Rechtliche Notfallvorsorge

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung auf dem Prüfstand

Dr. Christian Klein-Wiele, Rechtsanwalt bei Hennerkes, Kirchdörfer und Lorz

I. Sachverhalt

Ein Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung1 hat in der Praxis hohe Wellen geschlagen2. Der zugrunde liegende Sachverhalt führt plastisch die dramatischen Lebenssituationen vor Augen, für die Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen regelmäßig errichtet werden. Eine aufgrund eines Hirnschlags und nachfolgender epileptischer Anfälle dauerhaft hirngeschädigte und nicht mehr zur Kommunikation fähige Patientin hatte einer ihrer drei Töchter eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Diese enthielt ausdrücklich auch die Befugnis zur Entscheidung über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen. Daneben hatte sie in einem privatschriftlich als „Patientenverfügung“ bezeichneten Schriftstück geäußert, dass sie, „solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, […] ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten“ erwarte. Hingegen wünsche sie, „dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, […] dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt“. Zum Zeitpunkt des Richterspruchs war die Patientin bereits über fünf Jahre über eine Magensonde künstlich ernährt worden und hatte seit über drei Jahren die Fähigkeit zu verbaler Kommunikation verloren. Die bevollmächtigte Tochter und die Hausärztin der Patientin lehnten jedoch den Abbruch der Behandlung ab, weil sie übereinstimmend der Auffassung waren, dass dies entgegen dem Wortlaut der Patientenverfügung dem gegenwärtigen Willen der Patientin und Mutter widerspreche. Die beiden anderen Töchter der Patientin waren hingegen vom Gegenteil überzeugt und wollten der bevollmächtigten Tochter gerichtlich einen sogenannten Kontrollbetreuer zur Seite stellen. Dieser Kontrollbetreuer hätte sodann – so die Absicht der klagenden Töchter – dem (vermeintlichen) Wunsch der Patientin auf Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen Geltung verschaffen sollen. Man mag sich die dramatische familiäre Situation kaum vorstellen. Auf der einen Seite die bevollmächtigte Tochter, die durch die Bevollmächtigung nach außen, also gegenüber den behandelnden Klinikärzten, die Verantwortung trägt und ihre Mutter offenbar nicht „aufgeben“ möchte; auf der anderen Seite ihre beiden Schwestern, die durch den Kontrollbetreuer die „Abschaltung“ der Ernährungszufuhr durch die Magensonde erreichen wollen und damit im Ergebnis auf das „Sterbenlassen“ ihrer Mutter klagen. Allgemein ist hinsichtlich Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zu bemerken: Die Vorsorgevollmacht ist insbesondere – aber nicht nur – im unternehmerischen Bereich unerlässlich. Sie sichert dem Vollmachtgeber, dass er durch eine Person seines Vertrauens in allen gesetzlich zulässigen Angelegenheiten vertreten wird, wenn er selbst alters-, unfall- oder krankheitsbedingt dazu nicht mehr in der Lage ist. Zugleich verhindert eine wirksame Bevollmächtigung zumeist, dass ein nicht persönlich ausgewählter, sondern gerichtlich bestellter Betreuer über das eigene Schicksal bestimmt. Möglich ist hierbei die Trennung zwischen persönlichen Angelegenheiten und Vermögensangelegenheiten. Der Vollmachtgeber kann also die beiden Bereiche in getrennte Hände geben. Er kann auch mehrere Bevollmächtigte einsetzen, die ihn entweder einzeln oder nur gemeinsam vertreten dürfen. Die Patientenverfügung hingegen beinhaltet Anordnungen des Verfügenden im Hinblick auf die in bestimmten Notfällen gewünschte medizinische Behandlung. Sie bringt also insbesondere Wünsche des Betroffenen in „ausweglosen“ Situationen bezüglich Maßnahmen zur Rettung, Behandlung oder Pflege zum Ausdruck, wie z.B. Wiederbelebungsmaßnahmen, Umfang der künstlichen Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen und Besuchsrecht für die Angehörigen. Adressaten der Patientenverfügung sind daher vor allem die Angehörigen und behandelnden Ärzte. Ob die Wünsche und Vorstellungen im Vorhinein rechtlich bindend festgelegt werden, sollte gut überlegt sein und bedarf einer persönlichen Entscheidung. Für die Angehörigen ist zumindest eine Leitlinie zumeist entlastend, da sie sich dann am schriftlich niedergelegten Willen des nahen Angehörigen orientieren können. Andererseits ändern sich typischerweise die Vorstellungen über die Behandlungswünsche im Laufe des Lebens, sodass bei Errichtung einer rechtlich bindenden Patientenverfügung wiederkehrend und regelmäßig überprüft werden sollte (Empfehlung: mindestens alle zwei Jahre), ob die darin enthaltenen Vorgaben die eigenen Wünsche noch decken und dem medizinischen Fortschritt entsprechen. Der Bundesgerichtshof hatte in der vorstehenden Konstellation im Schwerpunkt zwei Fragen zu klären: Zum einen war die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht zu prüfen. Dabei ging es um die Frage, ob die bevollmächtigte Tochter gegenüber den behandelnden Klinikärzten über die Aufrechterhaltung der lebensverlängernden Maßnahmen für ihre Mutter überhaupt rechtlich bindend entscheiden durfte. Zweitens kam im vorliegenden Fall dem Inhalt und der Wirksamkeit der Patientenverfügung eine eminente Bedeutung zu. Wenn die Tochter als (wirksam) Bevollmächtigte nämlich dem in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegten Willen nicht Ausdruck und Geltung verschafft hätte, hätte der Bundesgerichtshof der bevollmächtigten Tochter einen Kontrollbetreuer zur Seite gestellt, der den Willen der Patientin – sprich: aus Sicht der anderen beiden Töchter den Abbruch der Behandlung – durch einen Widerruf der Vorsorgevollmacht durchgesetzt hätte. Im Kern lässt sich sowohl für die Vorsorgevollmacht als auch für die Patientenverfügung der vom Bundesgerichtshof zu beurteilende Fall rechtlich auf eine wesentliche Fragestellung reduzieren: Wie konkret muss ein (zunächst gesunder) Mensch Bevollmächtigungen und Handlungsanweisungen für potentiell lebensbedrohliche Situationen durchdacht, reflektiert und in formellen Dokumenten niedergelegt haben? Anders gewendet: Welcher Abstrahierungsgrad reicht in diesen persönlich so schwierigen Fragestellungen rechtlich aus, dass sichergestellt ist, dass das vom Patienten in der Vergangenheit schriftlich oder notariell Erklärte auch das in der späteren Situation tatsächlich Gewollte darstellt?

II. Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht

Der Gesetzgeber hat für Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung unterschiedliche Leitlinien vorgegeben. Im Hinblick auf die Vorsorgevollmacht bestimmt § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB, dass der Vorsorgebevollmächtigte in lebensgefährdende Maßnahmen nur dann einwilligen, nicht einwilligen oder die vom zuvor noch einwilligungsfähigen Patienten erklärte Einwilligung widerrufen kann, wenn die Vollmacht erstens schriftlich erteilt ist und zweitens diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Ein kurzes Wort zur Schriftlichkeit: Zumindest die Vorsorgevollmacht sollte notariell beurkundet werden, da ansonsten wichtige Regelungsbereiche wie z.B. der Bank- und der Grundstücksverkehr erheblich erschwert oder von der Vollmacht gar nicht formwirksam erfasst sind. Generell sollen die erhöhten Form- und inhaltlichen Anforderungen dem Vollmachtgeber die durch die Bevollmächtigung möglichen späteren Konsequenzen für seine Gesundheit und sein Leben vor Augen führen. Wie konkret genau der Vollmachtgeber das „Aus-der-Hand-Geben“ seiner höchstpersönlichen gesundheitlichen Entscheidungsbefugnis nach außen umschreiben muss, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Der Bundesgerichtshof hat nun einerseits entschieden, dass der Wortlaut des Gesetzes nicht wiederholt werden muss. Vielmehr genüge eine hinreichend klare Umschreibung, aus der erkennbar ist, dass das Handeln des Vorsorgebevollmächtigten Maßnahmen umfasst, die potentiell lebensgefährlich sind oder schwere gesundheitliche Schäden für den Patienten nach sich ziehen können. Andererseits reiche ein bloßer Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften nicht aus, weil in diesem Fall nicht klar sei, ob der Bevollmächtigende diese tatsächlich gelesen und sich inhaltlich mit der damit verbundenen Lebensgefahr auseinandergesetzt habe. In der Praxis dürfte daher eine ausführliche Regelung unter Übernahme des Gesetzeswortlauts das Mittel der Wahl bleiben.

