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Testamentsvollstrecker

Stimmverbot und Ausübung von Gesellschafterrechten durch  den Testamentsvollstrecker

Prof. Dr. Rainer Lorz, LL.M., Rechtsanwalt, Dr. Maximilian Hermann, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Testamentsvollstrecker hat die Stellung eines Treuhänders über den Nachlass. Zwar ist der Erbe dessen Eigentümer, der Testamentsvollstrecker verwaltet jedoch im Rahmen seiner Befugnisse den Nachlass selbstständig in vollem Umfang aus eigenem Recht („Partei kraft Amtes“). Hat der Erblasser hinsichtlich einer Gesellschaftsbeteiligung unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, nimmt der Testamentsvollstrecker unter Ausschluss der Erben von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse grundsätzlich alle den Gesellschaftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte, insbesondere auch die Stimmrechte, wahr. Ausnahmen vorrangig aus haftungsrechtlichen Gründenbestehen insoweit nur bei vollhaftenden Beteiligungen, also bei Anteilen eines Gesellschafters einer GbR oder OHG oder des Komplementärs einer KG. In seinen Kompetenzen ist der Testamentsvollstrecker neben der Bindung an den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung erbrechtlich lediglich durch das Verbot unentgeltlicher Verfügungen nach § 2205 3 BGB und seine auf den Nachlass beschränkte Verpflichtungsbefugnis (vgl. § 2206 BGB) eingeschränkt. Neben diese erbrechtlichen Einschränkungen können gesellschaftsrechtliche Gründe treten, die der Ausübung von Beteiligungsrechten durch den Testamentsvollstrecker entgegenstehen. So müssen bei Personengesellschaftsanteilen anders als bei der GmbH – die Mitgesellschafter der angeordneten Fremdverwaltung zugestimmt haben, damit der Testamentsvollstrecker seine Rechte in Bezug auf die Beteiligung ausüben kann. Der Ausübung von Stimmrechten können gesellschaftsrechtliche Stimmverbote entgegenstehen. Mit der Frage, inwieweit ein für den Testamentsvollstrecker geltendes gesellschaftsrechtliches Stimmverbot seine Verwaltungsbefugnis hinsichtlich der Gesellschaftsanteile einschließlich des Rechts zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung einschränkt, hat sich der BGH in der vorstehend genannten Entscheidung befasst. In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall wurde über einen Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG und über einen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Erben warfen nun dem Testamentsvollstrecker, der vormals auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war, vor, seinerzeit seine Geschäftsführerpflichten in schadensersatzbegründender Weise verletzt zu haben. Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche wurde in den Gesellschafterversammlungen der GmbH und der GmbH & Co. KG beschlossen, die von den Erben in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter einberufen wurden.

Entscheidungsgründe

Der BGH erteilte diesem Vorgehen der Erben eine Absage und erklärte die gefassten Beschlüsse mangels Berechtigung der Erben zur Einberufung der Gesellschafterversammlungen für nichtig. Das Gericht hält zunächst fest, dass der Testamentsvollstrecker in den Gesellschafterversammlungen bei der Fassung der Beschlüsse über die Verfolgung der gegen ihn gerichteten Schadensersatzansprüche von der Ausübung des einen Teil seiner umfassenden Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses bildenden Stimmrechts ausgeschlossen war, da er auch wenn er selbst nicht Gesellschafter ist einem Stimmverbot Dieses gesellschaftsrechtliche Verbot, Richter in eigener Sache zu sein, ist für die GmbH in 47 Abs. 4 GmbHG normiert und wird vom BGH ausdrücklich auch auf Personengesellschaften erstreckt. In einem solchen Fall der persönlichen Betroffenheit des Testamentsvollstreckers hätten die Erben selbst das Stimmrecht ausüben dürfen, wenn die Gesellschafterversammlungen ordnungsgemäß einberufen worden wären. Daran aber mangelte es hier. Der Umstand, dass der Testamentsvollstrecker bei der Beschlussfassung über einen bestimmten Beschlussgegenstand wegen eines Stimmverbots ausgeschlossen war und das Stimmrecht insoweit den Erben zustand, hatte nach dem BGH nämlich nicht zur Folge, dass auch das Recht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über diesen Gegenstand vom Testamentsvollstrecker auf die Erben übergegangen war; die Einberufungsbefugnis verblieb vielmehr beim Testamentsvollstrecker. So kann beispielsweise auch ein Gesellschafter ohne Stimmrecht oder ein Gesellschafter, der in der konkreten Angelegenheit einem Stimmverbot unterliegt, ein berechtigtes Interesse daran haben, bestimmte Angelegenheiten in der Gesellschaft zur Diskussion und Abstimmung zu stellen. Diese Unabhängigkeit des Einberufungsrechts von einem hinsichtlich der Beschlussfassung bestehen- den Stimmverbot gilt nach dem BGH für den die Gesellschafterbefugnisse ausübenden Testamentsvollstrecker ebenso. Unterliegt der Testamentsvollstrecker also einem Stimmverbot, so werden seine Befugnisse nur in diesem Umfang eingeschränkt, d.h. er darf auf einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung nicht abstimmen. Die übrigen Gesellschafterrechte können von ihm weiterhin ausgeübt werden und verdrängen die Befugnisse der Erben als Inhaber der Gesellschafts- bzw. Geschäftsanteile.

