OLG Dresden, Beschluss vom 09.11.2011, 12 W 1002 / 11

 

Gründe

I.

Die Satzung der
Beteiligten in der Fassung vom 04.09.1990 enthält zur Ergebnisverwendung unter §
8 Abs. 2 folgende Regelungen:

„Ein Jahresüberschuss
ist, soweit er nicht zur Tilgung von Verlustvorträgen zu verwenden ist, zu
einem Viertel des Überschusses vor Belastung mit Steuern vom Einkommen und
Ertrag in einer Gewinnrücklage einzustellen. Soweit der Jahresüberschuss nicht
im übrigen zu verwenden ist, ist er an die Gesellschafter auszuschütten.“

Die Gesellschafter der
Beteiligten verwendeten die in den Jahre 1996, 1998, 1999 und 2002 bis 2007
erwirtschafteten Gewinne abweichend von diesen Regelungen. Für die Geschäftsjahre
1996, 1998 und 1999 wurde die Gewinnrücklage aus dem Jahresüberschuss nach
Steuern und nicht ausgehend von dem Überschuss vor Belastung mit Steuern mit
der Folge gebildet, dass ein höherer Betrag ausgeschüttet wurde. Die Gewinne
der Geschäftsjahre 2002 bis 2006 wurden voll ausgezahlt. Der Gewinn aus dem
Geschäftsjahr 2007 sollte ausgehend von dem Jahresüberschuss nach Steuern
verwendet werden, tatsächlich wurde er indes entsprechend der Satzung
verwendet.

In der notariell
beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 08.06.2011 wurde einstimmig
folgender Beschluss gefasst:

„Die
Gesellschafter bestätigen hiermit die für die Geschäftsjahre 1996, 1998, 1999,
2002, 2003, 2004, 2005, 2006 und 2007 in Durchbrechung des § 8 Abs. 2 der
Satzung beschlossenen Ausschüttungen an die Gesellschafter.“

Das Registergericht
hat die Anmeldung dieses Beschlusses am 01.08.2011 zurückgewiesen. Es ist der
Ansicht, dass die bestätigten Gewinnverwendungsbeschlüsse, da sie nicht bewusst
entgegen § 8 Abs. 2 der Satzung gefasst wurden, nicht satzungsdurchbrechend
gewesen seien. Unabhängig davon sei nur eine – hier nicht vorliegende –
zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung eintragungsfähig.

Die Beteiligte hat
gegen diesen am 04.08.2011 zugestellten Beschluss am 02.09.2011 Beschwerde
eingelegt. Sie trägt vor: Der Beschluss vom 08.06.2011 sei
eintragungspflichtig, er bestätige unwirksame Satzungsdurchbrechungen. Darauf,
ob die Gesellschafter seinerzeit das Bewusstsein hatten, von der Satzung
abzuweichen, komme es insoweit nicht an.

Das Registergericht
hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht am
28.09.2011 vorgelegt.

II.

Die nach §§ 382 Abs.
3, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat
Erfolg. Das Amtsgericht hat den Vollzug der Anmeldung zu Unrecht abgelehnt. Die
in der notariell beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 08.06.2011 bestätigten
Gewinnverwendungsbeschlüsse stellten nicht lediglich punktuelle
Satzungsdurchberechnungen dar und waren, auch wenn sich die Gesellschafter
seinerzeit der Abweichung von den statuarischen Gewinnverwendungsregelungen
nicht bewusst gewesen sein sollten, unwirksam. Denn sie genügen den insoweit maßgeblichen
Anforderungen an eine Satzungsänderung (§§ 53, 54 GmbHG) nicht. Der die
Durchbrechung bestätigende Beschluss vom 08.06.2011 bedarf daher der
Eintragung.

1.
Satzungsdurchbrechungen sind Gesellschafterbeschlüsse, die eine von der Satzung
abweichende Regelung treffen. Nach herrschender Ansicht wird zwischen
punktuellen und zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechungen unterschieden.
Eine punktuelle Satzungsdurchbrechung liegt vor, wenn sich die Abweichung von
der Satzung auf einen konkreten Einzelfall beschränkt, die Wirkung des
Beschlusses sich daher in der betreffenden Maßnahme erschöpft. Durch eine
Satzungsdurchbrechung kann aber auch ein von der Satzung abweichender
rechtlicher Zustand begründet werden. Dann müssen allerdings die Anforderungen
der §§ 53, 54 GmbHG gewahrt werden (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1993, Az.: II ZR
81/92, nach juris: BGHZ 123, 15 Rn. 13; OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.03.2010,
Az.: 12 W 376/10, nach juris: MDR 2010, 822 Rn. 46; OLG Köln, Urteil vom
26.10.2000, Az.: 18 U 79/00, nach juris: DB 2000, 2465 Rn. 21; OLG Nürnberg,
Urteil vom 10.11.1999, Az.: 12 U 813/99, nach juris: MDR 2000, 653 Rn. 81; OLG
Köln, Urteil vom 11.10.1995, Az.: 2 U 159/94, nach juris: NJW-​RR 1996, 1439
Leitsatz; Harbath in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 2011, § 53 Rz. 48; Bayer
in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., 2009, § 53 Rz. 27, 28; Priester/Veil
in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., 2007, § 53 Rz. 29; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8.
Aufl., 1997, § 53 Rz. 30 f.; Priester, Satzungsänderung und
Satzungsdurchbrechung, ZHR 151 (1987), 40).

