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Erbrecht

Nachweis des Erbrechts gegenüber dem Kreditinstitut durch eigenhändiges Testament

Dr. Sebastian von Thunen, Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz, Stuttgart

I. SACHVERHALT

Die Kläger sind die Söhne der im August 2013 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte mit ihrem im Jahr 2001 verstorbenen Ehemann, dem Vater der Kläger, ein handschriftliches Testament errichtet, in dem beide sich gegenseitig zu Erben einsetzen. Nach dem Ableben des Letzten von ihnen sollte „das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen auf unsere beiden aus unserer ehelichen Verbindung geborenen Kinder“ übergehen. Das Testament wurde nach dem Tod des Vaters der Kläger eröffnet und der beklagten Sparkasse vorgelegt. Nach dem Tod der Mutter wurde es vom zuständigen Nachlassgericht erneut eröffnet. Die Sparkasse lehnte nach dem Tod der Mutter unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts die geforderte Freigabe der Konten ab und verlangte hierfür, dass ein Gericht bestätige, dass in dem Testament die Kläger als Erben genannt seien. Daraufhin erwirkten die Kläger einen gemeinschaftlichen Erbschein. Die Erstattung der dafür verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 1.770,00 Euro forderten sie von der Sparkasse.

II. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Der BGH hält zunächst fest, dass mangels gesetzlicher Sonderregelung der Erbe nicht verpflichtet ist, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern die Möglichkeit hat, diesen Nachweis auch in anderer Form zu erbringen. Dazu gehörten neben dem öffentlichen (notariell beurkundeten) Testament auch das eigenhändige Testament oder, im Falle gesetzlicher Erbfolge, Urkunden, aus denen sich diese ergibt Die Bank könne bei einem eigenhändigen Testament auch nicht regelmäßig auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen. Diese habe zwar ein berechtigtes Interesse daran, in den Genuss der Rechtswirkungen der §§ 2366, 2367 BGB (Gutglaubensvorschriften) zu kommen, um so der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu entgehen.

Daraus folge aber nicht, dass bei einem eigenhändigen Testament einschränkungslos oder auch nur im Regelfall ein Erbschein verlangt werden könne. Ein schutzwürdiges Interesse daran bestehe in eindeutigen Fällen nicht. So bestehe insbesondere beim eröffneten öffentlichen Testament auch im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber eine widerleg bare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge.

Dem eigenhändigen Testament könne im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber zwar eine solche Vermutungswirkung zum Nachweis der Erbfolge nicht beigelegt werden. Es sei aber eine Frage des Einzelfalls, ob ein eigenhändiges Testament mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit die Erbfolge nachweist. Abstrakte Zweifel des Kreditinstituts diesbezüglich genügten jedoch nicht. Nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge sei das Kreditinstitut berechtigt, ergänzende Erklärungen der Beteiligten einzuholen oder sich weitere Unterlagen, wie z.B. das Familienstammbuch oder einen Erbschein, vorlegen zu lassen. Im vorliegenden Testament seien die Erklärungen eindeutig als Erbeinsetzung der Kläger (und insbesondere nicht als Vermächtnis) auszulegen.

Die Forderung der Vorlage eines Erbscheins sei somit im Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde vertragswidrig und löse deshalb einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Erbscheinkosten aus.

III. PRAKTISCHE BEDEUTUNG

Vielfach werden Testamente eigenhändig handschriftlich errichtet. Beweggrund hierfür ist nicht nur die – gerade bei unternehmerischen Vermögen – u.U. erhebliche Kostenersparnis einer notariellen Beurkundung, sondern auch die Erwägung, dass letztwillige Verfügungen stets der sich wandelnden persönlichen Lebenssituation angepasst werden müssen. Dann erlaubt eine handschriftliche Testamentserrichtung ein rasches und umstandsloses Vorgehen.

Während das (beurkundete) öffentliche Testament aber dem Erben insofern eine stärkere Stellung im Verhältnis namentlich zur Bank des Erblassers einräumt, als ihm nach der Rechtsprechung eine widerlegbare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge beizumessen ist, kommt es nach dem vorliegenden Urteil bei eigenhändigen Testamenten auf die Auslegung im Einzelfall an, ob das Testament die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.

Das bedeutet für Erblasser und ihre Erben, dass letztwillige Verfügungen in einem eigenhändigen Testament gerade auch dann besonders klar und rechtlich unzweideutig formuliert werden sollten, wenn die Beantragung eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts gegenüber Kreditinstituten vermieden werden soll. Parallel ist es sinnvoll, dass der Erblasser zu Lebzeiten über den Tod hinaus wirkende Vollmachten − gerade auch speziell gegenüber den kontoführenden Kreditinstituten − an die Erben erteilt. Diese können dann ungeachtet des Erbnachweises über die ererbten Konten verfügen.

