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Erbrecht

Bundesverfassungsgericht erklärt die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung für verfassungswidrig

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

(Auszugsweise Wiedergabe der Leitsätze des Urteils)

IV. Die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestal- tungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

a. Es liegt allerdings im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der Erbschaftsteuer weitgehend oder vollständig freizustellen. Für jedes Maß der Steuerverschonung benötigt der Gesetzgeber allerdings tragfähige Rechtfertigungsgründe.

b. Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.

c. Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz verfassungsgemäß; die Freistellung von der Mindestlohnsumme privilegiert aber den Erwerb von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig.

d. Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie den Erwerb von begünstigtem Vermögen selbst dann uneingeschränkt verschont, wenn es bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, ohne dass hierfür ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt.

 

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH vom 27.09.2012 musste sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Frage auseinandersetzen, ob das seit 01.01.2009 gültige Erbschaftsteuerrecht verfassungskonform ausgestaltet ist. Vom BFH kritisiert wurde insbesondere die umfassende Verschonung von unternehmerischem Vermögen nach den §§ 13a, 13b ErbStG, die nach dessen Auffassung zu einer „das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung“ führe.

Angesichts der am Verkehrswert orientierten Neuregelung der Bewertung von betrieblichem Vermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer kommt der Inanspruchnahme von Verschonungsregelungen in der Unternehmensnachfolge eine hohe praktische Bedeutung zu.

II. Zum Sachverhalt

In dem vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Ausgangsverfahren ging es nicht um die steuerliche Verschonung für betriebliches Vermögen. Vielmehr war der Kläger des Ausgangsverfahrens Miterbe nach dem 2009 verstorbenen Erblasser. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer mit einem Steuersatz von 30 % nach Steuerklasse II fest. Der Kläger machte geltend, die nur für das Jahr 2009 vorgesehene Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III sei verfassungswidrig. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Im Revisionsverfahren hatte der Bundesfinanzhof mit dem vorgenannten Beschluss vom 27.09.2012 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 ErbStG in der 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind. Der BFH vertrat die Auffassung, dass die Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III in § 19 Abs. 1 ErbStG zwar verfassungsrechtlich hinzunehmen sei, jedoch sei diese Vorschrift in Verbindung mit den Steuervergünstigungen der §§ 13a und 13b ErbStG gleichheitswidrig.

III. Entscheidungsgründe

In dem mit Spannung erwarteten Urteil kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass die §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 ErbStG in Teilen gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßen und damit verfassungswidrig sind. Im Einzelnen begründet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung wie folgt:

Zulässigkeit des Verfahrens und Gesetzgebungskompetenz des Bundes:

Zunächst führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Vorlage des Bundesfinanzhofs im Wesentlichen zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht stellt auch klar, dass für die vorgelegten Normen des ErbStG eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG besteht. Diese Gesetzgebungskompetenz wurde im Vorfeld der Entscheidung verschiedentlich in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass der Bundesgesetzgeber davon ausgehen durfte, dass ohne bundesgesetzliche Regelung eine Rechtszersplitterung mit nicht unerheblichen Nachteilen für Erblasser und Erwerber betrieblichen Vermögens wie auch für die Finanzverwaltung zu befürchten wäre.

Sodann befasst sich das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen mit den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen für den Übergang betrieblichen Vermögens und begründet seine Auffassung, warum diese in Teilen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Verschonungsregelungen grundsätzlich  verfassungsgemäß

