BFH, Urteil vom 16.05.2013, II R 5 / 12

 

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) war mit einer Kommanditeinlage von 25.000 € an einer gewerblich
tätigen KG beteiligt. Mit Schenkungsvertrag vom 18. Dezember 2006 übertrug er
mit Wirkung zum 31. Dezember 2006 hiervon einen Anteil von 23.500 €
(Kapitalfestkonto I) nebst dem entsprechenden Anteil an den sonstigen für ihn
bei der KG geführten Konten unentgeltlich auf seine Tochter (T) und übernahm
die Schenkungsteuer. Er behielt sich an der übertragenen Kommanditbeteiligung
einschließlich der Konten zu einer Quote von 22.000/23.500 den lebenslangen
unentgeltlichen Nießbrauch vor. In Höhe dieser Quote stehen dem Kläger das auf
die Beteiligung der T an der KG entfallende Ergebnis (Gewinn oder Verlust) und
aufgrund einer Bevollmächtigung durch T auch die Stimmrechte und
Mitverwaltungsrechte zu. T verpflichtete sich, von ihrem eigenen Stimmrecht
insoweit nicht Gebrauch zu machen, ersatzweise auf Wunsch des Klägers nach
dessen Weisung zu handeln. Sollte T während der Dauer des Nießbrauchs die dem
Kläger erteilte Vollmacht widerrufen bzw. von ihrem Stimmrecht abweichend von
dessen Weisungen Gebrauch machen, ist der Kläger zum Widerruf der Schenkung
berechtigt.

2 Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt –FA–) setzte die Schenkungsteuer durch Bescheid vom 7. März 2008
gegen den Kläger fest, ohne den vom Kläger in Höhe von 180.000 € geltend
gemachten Freibetrag nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der im Jahr 2006 geltenden Fassung zu
berücksichtigen. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA den
Freibetrag in Höhe des Werts des nicht mit dem Nießbrauch belasteten Teils der
auf T übertragenen Kommanditbeteiligung, also mit 23.493 € ansetzte. Aufgrund
des Nießbrauchs stundete das FA die Steuer teilweise nach § 25 ErbStG zinslos.

3 Das Finanzgericht (FG) setzte die
Steuer durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 721, veröffentlichte
Urteil auf 0 € herab. Es war der Ansicht, die Steuervergünstigungen nach § 13a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG seien auf den gesamten auf T übertragenen
Kommanditanteil zu gewähren. Bei isolierter Betrachtung sei T zwar hinsichtlich
des nießbrauchsbelasteten Anteils aufgrund der dem Kläger als Nießbraucher
zustehenden umfassenden Rechte nicht Mitunternehmerin geworden. Es fehle
insoweit sowohl an der Mitunternehmerinitiative als auch am
Mitunternehmerrisiko. Dies stehe aber der Gewährung der Steuervergünstigungen
nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG für den gesamten auf T
übertragenen Kommanditanteil nicht entgegen. Die durch den unbelasteten Anteil
vermittelte Mitunternehmerstellung der T als Kommanditistin der KG sei unteilbar
und erstrecke sich auch auf den durch den Nießbrauch belasteten Teil der
Kommanditbeteiligung. Der nach Anwendung der Steuervergünstigungen nach § 13a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG verbleibende Erwerb liege unter dem
Freibetrag des § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG .

4 Mit der Revision rügt das FA Verletzung
des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG . Die Vereinbarung des Quotennießbrauchs sei
zivilrechtlich zulässig und führe dazu, dass T nur hinsichtlich des
unbelasteten Teils der Kommanditbeteiligung Mitunternehmerin der KG geworden
sei und deshalb auch nur insoweit die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG zu gewähren seien.

5 Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die
Klage abzuweisen.

6 Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.

Gründe

II.

7 Die Revision ist begründet. Sie führt
zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage ( § 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Unrecht
angenommen, dass die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und
Abs. 2 ErbStG nicht nur für den unbelasteten Teil der auf T übertragenen
Kommanditbeteiligung, sondern auf die gesamte Kommanditbeteiligung anzuwenden
seien.

