich der Kernbereichsschutz, der systematisch bisher eine eigene Prüfungskategorie gebildet hatte und stärker an der Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters ansetzte, nicht ohne Weiteres unter die gesellschafterliche Treuepflicht fassen lässt. (Hier näher Schäfer, NZG 2014, 1401, 1403). Im konkreten Fall war dies aber nicht entscheidungserheblich.

Hier kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass die Zustimmungsbeschlüsse zu der Anteilsübertragung zwar ein Grundlagengeschäft betrafen, allerdings mangels (Fort-) Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes aufgrund der allgemeinen Mehrheitsklausel mit einfacher Mehrheit entschieden werden konnten. Im Rahmen der materiellen Prüfung auf der zweiten Stufe stellt der BGH ebenfalls keine Mängel der Beschlüsse fest: Eine Verletzung der Treuepflicht der Mehrheitsgesellschafter läge nicht vor, da eine Beeinträchtigung der Minderheitsgesellschafter bei Wahrnehmung ihrer Rechte durch den Zustimmungsbeschluss zur Anteilsübertragung nicht ersichtlich sei.

IV. Folgen für die Praxis

Der sogenannte Bestimmtheitsgrundsatz und mit ihm wohl auch die sogenannte „Kernbereichslehre“ in ihrer bisherigen systematischen Ausgestaltung sind endgültig Rechtsgeschichte. Die bisher übliche extensive und minutiöse Auflistung einzelner Beschlussgegenstände, die die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit treffen kann, in Personengesellschaftsverträgen ist somit obsolet.

Es genügt, dass der Gesellschaftsvertrag eine ausdrückliche Mehrheitsklausel enthält, der zumindest im Wege der Auslegung zu entnehmen ist, dass sie anstelle des sonst gelten- den Einstimmigkeitsprinzips auch den jeweils infrage stehenden Beschlussgegenstand erfassen soll. Um eine derartige Auslegung zu gewährleisten, sollten Gesellschaftsverträge statt der bisher üblichen ausführlichen Kataloge von Beschlussgegenständen zumindest generell festhalten, ob bzw. dass Mehrheitsklauseln (auch) für Gesellschaftsvertragsänderungen und (sonstige) Grundlagenentscheidungen, seien sie gewöhnlich oder außergewöhnlich, gelten sollen. Damit ist insoweit ein Zugewinn an Rechtssicherheit verbunden, als nicht mehr das Risiko besteht, dass ein Gegenstand, über den später eine mehrheitliche Beschlussfassung möglich sein soll, bei Erstellung des Gesellschaftsvertrages noch gar nicht bedacht werden konnte.

Auch für die betroffenen Minderheitsgesellschafter dürfte sich die Rechtsprechungslinie, deren vorläufigen Schlusspunkt das Urteil bildet, in vielen Fällen Zugewinn an Rechtsschutz darstellen, weil der BGH Mehrheitsentscheidungen ausdrücklich einer Inhaltskontrolle im Einzelfall anhand der gesellschafterlichen Treuepflicht unterwirft, anstatt wie früher abstrakt – terminologisch darauf abzustellen, ob der jeweilige Beschlussgegenstand bestimmt genug im Gesellschaftsvertrag der Mehrheitsentscheidung unterworfen wurde. So sind Minderheitsgesellschafter auch künftig nicht der Willkür der Mehrheit ausgeliefert.

Von der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung wird allerdings abhängen, inwieweit die früher sogenannte „Kernbereichslehre“ – ggf. unter anderem Namen und systematisch anders verortet – auch weiterhin eine Rolle zum Minderheitenschutz spielen wird (Dafür: Priester, EWiR 2015, 71, 72; Schäfer, NZG 2014, 1401, 1404). Im praktischen Ergebnis dürfte sich insoweit aber durch das vorliegende Urteil zunächst nichts geändert haben.

Abschließend bleibt noch darauf hinzuweisen, dass zumindest einzelne grundlegende oder ungewöhnliche Maßnahmen, für die vormals der sogenannte Bestimmtheitsgrundsatz galt, in aller Regel für die Gesellschafter insgesamt ohnehin so bedeutsam sind, dass der Gesellschaftsvertrag für sie jeweils besonders qualifizierte Mehrheitserfordernisse vorsehen sollte. Hätte beispielsweise der Gesellschaftsvertrag im Urteilssachverhalt ausdrücklich vorgesehen, dass die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Verfügung über Gesellschaftsanteile nur mit einer qualifizierten Mehrheit von z.B. 80 % der vorhandenen Stimmen erteilt werden kann, hätte sich die strittige Frage, ob ein entsprechender Beschluss einstimmig oder mit Mehrheit zu fassen ist, von vorneherein nicht gestellt.

Steuerrecht

Ertragsteuerliche Behandlung der Kosten einer Kapitalgesellschaft für die Bewertung von Gesellschaftsanteilen für Zwecke der Erbschaftsteuer

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Die nachfolgend kommentierte Mitteilung des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 03.09.2014 setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Kosten, die einer Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit der Erstellung einer Schenkung- oder Erbschaftsteuererklärung für die Bewertung des Gesellschaftsanteils eines Gesellschafters entstehen, ertragsteuerlich zu behandeln sind.

I. Praktische Bedeutung

Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft geschenkt oder vererbt, so ist dieser Anteil für Zwecke der Erstellung der Schenkung- oder Erbschaftsteuererklärung zu bewerten. Liegt kein Börsenkurs oder aber ein aus Verkäufen ableitbarer Wert vor, so muss der Wert auf Basis einer auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ermittelt werden (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG).

Diese Bewertung ist nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 151 Abs. 3 BewG) von der Gesellschaft durchzuführen. Dies ist auch sachgerecht, da der einzelne Gesellschafter häufig gar nicht über die Informationen verfügt, die erforderlich sind, um eine solche Bewertung durchführen zu können. Diese Bewertung kann mit erheb- lichen Kosten verbunden sein, z.B. wenn ein Unternehmensbewertungsgutachten nach dem Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer erstellt werden muss. Werden diese Kosten von der Kapitalgesellschaft übernommen, so stellt sich die Frage nach deren ertragsteuerlichen Behandlung. Hierzu führt die Finanzverwaltung Folgendes aus.

II. Regelung in der Mitteilung vom 09.2014

Das Finanzministerium Schleswig- Holstein stellt in der Mitteilung vom 03.09.2014 klar, dass die Aufwendungen, die einer Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit der Erstellung einer Erklärung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts von Gesellschaftsanteilen für Zwecke der Erbschaftsteuer entstehen, keine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG darstellen.

Im Umkehrschluss folg daraus, dass die Aufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können. Eine weitere Folge daraus ist, dass ein Abzug der Kosten beim Erwerber (Beschenkter oder Erbe) in diesen Fällen ausscheidet.

III. Ergänzende Hinweise

Sollte es erforderlich sein, dass im Rahmen der Ermittlung des Anteilswerts zusätzlich auch Grundbesitzwerte durch die Gesellschaft ermittelt werden müssen, dürfte entsprechend zu verfahren sein. Allerdings äußert sich die vorgenannte Mitteilung des Finanzministeriums Schleswig-Holstein hierzu nicht.

In einer weiteren Mitteilung des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 18.12.2014 wird zu der Frage Stellung genommen, ob auch die Aufwendungen einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) im Zusammenhang mit der Erstellung einer Erklärung zur Feststellung von Grundbesitzwerten oder zum Wert eines Anteils am Betriebsvermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer als Betriebsausgabe abzugsfähig sind. Für diesen Fall vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass diese Aufwendungen bei der Gewinnermittlung für die Mitunternehmerschaft nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Im Erbfall können diese Aufwendungen aber als Nachlassregelungskosten im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung geltend gemacht werden (siehe hierzu die Regelung in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 unter HE 10.7 und BFH-Urteil vom 19.06.2013-II R 20/12, BStBl Teil II 2013, Seite 738).

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Gewerbliche Prägung einer vermögensverwaltenden Einheits-GmbH & Co. KG

Leonhard Storr, Steuerberater/Rechtsanwalt

Eine vermögensverwaltend tätige Einheits-GmbH & Co. KG verliert ihre gewerbliche Prägung nicht dadurch, dass im Gesellschaftsvertrag der KG Sonderrechte zur Wahrnehmung der Gesellschafterrechte an der Komplementär- GmbH durch die Kommanditisten enthalten sind.

I. Hintergrund

Die Besonderheit einer Einheits- GmbH & Co. KG besteht darin, dass sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementär- GmbH von der KG gehalten werden. Die KG ist damit Alleingesellschafterin ihrer eigenen Komplementärin.

Die Einheits-GmbH & Co. KG verbindet rechtsformspezifische Vorteile der GmbH – insbesondere die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung – mit der Flexibilität des weniger intensiv regulierten Personengesellschaftsrechts. Im Bereich des Steuerrechts bietet die Einheitsgesellschaft die Möglichkeit, Privatvermögen in steuerliches Betriebsvermögen umzuwidmen, sodass die daraus erzielten Einkünfte gewerblichen Charakter haben. Für die Übertragung des hierdurch geschaffenen Betriebsvermögens können auch erbschaft- und schenkungsteuerliche Vorteile in Anspruch genommen werden.