Trotz der mit den Verschonungsregelungen verbundenen Ungleichbehandlungen der Erwerber betrieblichen und nichtbetrieblichen Vermögens, die im Hinblick auf den Verschonungsabschlag von 85 % oder 100 % ein enormes Ausmaß erreichen können, hält das Bundesverfassungsgericht die §§ 13a und 13b ErbStG für grundsätzlich geeignet und im Grundsatz auch erforderlich, um die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen. Das Bundesverfassungsgericht attestiert dem Gesetzgeber insoweit einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum. Das Gericht anerkennt in seiner Entscheidung die Einschätzung des Gesetzgebers, dass eine ernsthafte Gefahr von Liquiditätsproblemen im Falle einer vollen Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von Unternehmen unterstellt werden kann. Die im Vorfeld des Urteils immer wieder diskutierte Frage, ob es eines empirischen Nachweises für die Gefährdung von Unternehmen durch die Erbschaftsteuer bedarf, verneint das Bundesverfassungsgericht. Wörtlich heißt es hierzu in der Tz. 152 der Entscheidung: „Durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass in nicht nur seltenen Fällen eine Belastung der Unternehmensnachfolge mit Erbschaft- und Schenkungsteuer die Betriebe in Liquiditätsschwierigkeiten bringen kann und letztlich Arbeitsplätze gefährdet…, liegt es auch im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, die Verschonung ohne individuelle Bedürfnisprüfung zu gewähren.“ Das Bundesverfassungsgericht anerkennt in diesem Zusammenhang auch, dass die Stundungsregelung, wie sie beispielsweise in § 28 ErbStG verankert ist, keine ebenso effektive Entlastung bewirkt wie eine Befreiungsnorm. Auch der Verschonungsabschlag von 100 % wird vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzgebers, kleine und mittelständische, durch personale Führungsverantwortung geprägte Unternehmen – insbesondere Familienunternehmen – zu fördern und zu erhalten, im Grundsatz anerkannt.

Anwendung der Verschonungsrege- lungen bei großen Unternehmensvermögen erfordert eine individuelle Bedürfnisprüfung

Allerdings sieht es das Bundesverfassungsgericht als unverhältnismäßig

an, wenn die Ungleichbehandlung zwischen begünstigtem unternehmerischen und nicht begünstigtem sonstigen Vermögen auf Unternehmen Anwendung findet, welche die Größe kleiner und mittlerer Unternehmen überschreiten. Zwar schließt das Bundesverfassungsgericht nicht aus, dass auch sehr große Unternehmen im Falle des Wegfalls von Verschonungsabschlägen durch eine entsprechend hohe Erbschaft- oder Schenkungsteuerbelastung der Erwerber in finanzielle Schwierigkeiten geraten und an Investitionskraft verlieren könnten. Diese Risiken können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis auch die Steuerverschonung sehr großer Unternehmen rechtfertigen. Allerdings wird die Verhältnismäßigkeit dieser Ungleichbehandlung dann aber vom Bundesverfassungsgericht an eine Bedürfnisprüfung geknüpft. Das Bundesverfassungsgericht lässt in seiner Entscheidung offen, ab wann genau die aus der Steuerverschonung des unentgeltlichen Erwerbs unternehmerischen Vermögens folgende Ungleichbehandlung nicht mehr verhältnismäßig ist und es einer solchen Bedürfnisprüfung bedarf. Als mögliche Orientierung verweist das Bundesverfassungsgericht auf die in der EU gültige Definition für kleine und mittlere Unternehmen, zu denen solche gezählt werden, die weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. € beläuft. Ergänzend bringt das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch eine Förderungshöchstgrenze ins Spiel. Es verweist in seiner Entscheidung auf den ursprünglichen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unternehmensnachfolge vom 30.05.2005, in dem eine Förderungshöchstgrenze von 100 Mio. € (bezogen auf den einzelnen Erwerb) vorgesehen war, bis zu dem die Steuerverschonung möglich sein soll.

Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Anwendung der Lohnsummenregelung ist verfassungswidrig

Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Lohnsummenregelung im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, nicht jedoch die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten, wird damit begründet, dass Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten dadurch unverhältnismäßig privilegiert würden. Das Bundesverfassungsgericht verweist auf die Ausführungen des Bundesfinanzhofs, wonach weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte haben. Betriebe könnten daher fast flächendeckend die steuerliche Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen, obwohl der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht so hoch ist, wie das teilweise geltend gemacht würde.

Regelungen zum Verwaltungsvermögen sind verfassungswidrig

Auch die Ausgestaltung der Regelungen zum Verwaltungsvermögen ist nach Auffassung des Gerichts nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit diese begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss eines Verschonungsabschlags und der sonstigen Begünstigungen bringen. Das Bundesverfassungsgericht sieht es als problematisch an, dass die großzügige Freistellung von Verwaltungsvermögen von bis zu 50 % steuerliche Gestaltungen, z.B. die Verlagerung von privatem in betriebliches Vermögen, begünstigt.