III. Wirksamkeit der Patientenverfügung

Während die soeben zitierten Kernaussagen des Bundesgerichtshofs zur Vorsorgevollmacht wenig Überraschendes boten, ist der Beschluss hinsichtlich der Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung Gegenstand einer kontroversen Debatte. Zugespitzt kommentierte der Rechtsanwalt der beiden nicht bevollmächtigten Töchter, Wolfgang Putz, in einem Interview: „Der BGH hat hunderttausende Patientenverfügungen zunichte gemacht. […] Eine fatale Fehlentscheidung.“4 Doch was sagt das Gesetz? Der Wortlaut von § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB erfordert, dass in einer Patientenverfügung eine Einwilligung in oder eine Untersagung von bestimmten, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehenden Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen enthalten muss. Daraus folgert der Bundesgerichtshof, dass in einer Patientenverfügung grundsätzlich festgelegt werden muss, welche konkreten Maßnahmen in einer bestimmten Situation durchgeführt bzw. nicht durchgeführt werden sollen. Beschrieben werden muss also jeweils zum einen die Situation, in der die Patientenverfügung gelten soll, und zum anderen eine dieser Situation zugeschriebene Handlungsanweisung. Die Patientin hätte daher für den Fall der irreparablen Schädigung ihres Gehirns die Einstellung der künstlichen Ernährung als konkrete Maßnahme benennen müssen. Eine allgemeine Formulierung wie das „Unterbleiben lebensverlängernder Maßnahmen“ hat der Bundesgerichtshof hingegen nicht ausreichen lassen. Insbesondere dann, wenn sich der Patient noch bester Gesundheit erfreut, ist die konkrete Beschreibung sämtlicher lebensbedrohlicher Situationen und der für sie geltenden Handlungsanweisungen ein sehr schwieriges Unterfangen. Deshalb waren in der Vergangenheit auch zahlreiche Muster-Patientenverfügungen eher abstrakt gehalten. Dies galt auch im vom BGH entschiedenen Fall, dem ein Muster der evangelischen Kirche zugrunde lag. Da ein Laie nur schwer alle denkbaren pathologischen Zustände und Behandlungsmethoden kennen und benennen kann, mag man mit Wolfgang Putz davor warnen, dass eine Patientenverfügung auf diese Art zum „Medizinlexikon“ zu werden droht. Als Beispiel kann man die künstliche Beatmung anführen, die nicht nur durch ein Beatmungsgerät („maschinell“), sondern vielmehr auch durch Masken oder Überdruck erfolgen kann. Müssen also auch diese unterschiedlichen Behandlungsmodalitäten tatsächlich alle aufgeführt werden? Die Thematik wird noch dadurch verschärft, dass unvorhergesehene Ereignisse wie andere Krankheiten oder Unfälle dazwischen treten können. Es ist geradezu typisch, dass das Leben des Patienten nicht durch die ursprüngliche Erkrankung, sondern durch ein weiteres „Akutereignis“ wie z.B. eine Lungenentzündung bedroht ist. Auf der anderen Seite besteht bei pauschal formulierten „Patientenverfügungen“ das Problem, dass dadurch möglicherweise Fälle existieren, in denen die Verfügung entweder dem eigentlichen Willen des Patienten in der Situation nicht gerecht wird oder unklar ist, ob die konkrete Situation, in der es um Leben und Tod geht, auch tatsächlich von der Patientenverfügung erfasst sein soll5. Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfelds hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss die abstrakte Formulierung („Unterbleiben lebensverlängernder Maßnahmen“) nicht ausreichen lassen, weil er das Risiko für Betreuer und Vorsorgebevollmächtigten, dass sie die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation auf Basis der pauschalen Festlegung falsch beurteilen, als besonders hoch eingeschätzt hat. In der Folge hat der Bundesgerichtshof an die genaue Beschreibung bestimmter, zum Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung noch nicht unmittelbar bevorstehender Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztlicher Eingriffe hohe Anforderungen angelegt. Da die Patientenverfügung in den Augen der Richter diesen Anforderungen nicht genügte und daher rechtlich keine Bindungswirkung entfaltete, geht der jahrelange Rechtsstreit weiter. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache nämlich an die Vor instanz zurück, sodass das Landgericht Mosbach nun unter Berücksichtigung zahlreicher Dokumente – darunter auch der Patientenverfügung – und Zeugen den tatsächlichen Willen der Patientin klären soll.