Da sich die Einheitsgesellschaften als Vermögensträger in aller Regel aber auf die Verwaltung von eigenem Vermögen beschränken, liegen keine (originären) gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor. Gewerbliche Einkünfte einer vermögensverwaltenden Einheitsgesellschaft kommen nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Betracht (sog. gewerblich geprägte Personengesellschaft). Hiernach ist (u.a.) eine Tätigkeit einer Personengesellschaft, bei der lediglich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haften, als Gewerbebetrieb einzustufen, wenn ausschließlich diese, oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung der Gesellschaft befugt sind.

Im Rahmen der Entscheidung des FG Münster wurde die Voraussetzung der Befugnis zur Geschäftsführung thematisiert. Insbesondere in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht stellt sich bei der Einheitsgesellschaft die Frage nach der Regelung des Willensbildungsprozesses. Da die KG sämtliche Anteile an der Komplementär-GmbH hält, Erstere aber durch Letztere vertreten wird, übt die Komplementär-GmbH die Rechte an ihren Anteilen quasi selbst aus. In der Praxis wird dieses Dilemma in aller Regel durch eine gesonderte Klausel im Gesellschaftsvertrag der KG gelöst. Im Gesellschaftsvertrag des vorliegenden Falles (der insoweit mit einer Vielzahl von Verträgen von Einheitsgesellschaften identisch oder vergleichbar sein dürfte) wurde die Komplementärin von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen, soweit es um die Wahrung der Rechte an den Gesellschaftsanteilen der Komplementärin geht. Stattdessen sind die Kommanditisten insoweit zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschafterrechte an der Komplementärin  berufen.

Das FG Münster hat sich nun zu der Frage geäußert, ob die gewerbliche Prägung der Einheits-GmbH & Co. KG entfällt, wenn die Ausschließlichkeit der Befugnis zur Geschäftsführung der Komplementär-GmbH zugunsten der Kommanditisten eingeschränkt wird.

II. Zum Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren Geschäftszweck die Verwaltung von Immobilien und sonstigen Vermögenswerten ist. Die drei Kommanditisten der KG, die zugleich Anteilseigner der Komplementär- GmbH waren, brachten sämtliche GmbH-Anteile in die Klägerin ein, sodass eine Einheits-GmbH & Co. KG entstand. Im zeitgleich neu gefassten Gesellschaftsvertrag wurde u.a. geregelt, dass zwar die GmbH zur Geschäftsführung und Vertretung der Klägerin berufen war. Soweit es jedoch um die Wahrnehmung der Rechte aus und an den Gesellschaftsanteilen an der GmbH selbst geht, sollte abweichend hiervon die Geschäftsführung und Vertretung bei den  Kommanditisten liegen.

Das Finanzamt ging nach einer Betriebsprüfung bei der GmbH & Co. KG davon aus, dass die Einheitsgesellschaft aufgrund dieser im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Regelungen zur Geschäftsführung ihre gewerbliche Prägung verloren habe. Dies hätte im vorliegenden Fall zu einer Betriebsaufgabe und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven geführt.

Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben.

III. Entscheidungsgründe

Das Finanzgericht hat klargestellt, dass es sich bei der vorliegenden Einheits- GmbH & Co. KG (die mit einer Vielzahl von Einheitsgesellschaften vergleichbar sein dürfte) um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG handelt, sodass die Einheitsgesellschaft gewerbliche Einkünfte erzielt. An der bestehenden ausschließlichen Befugnis zur Geschäftsführung der Komplementärin ändert auch die eingeschränkte Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf die Kommanditisten nichts. Die maßgebliche Klausel gilt ausschließlich für Beschlüsse, die die gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten der Komplementärin betreffen. Diese Regelung soll lediglich den bei einer Einheits-GmbH & Co. KG typischerweise auftretenden Konfliktfall, wer zur Wahrnehmung der Rechte an der Komplementärin befugt sein soll, lösen. Eine solche Regelung dient ausschließlich dazu, eine mögliche Handlungsunfähigkeit der Einheitsgesellschaft zu verhindern, sie führt folglich nicht zu einer für die gewerbliche Prägung schädlichen Geschäftsführung der Kommanditisten in der KG. Die Ersatzzuständigkeit der Kommanditisten verhindert damit in erster Linie für die Einheitsgesellschaft nicht hinnehmbare  Komplikationen.

Das FG Münster konkretisiert die bisherige Rechtsprechung des BFH zur Einheitsgesellschaft. Der BFH hat bereits im Rahmen seiner Rechtsprechung zur Einheitsgesellschaft klargestellt hat, dass sich der Begriff der Geschäftsführungsbefugnis nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften bestimmt. Danach können im Innenverhältnis die Kommanditisten aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen

Vereinbarung mit der organschaftlichen Befugnis zur Geschäftsführung betraut werden, ohne dass dies zu einer Entprägung der Einheitsgesellschaft führt. Das FG Münster hat nun erfreulicherweise diese Rechtsprechung zugunsten des Steuerpflichtigen fortgeführt und die (teilweise) Übertragung der Befugnis zur Geschäftsführung auf die Kommanditisten als regelkonform anerkannt.

IV. Ergänzende Hinweise

Da die Finanzverwaltung gegen die Entscheidung Revision (Az. IV R 42/14) eingelegt hat, obliegt es letztlich dem BFH für endgültige Rechtssicherheit zu sorgen. Vor diesem Hintergrund sollte bei ausschließlich vermögensverwaltenden Einheitsgesellschaften so lange auf derartige Regelungen verzichtet werden, bis die Rechtslage eindeutig geklärt ist.

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Antrag auf Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Praktische Bedeutung

Liegt erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen vor (z.B. Betriebsvermögen, Anteile von mehr als 25 % an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in der EU/ EWR), so unterliegt dieses begünstigte Vermögen grds. einem Regelverschonungsabschlag von 85 % (§ 13b Abs. 4 ErbStG). Weitere Voraussetzung für die Gewährung des Regelverschonungsabschlags ist, dass das begünstigte Vermögen zu nicht mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht.

Liegt erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen vor und besteht dieses Vermögen zu nicht mehr als 10 % aus Verwaltungsvermögen, sieht § 13a Abs. 8 ErbStG die Möglichkeit vor, von der sogenannten Vollverschonung (100%-iger Verschonungsabschlag oder sogenannte Optionsverschonung) Gebrauch zu machen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist ein solcher Antrag vom Erwerber des begünstigten Vermögens unwiderruflich zu erklären.

Wird ein solcher Antrag gestellt, so ergeben sich höhere Auflagen für den vollständigen Erhalt dieses 100%-igen Verschonungsabschlags. Hierzu gehört eine auf sieben Jahre verlängerte Behaltensfrist und eine höhere Anforderung betreffend die zu erhaltende Lohnsumme (insgesamt in einem Betrachtungszeitraum von ebenfalls sieben Jahren müssen 700 % der Ausgangslohnsumme, somit im Durchschnitt 100 % der Ausgangslohnsumme, mindestens erhalten bleiben).

Da insbesondere der Anteil des Ver- waltungsvermögens mit Unsicherheiten behaftet ist, aber auch im Nachgang zu einer erbschaftsteuerlich begünstigten Übertragung ungeplante Ereignisse eintreten können, die die Behaltensfristen oder die Lohnsummenentwicklung tangieren, kann es in der Beratungspraxis durchaus sinnvoll sein, den unwiderruflich zu stellenden Antrag auf die Vollverschonung möglichst weit in die Zukunft zu verschieben. Allerdings ist dann zu berücksichtigen, dass bei einer zeitnahen Veranlagung des Schenkungs- oder Erbfalles zunächst eine Steuerfestsetzung auf Basis der Regelverschonung die Folge sein wird. Die Steuer muss dann zunächst auch entrichtet werden, sofern nicht gegen den Steuerbescheid Einspruch eingelegt und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wird.

Mit der nun vorliegenden Verfügung der OFD Karlsruhe wird jedenfalls deutlich, dass die Finanzverwaltung im Falle eines Einspruchs gegen den Steuerbescheid – ggf. verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung die Rücknahme des Einspruchs fordern wird, wenn lediglich das Ziel verfolgt wird, Zeit für die endgültige Entscheidung über den Antrag auf Optionsverschonung zu gewinnen.

Die Regelungen der Verfügung der OFD Karlsruhe vom 07.08.2014 im Einzelnen

Zunächst verweist die OFD Karlsruhe in ihrer Verfügung auf die Aussage in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011, dass der Antrag auf Optionsverschonung bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft möglich ist. Sodann wird auf die Praxis der Finanzverwaltung hingewiesen, dass seit Mitte November 2012 die Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide gemäß 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes nur vorläufig ergehen. Durch diesen Vorläufigkeitsvermerk werden die aktuellen Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide hinsichtlich der Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG unabhängig vom Ausgang des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht materiell nicht bestandkräftig. Ausführlich erläutert werden sodann auch die verschiedensten Möglichkeiten, die zu einem endgültigen Steuerbescheid führen könnten, u.a. durch Ablauf der Festsetzungsfrist, die beispielsweise nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts enden wird. Dies veranlasst die OFD Karlsruhe zu der Aussage, dass die Steuerpflichtigen somit noch ausreichend Zeit haben, den Antrag auf Optionsverschonung zu stellen, ohne dass es der Einlegung eines Einspruchs bedarf.

