BFH, Urteil vom 09.02.2011, I R 19 / 10

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Verein,
dessen Hauptaufgabe nach seiner Satzung die Förderung der … Kultur … ist.
Dieser Zweck soll insbesondere durch Bildungsangebote, Diskussions- und
Kulturveranstaltungen sowie Informationsstände erfüllt werden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–)
erkannte den Kläger mit einer vorläufigen Bescheinigung vom … als gemeinnützig
an. Aufgrund von … lehnte das FA den Antrag des Klägers auf Anerkennung als
gemeinnützigen Zwecken dienende Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) für das Streitjahr 2003 ab und erließ
einen auf 0 EUR lautenden Körperschaftsteuerbescheid.

Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG)
Düsseldorf mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1287 veröffentlichtem
Urteil vom 9. Februar 2010 6 K 1908/07 K
ab. Es war der Auffassung, der Kläger betätige sich über die Verfolgung seiner
satzungsmäßigen Zwecke hinaus in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang
allgemeinpolitisch. Die Verfolgung politischer Ziele sei kein gemeinnütziger
Zweck. Eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr.
9 KStG 2002 scheide im Hinblick auf das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 der
Abgabenordnung (AO) zur Gänze aus.

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung
materiellen und formellen Rechts. Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben
und den Kläger unter Änderung des Bescheids vom 26. Oktober 2006 und der
Einspruchsentscheidung vom 25. April 2007 als gemeinnützigen Zwecken dienende
Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II. Die Revision ist unbegründet. Die Würdigung des FG, der
Kläger sei im Streitjahr nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 von der
Körperschaftsteuer befreit gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.

1. Nach dieser Vorschrift sind von der Körperschaftsteuer
befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der
Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer
tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen,
mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Voraussetzung für die Gewährung
der Steuervergünstigung ist, dass sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft
oder der sonstigen Verfassung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt,
dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er
ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird (§ 59 AO). Die tatsächliche
Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare
Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen
entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen
enthält (§ 63 Abs. 1 AO).

2. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger nach
seiner Satzung … einen gemeinnützigen Zweck verfolgt (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
i.V.m. Abs. 1 AO). Es hat aber ebenso zu Recht angenommen, dass die
Steuervergünstigung deshalb zu versagen ist, weil die tatsächliche
Geschäftsführung (§ 63 Abs. 1 AO) des Klägers im Streitjahr nicht nur auf die
ausschließliche und unmittelbare Erfüllung seines satzungsmäßigen Zwecks
gerichtet war, sondern dass er entgegen § 56 AO daneben auch
allgemeinpolitische Ziele verfolgt hat.

a) Das FG hat dies damit begründet, dass der Kläger in
seiner Selbstdarstellung im Internet politische Forderungen gestellt und
politische Meinungen geäußert habe, die über die Verfolgung seines
satzungsmäßigen Zwecks weit hinausgingen. (…). Der Kläger erhebe damit den
Anspruch, umfassend zu allgemeinpolitischen Themen und Fragen Stellung zu
nehmen. Vor diesem Hintergrund erweise sich auch der Aufruf zur Wahl einer
bestimmten Partei bei der Bundestagswahl 2005, der für sich gesehen noch nicht
als gemeinnützigkeitsschädlicher Verstoß gegen das in der Satzung verankerte
Gebot der parteipolitischen Neutralität zu werten sei, als Ausdruck des
politischen Selbstverständnisses des Klägers und konsequente Umsetzung seiner
umfassenden politischen Zielvorstellungen.

b) Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Nach der Senatsrechtsprechung (Urteile vom 29. August
1984 I R 203/81, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844; vom 23. November 1988 I R
11/88, BFHE 155, 461, BStBl II 1989, 391) fördert eine Körperschaft auch dann
ausschließlich ihren gemeinnützigen Satzungszweck, wenn sie gelegentlich zu
tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt, sofern
die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder
wird, sondern der Vermittlung der Ziele der Körperschaft dient. Denn häufig ist
die begünstigte Tätigkeit zwangsläufig mit einer gewissen politischen
Zielsetzung verbunden. Die vom FG angeführten politischen Forderungen haben
aber mit dem satzungsmäßigen Ziel des Klägers der Förderung … der Kultur …
nichts zu tun. Sie dienen nicht der Vermittlung der satzungsmäßigen Ziele des
Klägers; mit ihnen wird vielmehr neben dem satzungsmäßigen Zweck … ein weiterer
eigenständiger Zweck verfolgt. Ob die vom Kläger verfolgten politischen Ziele
als gemeinnützig i.S. des § 52 AO anerkannt werden könnten, bedarf im
Streitfall keiner Entscheidung. Da der Kläger diese Ziele nicht in seine
Satzung aufgenommen hat, scheitert die Steuerbefreiung im Streitjahr bereits
daran, dass seine tatsächliche Geschäftsführung entgegen §§ 56 AO, 63 Abs. 1 AO
nicht ausschließlich auf die Erfüllung seiner satzungsmäßigen Zwecke gerichtet
war.