Weitere Hinweise

Neben den Fällen, in denen es um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Testamentsvollstrecker geht, sind in der Praxis auch Stimmverbote im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers als Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied einer GmbH relevant. Denn er ist von der Ausübung des Stimmrechts auch ausgeschlossen, soweit es um seine eigene Entlastung oder die der anderen Mitglieder der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats geht. An seiner Stelle üben die Erben das Stimmrecht aus. Dies kann in der Praxis zu erheblichen Komplikationen führen, wenn sich die Erben bei dieser Gelegenheit an einem unliebsamen Testamentsvollstrecker rächen wollen. Es empfiehlt sich daher eine Regelung im Testament dahingehend, dass im Falle eines Stimmverbotes des Testamentsvollstreckers auch das Stimmrecht der Erben ruht.

Will sich der Testamentsvollstrecker in einer GmbH selbst zum Geschäftsführer wählen lassen, so darf er hierzu sein Stimmrecht (in analoger Anwendung des § 181 BGB) nur ausüben, wenn ihm dies vom Erblasser oder den Erben ausdrücklich gestattet wurde. Insoweit ist die Lage anders zu beurteilen als bei einem Gesellschafter, der bei derartigen Sozialakten mitstimmen darf. Bei entsprechender Interessenlage ist also eine testamentarische Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB dringend erforderlich.

Erbrecht

Volljährig Adoptierter als Kind des Erblassers i.S. einer qualifizierten Nachfolgeklausel

Prof. Dr. Rainer Lorz, LL.M., Rechtsanwalt/Dr. Maximilian Hermann, Rechtsanwalt

Bei einer auf Kinder beschränkten qualifizierten Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag einer Personenhandelsgesellschaft umfasst der Begriff „Kind“ auch einen als Kind angenommenen volljährigen Enkel.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Bei der Gestaltung der Erbfolge in Personengesellschaften ist es in rechtlicher Hinsicht unerlässlich, die erbrechtliche Verfügung mit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben abzustimmen, um Komplikationen bei einer erbrechtlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu vermeiden. Hierbei entsprechen die gesetzlich angeordneten Folgen des Todes eines Gesellschafters in Familienunternehmen in der Regel nicht der typischen Interessenlage der Gesellschafter. Sie spielen in der Praxis daher meist nur eine subsidiäre Rolle und werden durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen ergänzt oder ersetzt.

Der Gesellschaftsvertrag kann insbesondere einfache oder qualifizierte Nachfolgeklauseln enthalten, wenn die Beteiligung vererblich gestellt werden soll. Die einfache Nachfolgeklausel sieht die freie Vererblichkeit des Gesellschaftsanteils und die Fortführung der Gesellschaft allgemein „mit dem/den Erben“ des verstorbenen Gesellschafters vor. Die Bestimmung der in die Gesellschaft im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar nachrückenden Personen erfolgt allein nach den erbrechtlichen Vorgaben (gesetzliche Regelung bzw. Verfügung von Todes wegen), wobei die Höhe der Erbquote über die Höhe der Beteiligung an der Gesellschaft entscheidet. Durch die Verwendung einer – vor allem bei Familienunternehmen häufig gewählten – qualifizierten Nachfolgeklausel wird demgegenüber sichergestellt, dass die Beteiligung des Erblassers nur auf einen oder einzelne, durch Alter, Ausbildung, Familienzugehörigkeit etc. besonders qualifizierten Erben unter Ausschluss der übrigen Erben übergeht. Die Beteiligung wird direkt und in voller Höhe auf den wiederum kraft Sonderrechtsnachfolge einrückenden, die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllenden Erben übergeleitet. Sind mehrere Miterben als Nachfolger vorgesehen, wird die Mitgliedschaft nicht Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft, sondern geht unmittelbar im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Miterben über. Der Umfang des Rechtserwerbs richtet sich nach dem Verhältnis der Erbquoten der bedachten Miterben untereinander.