Die OFD Karlsruhe hat mit ihrer Verfügung sicherlich Klarheit bzgl. der verfahrensrechtlichen Seite zum Antrag auf Optionsverschonung geschaffen. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht bald zur Rechtssicherheit darüber beiträgt, ob und in welchem Umfang weiterhin von den Verschonungsregelungen im Erbschaftsteuergesetz Gebrauch gemacht werden kann. Vielleicht liegt ja bei der Erscheinung dieser Ausgabe der FuS schon eine Aussage aus Karlsruhe vor.

Testamentsvollstrecker

Stimmverbot und Ausübung von Gesellschafterrechten durch  den Testamentsvollstrecker

Prof. Dr. Rainer Lorz, LL.M., Rechtsanwalt, Dr. Maximilian Hermann, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Testamentsvollstrecker hat die Stellung eines Treuhänders über den Nachlass. Zwar ist der Erbe dessen Eigentümer, der Testamentsvollstrecker verwaltet jedoch im Rahmen seiner Befugnisse den Nachlass selbstständig in vollem Umfang aus eigenem Recht („Partei kraft Amtes“). Hat der Erblasser hinsichtlich einer Gesellschaftsbeteiligung unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, nimmt der Testamentsvollstrecker unter Ausschluss der Erben von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse grundsätzlich alle den Gesellschaftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte, insbesondere auch die Stimmrechte, wahr. Ausnahmen vorrangig aus haftungsrechtlichen Gründenbestehen insoweit nur bei vollhaftenden Beteiligungen, also bei Anteilen eines Gesellschafters einer GbR oder OHG oder des Komplementärs einer KG. In seinen Kompetenzen ist der Testamentsvollstrecker neben der Bindung an den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung erbrechtlich lediglich durch das Verbot unentgeltlicher Verfügungen nach § 2205 3 BGB und seine auf den Nachlass beschränkte Verpflichtungsbefugnis (vgl. § 2206 BGB) eingeschränkt. Neben diese erbrechtlichen Einschränkungen können gesellschaftsrechtliche Gründe treten, die der Ausübung von Beteiligungsrechten durch den Testamentsvollstrecker entgegenstehen. So müssen bei Personengesellschaftsanteilen anders als bei der GmbH – die Mitgesellschafter der angeordneten Fremdverwaltung zugestimmt haben, damit der Testamentsvollstrecker seine Rechte in Bezug auf die Beteiligung ausüben kann. Der Ausübung von Stimmrechten können gesellschaftsrechtliche Stimmverbote entgegenstehen. Mit der Frage, inwieweit ein für den Testamentsvollstrecker geltendes gesellschaftsrechtliches Stimmverbot seine Verwaltungsbefugnis hinsichtlich der Gesellschaftsanteile einschließlich des Rechts zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung einschränkt, hat sich der BGH in der vorstehend genannten Entscheidung befasst. In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall wurde über einen Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG und über einen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Erben warfen nun dem Testamentsvollstrecker, der vormals auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war, vor, seinerzeit seine Geschäftsführerpflichten in schadensersatzbegründender Weise verletzt zu haben. Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche wurde in den Gesellschafterversammlungen der GmbH und der GmbH & Co. KG beschlossen, die von den Erben in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter einberufen wurden.

Entscheidungsgründe

Der BGH erteilte diesem Vorgehen der Erben eine Absage und erklärte die gefassten Beschlüsse mangels Berechtigung der Erben zur Einberufung der Gesellschafterversammlungen für nichtig. Das Gericht hält zunächst fest, dass der Testamentsvollstrecker in den Gesellschafterversammlungen bei der Fassung der Beschlüsse über die Verfolgung der gegen ihn gerichteten Schadensersatzansprüche von der Ausübung des einen Teil seiner umfassenden Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses bildenden Stimmrechts ausgeschlossen war, da er auch wenn er selbst nicht Gesellschafter ist einem Stimmverbot Dieses gesellschaftsrechtliche Verbot, Richter in eigener Sache zu sein, ist für die GmbH in 47 Abs. 4 GmbHG normiert und wird vom BGH ausdrücklich auch auf Personengesellschaften erstreckt. In einem solchen Fall der persönlichen Betroffenheit des Testamentsvollstreckers hätten die Erben selbst das Stimmrecht ausüben dürfen, wenn die Gesellschafterversammlungen ordnungsgemäß einberufen worden wären. Daran aber mangelte es hier. Der Umstand, dass der Testamentsvollstrecker bei der Beschlussfassung über einen bestimmten Beschlussgegenstand wegen eines Stimmverbots ausgeschlossen war und das Stimmrecht insoweit den Erben zustand, hatte nach dem BGH nämlich nicht zur Folge, dass auch das Recht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über diesen Gegenstand vom Testamentsvollstrecker auf die Erben übergegangen war; die Einberufungsbefugnis verblieb vielmehr beim Testamentsvollstrecker. So kann beispielsweise auch ein Gesellschafter ohne Stimmrecht oder ein Gesellschafter, der in der konkreten Angelegenheit einem Stimmverbot unterliegt, ein berechtigtes Interesse daran haben, bestimmte Angelegenheiten in der Gesellschaft zur Diskussion und Abstimmung zu stellen. Diese Unabhängigkeit des Einberufungsrechts von einem hinsichtlich der Beschlussfassung bestehen- den Stimmverbot gilt nach dem BGH für den die Gesellschafterbefugnisse ausübenden Testamentsvollstrecker ebenso. Unterliegt der Testamentsvollstrecker also einem Stimmverbot, so werden seine Befugnisse nur in diesem Umfang eingeschränkt, d.h. er darf auf einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung nicht abstimmen. Die übrigen Gesellschafterrechte können von ihm weiterhin ausgeübt werden und verdrängen die Befugnisse der Erben als Inhaber der Gesellschafts- bzw. Geschäftsanteile.

Weitere Hinweise

Neben den Fällen, in denen es um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Testamentsvollstrecker geht, sind in der Praxis auch Stimmverbote im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers als Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied einer GmbH relevant. Denn er ist von der Ausübung des Stimmrechts auch ausgeschlossen, soweit es um seine eigene Entlastung oder die der anderen Mitglieder der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats geht. An seiner Stelle üben die Erben das Stimmrecht aus. Dies kann in der Praxis zu erheblichen Komplikationen führen, wenn sich die Erben bei dieser Gelegenheit an einem unliebsamen Testamentsvollstrecker rächen wollen. Es empfiehlt sich daher eine Regelung im Testament dahingehend, dass im Falle eines Stimmverbotes des Testamentsvollstreckers auch das Stimmrecht der Erben ruht.

Will sich der Testamentsvollstrecker in einer GmbH selbst zum Geschäftsführer wählen lassen, so darf er hierzu sein Stimmrecht (in analoger Anwendung des § 181 BGB) nur ausüben, wenn ihm dies vom Erblasser oder den Erben ausdrücklich gestattet wurde. Insoweit ist die Lage anders zu beurteilen als bei einem Gesellschafter, der bei derartigen Sozialakten mitstimmen darf. Bei entsprechender Interessenlage ist also eine testamentarische Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB dringend erforderlich.

Willenserklärung

Abfindungsausschluss in Gesellschaftsvertrag für Verletzung von Gesellschaftsinteressen oder Gesellschafterpflichten  ist nichtig

Dr. Sebastian von Thunen, LL.M., Rechtsanwalt

Eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, nach der im Fall einer (groben) Verletzung der Interessen der Gesellschaft oder der Pflichten des Gesellschafters keine Abfindung zu leisten ist, ist sittenwidrig, damit nichtig und nicht grundsätzlich als Vertragsstrafe zulässig.

I. Hintergrund

Das Urteil reiht sich ein in die verästelte Rechtsprechung rund um die Bemessung der Abfindung eines aus einer Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafters. Diese unterliegt in Personengesellschaften (z.B. GmbH & Co. KG) und Kapitalgesellschaften (insbesondere GmbH) im Wesentlichen den gleichen richterrechtlichen Vorgaben (Siehe dazu näher Kirchdörfer/Lorz, FuS 2012, 176 ff.). Danach hat grundsätzlich jeder – gleich aus welchem Grund – aus der Gesellschaft ausscheidende Gesellschafter einen sofort fälligen Anspruch auf die Abgeltung des vollen wirtschaftlichen Werts seiner Beteiligung (Grundlegend BGH 01.04.1953 – II ZR 253/52, BGHZ 9, 157.). In den Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen wird dieser Abfindungsanspruch aber zur Liquiditätssicherung hinsichtlich Fälligkeit, Berechnungsmethodik und Höhe in der Regel modifiziert. Damit einhergehende Abfindungsbeschränkungen sind grundsätzlich zulässig, soweit sie nicht zu einem groben Missverhältnis zwischen der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Abfindung und dem vollen wirtschaftlichen Wert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters führen. Ergibt sich ein solches grobes Missverhältnis erst aufgrund der Wertentwicklung des Unternehmens im Laufe der Zeit, nimmt die Rechtsprechung lediglich eine Anpassung der als solchen unzulässigen Abfindungsklausel auf einen zulässigen Wert durch sog. ergänzende Vertragsauslegung vor. Abfindungsklauseln, die dem ausscheidenden Gesellschafter die Beteiligung am Unternehmenswert hingegen von vorneherein gezielt abschneiden, wer- den hingegen grundsätzlich als sit- tenwidrig i.S.v. § 138 BGB und damit nichtig verworfen, was zur Abfindung nach dem vollen wirtschaftlichen Wert führt.