Gestaltungsanfälligkeit des ErbStG

Im Zusammenhang mit der Lohnsummenregelung und der Regelung zum Verwaltungsvermögen wird das ErbStG auch insoweit vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt, als es Gestaltungen zulässt, mit denen Steuerentlastungen erzielt werden können, die es nicht bezweckt und die gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind. In diesem Zusammenhang weist das Bundesverfassungsgericht auf Gestaltungen hin, welche die Lohnsummenpflicht durch Betriebsaufspaltungen umgehen oder welche sich die 50-Prozent-Regel für Verwaltungsvermögen in Konzernstrukturen nutzbar machen oder – zumindest in der Vergangenheit – bei sogenannten Cash-Gesellschaften.

Gesamtbeurteilung durch das Gericht, Übergangsfrist und Vertrauensschutz

Im Ergebnis kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Urteil, dass die festgestellten Gleichheitsverstöße die §§ 13a und 13b ErbStG insgesamt erfassen und diese Normen daher als verfassungswidrig anzusehen sind. Dies hat nach Auffassung des Gerichts auch Auswirkungen auf die Tarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG, welche die Besteuerung begünstigten wie nicht begünstigten Vermögens gleichermaßen betrifft und daher vom Gericht ebenfalls für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt wurde. Damit ist nach Auffassung des Gerichts auch die Erhebung der Erbschaftsteuer für den Übergang von Privatvermögen blockiert.

Dem Gesetzgeber wird aber die Möglichkeit eingeräumt, einen verfassungsgemäßen Zustand durch eine umfassende Nachbesserung oder grundsätzliche Neukonzeption der gesamten Verschonungsregelungen binnen angemessener Zeit herbeizuführen. Das Gericht ordnet in diesem Zusammenhang die begrenzte Fortgeltung der genannten Normen bis zum 30.06.2016 an. Allerdings weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen ein auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils (17.12.2014) bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltung der §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt.

In der Urteilsbegründung wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einstimmig ergangen ist. Von drei Richtern des ersten Senats wurde aber ein Sondervotum abgegeben, wonach sich die Begründung der Verfassungswidrigkeit der vorgenannten Normen des Erbschaftsteuergesetzes auch aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ableiten ließe. Die Erbschaftsteuer wird in diesem Zusammenhang als ein Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit angesehen.

IV. Ergänzende Hinweise

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird in ersten Stellungnahmen überwiegend positiv kommentiert, vor allem im Hinblick auf die grundsätzliche Anerkennung der Verschonungsabschläge für betriebliches Vermögen als verfassungsgemäß.

Zur Bedürfnisprüfung bei der Übertragung großer Unternehmensvermögen

Allerdings führt die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Bedürfnisprüfung bereits jetzt zu erheblichen Diskussionen in der Politik und auch zu Unsicherheit bei den von dieser Diskussion Betroffenen. Das der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angehängte Sondervotum trägt seinerseits zu den Befürchtungen bei, dass die Erbschaftsteuer instrumentalisiert werden könnte, um Vermögen umzuverteilen.

Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung, insbesondere in den Tz. 171 ff., klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die Erbschaft- oder Schenkungsteuerlast auch große Unternehmen und deren Gesellschafter in Schwierigkeiten bringen kann und diese Schwierigkeiten zum Verlust von Arbeitsplätzen und zum Verlust an Investitionskraft führen können. Diese Risiken können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch die Steuerverschonung sehr großer Unternehmen rechtfertigen. Es muss im Zuge der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Neuregelung der Verschonungsregelungen vor allem vermieden werden, dass die Bedürfnisprüfung für größere Familienunternehmen hohe bürokratische Hürden mit sich bringt. Es gilt ferner zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig mit dieser Bedürfnisprüfung auch eine Verschärfung der Vorschriften zum Verwaltungsvermögen anmahnt.