8 1. Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG
kommen die Steuervergünstigungen der Abs. 1 und 2 der Vorschrift in Betracht
für inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an einer Gesellschaft
i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
.

9 a) Dabei sind die Steuervergünstigungen
nur zu gewähren, wenn das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden
erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen
Rechtsträger den Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erfüllt (Urteile des
Bundesfinanzhofs –BFH– vom 14. Februar 2007 II R 69/05 , BFHE 215, 533, BStBl
II 2007, 443 [BFH 14.02.2007 – II R 69/05] ; vom 10. Dezember 2008 II R 34/07 ,
BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, [BFH 10.12.2008 – II R 34/07] und vom 23.
Februar 2010 II R 42/08 , BFHE 228, 184, BStBl II 2010, 555 [BFH 23.02.2010 –
II R 42/08] ). Das ergibt sich nicht nur aus dem Begünstigungszweck der Norm in
Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen des § 13a Abs. 5 ErbStG ,
sondern auch aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) . Die Bevorzugung des
Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten bei der Erbschaft- und
Schenkungsteuer bedarf nämlich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer
Rechtfertigung, wie sie der Gesetzgeber dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93,
165, BStBl II 1995, 671, [BVerfG 22.06.1995 – 2 BvR 552/91] unter C.I.2.b bb)
entnommen hat. Das BVerfG hat aber die Milderung des Steuerzugriffs bei
Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber beschränkt, die den Betrieb
„weiterführen“, „aufrechterhalten“ und
„fortführen“. Diese Wortwahl zeigt, dass das BVerfG einen Erwerber im
Blick hatte, bei dem das erworbene Vermögen Betriebsvermögen geblieben ist.
Beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils bedeutet „fortführen“, dass
auch der Erwerber Mitunternehmer geworden sein muss (BFH-Urteile in BFHE 224,
144, [BFH 10.12.2008 – II R 34/07] BStBl II 2009, 312, [BFH 10.12.2008 – II R
34/07] unter II.2.b, und in BFHE 228, 184, [BFH 23.02.2010 – II R 42/08] BStBl
II 2010, 555, [BFH 23.02.2010 – II R 42/08] unter II.1.a).

10 b) Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 ggf. i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG ist, wer
Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt.
Mitunternehmerinitiative bedeutet Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen
zumindest in dem Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines
Kommanditisten nach den Regelungen des Handelsgesetzbuchs oder der
gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) . Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder
eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg des
Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und
Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des
Geschäftswerts vermittelt ( BFH-Urteil vom 1. September 2011 II R 67/09 , BFHE
239, 137, BStBl II 2013, 210, [BFH 01.09.2011 – II R 67/09] Rz 20, m.w.N.).

11 c) Der Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1
ErbStG ist nur dann erfüllt, wenn auch der Erwerber Mitunternehmer geworden
ist. Es genügt nicht, wenn er lediglich zivilrechtlich Gesellschafter einer
Personengesellschaft geworden ist, die auch nach dem Erwerb Einkünfte aus
Gewerbebetrieb ( § 15 EStG ) oder aus selbständiger Arbeit ( § 18 EStG )
erzielt und deren Vermögen daher ertragsteuerrechtlich insgesamt weiterhin Betriebsvermögen
ist. Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG ist vielmehr, dass der Erwerber aufgrund des
erworbenen Gesellschaftsanteils Mitunternehmer im ertragsteuerrechtlichen Sinn
geworden ist.