IV. PRAKTISCHE BEDEUTUNG

Welche Schlussfolgerungen aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs zu ziehen sind, ist fast so schwierig zu beurteilen wie die der Entscheidung zugrunde liegende Lebenssituation. Einerseits weist auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass eine gesunde Person weder ihre zukünftige Patientenbiografie noch die medizinischen Möglichkeiten vollständig überblicken kann, sodass er die Anforderungen an eine Patientenverfügung nicht „überspannen“ möchte. Wichtig sei jedoch, dass „gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituatio nen“ die erforderliche Konkretisierung in der Verfügung vorgenommen werde. Notwendig, dann aber auch ausreichend sollte es daher sein, mittels  eines breiten Spektrums  an konkreten Konstellationen beispielhaft zu erläutern, welche Maßnahmen in welcher Konstellation gewollt sind und welche nicht6. Im Zweifelsfall reicht eine juristische Beratung hierfür alleine nicht aus. Vielmehr sollten die Entscheidungssituationen, die in der Patientenverfügung geregelt werden sollen, auch mit dem Hausarzt besprochen werden. Durch die Entscheidung wurde jedenfalls deutlich, dass zahlreiche in der Vergangenheit erstellte Patientenverfügungen den Anforderungen des Gesetzes nicht genügen dürften. Im Zweifelsfall sollte daher jeder, der eine Patientenverfügung errichtet hat oder eine solche errichten möchte, diese von einem versierten rechtlichen Berater überprüfen lassen.

Erbrecht

Nachweis des Erbrechts gegenüber dem Kreditinstitut durch eigenhändiges Testament

Dr. Sebastian von Thunen, Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz, Stuttgart

I. SACHVERHALT

Die Kläger sind die Söhne der im August 2013 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte mit ihrem im Jahr 2001 verstorbenen Ehemann, dem Vater der Kläger, ein handschriftliches Testament errichtet, in dem beide sich gegenseitig zu Erben einsetzen. Nach dem Ableben des Letzten von ihnen sollte „das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen auf unsere beiden aus unserer ehelichen Verbindung geborenen Kinder“ übergehen. Das Testament wurde nach dem Tod des Vaters der Kläger eröffnet und der beklagten Sparkasse vorgelegt. Nach dem Tod der Mutter wurde es vom zuständigen Nachlassgericht erneut eröffnet. Die Sparkasse lehnte nach dem Tod der Mutter unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts die geforderte Freigabe der Konten ab und verlangte hierfür, dass ein Gericht bestätige, dass in dem Testament die Kläger als Erben genannt seien. Daraufhin erwirkten die Kläger einen gemeinschaftlichen Erbschein. Die Erstattung der dafür verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 1.770,00 Euro forderten sie von der Sparkasse.

II. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Der BGH hält zunächst fest, dass mangels gesetzlicher Sonderregelung der Erbe nicht verpflichtet ist, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern die Möglichkeit hat, diesen Nachweis auch in anderer Form zu erbringen. Dazu gehörten neben dem öffentlichen (notariell beurkundeten) Testament auch das eigenhändige Testament oder, im Falle gesetzlicher Erbfolge, Urkunden, aus denen sich diese ergibt Die Bank könne bei einem eigenhändigen Testament auch nicht regelmäßig auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen. Diese habe zwar ein berechtigtes Interesse daran, in den Genuss der Rechtswirkungen der §§ 2366, 2367 BGB (Gutglaubensvorschriften) zu kommen, um so der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu entgehen.