Übergangsbestimmungen und Vertrauensschutz

Ein weiterer Diskussionspunkt wird sich aus den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Übergangsbestimmungen ergeben. Im Schlussteil des Urteils begründet das Bundesverfassungsgericht die übergangsweise Fortgeltung der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen neben haushaltswirtschaftlichen Überlegungen damit, dass eine Ungewissheit über den Inhalt der künftigen, dann mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils in Kraft zu setzenden Regeln des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts vor allem für die Inhaber von Unternehmen und ihre künftigen Erben oder sonstigen Nachfolger schwer erträglich wäre. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass gerade sie ein berechtigtes Interesse an einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Nachfolgeplanung auch in steuerlicher Hinsicht haben. Erst am Ende des Urteils, in Tz. 292, führt das Bundesverfassungsgericht aber aus, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltungen der §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt. Es stellt sich nun die Frage, was unter einer solchen exzessiven Ausnutzung zu verstehen ist. Fallen darunter nur die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beanstandeten Gestaltungsmöglichkeiten in Form der Betriebsaufspaltungsfälle (Vermeidung der Lohnsummenprüfung) oder der Gestaltung von Verwaltungsvermögensquoten bei Konzernstrukturen (sogenannter Kaskadeneffekt durch Verlagerung von Verwaltungsvermögen in Tochtergesellschaften) und die Cash-Gesellschaften, die zwischenzeitlich aber bereits ohnehin gesetzgeberisch eingedämmt wurden? Oder kann als exzessive Ausnutzung der §§ 13a und 13b ErbStG auch der vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Umfang des verschonten Verwaltungsvermögens (50 %-Grenze) angesehen werden? Letzterenfalls würde eine Neuregelung mit Rückwirkung zum Tag der Urteilsverkündung durchaus eine Vielzahl von Fällen betreffen. Dies stünde in Widerspruch zu der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass die Inhaber von Unternehmen und ihre Nachfolger ein berechtigtes Interesse an einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Nachfolgeplanung auch in steuerlicher Hinsicht haben und deshalb die Ungewissheit über den Inhalt der künftigen gesetzlichen Regelungen im Falle von deren Rückwirkung schwer erträglich wäre. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier baldmöglichst eine klarstellende Aussage trifft, wie er dem vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Prinzip der Rechtssicherheit Rechnung tragen möchte.

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Änderung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes zur Vermeidung der „Cash-GmbH“

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Das seit dem Jahre 2009 gültige Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz ermöglichte es, Geldanlagen in dem erbschaftsteuerlich nicht begünstigten Privatvermögen durch Einlage in ein Betriebsvermögen in erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen umzuwandeln. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist unter dem Stichwort „Cash-GmbH“ bekannt geworden, wobei auch die Einlagen in ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft entsprechende schenkungsteuerliche Entlastungseffekte mit sich gebracht haben.

Ansatzpunkt für diese Gestaltungsmöglichkeit war, dass nach dem bislang geltenden Recht Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen  in  unbegrenztem Umfang kein Verwaltungsvermögen dargestellt haben, sodass bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von dem Regelverschonungsabschlag in Höhe von 85 % oder gar von der Vollverschonung (100 % Bewertungsabschlag) für die Übertragung von Betriebsvermögen oder von Anteilen an Kapitalgesellschaften Gebrauch gemacht werden konnte. Seitens des Bundesfinanzhofs wurden solche Gestaltungen in dem Vorlagebeschluss vom 27.09.2012 an das Bundesverfassungsgericht (Az. II R 9/11) als verfassungsrechtlich problematisch  bewertet.

Der Gesetzgeber hat bereits im letzten Jahr Versuche unternommen, das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht zu ändern, um Gestaltungen wie die „Cash- GmbH“ zu verhindern. Bundesrat und Bundestag konnten sich aber nicht auf eine gesetzliche Änderung verständigen.

Nach langen Verhandlungen hat nun der Vermittlungsausschuss am 05.06.2013 einen Änderungsvorschlag für das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz im Zuge der Verabschiedung des sogenannten Amtshilferichtlinienumsetzungsgesetzes (kurz: AmtshilfeRLUmsG) unterbreitet. Der Bundestag hat diesem Gesetzesvorschlag am 06.06.2013 und der Bundesrat am 07.06.2013 zugestimmt.

Die Neuregelungen gelten für alle Übertragungen, die am Tag nach dem Beschluss des Gesetzesent- wurfs durch den deutschen Bundestag erfolgen, somit ab dem 07.06.2013.

Im Folgenden wird unter  I. ein kurzer Überblick über die wesentlichen Änderungen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (kurz: ErbStG) vermittelt und sodann unter  II. die praktische Bedeutung dieser Neuregelungen für Familienunternehmen im Überblick dargestellt.