bb) Das FG durfte bei seiner Prüfung, ob die tatsächliche
Geschäftsführung des Klägers ausschließlich auf die Verwirklichung
satzungsmäßiger Ziele gerichtet war (§ 56 AO), die Selbstdarstellung des
Klägers auf seiner Internetseite heranziehen. Es durfte aus den dort
befindlichen Äußerungen die Schlussfolgerung ziehen, dass der Kläger neben
seinen satzungsmäßigen Zwecken … auch weitere allgemeinpolitische Ziele
tatsächlich verfolgt. Es mag zwar sein, dass die Selbstdarstellung des Klägers
im Internet nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Nachdem
das FG im Erörterungstermin vom 12. Januar 2010 aber den Hinweis gegeben hatte,
es sei nicht fernliegend, den Kläger als politischen Verein zu werten, der
vorrangig politische Zwecke verfolge, die bereits dem Grunde nach nicht
gemeinnützig seien, musste der Kläger damit rechnen, dass auch seine
Selbstdarstellung auf seiner Internetseite oder in anderen Medien zur Prüfung
der Frage, ob er auch allgemeinpolitische Ziele verfolge, herangezogen werden
würde.

cc) Aus dem Vortrag des Klägers, das FG habe nicht
aufgeklärt (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), ob die
Selbstdarstellung des Klägers tatsächlich mit Billigung seines Vorstandes ins
Internet gelangt sei oder ob es sich hierbei um eine nicht autorisierte
Meinungsäußerung eines einzelnen Vereinsmitglieds handle, folgt nichts
Gegenteiliges. Wenn die Selbstdarstellung im Internet nicht vom Kläger stammen
sollte, wäre es Sache des Klägers gewesen, dies spätestens im
Revisionsverfahren klar zu erklären und darzutun, welche Person dies war und
welche Maßnahmen er zwischenzeitlich ergriffen hat, um ein solches Vorgehen zu
unterbinden. Er stellt aber nur die Möglichkeit dar, dass es sich so verhalten
haben könnte, obwohl es sich um einen Umstand handelt, den er –da seinem
Wissensbereich zugehörig– eindeutig beantworten kann.

dd) Die weitere Rüge des Klägers, das FG habe nicht
aufgeklärt, durch welche Maßnahmen er im Einzelnen seinen satzungsmäßigen Zweck
verwirklicht habe und ob den politischen Äußerungen in seiner Selbstdarstellung
demgegenüber überhaupt ein erhebliches Gewicht zukomme, ist nicht schlüssig
erhoben. Denn der Kläger legt nicht dar, weswegen er nicht von sich aus im
Klageverfahren hierzu vorgetragen hat. Er selbst weiß am besten, welche
Aktivitäten er im Streitjahr entfaltet hat. Anlass hierzu hätte schon deshalb
bestanden, weil die Frage, ob die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers
seinem satzungsmäßigen Zweck entsprochen hat oder ob er daneben weitere Ziele
verfolgt hat, einziger Streitpunkt des Klageverfahrens war. Insbesondere der
Hinweis des FG im Erörterungstermin, der Kläger sei möglicherweise als
politischer Verein zu werten, der vorrangig politische Zwecke verfolge, hätte
den Kläger anspornen müssen darzutun, in welcher Weise und durch welche
konkreten Maßnahmen er im streitigen Zeitraum seine satzungsmäßigen Zwecke
verfolgt hat.

Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe überhaupt keine
Feststellungen hinsichtlich seiner tatsächlichen Geschäftsführung getroffen,
übersieht er, dass bereits die Darstellung und die Werbung für seine
politischen Ziele im Internet zur tatsächlichen Geschäftsführung rechnen.
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