Für den Begriff der
Satzungsdurchbrechung ist es unerheblich, ob die Gesellschafter sich bei der
Beschlussfassung der Satzungswidrigkeit bewusst waren (vgl.: RGZ 81, 368, 371f;
Priester, Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung ZHR 151 (1987), 40, 48;
Inhester in Inhester/Saenger, GmbHG, 21. Aufl., 2010, § 53 Rz. 23; Roth in
Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., 2009, § 53 Rz. 29; Harbath in Münchener
Kommentar zum GmbHG, 2011, § 53 Rz. 49; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19.
Aufl., 2010, § 53 Rn. 20; Priester/Veil in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., 2007, § 53
Rz. 30; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., 2009, § 53 Rz. 29). Auch
der BGH hat in seiner Entscheidung vom 07.06.1993 (Az.: II ZR 81/92, nach
juris: BGHZ 123, 15) nicht angenommen, dass eine Satzungsdurchbrechung nur
gegeben ist, wenn sich die Gesellschafter der Abweichung von der Satzung
bewusst sind. Zwar waren sich die Gesellschafter dort der Abweichung von der
Satzung bewusst (vgl. Rz. 12). Der BGH hat aber in dieser Entscheidung für alle
Fälle der zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung die Einhaltung der für
eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften verlangt und dieses
Erfordernis nicht auf bewusste Durchbrechungen beschränkt.

2. Nach diesen Grundsätzen
waren die Beschlüsse über die Gewinnverwendung in den Jahren 1996, 1998, 1999,
2002 bis 2007 unwirksam.

Diese
Gewinnverwendungsbeschlüsse entfalteten nämlich eine Dauerwirkung und können
daher nicht als lediglich punktuelle Satzungsdurchbrechungen qualifiziert
werden (vgl. Ekkenga in Münchener Kommentar zum GmbHG, 2010, § 29 Rz. 156; Zöllner
in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., 2010, §§ 53, 48; andere Ansicht allerdings
ohne nähere Auseinandersetzung: Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.,
2009, § 53 Rz. 31; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., 1997, § 53 Rz. 32;
Priester, Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung, ZHR 151 (1987) 40, 52; Lawall,
Satzungsdurchbrechende Beschlüsse im GmbH-​Recht, DStR 1996,
1169, 1173). Regelungen zur Gewinnverwendung, insbesondere zur Bildung von Rücklagen,
erschöpfen sich nicht in der Maßnahme. Ausschüttungen aus satzungsgemäßen
Gewinnrücklagen haben Wirkungen über die laufende Abrechnungsperiode hinaus.
Sie schmälern die Gewinnrücklage um den entgegen der Satzungsregelung ausgeschütteten
Betrag. Die sich aufgrund der satzungsdurchbrechenden Beschlüsse ergebenden
Gewinnrücklagen sind zudem im Folgejahr in der Bilanz auszuweisen und bilden
die Grundlage für die Ermittlung der sich dann ergebenden Gewinnrücklage. Darüber
hinaus haben der Rechtsverkehr und potentielle Gesellschafter ein berechtigtes
Interesse daran zu erfahren, dass die in den Bilanzen ersichtlichen Gewinnrücklagen
nicht entsprechend den satzungsmäßigen Gewinnverwendungsregelungen gebildet
wurden. Die hier fraglichen Beschlüsse hätten daher zu ihrer Wirksamkeit der
notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG) und der Eintragung in das
Handelsregister (§ 54 Abs. 3 GmbHG) bedurft. Da es hieran fehlt, ist der die
fraglichen Beschlüsse bestätigende Beschluss vom 08.06.2011 antragsgemäß
einzutragen.

III.

Eine Kostenfestsetzung
und die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens sind nicht
veranlasst, da für das Beschwerdeverfahren eine Gebühr nicht zu erheben ist,
vgl. § 131c Abs. 1 KostO.
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