I. Übersicht über die Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes

  1. Erweiterung des Verwaltungsvermögens durch Einbeziehung von Geldmitteln und Forderungen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 4a ErbStG n.F.)

Nach der bisher gültigen Definition für Verwaltungsvermögen zählen auch nach Auffassung der Finanzverwaltung Geld, Sichteinlagen, Sparanlagen, Festgeldkonten, Forderungen aus Lieferung und Leistungen sowie Forderungen gegen verbundene Unternehmen nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen (vgl. hierzu die Regelungen in den ErbStR 2011 unter HE 13b.17). Dies war der Ansatzpunkt für Gestaltungen, solche Vermögenspositionen im Vorfeld eines Schenkungsvorgangs in ein Betriebsvermögen (z.B. in eine „Cash-GmbH“) oder aber ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft zu überführen, um dann beim anschließenden Schenkungsvorgang für dieses Betriebsvermögen bzw. die Anteile an der Kapitalgesellschaft die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen nach § 13a ErbStG (Verschonungsabschlag von 85 % oder gar 100 %) in Anspruch zu nehmen.

Die neue gesetzliche Regelung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG n.F. erweitert nun den Begriff des Verwaltungsvermögens, in dem zum Verwaltungsvermögen zukünftig auch gehören:

„Der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens, des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt.“

Im anschließenden Satz 2 der Neuregelung werden Ausnahmen für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute formuliert, die hier nicht näher dargestellt werden sollen. Von breiterem Interesse ist dann wiederum aber die Regelung in Satz 3 der neuen Vorschrift, die wie folgt lautet:

Satz 1 gilt ferner nicht r Gesellschaften, deren Hauptzweck in der Finanzierung einer Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des EStG von verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) besteht.“

Somit sind zukünftig zur Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote sämtliche liquiden Mittelbestände im Unternehmen sowie sämtliche Forderungspositionen (hierzu gehören auch Forderungen aus Lieferung und Leistungen, Forderungen gegen verbundene Unternehmen oder gegen Gesellschafter) nach Abzug der Schulden der Gesellschaft bei der Bestimmung der Verwaltungsvermögensquote zu berücksichtigen. Allerdings ist vorab ein Freibetrag in Höhe von 20 % des gemeinen Werts der Gesellschaft abzuziehen. Der danach verbleibende Betrag ist als Verwaltungsvermögen zu definieren und bei der Ermittlung der gesamten Verwaltungsvermögensquote als Grundlage für eine Entscheidung über die Regelverschonung (Verwaltungsvermögensgrenze von bis zu 50 %) oder Vollverschonung (Verwaltungsvermögensgrenze von bis zu 10 %) zu berücksichtigen.

Durch die zuvor dargestellte ergänzende Formulierung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 3 ErbStG sollen Gesellschaften von dieser Regelung ausgenommen werden, deren Hauptzweck in der Finanzierung von verbundenen Unternehmen besteht. In der Gesetzesbegründung hierzu heißt es, dass damit eine Bereichsausnahme für konzerninterne Finanzierungsgesellschaften geschaffen werden soll, um z.B. dem Cash-Pooling im Unternehmensverbund mittelständischer Betriebe Rechnung zu tragen. Es bleibt sicherlich abzuwarten, wie der Begriff „Hauptzweck in der Finanzierung“ durch die Finanzverwaltung ausgelegt wird.

  1. Neudefinition des jungen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 ErbStG F.)

Auch der Begriff des jungen Verwaltungsvermögens, das nach dem Erbschaftsteuergesetz generell von den erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen ausgeschlossen ist, wurde durch Einfügung eines neuen Satzes 3 umfassender definiert. Nach dieser Neuregelung soll bisher im Privatvermögen gehaltenes Finanzvermögen, das grundsätzlich der vorstehenden Neufassung des Verwaltungsvermögens in Gestalt liquider Mittel unterliegt, als junges Verwaltungsvermögen erfasst werden, wenn es innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt dem Betrieb zugeführt wurde, wobei nur ein positiver Saldo aus Entnahmen und Einlagen solcher liquider Mittel maßgebend ist.