Die Nachfolge im Wege einer qualifizierten Nachfolgeklausel vollzieht sich kraft Erbrechts. Aus diesem Grund muss der gesellschaftsvertraglich vorgesehene Nachfolger zum Kreis der Erben gehören, zumindest zu einem Bruchteil, da die Klausel andernfalls bildlich gesprochen „ins Leere“ geht. Umgekehrt bleibt die Erbenstellung ohne Bedeutung in Bezug auf die Nachfolge in den Anteil, sofern der Erbe nicht die gesellschaftsvertraglichen Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt. Mit dem Problem, ob ein Erbe die in der Nachfolgeklausel definierten Eigenschaften aufweist, hatte sich das OLG Stuttgart zu beschäftigen.

Entscheidungsgründe

In dem vom OLG Stuttgart zu entschei- denden Fall war im Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Nachfolgeklausel enthalten, die die Berechtigung der Gesellschafter vorsah, ihre Anteile erbrechtlich auf ihre Kinder zu übertragen. Nur diese sollten also nachfolgeberechtigt sein. Der Senat hatte die Frage zu klären, ob der Begriff „Kind“ im Sinne der Nachfolgeklausel auch volljährig Adoptierte umfasst. Anderenfalls wäre der vom Erblasser volljährig adoptierte Enkel aufgrund der testamentarischen Verfügung zwar Erbe, jedoch nicht Gesellschafter geworden, hätte also nicht in die Gesellschafterstellung nachrücken können. Im Ausgangspunkt seiner Überlegungen geht das Gericht vom allgemeinen Sprachgebrauch aus und stellt fest, dass der Begriff „Kind“ – sofern nicht ausdrücklich durch das Attribut „leiblich“ eingeschränkt – neben leiblichen Kindern auch adoptierte Kinder umfasst. Der Begriff „Kind“  lege anders als  der Begriff „Abkömmling“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine leibliche Abstammung nahe. Dieses Verständnis liegt nach Ansicht des Gerichts auch dem juristischen Sprachgebrauch zugrunde, da nach § 1754 Abs. 1 und 2 BGB der Adoptierte die rechtliche Stellung eines (leiblichen) Kindes hat. Insoweit sei nicht zwischen einer Volljährigenadoption und Minderjährigenadoption zu unterscheiden. Dem Verweis auf die „schwache“ Wirkung der Volljährigenadoption erteilt der Senat eine Absage, da diese „schwa- che“ Wirkung im Wesentlichen darin bestehe, dass ein Verwandtschaftsverhältnis nach § 1770 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zum Annehmenden selbst, nicht aber zu dessen Verwandten begründet wird; dies – so der Senat – ändere nichts daran, dass der Angenommene durch die Adoption zum Kind des Annehmenden Damit hat das OLG Stuttgart die Nachfolgeberechtigung eines als Kind angenommenen volljährigen Enkels bei einer auf Kinder beschränkten qualifizierten Nachfolgeklausel zutreffend bejaht. Bei mehrdeutigen Begriffen sollte man sich jedoch nicht auf die Auslegung durch Gerichte verlassen, sondern sinnvollerweise den Kreis der Nachfolger genau bezeichnen (Kind, Abkömmling, (nicht) ehelich, leiblich, adoptiert).