Insgesamt ist zu beobachten, dass der BGH seine Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit des Erbscheins als Erbnachweis gegenüber Kreditinstituten weiter ausweitet (s. bereits die Urteile BGH ZIP 2005, 1588 und ZIP 2013, 2194), was für die Erblasser und Erben in unproblematischen Fällen eine gute Nachricht ist. Allerdings sind hiermit auch gewisse Gefahren für Erblasser, Erben und den Rechtsverkehr verbunden. Ist beispielsweise ein zeitlich später errichtetes Testament als das der Bank vorgelegte vorhanden, besteht, abgesehen von den allgemeinen Gutglaubensvorschriften, kein Schutz für den Rechtsverkehr. Ein Kreditinstitut, das ein privatschriftliches Testament samt Eröffnungsniederschrift nach dem vorstehenden Urteil als Erbnachweis akzeptieren muss, kann umgekehrt kaum von den (wahren) Erben in Regress genommen werden, wenn sich später ein davon abweichendes Erbrecht herausstellt.

 

 

Erbrecht

Digitaler Nachlass – Vererbbarkeit von Benutzerkonten in sozialen Netzwerken

Dr. Sebastian von Thunen, Rechtsanwalt

I. Sachverhalt

Die minderjährige Erblasserin E. registrierte sich 2011 im Alter von 14 Jahren bei dem sozialen Internet-Netzwerk Facebook. 2012 verunglückte E. unter bisher ungeklärten Umständen tödlich. Sie wurde von ihren sorgeberechtigten Eltern beerbt, die hofften, über das Benutzerkonto (Account) von E. etwaige Hinweise über mögliche Absichten oder Motive für den Fall zu erhalten, dass es sich bei dem Tod um ein Suizid handelte. Dies war jedoch nicht möglich, da Facebook das Benutzerkonto nach Erhalt der Todesnachricht durch einen anderen Nutzer in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte. Dieser bewirkte, dass ein Zugang zum Benutzerkonto auch bei Eingabe der regulären Zugangsdaten nicht mehr möglich war. Bei Eingabe der Zugangsdaten erschien lediglich der Hinweis auf den Gedenkzustand. Damit war für die Eltern jeglicher Zugriff auf die sie interessierenden Daten gesperrt. Die Mutter von E. begehrte nun von der Betreibergesellschaft Facebook Ireland Ltd. Zugang zum Benutzerkonto ihrer Tochter.

II. Entscheidungsgründe

Das Gericht schließt sich der wohl herrschenden Meinung in der Literatur an, dass auch die höchstpersönlichen Daten im digitalen Nachlass des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB als Bestandteil des zwischen ihm und dem jeweiligen Anbieter, hier Facebook, bestehenden Vertragsverhältnisses auf die Erben übergehen. Die in der Literatur teilweise vertretene Auffassung, nach der nur die vermögensrechtlichen Teile des digitalen Nachlasses, nicht hingegen die nicht vermögensrechtlichen vererblich sein sollen, lehnt das Gericht ab, weil eine eindeutige Bestimmung des vermögensrechtlichen Charakters eines Teils des digitalen Nachlasses praktisch nicht möglich sei. Eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des „analogen“ Nachlasses sei außerdem nicht zu rechtfertigen; die Situation entspreche wertungs mäßig vielmehr derjenigen bei Briefen und Tagebüchern, die anerkanntermaßen vererblich sind.

Die von Facebook vertretene Anwendbarkeit irischen Datenschutzrechts lehnt das Gericht ab, lässt sie aber letztlich dahinstehen, weil auch dieses dem Zugriff der Eltern auf das Benutzerkonto jedenfalls nicht entgegenstünde. Im Übrigen stünden weder Vorschriften des deutschen Datenschutzrechts noch Persönlichkeitsrechte Dritter oder höchstpersönliche Rechte der E. dem Zugriff der Eltern als Erben auf das Benutzerkonto entgegen. Insbesondere eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von E. verneinte das Gericht mit dem Argument, dass Erben hier die sorgeberechtigten Eltern der minderjährigen E. waren, die als solche zugleich bereits zu deren Lebzeiten Sachwalter des Persönlichkeitsrechts ihres minderjährigen Kindes gewesen seien. Wenn der Zugriff zu Lebzeiten den Sorgeberechtigten der E. möglich gewesen sei, könne im Zugriffsrecht auf die Daten nach deren Tod keine  Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts liegen. Dem Zugriff der Eltern auf das Benutzerkonto stehe schließlich auch nicht die sogenannte Gedenkzustandsrichtlinie des Anbieters entgegen, weil in deren Regelungen, die den Zugriff auf das Benutzerkonto „sperren“, eine in derartigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB unangemessene Benachteiligung des Nutzers und seiner Erben liege.