Letzteres gilt grundsätzlich insbesondere für den vollständigen Ausschluss jeglicher Abfindung. In besonderen Fallgruppen, bei denen ein sachlicher Grund für den Abfindungsausschluss erkennbar ist, lässt der BGH diesen jedoch zu. Der BGH hatte nunmehr zu entscheiden, ob auch die Anteilseinziehung wegen pflichtwidrigen Verhaltens eines Gesellschafters oder wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht zu diesen Ausnahmefällen zählt.

II. Zum Sachverhalt

Die Klägerin war mit 49,6 % als Gesellschafterin an der beklagten GmbH beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH konnte der Geschäftsanteil eines Gesellschafters durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingezogen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorlag, der bei einer Personengesellschaft seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigen würde (§ 140 HGB). Außerdem heißt es in dem Gesellschaftsvertrag: „Hat der Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft verletzt, so erfolgt die Einziehung ohne Entgelt. In allen anderen Fällen gegen Entgelt (…). Sollte im Fall der Einziehung wegen grober Pflichtverletzung rechtlich ein Entgelt zwingend vorgeschrieben sein, so ist dieses so niedrig wie möglich zu bemessen.“

Die Gesellschafterversammlung stellte zweimal nacheinander fest, dass in der Person der Klägerin wichtige Gründe vorlägen, die dazu berechtigten, sie auszuschließen. Die Gesellschafterversammlung beschloss daraufhin den Ausschluss der Klägerin nebst der Feststellung, dass nach dem Gesellschaftsvertrag kein Abfindungsentgelt geschuldet sei, hilfsweise, dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßgabe eines Gerichtsurteils geschuldet sei, mit dem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt werde. In Vollzug der Ausschließung wurde mit sofortiger Wirkung die Einziehung des Geschäftsanteils beschlossen. Hiergegen wandte sich die Klägerin: Nach Auffassung des BGH hinsichtlich des Abfindungsausschlusses  zu Recht.

III. Entscheidungsgründe

Der BGH hält in seinen Urteilsgründen im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung zunächst fest, dass das Recht eines Gesellschafters, bei Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Abfindung zu erhalten, zu seinen Grundmitgliedschaftsrechten gehört und ein vollständiger gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss grundsätzlich sittenwidrig i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB und nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Der Gesellschafter habe durch seinen Kapitaleinsatz und ggf. Mitarbeit zu dem im Wert seines Geschäftsanteils repräsentierten Gesellschaftsvermögens beigetragen, weshalb die Gesellschafterstellung nicht ohne Wertausgleich verloren gehen dürfe. Sodann referiert der BGH die von diesem Grundsatz anerkannten Ausnahmefallgruppen, in denen eine Abfindung ausgeschlossen werden darf. Dies sind: (i) Verfolgung eines ideellen Zwecks durch die Gesellschaft, (ii) Abfindungsklauseln auf den Todesfall und (iii) auf Zeit abgeschlossene Mitarbeiter- oder Managementbeteiligung ohne Kapitaleinsatz (Vgl. im Einzelnen die Nachweise aus der Recht- sprechung in der Urteilsbegründung, BGH Urt. v. 29.04.2014 – II ZR 216/13, DStR 2014, 2306, 2307.). In allen diesen Ausnahmefällen bestehe ein sachlicher Grund für den Ausschluss der Abfindung darin, dass die ausscheidenden Gesellschafter entweder kein Kapital eingesetzt hätten ((ii) und (iii)) oder mit Verfolgung eines ideellen Ziels von vornherein auf die Vermehrung des eigenen Vermögens zugunsten der Förderung des uneigennützigen Zwecks verzichtet hätten ((i)).

Der Abfindungsausschluss bei Einziehung wegen pflichtwidrigen Verhaltens eines Gesellschafters oder wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht zählt hingegen nach Auffassung des BGH nicht zu diesen Ausnahmefällen. In der Literatur wird hingegen bislang von einer starken Meinungsströmung vertreten, dass ein derartiger Ausschluss der Abfindung zulässig ist, wenn er sich auf den Fall der Zwangseinziehung aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verstoßes des Betroffenen gegen seine Pflichten als Gesellschafter beschränkt. Ein solcher Abfindungsausschluss trüge den Charakter einer Verfallklausel als einer Form der Vertragsstrafe §§ 339 ff. BGB (Vgl. etwa Michalski/Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 34 Rn. 66; Großkomm. GmbHG/Ulmer, 2006, 34 Rn. 104.). Die Gegenansicht im Schrifttum hält hingegen eine solche Abfindungsklausel für unzulässig und lässt eine Abfindungsbeschränkung nur zu, wenn sie erforderlich ist, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern (Vgl. etwa Baumbach/Hueck/Fastrich, 20. Aufl. 2013, § 34 Rn. 34a; Henssler/Strohn/Fleischer, Ge- sellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, GmbHG, § 34 Rn. 19; Münch.Komm. GmbHG/Strohn, 2. Aufl. 2015, § 34 Rn. 228.).

Nach Auffassung des BGH fehlt jedoch ein sachlicher Grund dafür, eine Abfindung allein aufgrund einer (groben) Pflichtverletzung eines Gesellschafters auszuschließen, was aus gesellschaftlicher Sicht Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Klausel wäre. Der Abfindungsausschluss führe insbesondere zu der unangemessenen Rechtsfolge, dass dem Gesellschafter wegen einer – unter Umständen – einzigen (groben) Pflichtverletzung der Wert seiner Mitarbeit und seines Kapitaleinsatzes entschädigungslos entzogen werden könne. Damit steht für den BGH fest, dass die (grobe) Verletzung von Gesellschafterpflichten keinen den anerkannten Fallgruppen vergleichba- ren Fall, in dem der Abfindungsausschluss zulässig wäre, darstellt.

Der Abfindungsausschluss bei (grober) Pflichtverletzung eines Gesellschafters habe auch keinen Vertragsstrafencharakter und könne deshalb nicht als allgemeizivilrechtliche Vertragsstrafenregelung (§§ 339 ff. BGB) aufrechterhalten werden, obwohl sich hierfür ein älteres BGH-Urteil anführen ließe (BGH v. 29.09.1983, III ZR 213/82, WM 1983, 1207, 1208; dagegen BGH v. 19.09.1977, II ZR 11/176, NJW 1977, 2316.). Eine Vertragsstrafe solle als Druckmittel zur ordnungsgemäßen Leistung anhalten und/oder einen Schadensersatzanspruch pauschalieren. Der vollständige Abfindungsausschluss bei Pflichtverletzung diene hingegen keinem dieser charakteristischen Zwecke, sondern in der Regel dem Bestandsschutz der Gesellschaft. Dem vollständigen Abfindungsaus- schluss komme, über die Sanktion des Verlustes der Gesellschafterstellung aufgrund Einziehung des Geschäftsanteils hinaus, keine gesteigerte verhaltenssteuernde Wirkung zu, den Gesellschafter zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten. Als Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs wiederum sei die Regelung eines vollständigen Abfindungsausschlusses zu undifferenziert, zumal dann, wenn jeder Bezug zu einem möglicherweise eingetretenen Schaden fehle. Habe hingegen der Gesellschafter, der ausgeschlossen werden solle oder dessen Anteil zwangsweise eingezogen werden solle, die Gesellschaft über die Pflichtverletzung als solche hinaus durch sein Verhalten geschädigt, könne der Schaden konkret berechnet und von ihm eingefordert werden. Schließlich setze die Verwirkung einer Vertragsstrafe stets Verschulden des Ausgeschlossenen voraus, das bei einer bloßen Pflichtverletzung oder einem bloßen Verstoß gegen die Gesellschaftsinteressen nicht vorliegen muss.

Da der vollständige Abfindungsausschluss nach der Räson des BGH von Anfang an zu einem groben Missverhältnis zwischen Anteilswert und Abfindung führte und somit nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig war, war die entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung nichtig, ebenso der darauf aufbauende Gesellschafterbeschluss (analog § 241 Nr. 4 AktG). Gerade weil der Abfindungsausschluss bei Ausschluss aus wichtigem Grund auch nicht als zivilrechtliche Vertragsstrafenregelung aufrechterhalten werden kann, fehlt laut BGH auch die rechtliche Grundlage für eine teilweise Aufrechterhaltung des Abfindungsausschlusses als bloßer Abfindungsbeschränkung im Wege einer an § 343 BGB orientierten Zuteilung eines angemessenen Betrags durch das Gericht i.S.d. Vertragsklausel „so niedrig wie möglich“.

IV. Weiterführende Hinweise

Mit der sehr stringenten und klaren Entscheidung ist ein Zugewinn an Rechtssicherheit verbunden. Für die Vertragspraxis steht fest, dass Straf-Abfindungsklauseln, die einen vollständigen Abfindungsausschluss als bloße weitere Sanktion für (allgemein) pflichtwidriges Verhalten eines Gesellschafters über dessen Ausschluss als solchen hinaus vorsehen, grundsätzlich nicht in Gesellschaftsverträge gehören. Zugleich bestätigt der BGH, dass der vollständige Abfindungsausschluss in den drei Fallgruppen ideeller Zweck/Tod/ Managementbeteiligung ausnahmsweise zulässig ist.