12 Wie der BFH im Urteil in BFHE 228, 184,
[BFH 23.02.2010 – II R 42/08] BStBl II 2010, 555 [BFH 23.02.2010 – II R 42/08] entschieden hat, können diese Steuervergünstigungen demgemäß nur dann für den
schenkweisen Erwerb eines Kommanditanteils beansprucht werden, wenn die
Mitunternehmerstellung des Erwerbers durch den erworbenen Gesellschaftsanteil
vermittelt wird. Es reichte nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des
erworbenen Kommanditanteils nur deshalb eine Mitunternehmerstellung zukäme, weil
er bereits vor dem Erwerb Kommanditist der KG war, d.h. wenn sich seine
bisherige Mitunternehmereigenschaft wegen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf
den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte. Unabhängig von der herkömmlichen
Meinung, nach der die Mitgliedschaft eines Gesellschafters in einer
Personengesellschaft unteilbar ist, ist nach diesem Urteil dem § 13a Abs. 4 Nr.
1 ErbStG nur Genüge getan, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen
Gesellschaftsanteil vermittelt worden ist. Nur dann kann angenommen werden, der
erworbene Gesellschaftsanteil habe im Sinne eines Weiter- oder Fortführens des
Betriebs durchgehend den Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erfüllt.

13 d) Aufgrund der Zielsetzung des § 13a
Abs. 4 Nr. 1 ErbStG gelten entsprechende Grundsätze auch dann, wenn sich der
Schenker bei der Übertragung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft an
einem Anteil hiervon den Nießbrauch vorbehält. Die Steuervergünstigungen nach §
13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG sind in einem solchen Fall für den
nießbrauchsbelasteten Anteil nur dann zu gewähren, wenn dieser Anteil für sich
betrachtet dem Bedachten die Stellung als Mitunternehmer vermittelt. Dass der
Bedachte bezüglich des nicht mit dem Nießbrauch belasteten Teils der übertragenen
Gesellschaftsbeteiligung Mitunternehmer ist, genügt nicht. Unabhängig von der
Frage nach der Teilbarkeit der Mitgliedschaft eines Gesellschafters in einer
Personengesellschaft sind vielmehr die Vereinbarung des Nießbrauchs an einem
Teil der Gesellschaftsbeteiligung und die Ausgestaltung des Nießbrauchs sowie
die tatsächliche Durchführung der getroffenen Vereinbarungen entscheidend.

14 e) Ein nach den (dispositiven) Vorgaben
des BGB ausgestalteter Nießbrauch lässt die Stellung des Nießbrauchsbestellers
als Mitunternehmer nicht entfallen ( BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92 ,
BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241 [BFH 01.03.1994 – VIII R 35/92] ). Bestimmen
die Vertragsparteien aber über die Vorgaben des BGB hinaus, dass die mit der
übertragenen Beteiligung an der Personengesellschaft verbundenen Stimm- und
Mitverwaltungsrechte hinsichtlich des mit dem Nießbrauch belasteten Teils der
Gesellschaftsbeteiligung dem Nießbraucher zustehen sollen, und verfahren die
Gesellschafter danach, ist dies unabhängig von der zivilrechtlichen Beurteilung
zumindest gemäß § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung steuerrechtlich beachtlich und
führt dazu, dass der Bedachte hinsichtlich des nießbrauchsbelasteten Anteils
nicht Mitunternehmer ist und insoweit die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG nicht beanspruchen kann (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 228, 184, [BFH 23.02.2010 – II R 42/08] BStBl II 2010, 555 [BFH 23.02.2010
– II R 42/08] ).

15 2. Für den mit dem Nießbrauch des Klägers
belasteten Anteil der auf T übertragenen Beteiligung an der KG können somit die
Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG nicht in
Anspruch genommen werden. Da sich der Kläger insoweit die Stimm- und
Mitverwaltungsrechte in der KG umfassend vorbehalten hat, er von T zu deren
Ausübung bevollmächtigt wurde und T sich verpflichtet hat, von ihrem eigenen
Stimmrecht insoweit keinen Gebrauch zu machen, ersatzweise auf Wunsch des
Klägers nach dessen Weisung zu handeln, und die Beachtung dieser Vereinbarungen
durch das dem Kläger eingeräumte Recht, bei einem Verstoß dagegen die Schenkung
zu widerrufen, abgesichert ist, steht der T insoweit keine
Mitunternehmerinitiative zu. Sie ist daher insoweit ertragsteuerrechtlich nicht
Mitunternehmerin. Dies ist auch für die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung
maßgebend.
Quicklink: uw1301002