III. Bewertung und praktische Bedeutung

Die Diskussion um den sogenannten digitalen Nachlass ist in vollem Gange. Mit dem Urteil des LG Berlin liegt nun auch eine erste Gerichtsentscheidung dazu vor, die allerdings nicht rechtskräftig ist. Die Berufung ist beim Kammergericht Berlin anhängig (Az. 21 U 9/16). Zu Recht verneint das Landgericht die von Teilen der Fachliteratur vorgeschlagene Unterscheidung zwischen einem vermögensrechtlichen, deshalb vererbbaren, und einem nicht vermögensrechtlichen, deshalb nicht vererbbaren, Teil des digitalen Nachlasses, die praktisch kaum rechtsicher durchzuführen wäre und im Widerspruch zu sonstigen erbrechtlichen Wertungen, etwa zur Vererbbarkeit von Tagebüchern und persönlichen Briefen, stünde. Gut begründet ist auch die Unzulässigkeit der Regelungen der sogenannten Gedenkzustandsrichtlinie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook.
Entscheidend für die rechtliche Behandlung des digitalen Nachlasses dürfte das postmortale Persönlichkeitsrecht werden. Es gehört als solches nicht zum Nachlass, vielmehr sind die nächsten Angehörigen lediglich berechtigt, Angriffe auf die Würde des Verstorbenen abzuwehren. Deshalb ist das Urteil des Landgerichts Berlin auf den digitalen Nachlass volljähriger Erblasser nur eingeschränkt übertragbar. Im vorliegenden Fall konnte das Gericht ausdrücklich offenlassen, ob der Zugriff auf das Benutzerkonto durch die Erben das Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen verletzen kann, weil vorliegend die klagende Erbin als Mutter zugleich berechtigt war, das postmortale Persönlichkeitsrecht ihrer verstorbenen minderjährigen Tochter wahrzunehmen. Fälle, in denen die Erben nicht identisch sind mit den Wahrnehmungsberechtigten des postmortalen Persönlichkeitsrechts, sind unter Umständen anders zu entscheiden.

Facebook erlaubt es seinen Nutzern neuerdings, einen sogenannten Nachlasskontakt zu benennen, der bestimmte Inhalte des Benutzerkontos herunterladen kann, individuelle Kommunikation des Verstorbenen jedoch nicht. Diese will Facebook aber bei Nachweis eines „gültigen Testaments oder eines  eindeutigen Einverständnisses“ herausgeben. Auch vor diesem Hintergrund empfehlen sich somit eindeutige Regelungen zum digitalen Nachlass in einer postmortalen Handlungsvollmacht und/oder in letztwilligen Verfügungen. Allerdings  existieren keine Erfahrungswerte, ob die Betreiber sozialer Netzwerke den Berechtigten den Zugriff aufgrund derartiger Regelungen tatsächlich gewähren. Grundsätzlich besteht für die Nutzer die pragmatische Möglichkeit, ihren Hinterblie benen den Datenzugriff zu ermöglichen, indem sie diesen ihre Zugangsdaten zugänglich machen, womit sie sich aber in der Regel gegenüber ihrem Vertragspartner, dem sozialen Netzwerk, vertragswidrig (und möglicherweise auch Persönlichkeitsrechte Drit ter beeinträchtigend) verhalten. Die praktischen Konsequenzen eines solchen Verstoßes dürften gering sein. Im vorliegenden Fall verhinderte jedoch der zwischenzeitig aktivierte „Gedenkzustand“ auch bei Eingabe der regulären Zugangsdaten jeglichen Zugang zum Benutzerkonto bei Facebook.

Insgesamt ist die Diskussion um den digitalen Nachlass insbesondere im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte Dritter, deren Korrespondenz mit dem Verstorbenen mitbetroffen ist, sowie die AGB-rechtliche Zulässigkeit eines Totalausschlusses der Erben, die vor allem im wirtschaftlichen Interesse des Betreibers an der Vermeidung von Arbeitsaufwand für Einzelfallprüfungen der Berechtigungsnachweise von Erben liegt, noch längst nicht beendet.