Daraus folge aber nicht, dass bei einem eigenhändigen Testament einschränkungslos oder auch nur im Regelfall ein Erbschein verlangt werden könne. Ein schutzwürdiges Interesse daran bestehe in eindeutigen Fällen nicht. So bestehe insbesondere beim eröffneten öffentlichen Testament auch im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber eine widerleg bare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge.

Dem eigenhändigen Testament könne im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber zwar eine solche Vermutungswirkung zum Nachweis der Erbfolge nicht beigelegt werden. Es sei aber eine Frage des Einzelfalls, ob ein eigenhändiges Testament mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit die Erbfolge nachweist. Abstrakte Zweifel des Kreditinstituts diesbezüglich genügten jedoch nicht. Nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge sei das Kreditinstitut berechtigt, ergänzende Erklärungen der Beteiligten einzuholen oder sich weitere Unterlagen, wie z.B. das Familienstammbuch oder einen Erbschein, vorlegen zu lassen. Im vorliegenden Testament seien die Erklärungen eindeutig als Erbeinsetzung der Kläger (und insbesondere nicht als Vermächtnis) auszulegen.

Die Forderung der Vorlage eines Erbscheins sei somit im Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde vertragswidrig und löse deshalb einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Erbscheinkosten aus.

III. PRAKTISCHE BEDEUTUNG

Vielfach werden Testamente eigenhändig handschriftlich errichtet. Beweggrund hierfür ist nicht nur die – gerade bei unternehmerischen Vermögen – u.U. erhebliche Kostenersparnis einer notariellen Beurkundung, sondern auch die Erwägung, dass letztwillige Verfügungen stets der sich wandelnden persönlichen Lebenssituation angepasst werden müssen. Dann erlaubt eine handschriftliche Testamentserrichtung ein rasches und umstandsloses Vorgehen.

Während das (beurkundete) öffentliche Testament aber dem Erben insofern eine stärkere Stellung im Verhältnis namentlich zur Bank des Erblassers einräumt, als ihm nach der Rechtsprechung eine widerlegbare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge beizumessen ist, kommt es nach dem vorliegenden Urteil bei eigenhändigen Testamenten auf die Auslegung im Einzelfall an, ob das Testament die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.

Das bedeutet für Erblasser und ihre Erben, dass letztwillige Verfügungen in einem eigenhändigen Testament gerade auch dann besonders klar und rechtlich unzweideutig formuliert werden sollten, wenn die Beantragung eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts gegenüber Kreditinstituten vermieden werden soll. Parallel ist es sinnvoll, dass der Erblasser zu Lebzeiten über den Tod hinaus wirkende Vollmachten − gerade auch speziell gegenüber den kontoführenden Kreditinstituten − an die Erben erteilt. Diese können dann ungeachtet des Erbnachweises über die ererbten Konten verfügen.

Insgesamt ist zu beobachten, dass der BGH seine Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit des Erbscheins als Erbnachweis gegenüber Kreditinstituten weiter ausweitet (s. bereits die Urteile BGH ZIP 2005, 1588 und ZIP 2013, 2194), was für die Erblasser und Erben in unproblematischen Fällen eine gute Nachricht ist. Allerdings sind hiermit auch gewisse Gefahren für Erblasser, Erben und den Rechtsverkehr verbunden. Ist beispielsweise ein zeitlich später errichtetes Testament als das der Bank vorgelegte vorhanden, besteht, abgesehen von den allgemeinen Gutglaubensvorschriften, kein Schutz für den Rechtsverkehr. Ein Kreditinstitut, das ein privatschriftliches Testament samt Eröffnungsniederschrift nach dem vorstehenden Urteil als Erbnachweis akzeptieren muss, kann umgekehrt kaum von den (wahren) Erben in Regress genommen werden, wenn sich später ein davon abweichendes Erbrecht herausstellt.