Da der BGH in seinem Urteil keinerlei Ansatzpunkte erkennen lässt, Abfindungsbeschränkungen bei Ausschluss eines pflichtwidrig handelnden Gesellschafters gegenüber sonstigen Abfindungsbeschränkungen aus anderen Gründen zu privilegieren, sollte auch eine „bloße“ gesellschaftsvertragliche Reduktion des Abfindungsbetrags in diesen Fällen (z.B. „Abschlag von 25 %“) gegenüber der Abfindung bei sonstigen im Gesellschaftsvertrag definierten Ausschlusstatbeständen mit Vorsicht gehandhabt werden:

Werden  Abfindungsbeschränkungen/-modifikationen vorgesehen, sollten diese möglichst für alle Ausscheidensfälle gleichermaßen gelten und nicht bestimmte Tatbestände lediglich sanktionieren oder privilegieren, soweit sich hierfür kein besonderer sachlicher Grund anführen lässt wie beispielsweise die Bestandssicherung des Unternehmens gerade durch die für den konkreten Fall vorgesehene Abfindungsbeschränkung.

Das gilt insbesondere für Gesellschaftsverträge von Familiengesellschaften, die oftmals ausdrückliche Regelungen enthalten, in welchen konkreten Fällen ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen bzw. seine Gesellschaftsanteile eingezogen werden können. Dazu zählen insbesondere Ausschlusstatbestände bei Nichtabschluss eines bestimmten Ehevertrags oder mangelnder Einholung von Pflichtteilsverzichten von Ehepartnern. Hierbei handelt es sich in aller Regel, gerade wenn die Klauseln an ein bestimmtes Verhalten oder die Person anknüpfen, um Konkretisierungen des allgemeinen gesetzlichen Ausschlusstatbestandes „wichtiger Grund“/„(grobe) Pflicht-verletzung“, um den es in dem Urteil ging.

Gerade bei den vorgenannten Tatbeständen (Ehevertrag/ Pflichtteilsverzicht) hat eine Abfindungsbeschränkung (-reduktion) im Gesellschaftsvertrag aber nicht nur zum Ziel, pflichtwidriges Verhalten über den Ausschluss aus der Gesellschaft hinaus zu sanktionieren. Vielmehr begründet in diesen Fällen das pflichtwidrige Verhalten selbst eine latente Gefahr für den Bestand des Unternehmens. Denn die einschlägigen Gesellschafterpflichten dienten gerade dazu, den Bestand der Gesellschaft dadurch zu sichern, dass Ansprüche Dritter (z.B. geschiedener Ehegatte/enterbte Pflichtteilsberechtigte) gegen den Gesellschafter ausgeschlossen bzw. reduziert werden. Ein Gesellschafter, der sich mit derartigen Forderungen konfrontiert sieht, unterläge nämlich einem Anreiz, der Gesellschaft Liquidität zu entziehen. Dementsprechend haben an die Verletzung dieser Pflichten anknüpfende Abfindungsbeschränkungen auch einen eigenständigen Nutzen zur Bestandsicherung der Gesellschaft, der über die bloße Möglichkeit zum Ausschluss eines pflichtwidrig handelnden Gesellschafters hinausgeht: Sie stellen sicher, dass ein Gesellschafter, in dessen Person sich dieses Risiko realisiert, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, ohne dass es gerade dadurch zu einem übermäßigen Liquiditätsabfluss kommt – der ja durch die verletzte Gesellschafterpflicht verhindert werden sollte. Derartige sachliche Gründe für Abfindungsreduktionen in bestimmten Fällen sollten jedoch möglichst dokumentiert werden (z.B. in einer Präambel zum Gesellschaftsvertrag).

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Wegfall der Steuerbegünstigung des Betriebsvermögens gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG

Andrea Seemann, Steuerberaterin

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2009 ausgedehnte erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung für Betriebsvermögen knüpft an Behaltensfristen aktuell von fünf Jahren (Regelverschonung) bzw. sieben Jahren (Optionsverschonung) an. Unter anderem durch eine Veräußerung der begünstigt erworbenen Anteile, eine Betriebsaufgabe oder eine Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen in der Nachversteuerungsfrist kommt es zu einer Nachversteuerung des erbschaft- und schenkungsteuerlich zu 100 % (Optionsverschonung) oder 85 % (Regelverschonung) befreiten Vermögens. Für die Steuerpflichtigen stellt sich im Nachversteuerungszeitraum die Frage, welche Verfügungen zulässig sind, also nicht zu einer Nachversteuerung führen und welche Maßnahmen schädlich in Bezug auf die Nachversteuerung sind. Die Verletzung der Nachversteuerungsfrist kann u.a. bei konzerninternen Umstrukturierungen, bei Veräußerung von Anlagevermögen oder bei Weiterübertragung von Gesellschaftsanteilen zu einer erheblichen Belastung führen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der neben der Erbschaft- und Schenkungsteuer für eine Veräußerung oder Betriebsaufgabe etwa zusätzlich anfallenden Ertragsteuer. In den Fällen, in denen begünstigt erworbene Anteile veräußert werden müssen, beispielsweise um Nachlassverbindlichkeiten, Pflichtteilsansprüche oder auch die Erbschaftsteuer bedienen zu können, stellt sich zudem die Frage, ob diese „zwangsläufige“ Verletzung der Nachversteuerungsfrist ebenfalls zu einer Nacherhebung von Erbschaft- und Schenkungsteuer führen kann. Der BFH hat hierzu nochmals eindeutig Stellung bezogen.

Sachverhalt

Die Klägerin war Alleinerbin ihres im Jahr  2004 verstorbenen Ehemanns.

Sie erbte u.a. einen Kommanditanteil an der E-KG und an der B-KG, an der sie auch bereits vor dem Erbfall beteiligt war. Zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen trat die Klägerin einem ihrer Söhne einen Kommanditanteil an der E-KG und ihrer Tochter einen Kommanditanteil an der B-KG ab. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse:

Das Finanzamt versagte aufgrund der Abtretung von Kommanditanteilen anteilig die Steuerbegünstigung gemäß § 13a ErbStG. Für die Ermittlung des steuerschädlich veräußerten Betriebsvermögens führte das Finanzamt eine Verhältnisrechnung durch, da nicht erkennbar gewesen sei, ob die schon vor dem Tod gehaltenen Anteile oder die aufgrund des Erbfalls hinzugewonnen Anteile übertragen worden sind. Die gegen die Verhältnisrechnung gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht abgewiesen. Hiergegen legte die Klägerin Revision ein.

Entscheidungsgründe

Der BFH bestätigt zunächst nochmals seine bisherige Rechtsprechung, wonach zu einer Veräußerung im Sinne des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG jede entgeltliche Übertragung eines begünstigt erworbenen Mitunternehmeranteils zählt, unabhängig davon, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert wurde und ob die Veräußerung oder Betriebsaufgabe freiwillig oder unfreiwillig, beispielsweise durch Insolvenz, erfolgte. Folglich kommt es auch dann zu einer Verletzung der Nachversteuerungsfrist, wenn die Veräußerung der begünstigt erworbenen Mitunternehmeranteile zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen oder sonstigen Nachlassverbindlichkeiten erfolgt. Der BFH lässt offen, ob bei einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen überhaupt noch eine Unterscheidung nach ursprünglichen und neu erworbenen Anteilen vorgenommen werden kann. Jedenfalls in Bezug auf § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist nach BFH aber die Steuervergünstigung nur insoweit zu versagen, als der Gesellschafter nach der Veräußerung nicht mehr in Höhe des begünstigt erworbenen Gesellschaftsanteils beteiligt ist. Damit wird zu Gunsten des Steuerpflichtigen unterstellt, dass zunächst die vor der unentgeltlichen Übertragung gehaltenen Gesellschaftsanteile veräußert sind und es damit nur insoweit zu einer Nachversteuerung kommen kann, als der nach der Veräußerung noch gehaltene Gesellschaftsanteil den unentgeltlich übertragenen und damit der Nachversteuerungsfrist unterliegenden Gesellschaftsanteil unterschreitet. Die Nachversteuerung wurde  entsprechend reduziert.

Praktische Bedeutung

Der BFH bestätigt die herrschende Meinung in der Literatur und weicht damit zu Gunsten des Steuerpflichtigen vom zivilrechtlichen Prinzip der Einheitlichkeit des Personengesellschaftsanteils ab, wonach es nur einen Anteil an der Personengesellschaft gibt, nicht jedoch mehrere Anteile, die etwa getrennt gehalten werden können oder separat veräußerbar sind. Auch die Finanzverwaltung vertritt zwischenzeitlich diese Auffassung (RE 13a.6 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2011). Die für § 13a ErbStG in der Fassung vor der Erbschaftsteuerreform getroffene Entscheidung, gilt auch für Erwerbe ab dem Jahr 2009.