Weitere Hinweise

Die Ausgleichsansprüche weichender Erben bei Verwendung einer qualifizierten Nachfolgeklausel sind erbrechtlicher Natur und richten sich gegen den qualifizierten Erben. Er schuldet also den nichtqualifizierten und somit nicht in die Gesellschafterstellung nachrückenden Miterben einen Wertausgleich, sofern der Wert der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung den Betrag übersteigt, der ihm aufgrund seiner Erbquote zustehen würde. Anders ist dies nur dann, wenn der Erblasser dem qualifizierten Nachfolger den Anteil ohne Anrechnung auf den Erbteil zukommen lassen wollte (Vorausvermächtnis). Obwohl – aufgrund der ungeschmälerten Vererbung der Mitgliedschaft – keine Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft entstehen, bleibt deren Liquidität von einer Erbauseinandersetzung dennoch regelmäßig nicht unberührt. Ist der qualifizierte Erbe zu hohen Zahlungen an die weichenden Miterben verpflichtet, die er aus seinen sonstigen Vermögenswerten nicht leisten kann, wird er zur Erfüllung des Ausgleichsanspruchs etwa durch Entnahmen oder durch Privatdarlehen auf die Aktiva der Gesellschaft zurückgreifen. In diesem Zusammenhang kann sich eine testamentarische Anordnung empfehlen, wonach den ausgleichsberechtigten Miterben anstelle einer Ausgleichszahlung eine Unterbeteiligung am Anteil des Erblassers ein- zuräumen ist. Zur Streitvermeidung empfiehlt es sich ferner, ein Verfahren zur Wertermittlung vorzugeben oder mit den weichenden Erben eine Abfindungsvereinbarung bzgl. der zu erbringenden Ausgleichsleistung – in der Gestalt eines Erbverzichts oder Pflichtteilsverzichts – zu treffen.

Aktiengesetz

Bestellung und Abberufung des Vorstands

Nichtigkeit der wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds bei gleichzeitiger Beendigung des Mandats während  der Amtszeit

Dr.  Maximilian Hermann, Rechtsanwalt

§ 84 Abs. 1 S. 3 AktG enthält ein gesetzliches Verbot i.S. von § 134 BGB. Ein Beschluss eines Aufsichtsrates über die Verlängerung der Bestellung eines Vorstandsmitglieds, der außerhalb der Jahresfrist des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG gefasst wird, beinhaltet eine unzulässige Umgehung dieses Verbots. Aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) ergibt sich nichts Entgegen stehendes.

Problemstellung und praktische Bedeutung:

Die Möglichkeit, die Amtszeit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft zu verlängern oder eine Bestellung zu wiederholen, ist in § 84 Abs. 1 AktG geregelt. Die Verlängerung der Amtszeit oder die Wiederbestellung unterliegen dabei gesetzlichen Grenzen. So sind sie – wie auch die erstmalige Bestellung – nur für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren zulässig. Der dafür erforderliche Verlängerungs- Wiederbestellungsbeschluss des Aufsichtsrats darf frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden (§ 84 Abs. 1 S. 3 AktG); erfolgt der Beschluss zu einem früheren Zeitpunkt, so ist er unwirksam. Diese Grundsätze gelten sinngemäß für den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds (§ 84 Abs. 15 AktG).

Der gesetzliche Ein-Jahres-Zeitraum bereitet gerade in Familien-Aktiengesellschaften unter anderem dann Probleme, wenn das Bedürfnis einer vorzeitigen Verlängerung der Amtszeit bzw. einer Wiederbestellung während einer laufenden Amtsperiode des Vorstandsmitglieds (etwa bei Abwerbebemühungen eines Konkurrenzunternehmens) besteht. Diesem Bedürfnis wird in der Unternehmenspraxis häufig dadurch Rechnung getragen, dass eine einvernehmliche Abberufung des Vorstandsmitglieds mit dessen anschließender Neubestellung und Neufestsetzung der Amtszeit erfolgt. Der Beschluss über die Neubestellung wird damit – um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen – rechtstechnisch erst nach der Beendigung der ursprünglichen Amtsperiode gefasst. Da jedoch faktisch die Bestellung während der Amtszeit erneuert wird, werden Zweifel an der Gesetzeskonformität dieser Vorgehensweise geäußert, die nach Maßgabe des Deutschen Corporate Governance Kodex nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ gerechtfertigt sein soll (vgl. Ziff. 5.1.2 DCGM)

