Beiträge

Willenserklärung

Sittenwidriges Rechtsgeschäft

Nichtigkeit eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots trotz gesellschaftsvertraglicher Befreiungsmöglichkeit

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Rechtsanwalt

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit eines GmbH- Gesellschafters, der durch ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot bewirkt wird, das in gegenständlicher Hinsicht über die schützenswerten Interessen der Gesellschaft hinausgeht und den verpflichteten Gesellschafter übermäßig beschränkt, kann nicht durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung gerechtfertigt werden, wonach durch Gesellschafterbeschluss Befreiung von dem Wettbewerbsverbot erteilt werden kann.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Familienunternehmen verfügen häufig über ein spezielles Know-how, das es ihnen ermöglicht, in bestimmten Nischen erfolgreich zu agieren. Der Schutz dieses Know-hows hat für Familienunternehmen erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Ein wichtiges Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, stellen gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote für Gesellschafter und Geschäftsführer dar. Vor diesem Hintergrund verdient die Entscheidung des OLG München Beachtung. Das OLG München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot, das in gegenständlicher Hinsicht über die schützenswerten Interessen der Gesellschaft hinausgeht, dadurch Wirksamkeit erlangen kann, dass im Gesellschaftsvertrag eine Regelung vorhanden ist, wonach die Gesellschafter Befreiung von dem Wettbewerbsverbot erteilen können.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der Entscheidung des OLG München lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die klagende GmbH macht gegen einen ihrer Minderheitsgesellschafter einen Vertragsstrafenanspruch gemäß den gesellschaftsvertraglichen Regelungen wegen des Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot durch Entwicklung und Vertrieb eines Konkurrenzprodukts geltend. Das im Gesellschaftsvertrag geregelte Wettbewerbsverbot hat folgenden wesentlichen Inhalt:

„[…] dementsprechend ist es den Gesellschaftern […] nicht gestattet, unmittelbar oder mittelbar, in eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung, selbstständig oder unselbstständig in einem Betrieb tätig zu sein, der dem Betrieb einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft der Gesellschaft gleichartig ist oder mit ihm im Wettbewerb steht oder stehen könnte oder im wesentlichen Umfang Geschäftsbeziehungen mit einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft unterhält. Wesentlich i.d.S. sind Geschäftsbeziehungen mit Leistungsvergütungen im Wert von mindestens 10.000,- p.a.. Unzulässig ist insoweit auch eine freiberufliche oder beratende Tätigkeit […].

Das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot enthält sodann noch eine Regelung für den räumlichen Anwendungsbereich (geografische Begrenzung) und die angesprochene Vertragsstrafenklausel.

Der Gesellschaftsvertrag weist schließlich folgende Regelung auf:

„Durch Gesellschafterbeschluss kann Befreiung von dem vorstehenden Wettbewerbsverbot erteilt werden.“

Das OLG München führt in seinen Entscheidungsgründen zutreffend aus, dass gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote vom Grundsatz zulässig sind, sich aber hinsichtlich ihrer Wirksamkeit an den von § 1 GWB und von Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgegebenen Grenzen messen lassen müssen. Ferner sind Wettbewerbsverbote am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu prüfen, da sie regelmäßig die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit tangieren. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt BGH, GmbHR 2010, 256) ist ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot nur zulässig, wenn es nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen der begünstigten Gesellschaft hinausgeht und den verpflichteten Gesellschafter nicht übermäßig beschränkt. Hierzu ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls anzustellen.

Im vorliegenden Fall hatte das OLG München die Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots angenommen, weil es in gegenständlicher Hinsicht über die schützenswerten Interessen der GmbH hinausgeht und den Gesellschafter übermäßig beschränkt, da ihm jegliche unmittelbare oder mittelbare Tätigkeit in einem Betrieb untersagt ist, der dem Betrieb einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft der GmbH gleichartig ist oder mit ihm im Wettbewerb steht „oder stehen könnte“. Entscheidend war dabei für das OLG München, dass sich das Wettbewerbsverbot auch auf Tätigkeiten in Unternehmen erstreckt, die potentiell mit der Gesellschaft im Wettbewerb stehen könnten.