Arten der sonstigen Einkünfte

Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen bei Verzicht auf Pflichtteils- oder Zugewinnaus- gleichsanspruch

Dr.  Bertram Layer, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Übergabe von Vermögen an die Nachfolgegeneration, sei es im Erbfall oder aber bereits zu Lebzeiten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, wird in der Praxis häufig mit wiederkehrenden Leistungen als „Gegenleistung“ für die Vermögensübertragung verbunden. Die einkommensteuerliche Behandlung solcher wiederkehrenden Leistungen bei den zur Zahlung Verpflichteten ist davon abhängig, ob es sich bei der Vermögensübertragung um eine entgeltliche, teilentgeltliche oder unentgeltliche Übertragung handelt. Im Falle einer unentgeltlichen Vermögensübertragung können unter bestimmten weiteren Voraussetzungen sog. Versorgungsleistungen vorliegen, die beim Verpflichteten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgaben geltend gemacht werden können. Im Gegenzug hat der Versorgungsempfänger die Versorgungsleistungen als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG zu versteuern (sog. Korrespondenz- prinzip).

Es würde hier zu weit führen, die derzeit gültige Rechtslage für Versorgungsleistungen und die im nachfolgenden Streitfall gültige Rechtslage im Einzelnen darzustellen. Für nach dem 31.12.2007 abgeschlossene Vermögensübertragungen hat der Gesetzgeber aufgrund der Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG begünstigte unentgeltliche Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sehr stark eingeschränkt. Begünstigt sind danach nur noch Versorgungsleistungen, die im Zusammenhang stehen mit der Übertragung

  • eines Anteils an einer Personenge- sellschaft, die eine land- und forstwirtschaftliche, gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt;
  • eines Betriebs oder Teilbetriebs, oder
  • eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt.

Vor dem 31.12.2007 abgeschlossene Vermögensübergabeverträge konnten hingegen auch zu Versorgungsleistungen führen, wenn Privatvermögen übertragen wurde (z.B. Grundstücke, auch eigengenutzte oder Wertpapiere und Geldvermögen). Vom BFH wurden für die Anerkennung von Versorgungsleistungen, die auf einer Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) beruhen, weitere Voraussetzungen für deren steuerliche Anerkennung als Sonderausgaben definiert, die auch heute noch Gültigkeit haben. Wiederkehrende Leistungen, die ihren Entstehungsgrund in einer Verfügung von Todes wegen (Erbeinsetzung oder Vermächtnis) haben, sind demnach nur dann Versorgungsleistungen, wenn sie auch bei einer Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Lebzeiten des Erblassers als Versorgungsleistungen zu beurteilen gewesen wären. Zudem muss der Empfänger der Versorgungsleistungen zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehören, d.h. er muss gegenüber dem Erblasser Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (z.B. Zugewinnausgleichsansprüche) geltend machen können; hierzu gehören bspw. der überlebende Ehegatte und die gesetzlich erb- und pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge des Erblassers. Gerade im Hinblick auf die zuletzt genannte Voraussetzung bringt die nachfolgend dargestellte Entscheidung nun eine Klarstellung, nämlich dass ein Verzicht auf Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich) einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nicht entgegensteht.

Zum Sachverhalt

Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des BFH war die steuerliche Behandlung von Zahlungen eines Erben (Sohn S), die dieser aufgrund eines zwischen seinem Vater (V) und dessen künftige Ehefrau und Stiefmutter des S (M) im Jahre 1991 abgeschlossenen Ehe- und Erbvertrages zu leisten hatte. In diesem Ehe- und Erbvertrag wurden zwischen V und M Gütertrennung und ein wechselseitiger Pflichtteilsverzicht vereinbart. Darüber hinaus setzte V seiner zukünftigen Ehefrau ein Vermächtnis aus. Dieses Vermächtnis wurde im Laufe der Zeit mehrmals verändert und bestand schließlich in einer monatlichen Rentenzahlung und einem lebenslangen Nießbrauch an dem selbst genutzten Haus. Ebenfalls mit notariellem Testament im Jahre 1991 setzte V den Sohn S sowie dessen Bruder je zur Hälfte als Erben ein. Nach dem Tod von V leistete S die erbvertraglich vereinbarten Vermächtniszahlungen. Die in den Jahren 2003 bis 2005 geleisteten Rentenzahlungen an M machte S als dauernde Last geltend. Der Abzug der dauernden Last als Sonderausgabe wurde vom Finanzamt nicht anerkannt. Die dagegen beim Finanzgericht Köln erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG Köln hat einer Entscheidung vom 30.06.2011,  Az. 10  K 1682/08, die Rentenzahlungen als dauernde Last anerkannt. Hiergegen hat das Finanzamt Revision eingelegt, der vom BFH stattgegeben wurde und die zu einer Zurückverweisung an die Vorinstanz geführt hat.

Entscheidungsgründe

Zunächst bestätigt der BFH die Auffassung der Vorinstanz, dass die Zahlungen des Klägers (Sohn S) an seine Stiefmutter M Versorgungsleistungen 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG sein können. Im Ergebnis verweist der BFH aber die Sache zurück an das Finanzgericht, das noch zu prüfen hat, ob der Kläger von seinem Vater V Vermögen geerbt hat, dessen Erträge die Versorgungsleistungen abdecken und ob die Versorgungsleistungen auch tatsächlich entsprechend der aus dem Vermächtnis resultierenden Verpflichtung erfüllt wurde.

In seinem Urteil stellt der BFH die Grundsätze zur Anerkennung von Versorgungsleistungen dar, die er bereits in früheren Urteilen entwickelt hat. Er bestätigt, dass sowohl Leistungen, die auf einer vorweggenommenen Erbfolge beruhen als auch Leistungen, die ihren Rechtsgrund in einer letztwilligen Verfügung haben (z.B. in einem Vermächtnis), als Versorgungsleistungen zu Sonderausgaben führen können. Das Gericht bestätigt ferner, dass der Empfänger der Versorgungsleistungen zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehören muss. In dem Urteil kommt der BFH zum Ergebnis, dass auch die Stiefmutter des Klägers diesem Generationennachfolge-Verbund angehört und deshalb Empfängerin von Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG sein kann. Dem stehe auch nicht entgegen, dass M im notariellen Ehe- und Erbvertrag noch vor der Eheschließung mit V einen Pflichtteilsverzicht erklärt hat, da ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang mit der Eheschließung gegeben sei. Der BFH führt, auch klarstellend zu früher ergangener Rechtsprechung aus, dass es für eine Anerkennung einer vermächtnisweisen zugewendeten Versorgungsrente als Versorgungsleistung nicht erforderlich ist, dass der Begünstigte im Zeitpunkt des Erbfalls noch Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsansprüche geltend machen kann. Entscheidend sei vielmehr, dass sich der Begünstigte mit der vermächtnisweisen Zuwendung von Versorgungsleistungen anstelle von Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsansprüchen begnügt.

In dem Urteil setzt sich der BFH auch mit der Frage auseinander, ob – wie im vorliegenden Streitfall der Fall – ein ursprünglich im Wege des Vermächtnisses zugewendetes Nießbrauchsrecht durch eine private Versorgungsrente abgelöst werden kann. Der BFH verweist in diesem Zusammenhang auf seine Rechtsprechung, wonach ein Nießbrauchsrecht, das sich der Übergeber eines Vermögens vorbehalten hatte, grds. durch eine Versorgungsrente abgelöst werden kann, sofern die vereinbarten Versorgungsleistungen aus den Nettoerträgen des überlassenen Grundstücks bestritten werden können. Entsprechendes muss nach Auffassung des BFH gelten, wenn eine Änderung des ausgesetzten Vermächtnisses durch den Erblasser dahingehend erfolgt, dass eine Versorgungsleistung anstelle eines Nießbrauchsrechts oder eine zusätzliche Rente neben einem Nießbrauchsrecht gewährt wird.

Ergänzende Hinweise

Die vorstehend erläuterte Entscheidung betrifft zwar einen Fall, der nach den derzeit gültigen Regelungen für Versorgungsleistungen in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG wohl keine als Sonderausgabe abzugsfähigen Versorgungsleistung mehr begründen würde, da es an den zuvor dargestellten engen Voraussetzungen für begünstigte Vermögensübertragun- gen (im wesentlichen Mitunternehmeranteile, Teilbetriebe oder Anteile an Kapitalgesellschaften) fehlt.

Allerdings ist die Entscheidung auch für die heutige Rechtslage von Bedeutung, wenn es um nach neuem Recht begünstigte Vermögensübergaben geht und der durch eine Versorgungsleistung Begünstigte auf Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich) verzichtet. Ein solcher Verzicht, wie er in der Praxis durchaus zwischen Ehegatten üblich ist, v.a. in Verbindung mit unternehmerisch gebundenen Vermögen, wäre somit für eine Anerkennung einer Versorgungsrente nicht mehr schädlich.

Arbeitnehmer und Betrieb

Leiharbeitnehmer zählen nicht mit – zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Berechnung der Schwellenwerte für die Unternehmensmitbestimmung

Dr. Sebastian von Thunen, LL.M., Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Unternehmen, die u.a. als Aktiengesellschaft oder GmbH organisiert sind, müssen einen teilweise mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat einrichten, wenn die Anzahl der von ihnen regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Nach § 1 Abs. 1, 7 des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) hat der Aufsichtsrat eine Größe von mindestens 12 Mitgliedern und ist sogar zur Hälfte („paritätisch“) mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen, wenn das Unternehmen in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Nach den Regelungen des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) ist ein zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen- der Aufsichtsrat zu bilden in Unternehmen, die in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, §1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 DrittelbG. Diese im MitbestG und im DrittelbG geregelte, sogenannte unternehmerische Mitbestimmung greift unmittelbar in die gesellschaftsrechtliche Struktur der Unternehmung ein und gewährt der Belegschaft auf gesellschaftsrechtlicher Ebene Informations und Einflussrechte auf originär strategischunternehmerische Entscheidungen. Das unterscheidet sie von der sogenannten betrieblichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, die lediglich auf betrieblicher Ebene in betrieblichen Angelegenheiten besteht und bei der vor allem auch kein Einfluss externer Gewerkschaftsvertreter begründet wird (so nämlich zwingend nach § 7 Abs. 2 MitbestG).

