Einkommensteuergesetz

Quellensteuern der Tochter-Kapitalgesellschaft als Entnahme bei der Mutter-Personengesellschaft

Regelungsbedarf  im Gesellschaftsvertrag

Dr. Michael Breyer, LL.M. (Harvard), Rechtsanwalt

Bei Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft wird die Kapitalertragsteuer, die die Kapitalgesellschaft auf ausgeschüttete Gewinne abführt, dem Beteiligungsertrag der Personengesellschaft hinzu- und als Entnahme durch die Gesellschafter wieder herausgerechnet. Ob diese Entnahme zulässig ist, bestimmt sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Bei Unzulässigkeit hat die Gesellschaft einen Erstattungsanspruch gegen ihre Gesellschafter

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Kapitalgesellschaften müssen auf Dividendenzahlungen Kapitalertragsteuer einbehalten und an den Fiskus abführen. Wenn sie nicht abgeltend wirkt, wird die Kapitalertragsteuer später auf die Einkommensteuerschuld des Gesellschafters angerechnet, § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Die Kapitalertragsteuer ist damit eine Steuervorauszahlung „an der Quelle“ für den Gesellschafter. In der steuerlichen Systematik ist damit der Gesellschafter Schuldner der Kapitalertragsteuer und die Kapitalgesellschaft Zahlstelle, die für Rechnung des Gesellschafters handelt, § 44 Abs. 1 EStG.

Ist der Gesellschafter eine Personengesellschaft, muss wegen deren steuerlichen Transparenz unterschieden werden: Zivilrechtlicher Gläubiger des Dividendenanspruchs ist die Personengesellschaft, steuerlich zugerechnet wird die Dividende jedoch ihren Gesellschaftern. Schuldner der Kapitalertragsteuer und anrechnungsberechtigt sind damit allein und unmittelbar die Gesellschafter der Personengesellschaft in Höhe der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsquote. Die Kapitalertragsteuer wird also unmittelbar für Rechnung der Gesellschafter abgeführt. Für die zivilrechtliche Vermögenszuordnung bedeutet dies nach der Rechtsprechung des BGH (II ZR 42/94, NJW 1995, 1088), dass die Dividende der Personengesellschaft ungeschmälert zusteht und der Steuerabzug zu ihren Lasten erfolgt. Die Dividende muss daher ungeschmälert als Beteiligungsertrag und der Steuerabzug als Entnahme durch die Gesellschafter ausgewiesen werden. Der BFH (I R 114/94, DStR 1996, 460) hat diese Einordnung auch für die Steuerbilanz übernommen.

Mit der Qualifikation der Kapitalertragsteuer als Entnahme sind neben den steuerlichen auch zivilrechtliche Konsequenzen verbunden. Insbesondere ist auch die Entnahme in Form der Kapitalertragsteuer nur zulässig, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Andernfalls hat die Personengesellschaft in Höhe der Kapitalertragsteuer einen Erstattungsanspruch gegen ihre Gesellschafter. Es gilt also dasselbe wie allgemein für Entnahmen.

Das vorliegende Urteil des BGH führt die bisherige Rechtsprechung fort und klärt noch offene Fragen. Es veranschaulicht zugleich die Notwendigkeit interessengerechter Entnahmere – gelungen bei Personengesellschaften, um entsprechende Sachverhalte adäquat zu berücksichtigen.

II. Sachverhalt

Über das Vermögen der A. GmbH & Co. KG wurde am 01.01.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die A. GmbH & Co. KG verfügte über eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die in den Jahren 2001 bis 2008 kontinuierlich Gewinne ausschüttete. Mit einer Ende 2008 eingereichten Klage forderte der Insolvenzverwalter vom Kommanditisten der A. GmbH & Co. KG Erstattung der auf die Gewinnausschüttungen abgeführten Kapitalertragsteuer für die Jahre 2001 bis 2008. Der Klage wurde in der Berufungsinstanz für die Jahre 2005 bis 2008 stattgegeben. Mit der Revision verfolgte der Insolvenzverwalter den Erstattungsanspruch für die Jahre 2001 bis 2004.

III. Entscheidungsgründe

Das Oberlandesgericht urteilte in der Berufungsinstanz, dass der Gesellschaftsvertrag der A. GmbH & Co. KG die Entnahme der Kapitalertragsteuer zwar gestattete, dass aber das Entnahmerecht gleich sonstigen Entnahmerechten mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfiel. Der BGH konnte die bis heute umstrittene Frage nach dem Entfall von Steuerentnahmerechten mit Insolvenzeröffnung leider offenlassen, da er die streitgegenständlichen Erstattungsansprüche für die Jahre 2001 bis 2004 nach der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB als verjährt ansah. Ebenfalls offenlassen konnte der BGH, aus welchem Rechtsgrund – Bereicherungsrecht, so das OLG, oder Gesellschaftsvertrag, so die Revisionsbegründung – sich der Erstattungsanspruch ergab, da beide Ansprüche gleich verjährten.

Die Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt mit Entstehung des Anspruchs. Der BGH führte aus, dass der Erstattungsanspruch der Personengesellschaft bereits mit Erhebung der Kapitalertragsteuer bei der Kapitalgesellschaft entstand. Es kommt also nicht darauf an, ob und wann die Anrechnung im Rahmen der Veranlagung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG tatsächlich zu einer Anrechnung bzw. Einkommensteuererstattung beim Gesellschafter führt. Der BGH präzisierte hierbei auch sein Urteil aus dem Jahr 1995. Der damalige Gesell- schaftsvertrag enthielt ein Steuerent- nahmerecht für die „tatsächlich zu entrichtenden Steuern“. Hier sei der Erstattungsanspruch von vornherein auf den Teil der Kapitalertragsteuer begrenzt, der beim Gesellschafter zu einem Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt führe. Damit sei der Erstattungsanspruch hier erst entstanden, als auf Grundlage des Ein- kommensteuerbescheids feststand, dass die Gesellschafterin einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt hatte.

IV. Konsequenzen

Die Qualifikation der Kapitalertragsteuer als Entnahme durch die Gesellschafter der Personengesellschaft ist gesetzlich vorgegeben. Um unangenehme Überraschungen durch Rückforderungsansprüche für die Vergangenheit zu vermeiden, sollte der Gesellschaftsvertrag klar regeln, dass die Entnahme zulässig ist, auf welchem Gesellschafterkonto sie verbucht wird und ob sie auch insoweit ohne Nachschusspflicht zulässig ist, wie sie zu einem negativen Kontostand führt. Da ein Quellensteuerabzug international weithin üblich ist, sollte die Regelung nicht auf die deutsche Kapitalertragsteuer beschränkt bleiben, sondern allgemein für Quellensteuern gelten, die von Unternehmen, an denen die Gesellschaft beteiligt ist, abgeführt wurden und bei den Gesellschaftern auf die Einkommensteuer anrechenbar sind.