Aus dem Wortlaut der neuen gesetzlichen Vorschrift folgt aber auch, dass die Umschichtung von Vermögen in potenziell schädliche liquide Mittel (z.B. Verkauf einer Immobilie gegen Kaufpreiszahlung) nicht zu jungem Verwaltungsvermögen  führt.

  1. Weitere Verschärfung bei jungem Verwaltungsvermögen in Tochtergesellschaften (§ 13b Abs. 2 Satz 7 Hs. 2 ErbStG F.)

Durch die gesetzliche Neuregelung soll sichergestellt werden, dass junges Verwaltungsvermögen einer nachgelagerten Tochtergesellschaft anteilig als (normales) Verwaltungsvermögen auf der nächst höheren Ebene der Muttergesellschaft  zu berücksichtigen ist, auch wenn es den Wert der Tochtergesellschaft selbst übersteigt.

  1. Änderungen bei der Lohnsummenermittlung (§ 13a Abs. 1 Satz 4 und Abs. 4 Satz 5 ErbStG F.)

Die Lohnsummenklausel als eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Verschonungsabschläge greift erst, wenn ein Betrieb mehr als 20 Beschäftigte hat.

Durch die Gesetzesänderung soll aus der Sicht des Gesetzgebers klargestellt werden, dass die Zahl der Beschäftigten in Tochtergesellschaften und auch deren Lohnsummen entsprechend der Beteiligungsquote der Muttergesellschaft berücksichtigt werden.

Bisher war jedenfalls in Fällen, in denen beispielsweise die Muttergesellschaft nicht mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt hat, strittig, ob überhaupt die Lohnsummenregelungen Anwendung finden. Nunmehr ist dies gesetzlich klar geregelt. Ob dieses tatsächlich für die in der Vergangenheit liegenden Schenkungs- oder Erbfälle lediglich eine Klarstellung bedeutet oder aber eine neue Rechtslage darstellt, wird sicherlich auch Gegenstand finanzgerichtlicher Prozesse werden.

II. Praktische Bedeutung der Neuregelungen und erste Gestaltungshinweise

Erste Analysen zur Anwendung der neuen gesetzlichen Regelung, insbesondere zur Neudefinition des Verwaltungsvermögens unter Einbezug der im Unternehmensverbund enthaltenen Nettoliquidität zeigen, dass sich die Verwaltungsvermögensquote für liquiditäts- und eigenkapitalstarke Unternehmensgruppen deutlich erhöhen und zumindest die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Vollverschonungsabschlags für solche Unternehmen entfallen kann (siehe zu einer ersten Bewertung der Neuregelung auch die Ausführungen von Stalleiken, DB 2013, 1382 ff.).

Der Freibetrag von 20 % bringt zwar eine Erleichterung mit sich, die aber nicht ausreicht, um bei den vorgenannten liquiditäts- und eigenkapitalstarken Unternehmen nicht zu zusätzlichem Verwaltungsvermögen zu führen. Problematisch erweisen sich insbesondere folgende Konstellationen:

Im Falle eines Familienunternehmens mit einer Holdinggesellschaft an der Spitze die mehrere operativ tätige Beteiligungen bündelt, werden die liquiden Mittel häufig durch einen Ergebnisabführungsvertrag bei der Muttergesellschaft angesammelt und von dort aus an diejenigen in- und ausländischen Beteiligungen ausgeliehen, die z.B. aufgrund von Investitionen Kapitalbedarf haben. Bei der Muttergesellschaft ergibt sich je nach deren Eigenkapitalausstattung ein hoher Betrag liquider Mittel, da auch die Forderungen gegenüber den verbundenen Unternehmen nach der Neudefinition oberhalb des Freibetrags von 20 % dem Verwaltungsvermögen  zugerechnet werden.

