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Versorgungsausgleich

Keine Umgehung des gesetzlichen Verbots auf Trennungsunterhalt

Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Beschluss des BGH befasst sich mit der Wirksamkeit des vollständigen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs bei einer Alleinverdienerehe in einem (bevorstehenden) Scheidungsverfahren. Die Beteiligten hatten nach der Eheschließung unter dem Eindruck einer Ehekrise einen notariellen Vertrag (sog. Krisen-Ehevertrag) geschlossen, in dem sie gegenseitig auf den Ausgleich des Zugewinns sowie vollständig auf Unterhalt und Versorgungsausgleich verzichteten.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

  1. Der BGH kommt hier zum Ergebnis, dass der Verzicht auf Versorgungsausgleich, Unterhalt und Zugewinnausgleich sowohl für sich genommen als auch im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht zu einer sittenwidrigen Benachteiligung des verzichtenden Ehegatten gemäß 138 Abs. 1 BGB geführt haben. Nach ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung unterliegen die Regelungen zu den Scheidungsfolgen zwar grundsätzlich der Disposition der Ehegatten, gleichwohl darf diese Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen beliebig unterlaufen werden kann.
  1. Der Versorgungsausgleich steht als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Disposition nur begrenzt Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist schon für sich genommen sittenwidrig und damit unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte auf Grund des schon bei Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Der BGH kommt hier zu dem Ergebnis, dass der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs wirksam ist, da die durch den Ausschluss benachteiligte Ehefrau ausreichende Kompensationsleistungen erhalten habe. Entscheidend hierfür ist, ob die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für den belasteten Ehegatten durch die ihm versprochenen Gegenleistungen ausreichend abgemildert werden. Die von dem begünstigten Ehegatten vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen müssten zwar zu einem angemessenen, aber nicht notwendig zu einem gleichwertigen Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich führen. Eine sog. Halbteilungskontrolle wie sie beim gerichtlich durchzuführenden Versorgungsausgleich vorgesehen ist (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) findet bei der Inhaltskontrolle von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich mithin nicht statt. Unzureichend seien die Kompensationsleistungen allenfalls dann, wenn sie nicht annähernd geeignet sind, die aufgrund des geplanten Zuschnitts der Ehe sicher vorhersehbaren oder die bereits entstandenen ehebedingten Vermögensnachteile des verzichtenden Ehegatten zu kompensieren. Eine derartige Ungeeignetheit der vereinbarten Kompensationsleistungen wurden von der Ehefrau nicht vorgetragen und konnte das Gericht hier auch nicht feststellen.
  1. Ein vereinbarter Verzicht auf den Zugewinnausgleich unterliegt keinen Wirksamkeitsbedenken am Maßstab des § 138 BGB, da dieser nach ständiger und vorliegend wieder bestätigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vom Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts umfasst wird. Im vorliegenden Fall war der Verzicht schon deshalb rechtlich unbedenklich, weil dieser nicht kompensationslos erfolgte.
  1. Schließlich bestanden auch keine Wirksamkeitsbedenken gegen den vollständigen Verzicht auf nachehelichen Der dem Kernbereich zuzurechnende Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB war nicht betroffen, weil der gemeinsame Sohn der Beteiligten bereits 17 Jahre alt und mit weiteren Kindern nicht mehr zu rechnen war. Eine Sittenwidrigkeit lag hier nicht vor, da aufgrund des eigenen, aus Erbschaften herrührenden Vermögens der Ehefrau und der ihr vom Ehemann im Ehevertrag zugesagten Kompensationsleistungen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden konnte, dass die Ehefrau später im Falle von Alter oder Krankheit in eine finanzielle Notlage geraten würde. Ein Ausschluss des Unterhalts wegen Erwerbslosigkeit begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, weil dieser grundsätzlich nachrangig ist und nur ganz ausnahmsweise in den Fokus richterlicher Wirksamkeitskontrolle rücken kann, wenn dem belasteten Ehegatten aufgrund des beabsichtigten bzw. gelebten Ehemodells ehebedingte Nachteile im beruflichen Fortkommen entstehen.
  1. Auf zweiter Stufe ist im Rahmen der Inhaltskontrolle zu prüfen, ob trotz Wirksamkeit der einzelnen Vertragsregelungen die Gesamtbetrachtung des Vertrages sich als sittenwidrig erweist, weil das Zusammenwirken aller Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung des Ehegatten abzielt. Auf die insoweit verlangte verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist zu schließen, falls ein unausgewogener Vertragsinhalt auf eine einseitige Dominanz hinweist und die Vertragsparität gestört Eine subjektive Störung der Vertragsparität hat der BGH hier mit der Begründung verneint, da die Vereinbarung unter anwaltlichem Beistand auf beiden Seiten nach langen Verhandlungen und genügender Überlegungszeit im Hinblick auf eine bereits bestehende Ehekrise abgeschlossen wurde.
  2. Schließlich ist im Rahmen der Ausübungskontrolle zu untersuchen, ob es dem Begünstigten nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die ihn begünstigenden Regelungen zu berufen, weil sich aus dem vereinbarten Ausschluss eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen Lebensplanung grundlegend abweicht. Hierzu gab der Sachverhalt keinen Anlass.
  1. Der BGH bestätigt im Wesentlichen die von ihm in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Zu beachten ist, dass bei im Hinblick auf eine bevorstehende Scheidung abgeschlossenen familienrechtlichen Verträgen eher damit gerechnet werden muss, dass die belastenden Vertragsbestimmungen in absehbarer Zeit zum Tragen kommen können. Sie haben somit eine höhere Bestandskraft als vor der Ehe abgeschlossene Eheverträge. In jedem Fall sollten bei Totalverzichten, sofern sie den Kernbereich betreffen, im Ehevertrag immer ausreichende Kompensationsleistungen vereinbart Obwohl der BGH die geleisteten Kompensationsleistungen in seiner Entscheidung jeweils bei allen Scheidungsfolgenansprüchen aufgeführt hat, sollten bei der Ehevertragsgestaltung wie bisher auch –, die Kompensationsleistungen konkret einzelnen Verzichten zugeordnet werden. Bestätigt hat der BGH schließlich auch, dass durch eigene anwaltliche Vertretung des „benachteiligten“ Ehegatten das Indiz der Imparität, das sich aus dem objektiven Vertragsinhalt ergibt, widerlegt werden kann.