Mit der in der aktienrechtlichen Fachliteratur umstrittenen Frage der Zulässigkeit dieser Gestaltungspraxis hat sich mit der vorstehenden Entscheidung des OLG Zweibrücken erstmals auch die obergerichtliche Rechtsprechung befasst. In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall wurde die Bestellung von zwei Vorstandsmitgliedern, die ursprünglich für jeweils fünf Jahre berufen wurden, nach etwa zwei Jahren durch Beschlüsse des Aufsichtsrats „mit Zustimmung der Vorstände“ einvernehmlich aufgehoben; der Aufsichtsrat bestellte beide zugleich für die Dauer von fünf Jahren erneut zu Mitgliedern des Vorstands. Das OLG Zweibrücken hat sich zu diesem Vorgehen kritisch geäußert und ihm im Grundsatz eine Absage erteilt.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise:

Das Gericht erblickt in der einvernehmlichen Abberufung und der erneuten Bestellung eines Vorstandsmitglieds eine unzulässige Umgehung des Gesetzeszwecks des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG; damit sind die entsprechenden Aufsichtsratsbeschlüsse nichtig. Die Norm soll laut OLG die Personalkompetenz des Aufsichtsrats sichern und der Gesellschaft alle fünf Jahre die Möglichkeit geben, ihren Vorstand zu überprüfen, um sich so ggf. ohne finanzielles Risiko oder rechtliche Auseinandersetzung von diesem trennen zu können. Deshalb sei die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds für den Aufsichtsrat „keine bloße Pflichtübung“, sondern setze wie bei der erstmaligen Bestellung eine konkrete Auseinandersetzung mit der Person des jeweiligen Kandidaten voraus. Bei einer frühzeitigen Wiederbestellung fehlten wegen der verhältnismäßig kurzen Amtszeit des Vorstands die nötigen Bewertungsmöglichkeiten für eine „verantwortungsbewusste Prüfung“ durch den Aufsichtsrat. Das Gericht ließ dabei ausdrücklich offen, ob beim Vorliegen „sachlicher Erwägungen“ wie etwa bei langjährig bewährten Vorständen eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein könne.

Auch die angesprochene Haltung des Deutschen Corporate Governance Kodex soll mangels Gesetzeskraft keine vom Aktiengesetz abweichende Auslegung rechtfertigen. Das OLG befasste sich hilfsweise aber auch mit der Frage (und verneinte sie im Ergebnis), ob im zur Entscheidung stehenden Fall „besondere Gründe“ vorlagen, die eine vorzeitige Neubestellung unter Zugrundelegung der Auffassung des Kodex gerechtfertigt hätten. Besondere Gründe in diesem Sinne sieht das Gericht etwa bei Änderung der Sachbereichszuständigkeit, Berufung des betroffenen Vorstandsmitglieds zum Vorstandsvorsitzenden oder einem Angebot von dritter Seite.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken ist u.E. falsch. Der Gesetzeszweck liegt zunächst in der zeitlichen Begrenzung der Bestellung von Vorstandsmitgliedern. Die Gesellschaft soll zu keinem Zeitpunkt für mehr als sechs Jahre (fünf Jahre Höchstbestelldauer plus Jahresfrist bei vorzeitiger Wiederbestellung) an ein Vorstandsmitglied gebunden sein. Zudem soll sich der Aufsichtsrat in regelmäßigen Abständen über die Weiterbeschäftigung des Vorstandsmitglieds schlüssig werden (vgl. BGHZ 10, 187, 194f.). Beide Zwecke werden bei einer einvernehmlichen Aufhebung des Vorstandsamtes mit der anschließenden Neubestellung des Vorstands erreicht, sofern die Wiederbestellung ihrerseits für höchstens fünf Jahre erfolgt. Der Möglichkeit einer vorzeitigen Wiederbestellung liegen zudem praktische Bedürfnisse zugrunde. So kann es z.B. erforderlich sein, bei einem längerfristigen Projekt den Vorstand bereits vor dem Ein-Jahres- Zeitraum längerfristig an die Gesellschaft zu binden. Auch im Rahmen der Einführung eines nachhaltigen Vorstandsentlohnungssystems mit langfristigen Komponenten kann eine vorzeitige Verlängerung der Amtszeit erforderlich sein.

Der höchstrichterlichen Klärung durch den BGH in der Revision kann mit Spannung entgegengesehen werden. Bis dahin ist in der Unternehmenspraxis bei der vorzeitigen Wiederbestellung von Vorständen Zurückhaltung geboten.