Ob bei der Ermittlung der für die Besetzung eines mitbestimmten Aufsichtsrats maßgeblichen Schwellenwerte neben den eigenen Arbeitnehmern des Unternehmens („Stammbelegschaft“) auch die Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Dies hängt davon ab, ob die Leiharbeitnehmer unter den Begriff des  „Arbeitnehmers“  i.S.d.  §  3 Abs. 1 DrittelbG und § 3 MitbestG fallen. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Mitbestimmung (z.B. BAG, Beschluss vom 10.03.2004 – 7 ABR 49/03) und der Obergerichte zur Unternehmensmitbestimmung (z.B. OLG Düsseldorf 19 W 2/04; OLG Hamburg 11 W 27/07) waren Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten nicht zu berücksichtigen. Hintergrund war die sogenannte „Zwei-Komponenten-Lehre“, nach der zu den konstitutiven Merkmalen für den Arbeitnehmerbegriff bzw. der Betriebszugehörigkeit zum einen das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Betriebsinhaber (Arbeitsvertrag) und zum anderen die Eingliederung in den Betrieb als solchen gehören. An der ersten Voraussetzung (Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber) fehlt es begriffsnotwendig bei im Entleihunternehmen beschäftigten Leiharbeitnehmern. Denn deren Arbeitsverhältnis besteht mit dem Verleihunternehmen, während sie in den Entleihbetrieb betrieblich eingegliedert sind. Die Arbeitgeberstellung ist dementsprechend zwischen Ver- und Entleihunternehmen „aufgespalten“, was einer Zurechnung zum Entleihbetrieb entgegenstehen sollte. Von dieser strengen Auffassung ist das Bundesarbeitsgericht in seiner neueren Rechtsprechung abgerückt: Bei einer für Leiharbeitsverhältnisse typischen aufgespaltenen Arbeitgeberstellung seien differenzierte Lösungen geboten, um die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen berücksichtigen zu können (BAG, Beschluss vom 05.12.2012 – 7 ABR 48/11). Um zu ermitteln, welche Personen zum Kreis der „Arbeitnehmer“ zu zählen sind, soll es also nunmehr darauf ankommen, welche Funktion der Begriff „Arbeitnehmer“ in der jeweiligen Regelung hat, sodass er in unterschiedlichen Regelungen je unterschiedlich ausgelegt werden kann und ggf. muss.

Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht unter Abkehr von seiner bisherigen, anderslautenden Rechtsprechung u.a. auch für die Bestimmung der Betriebsratsgröße nach 9 Satz 1 BetrVG, der ähnlich wie die Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung ebenfalls an die Anzahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer anknüpft, die Leiharbeitnehmer mit in die Berechnung einbezogen. Da der Betriebsrat aufgrund des gesetzlichen Aufgabenzuschnitts u.a. auch die im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer vertrete, müsse der aufgrund der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bedingten Zunahme an Aufgaben durch eine entsprechende Betriebsratsgröße Rechnung getragen werden (BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69 /11). Auch in einem Urteil vom 18.10.2011 (1 AZR 335/10) hatte das BAG bereits zur Norm des § 111 Satz 1 BetrVG (Sozialpläne) die im Entleihbetrieb tätigen Leiharbeitnehmer mitberücksichtigt.

Diese gewandelte höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bislang nur Regelungen der betrieblichen Mitbestimmung zum Gegenstand. Es ist bislang ungeklärt, inwieweit sie auf die unternehmerische Mitbestimmung und damit auch die Schwellenwerte des Mitbestimmungsgesetzes und Drittelbeteiligungsgesetzes zu übertragen ist. Mit dieser Frage hatte sich das OLG Hamburg in der vorliegenden Entscheidung  auseinanderzusetzen.

Zum Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Besetzung des Aufsichtsrates einer AG. Diese unterhielt in der Vergangenheit Betriebsstätten mit insgesamt mehr als 2.000 Arbeitnehmern in Deutschland. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft war dementsprechend gemäß den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes paritätisch gebildet worden. Im November 2012 machte die Gesellschaft im Bundesanzeiger bekannt, dass der Aufsichtsrat nicht mehr gesetzmäßig zusammengesetzt sei, da die Gesellschaft weniger als 2.000 Arbeitnehmer beschäftige und damit nicht mehr den Regelungen des MitbestG, sondern denjenigen des DrittelbG unterliege.

Hiergegen wandten sich die Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 1 AktG (sog. „Statusverfahren“). Zur Begründung trugen sie vor, dass die Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl ebenfalls zu berücksichtigen seien, weshalb die Zahl der bei der Gesellschaft regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht dauerhaft unter dem Schwellenwert von 2.000 gesunken sei. Eine Abfrage bei den Betrieben der Gesellschaft habe unter Einbeziehung von 139 Leiharbeitnehmern eine Beschäftigtenzahl von insgesamt 2.062 ergeben. Dieser Argumentation schloss sich das OLG Hamburg nicht an.

Entscheidungsgründe

Das OLG referiert zunächst die eingangs (Ziff. I) angesprochenen jüngeren Entscheidungen des BAG zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der Schwellenwerte der betrieblichen Mitbestimmung, führt dann jedoch aus, dass im Hinblick auf die Unternehmensmitbestimmung eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht geboten sei. Der Gesetzgeber habe die Leiharbeitnehmer bislang bewusst nicht vollumfänglich der Stammbelegschaft gleichgestellt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der Schutz des Leiharbeitnehmers vielmehr durch den Gleichlauf im Hinblick auf die Bezahlung (sogenannter Grundsatz des Equal Pay) und die sonstigen eingeräumten Rechte (§ 7 Abs. 2 BetrVG und § 14 AÜG) ausreichend gewährleistet.

Des Weiteren seien Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Ebene der unternehmerischen Mitbestimmung anders betroffen als die Stammbelegschaft, sodass ihre Nichtberücksichtigung für die Ermittlung von Schwellenwerten gerechtfertigt sei: Der Aufsichtsrat, dessen Tätigkeit auf die langfristige Unternehmenspolitik und die Kontrolle strategischer Entscheidungen der Geschäftsführung gerichtet sei, wahre das mittel und langfristige Gesellschaftsinteresse. Dieses sei für die Leiharbeitnehmer von jedenfalls geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft, da ihnen die Rückkehr zum verleihenden Betrieb verbleibe. Sie sind letztlich nur temporär von arbeitsplatzrelevanten Entscheidungen auf unternehmerischer Ebene des Entleihunternehmens betroffen.

Angesichts der Tatsache, dass Leiharbeitnehmer jedenfalls in den entleihenden Betrieb zurückkehren könnten, weil eine betriebsbedingte Kündigung von Seiten des Verleihbetriebs allein aufgrund des Wegfalls der Beschäftigungsbedürfnisse im Entleiherbetrieb ausgeschlossen sei, seien sie auch in Bezug auf die durch die Mitbestimmung bezweckte sog. Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Sozialbindung des Eigentums („Art. 14 Abs. 2 GG: Eigentum verpflichtet sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“) anders betroffen als Stammarbeitnehmer: (Nur) für diese könne sich die Ausübung der Verfügungsbefugnis durch den Eigentümer zugleich auf ihre Daseinsgrundlage auswirken und berühre damit ihre Grundrechtssphäre.

Vor diesem Hintergrund sei es selbst auf Grundlage der eingangs referierten neueren Rechtsprechung des BAG, nach der der Arbeitnehmerbegriff im jeweiligen gesetzlichen Kontext differenzierend je nach Funktion ausgelegt werden soll, nicht gerechtfertigt, die Leiharbeitnehmer unter den Arbeitnehmerbegriff des § 1 MitbestG zu fassen. Die Argumentation des BAG zur Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer im Rahmen der Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung sei auf die Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung nicht übertragbar.

Denn aufgrund der dargestellten Aufgaben des Aufsichtsrats langfristige Unternehmenspolitik und Kontrolle strategischer Entscheidungen wirke sich seine Tätigkeit nicht in so maßgeblichem Umfang auf die Leiharbeitnehmer aus, dass vergleichbar der Ermittlung des Schwellenwertes für die Größe des Betriebsrats den Leiharbeitnehmern auch ein Einfluss auf die unternehmerische Mitbestimmung im Entleihbetrieb zukommen müsse. Das vom Aufsichtsrat zu wahrende mittel und langfristige Gesellschaftsinteresse sei für die Leiharbeitnehmer, gerade aufgrund der ihnen möglichen Rückkehr zum verleihenden Betrieb, von wesentlich geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft.

