Erbrecht

Volljährig Adoptierter als Kind des Erblassers i.S. einer qualifizierten Nachfolgeklausel

Prof. Dr. Rainer Lorz, LL.M., Rechtsanwalt/Dr. Maximilian Hermann, Rechtsanwalt

Bei einer auf Kinder beschränkten qualifizierten Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag einer Personenhandelsgesellschaft umfasst der Begriff „Kind“ auch einen als Kind angenommenen volljährigen Enkel.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Bei der Gestaltung der Erbfolge in Personengesellschaften ist es in rechtlicher Hinsicht unerlässlich, die erbrechtliche Verfügung mit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben abzustimmen, um Komplikationen bei einer erbrechtlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu vermeiden. Hierbei entsprechen die gesetzlich angeordneten Folgen des Todes eines Gesellschafters in Familienunternehmen in der Regel nicht der typischen Interessenlage der Gesellschafter. Sie spielen in der Praxis daher meist nur eine subsidiäre Rolle und werden durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen ergänzt oder ersetzt.

Der Gesellschaftsvertrag kann insbesondere einfache oder qualifizierte Nachfolgeklauseln enthalten, wenn die Beteiligung vererblich gestellt werden soll. Die einfache Nachfolgeklausel sieht die freie Vererblichkeit des Gesellschaftsanteils und die Fortführung der Gesellschaft allgemein „mit dem/den Erben“ des verstorbenen Gesellschafters vor. Die Bestimmung der in die Gesellschaft im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar nachrückenden Personen erfolgt allein nach den erbrechtlichen Vorgaben (gesetzliche Regelung bzw. Verfügung von Todes wegen), wobei die Höhe der Erbquote über die Höhe der Beteiligung an der Gesellschaft entscheidet. Durch die Verwendung einer – vor allem bei Familienunternehmen häufig gewählten – qualifizierten Nachfolgeklausel wird demgegenüber sichergestellt, dass die Beteiligung des Erblassers nur auf einen oder einzelne, durch Alter, Ausbildung, Familienzugehörigkeit etc. besonders qualifizierten Erben unter Ausschluss der übrigen Erben übergeht. Die Beteiligung wird direkt und in voller Höhe auf den wiederum kraft Sonderrechtsnachfolge einrückenden, die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllenden Erben übergeleitet. Sind mehrere Miterben als Nachfolger vorgesehen, wird die Mitgliedschaft nicht Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft, sondern geht unmittelbar im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Miterben über. Der Umfang des Rechtserwerbs richtet sich nach dem Verhältnis der Erbquoten der bedachten Miterben untereinander.

Die Nachfolge im Wege einer qualifizierten Nachfolgeklausel vollzieht sich kraft Erbrechts. Aus diesem Grund muss der gesellschaftsvertraglich vorgesehene Nachfolger zum Kreis der Erben gehören, zumindest zu einem Bruchteil, da die Klausel andernfalls bildlich gesprochen „ins Leere“ geht. Umgekehrt bleibt die Erbenstellung ohne Bedeutung in Bezug auf die Nachfolge in den Anteil, sofern der Erbe nicht die gesellschaftsvertraglichen Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt. Mit dem Problem, ob ein Erbe die in der Nachfolgeklausel definierten Eigenschaften aufweist, hatte sich das OLG Stuttgart zu beschäftigen.

Entscheidungsgründe

In dem vom OLG Stuttgart zu entschei- denden Fall war im Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Nachfolgeklausel enthalten, die die Berechtigung der Gesellschafter vorsah, ihre Anteile erbrechtlich auf ihre Kinder zu übertragen. Nur diese sollten also nachfolgeberechtigt sein. Der Senat hatte die Frage zu klären, ob der Begriff „Kind“ im Sinne der Nachfolgeklausel auch volljährig Adoptierte umfasst. Anderenfalls wäre der vom Erblasser volljährig adoptierte Enkel aufgrund der testamentarischen Verfügung zwar Erbe, jedoch nicht Gesellschafter geworden, hätte also nicht in die Gesellschafterstellung nachrücken können. Im Ausgangspunkt seiner Überlegungen geht das Gericht vom allgemeinen Sprachgebrauch aus und stellt fest, dass der Begriff „Kind“ – sofern nicht ausdrücklich durch das Attribut „leiblich“ eingeschränkt – neben leiblichen Kindern auch adoptierte Kinder umfasst. Der Begriff „Kind“  lege anders als  der Begriff „Abkömmling“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine leibliche Abstammung nahe. Dieses Verständnis liegt nach Ansicht des Gerichts auch dem juristischen Sprachgebrauch zugrunde, da nach § 1754 Abs. 1 und 2 BGB der Adoptierte die rechtliche Stellung eines (leiblichen) Kindes hat. Insoweit sei nicht zwischen einer Volljährigenadoption und Minderjährigenadoption zu unterscheiden. Dem Verweis auf die „schwache“ Wirkung der Volljährigenadoption erteilt der Senat eine Absage, da diese „schwa- che“ Wirkung im Wesentlichen darin bestehe, dass ein Verwandtschaftsverhältnis nach § 1770 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zum Annehmenden selbst, nicht aber zu dessen Verwandten begründet wird; dies – so der Senat – ändere nichts daran, dass der Angenommene durch die Adoption zum Kind des Annehmenden Damit hat das OLG Stuttgart die Nachfolgeberechtigung eines als Kind angenommenen volljährigen Enkels bei einer auf Kinder beschränkten qualifizierten Nachfolgeklausel zutreffend bejaht. Bei mehrdeutigen Begriffen sollte man sich jedoch nicht auf die Auslegung durch Gerichte verlassen, sondern sinnvollerweise den Kreis der Nachfolger genau bezeichnen (Kind, Abkömmling, (nicht) ehelich, leiblich, adoptiert).

Weitere Hinweise

Die Ausgleichsansprüche weichender Erben bei Verwendung einer qualifizierten Nachfolgeklausel sind erbrechtlicher Natur und richten sich gegen den qualifizierten Erben. Er schuldet also den nichtqualifizierten und somit nicht in die Gesellschafterstellung nachrückenden Miterben einen Wertausgleich, sofern der Wert der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung den Betrag übersteigt, der ihm aufgrund seiner Erbquote zustehen würde. Anders ist dies nur dann, wenn der Erblasser dem qualifizierten Nachfolger den Anteil ohne Anrechnung auf den Erbteil zukommen lassen wollte (Vorausvermächtnis). Obwohl – aufgrund der ungeschmälerten Vererbung der Mitgliedschaft – keine Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft entstehen, bleibt deren Liquidität von einer Erbauseinandersetzung dennoch regelmäßig nicht unberührt. Ist der qualifizierte Erbe zu hohen Zahlungen an die weichenden Miterben verpflichtet, die er aus seinen sonstigen Vermögenswerten nicht leisten kann, wird er zur Erfüllung des Ausgleichsanspruchs etwa durch Entnahmen oder durch Privatdarlehen auf die Aktiva der Gesellschaft zurückgreifen. In diesem Zusammenhang kann sich eine testamentarische Anordnung empfehlen, wonach den ausgleichsberechtigten Miterben anstelle einer Ausgleichszahlung eine Unterbeteiligung am Anteil des Erblassers ein- zuräumen ist. Zur Streitvermeidung empfiehlt es sich ferner, ein Verfahren zur Wertermittlung vorzugeben oder mit den weichenden Erben eine Abfindungsvereinbarung bzgl. der zu erbringenden Ausgleichsleistung – in der Gestalt eines Erbverzichts oder Pflichtteilsverzichts – zu treffen.