Aktiengesetz

Bestellung und Abberufung des Vorstands

Nichtigkeit der wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds bei gleichzeitiger Beendigung des Mandats während  der Amtszeit

Dr.  Maximilian Hermann, Rechtsanwalt

§ 84 Abs. 1 S. 3 AktG enthält ein gesetzliches Verbot i.S. von § 134 BGB. Ein Beschluss eines Aufsichtsrates über die Verlängerung der Bestellung eines Vorstandsmitglieds, der außerhalb der Jahresfrist des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG gefasst wird, beinhaltet eine unzulässige Umgehung dieses Verbots. Aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) ergibt sich nichts Entgegen stehendes.

Problemstellung und praktische Bedeutung:

Die Möglichkeit, die Amtszeit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft zu verlängern oder eine Bestellung zu wiederholen, ist in § 84 Abs. 1 AktG geregelt. Die Verlängerung der Amtszeit oder die Wiederbestellung unterliegen dabei gesetzlichen Grenzen. So sind sie – wie auch die erstmalige Bestellung – nur für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren zulässig. Der dafür erforderliche Verlängerungs- Wiederbestellungsbeschluss des Aufsichtsrats darf frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden (§ 84 Abs. 1 S. 3 AktG); erfolgt der Beschluss zu einem früheren Zeitpunkt, so ist er unwirksam. Diese Grundsätze gelten sinngemäß für den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds (§ 84 Abs. 15 AktG).

Der gesetzliche Ein-Jahres-Zeitraum bereitet gerade in Familien-Aktiengesellschaften unter anderem dann Probleme, wenn das Bedürfnis einer vorzeitigen Verlängerung der Amtszeit bzw. einer Wiederbestellung während einer laufenden Amtsperiode des Vorstandsmitglieds (etwa bei Abwerbebemühungen eines Konkurrenzunternehmens) besteht. Diesem Bedürfnis wird in der Unternehmenspraxis häufig dadurch Rechnung getragen, dass eine einvernehmliche Abberufung des Vorstandsmitglieds mit dessen anschließender Neubestellung und Neufestsetzung der Amtszeit erfolgt. Der Beschluss über die Neubestellung wird damit – um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen – rechtstechnisch erst nach der Beendigung der ursprünglichen Amtsperiode gefasst. Da jedoch faktisch die Bestellung während der Amtszeit erneuert wird, werden Zweifel an der Gesetzeskonformität dieser Vorgehensweise geäußert, die nach Maßgabe des Deutschen Corporate Governance Kodex nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ gerechtfertigt sein soll (vgl. Ziff. 5.1.2 DCGM)

Mit der in der aktienrechtlichen Fachliteratur umstrittenen Frage der Zulässigkeit dieser Gestaltungspraxis hat sich mit der vorstehenden Entscheidung des OLG Zweibrücken erstmals auch die obergerichtliche Rechtsprechung befasst. In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall wurde die Bestellung von zwei Vorstandsmitgliedern, die ursprünglich für jeweils fünf Jahre berufen wurden, nach etwa zwei Jahren durch Beschlüsse des Aufsichtsrats „mit Zustimmung der Vorstände“ einvernehmlich aufgehoben; der Aufsichtsrat bestellte beide zugleich für die Dauer von fünf Jahren erneut zu Mitgliedern des Vorstands. Das OLG Zweibrücken hat sich zu diesem Vorgehen kritisch geäußert und ihm im Grundsatz eine Absage erteilt.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise:

Das Gericht erblickt in der einvernehmlichen Abberufung und der erneuten Bestellung eines Vorstandsmitglieds eine unzulässige Umgehung des Gesetzeszwecks des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG; damit sind die entsprechenden Aufsichtsratsbeschlüsse nichtig. Die Norm soll laut OLG die Personalkompetenz des Aufsichtsrats sichern und der Gesellschaft alle fünf Jahre die Möglichkeit geben, ihren Vorstand zu überprüfen, um sich so ggf. ohne finanzielles Risiko oder rechtliche Auseinandersetzung von diesem trennen zu können. Deshalb sei die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds für den Aufsichtsrat „keine bloße Pflichtübung“, sondern setze wie bei der erstmaligen Bestellung eine konkrete Auseinandersetzung mit der Person des jeweiligen Kandidaten voraus. Bei einer frühzeitigen Wiederbestellung fehlten wegen der verhältnismäßig kurzen Amtszeit des Vorstands die nötigen Bewertungsmöglichkeiten für eine „verantwortungsbewusste Prüfung“ durch den Aufsichtsrat. Das Gericht ließ dabei ausdrücklich offen, ob beim Vorliegen „sachlicher Erwägungen“ wie etwa bei langjährig bewährten Vorständen eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein könne.

Auch die angesprochene Haltung des Deutschen Corporate Governance Kodex soll mangels Gesetzeskraft keine vom Aktiengesetz abweichende Auslegung rechtfertigen. Das OLG befasste sich hilfsweise aber auch mit der Frage (und verneinte sie im Ergebnis), ob im zur Entscheidung stehenden Fall „besondere Gründe“ vorlagen, die eine vorzeitige Neubestellung unter Zugrundelegung der Auffassung des Kodex gerechtfertigt hätten. Besondere Gründe in diesem Sinne sieht das Gericht etwa bei Änderung der Sachbereichszuständigkeit, Berufung des betroffenen Vorstandsmitglieds zum Vorstandsvorsitzenden oder einem Angebot von dritter Seite.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken ist u.E. falsch. Der Gesetzeszweck liegt zunächst in der zeitlichen Begrenzung der Bestellung von Vorstandsmitgliedern. Die Gesellschaft soll zu keinem Zeitpunkt für mehr als sechs Jahre (fünf Jahre Höchstbestelldauer plus Jahresfrist bei vorzeitiger Wiederbestellung) an ein Vorstandsmitglied gebunden sein. Zudem soll sich der Aufsichtsrat in regelmäßigen Abständen über die Weiterbeschäftigung des Vorstandsmitglieds schlüssig werden (vgl. BGHZ 10, 187, 194f.). Beide Zwecke werden bei einer einvernehmlichen Aufhebung des Vorstandsamtes mit der anschließenden Neubestellung des Vorstands erreicht, sofern die Wiederbestellung ihrerseits für höchstens fünf Jahre erfolgt. Der Möglichkeit einer vorzeitigen Wiederbestellung liegen zudem praktische Bedürfnisse zugrunde. So kann es z.B. erforderlich sein, bei einem längerfristigen Projekt den Vorstand bereits vor dem Ein-Jahres- Zeitraum längerfristig an die Gesellschaft zu binden. Auch im Rahmen der Einführung eines nachhaltigen Vorstandsentlohnungssystems mit langfristigen Komponenten kann eine vorzeitige Verlängerung der Amtszeit erforderlich sein.

Der höchstrichterlichen Klärung durch den BGH in der Revision kann mit Spannung entgegengesehen werden. Bis dahin ist in der Unternehmenspraxis bei der vorzeitigen Wiederbestellung von Vorständen Zurückhaltung geboten.