Weiterführende Hinweise

Der Beschluss des OLG Hamburg ist die erste obergerichtliche Entscheidung zu diesem Themenkomplex nach Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Behandlung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung. Sie dürfte dazu führen, dass in naher Zukunft hierzu auch höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegen wird. Denn die Antragsteller haben Rechtsbeschwerde eingelegt, über die laut dem Verfasser erteilter Auskunft des Bundesgerichtshofs (BGH) voraussichtlich Anfang kom- menden Jahres entschieden wird.

Aufgrund der Besonderheiten des sogenannten aktienrechtlichen Statusverfahrens (§§ 98 f. AktG) ist für die Entscheidung über die Frage, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, also für die unternehmerische Mitbestimmung, der BGH letztinstanzlich zuständig und nicht das BAG, auf dessen Entscheidungen zur betrieblichen Mitbestimmung des OLG Hamburg mehrfach Bezug nimmt. Der für das Gesellschaftsrecht zuständige Zivilsenat des BGH dürfte sich dabei erfahrungsgemäß stärker von originär gesellschaftsrechtlichen Argumenten leiten lassen und der unterschiedlichen Zwecksetzung von unternehmerischer und betrieblicher Mitbestimmung mehr Gewicht beimessen als es möglicherweise das in der Regel stärker aktuelle sozialpolitische Anliegen berücksichtigende und tendenziell eher mitbestimmungsfreundliche BAG täte. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der BGH der Argumentation des OLG Hamburg folgt, die schlüssig und sachgerecht ist und sich auch mit der vom BAG vertretenen differenzierenden Sichtweise vereinbaren lässt.

Jedenfalls wird insoweit seine Auffas- sung künftig für die Praxis maßgeblich sein, weil Statusverfahren in letzter Instanz stets vom BGH zu entscheiden sind.

Auch wenn der BGH der Auffassung des OLG Hamburg folgen würde und somit für die Praxis davon ausgegangen werden könnte, dass Leiharbeitnehmer bei Ermittlung der relevanten Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung nicht zu berücksichtigen sind, werden Familienunternehmen, die bei unterstellter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bereits die Schwellenwerte überschreiten, bei weiterem Zuwachs in absehbarer Zeit auch mit ihrer Stammbelegschaft über diesen Schwellenwerten liegen.

Das DrittelbG und das MitbestG stellen dabei auf die „in der Regel“ beschäftigte Anzahl von Mitarbeitern ab. Dabei kommt es nicht auf die Stärke der Belegschaft zu einem bestimmten Stichtag an, sondern die Beschäftigtenzahl ist unter Berücksichtigung der Vergangenheit und der zukünftigen  Entwicklung festzulegen. Überschreitet daher die Mitarbeiterzahl bereits (nur) unter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer die relevanten Schwellenwerte, sollte diese „Pegelwarnung“ in jedem Fall abgesehen von der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern ein Anlass sein, sich rechtzeitig mit rechtlichen Möglichkeiten zur Gestaltung der unternehmerischen Mitbestimmung zu befassen. Dabei kommen insbesondere konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen und Rechtsformwechsel (z.B. in eine Europäische Aktiengesellschaft („SE“)) sowie gegebenenfalls die Einbeziehung ausländischer Rechtsträger in Betracht.

Versorgungsausgleich

Keine Umgehung des gesetzlichen Verbots auf Trennungsunterhalt

Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Beschluss des BGH befasst sich mit der Wirksamkeit des vollständigen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs bei einer Alleinverdienerehe in einem (bevorstehenden) Scheidungsverfahren. Die Beteiligten hatten nach der Eheschließung unter dem Eindruck einer Ehekrise einen notariellen Vertrag (sog. Krisen-Ehevertrag) geschlossen, in dem sie gegenseitig auf den Ausgleich des Zugewinns sowie vollständig auf Unterhalt und Versorgungsausgleich verzichteten.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

  1. Der BGH kommt hier zum Ergebnis, dass der Verzicht auf Versorgungsausgleich, Unterhalt und Zugewinnausgleich sowohl für sich genommen als auch im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht zu einer sittenwidrigen Benachteiligung des verzichtenden Ehegatten gemäß 138 Abs. 1 BGB geführt haben. Nach ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung unterliegen die Regelungen zu den Scheidungsfolgen zwar grundsätzlich der Disposition der Ehegatten, gleichwohl darf diese Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen beliebig unterlaufen werden kann.
  1. Der Versorgungsausgleich steht als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Disposition nur begrenzt Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist schon für sich genommen sittenwidrig und damit unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte auf Grund des schon bei Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Der BGH kommt hier zu dem Ergebnis, dass der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs wirksam ist, da die durch den Ausschluss benachteiligte Ehefrau ausreichende Kompensationsleistungen erhalten habe. Entscheidend hierfür ist, ob die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für den belasteten Ehegatten durch die ihm versprochenen Gegenleistungen ausreichend abgemildert werden. Die von dem begünstigten Ehegatten vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen müssten zwar zu einem angemessenen, aber nicht notwendig zu einem gleichwertigen Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich führen. Eine sog. Halbteilungskontrolle wie sie beim gerichtlich durchzuführenden Versorgungsausgleich vorgesehen ist (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) findet bei der Inhaltskontrolle von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich mithin nicht statt. Unzureichend seien die Kompensationsleistungen allenfalls dann, wenn sie nicht annähernd geeignet sind, die aufgrund des geplanten Zuschnitts der Ehe sicher vorhersehbaren oder die bereits entstandenen ehebedingten Vermögensnachteile des verzichtenden Ehegatten zu kompensieren. Eine derartige Ungeeignetheit der vereinbarten Kompensationsleistungen wurden von der Ehefrau nicht vorgetragen und konnte das Gericht hier auch nicht feststellen.
  1. Ein vereinbarter Verzicht auf den Zugewinnausgleich unterliegt keinen Wirksamkeitsbedenken am Maßstab des § 138 BGB, da dieser nach ständiger und vorliegend wieder bestätigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vom Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts umfasst wird. Im vorliegenden Fall war der Verzicht schon deshalb rechtlich unbedenklich, weil dieser nicht kompensationslos erfolgte.
  1. Schließlich bestanden auch keine Wirksamkeitsbedenken gegen den vollständigen Verzicht auf nachehelichen Der dem Kernbereich zuzurechnende Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB war nicht betroffen, weil der gemeinsame Sohn der Beteiligten bereits 17 Jahre alt und mit weiteren Kindern nicht mehr zu rechnen war. Eine Sittenwidrigkeit lag hier nicht vor, da aufgrund des eigenen, aus Erbschaften herrührenden Vermögens der Ehefrau und der ihr vom Ehemann im Ehevertrag zugesagten Kompensationsleistungen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden konnte, dass die Ehefrau später im Falle von Alter oder Krankheit in eine finanzielle Notlage geraten würde. Ein Ausschluss des Unterhalts wegen Erwerbslosigkeit begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, weil dieser grundsätzlich nachrangig ist und nur ganz ausnahmsweise in den Fokus richterlicher Wirksamkeitskontrolle rücken kann, wenn dem belasteten Ehegatten aufgrund des beabsichtigten bzw. gelebten Ehemodells ehebedingte Nachteile im beruflichen Fortkommen entstehen.
  1. Auf zweiter Stufe ist im Rahmen der Inhaltskontrolle zu prüfen, ob trotz Wirksamkeit der einzelnen Vertragsregelungen die Gesamtbetrachtung des Vertrages sich als sittenwidrig erweist, weil das Zusammenwirken aller Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung des Ehegatten abzielt. Auf die insoweit verlangte verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist zu schließen, falls ein unausgewogener Vertragsinhalt auf eine einseitige Dominanz hinweist und die Vertragsparität gestört Eine subjektive Störung der Vertragsparität hat der BGH hier mit der Begründung verneint, da die Vereinbarung unter anwaltlichem Beistand auf beiden Seiten nach langen Verhandlungen und genügender Überlegungszeit im Hinblick auf eine bereits bestehende Ehekrise abgeschlossen wurde.
  2. Schließlich ist im Rahmen der Ausübungskontrolle zu untersuchen, ob es dem Begünstigten nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die ihn begünstigenden Regelungen zu berufen, weil sich aus dem vereinbarten Ausschluss eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen Lebensplanung grundlegend abweicht. Hierzu gab der Sachverhalt keinen Anlass.
  1. Der BGH bestätigt im Wesentlichen die von ihm in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Zu beachten ist, dass bei im Hinblick auf eine bevorstehende Scheidung abgeschlossenen familienrechtlichen Verträgen eher damit gerechnet werden muss, dass die belastenden Vertragsbestimmungen in absehbarer Zeit zum Tragen kommen können. Sie haben somit eine höhere Bestandskraft als vor der Ehe abgeschlossene Eheverträge. In jedem Fall sollten bei Totalverzichten, sofern sie den Kernbereich betreffen, im Ehevertrag immer ausreichende Kompensationsleistungen vereinbart Obwohl der BGH die geleisteten Kompensationsleistungen in seiner Entscheidung jeweils bei allen Scheidungsfolgenansprüchen aufgeführt hat, sollten bei der Ehevertragsgestaltung wie bisher auch –, die Kompensationsleistungen konkret einzelnen Verzichten zugeordnet werden. Bestätigt hat der BGH schließlich auch, dass durch eigene anwaltliche Vertretung des „benachteiligten“ Ehegatten das Indiz der Imparität, das sich aus dem objektiven Vertragsinhalt ergibt, widerlegt werden kann.