Hat die Holdinggesellschaft beispielsweise einen Unternehmenswert incl. der Beteiligungen und des ggf. vorhandenen Bestands an liquiden Mitteln von 100 Mio. ` und betragen die liquiden Positionen abzgl. der Schulden 35 Mio. `, so ergibt sich daraus abzüglich des Freibetrages von 20 % eine Verwaltungsvermögensgrenze von 15 %. Die Inanspruchnahme der Vollverschonung von 100 % für die Gesellschafter dieser Unternehmensgruppe ist somit im Falle der schenkweisen oder erbfallbedingten Übertragung von Anteilen an der Muttergesellschaft nicht mehr möglich, sofern die Muttergesellschaft nicht als Hauptzweck der Finanzierung der Tochtergesellschaften dient. Letzteres dürfte in vielen Familienunternehmen fraglich sein, da die Muttergesellschaft häufig neben Finanzierungsaufgaben auch operative Tätigkeiten oder aber zumindest umfassende Holdingtätigkeiten übernimmt.

Ein weiteres Problem besteht, wenn den liquiden Mitteln auf der Aktivseite Rückstellungen auf der Passivseite gegenüberstehen, die für den Risikofall gebildet wurden, z.B. Pensionsrückstellungen. Rückstellungen stellen nicht zwingend Schulden im Sinne der gesetzlichen Definition dar. Ob die Finanzverwaltung auch hierzu eine großzügige Auslegung treffen wird, ist derzeit noch fraglich. Somit werden in solchen Konstellationen relativ schnell hohe Bestände an liquiden Mitteln erreicht, denen keine abzugsfähigen Schulden, sondern Rückstellungen gegenüberstehen. Diesen Unternehmen drohen relativ hohe Verwaltungsvermögensquoten.

Erste Erfahrungen im Umgang mit der neuen Vorschriften zeigen auch die Komplexität, die sich daraus für die Bestimmung einer Verwaltungs- vermögenquote als Grundlage für eine Entscheidung zugunsten der Regelverschonung oder aber der Voll- verschonung ergibt. Zum einen ist ein Unternehmenswert, noch dazu für eine komplexere Unternehmens- gruppe, keinesfalls zweifelsfrei zu ermitteln. Ob die Nettoliquidität aber im Unternehmen die 20 %-Grenze übersteigt, ist gerade von diesem Unternehmenswert abhängig. Ferner muss die Verwaltungsvermögensquote auf jeder Ebene bei jeder der Tochter- bzw. Enkelgesellschaften bestimmt werden, um Schlussfolgerungen für die Begünstigung der daraus resultierenden Anteile auf der nächsthöheren Ebene ziehen zu können. Es bedarf daher einer Aufteilung des Gesamtunternehmenswerts einer Unternehmensgruppe auf die einzelnen Tochtergesellschaften. Das war bisher zumindest dann nicht erforderlich, wenn, wie sehr häufig der Fall, ansonsten kein nennenswertes Verwaltungsvermögen auf Tochtergesellschaftsebene vorhanden war. Liquide Positionen findet man hingegen in Bilanzen fast immer. Leider hat der Gesetzgeber die zwischenzeitlich im Zuge des Gesetzes zur Verkürzung von Aufbewahrungsfristen diskutierte Regelung, dass alle Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten von dieser Verschärfung ausgenommen werden sollen, nicht umgesetzt. Dadurch wären größere Familienunternehmen von weiterem bürokratischem Aufwand im Zuge der Erstellung von Schenkungs- oder Erbschaftsteuererklärungen entlastet worden und mit Sicherheit auch alle Fälle sogar reiner „Cash-Gesellschaften“ von den erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen ausgenommen worden.

Nun gilt es die neuen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden und zumindest in Schenkungsfällen den Umstand zu berücksichtigen, dass die Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer auf einen Bewertungsstichtag abstellt. Zumindest partiell sind die Bilanzpositionen auf einen Stichtag gestaltbar. Während bisher vor allem darauf zu achten war, dass zum Stichtag einer Schenkung nur in begrenztem Umfang schädliche Wertpapiere gehalten wurden, ist nun auch die Liquiditätsausstattung am Stichtag zu betrachten.

Vielleicht steckt hinter der gesetzlichen Neuregelung ja aber auch nur ein verkapptes Konjunkturprogramm. Werden liquide Mittel z.B. in eine Maschine im Anlagevermögen investiert, scheint das Problem einer überschießenden und die Verwaltungsvermögensquote erhöhenden Liquidität gelöst. Ob das Steuerrecht aber wirklich der beste Impulsgeber für unternehmerische Entscheidungen ist, das mag angesichts mancher steuerinduzierter Fehlentwicklungen in der Vergangenheit bezweifelt werden.