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BGH, dass bei einem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot hohe Sorgfalt bei der Formulierung des räumlichen und gegenständlichen, aber auch zeitlichen Anwendungsbereichs verwendet werden muss. Der zeitliche Anwendungsbereich war im vorliegenden Fall nicht kritisch, da kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Gesellschaftsvertrag enthalten war. Insofern sollte eine zeitliche Erstreckung des Wettbewerbsverbots auf einen Zeitraum von mehr als zwei bis drei Jahren nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters nicht in Erwägung gezogen werden. Bei der Ausgestaltung des räumlichen und gegenständlichen Anwendungsbereichs ist stets darauf zu achten, dass ein Wettbewerbsverbot nur gerechtfertigt ist, um zu verhindern, dass die Gesellschaft durch einen Gesellschafter von innen her ausgehöhlt und ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird (vgl. dazu BGH, GmbHR 2010, 256). Zu berücksichtigen sind ferner die Besonderheiten des Einzelfalls, also beispielsweise, ob es sich bei dem von dem Wettbewerbsverbot betroffenen Gesellschafter um einen Mehrheitsgesellschafter handelt, der die Möglichkeit hat, strategischen Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, oder ob er auch als Geschäftsführer der Gesellschaft fungiert. Beides war im vorliegenden Fall nicht gegeben, was das OLG München zugunsten des von der Vertragsstrafe betroffenen Gesellschafters gewürdigt hatte.

Die sorgfältige Formulierung des gegenständlichen Anwendungsbereichs eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots hat auch vor folgendem Hintergrund hohe Relevanz: So ist ein Wettbewerbsverbot, das in gegenständlicher Hinsicht unzulässig ist, stets nichtig, ohne Rücksicht darauf, ob im Außenverhältnis tatsächlich eine Wettbewerbsbeschränkung spürbar ist (vgl. hierzu BGH, NZG 2010, 76, BGH, NJW 2009, 1751). Zudem kommt eine sog. geltungserhaltende Reduktion, also eine Zurückführung des Wettbewerbsverbots auf den zulässigen Umfang, bei einem Verstoß gegen die gegenständlichen Grenzen nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht in Betracht. Etwas anderes gilt, wenn das Wettbewerbsverbot lediglich das zeitlich zulässige Maß überschreitet.

Das OLOG München hat schließlich festgestellt, dass eine gesellschaftsvertragliche Regelung, wonach einem Gesellschafter von dem Wettbewerbsverbot durch Gesellschafterbeschluss Befreiung erteilt werden kann, nicht genügt, um eine Überschreitung des gegenständlichen Anwendungsbereichs des Wettbewerbsverbots zu rechtfertigen. Wird das Verlangen eines Gesellschafters, im konkreten Einzelfall Befreiung von dem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot erteilt zu bekommen, durch Gesellschafterbeschluss aus sachwidrigen Gründen zurückgewiesen, hätte der hiervon betroffene Gesellschafter zwar die Möglichkeit, den Gesellschafterbeschluss anzufechten, bis zum rechtskräftigen Ausgang des Gerichtsverfahrens bliebe er aber von dem Wettbewerbsverbot und insbesondere der Vertragsstrafenklausel betroffen. Eine solche Befreiungsregelung im Gesellschaftsvertrag ist deswegen nach Ansicht des OLG München nicht geeignet, einen unzulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Befreiungsklausel im Gesellschaftsvertrag sachliche Kriterien enthält, bei deren Vorliegen jedem Gesellschafter ein Anspruch auf Befreiung von dem Wettbewerbsverbot zusteht. Kriterium hierfür kann beispielsweise die tatsächliche wesentliche Beeinträchtigung des in Rede stehenden Verhaltens eines Gesellschafters für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens sein.

Das OLG München hat die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist derzeit beim BGH anhängig.