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Einkommensteuergesetz

Teilentgeltlichkeit bei Erwerb durch Vermächtnis

Prof. Dr. Rainer Lorz, LL.M, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Erwerb von Vermögen aufgrund eines erbrechtlichen Vermächtnisses ist zwar regelmäßig ein unentgeltlicher Vorgang. Anders ist dies jedoch in der Gestaltungsvariante des sog. Kaufrechtsvermächtnisses. Hierbei wird dem Vermächtnisnehmer das Recht eingeräumt, einen bestimmten Gegenstand des Nachlasse zu einem bestimmten Kaufpreis zu erwerben. Konkret wird ihm also ein Übernahmerecht eingeräumt. Bereits in einer älteren Entscheidung hatte der BFH festgestellt, dass ein solches Kaufrechtsvermächtnis zu einem ertragsteuerlich in vollem Umfang entgeltlichen Vorgang führt, wenn für den Erwerb des vermachten Gegenstands eine Gegenleistung zu erbringen ist, die dem Wert des betreffenden Gegenstands entspricht (vgl. BFH vom 13.11.2002, ZEV 2003, 255 m. Anm. Buciek). Nunmehr hat der IX. Senat des BFH entschieden, dass ein Kaufrechtsvermächtnis auch zu einem teilentgeltlichen Vorgang führen kann, wenn der bei Übernahme zu zahlende Kaufpreis den Wert des übernommenen Wirtschaftsguts nicht ausgleicht. In diesem Fall ist der Erwerbsvorgang also in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

In dem vom BFH zu entscheidenden Fall hatte die Mutter ihre zwei Töchter jeweils zur Hälfte als Erbinnen eingesetzt und der späteren Klägerin zugleich das Recht eingeräumt, den gesamten Grundbesitz (Grundstück mit Wohnhaus und Landwirtschaftsflächen) zu übernehmen. Hierfür sollte sie an ihre Schwester 25 % des auf den Tod der Erblasserin festzustellenden Verkehrswerts des Grundbesitzes bezahlen. Nachdem die Klägerin das Übernahmerecht ausgeübt und ihrer Schwester den Betrag von 59.700,– ` (= 25 % des geschätzten Verkehrswerts von 238.800,– `) für den Grundbesitz bezahlt hatte, veräußerte sie diesen ein Jahr später zu einem Preis von 240.000,– `. Dies führte insoweit zu einer steuerpflichtigen Veräußerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, als die Klägerin das Grundstück entgeltlich erworben hatte. Hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Anteils war ihr hingegen die Besitzzeit der Rechtsvorgängerin zuzurechnen, sodass der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäfts nicht erfüllt war (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). Problematisch war nun die Ermittlung der Höhe des Veräußerungsgewinns. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin die nicht auf ihren eigenen Erbanteil entfallende Grundstückshälfte entgeltlich von ihrer Schwester erworben hatte und ermittelte den zu besteuernden Gewinn in der Weise, dass es vom erzielten Grundstücksveräußerungspreis 120.000,– ` der Grundstückhälfte der Schwester zurechnete und hiervon die Anschaffungskosten von 59.700,– ` abzog.

Diese Sichtweise, der auch das Finanz- amt Baden-Württemberg als Vorinstanz gefolgt war, wurde vom BFH verworfen. Das Gericht stufte das testamentarisch angeordnete Übernahmerecht zutreffend als Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) ein, aufgrund dessen die Klägerin eine Forderung gegen die Erbengemeinschaft auf Übertragung des Grundstücks gegen Zahlung des von der Erblasserin festgelegten Preises erwarb. Da der Wert der Zuwendung nicht voll auszugleichen war, handelte es sich nach dem BFH um ein teilentgeltliches Erwerbsgeschäft, das in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen war. Nur im Verhältnis des nach dem Testament bestimmten Kaufpreises zum Verkehrswert des Grundstücks, also in Höhe von einem Viertel, war vorliegend ein entgeltlicher Erwerb gegeben, während der Erwerb des restlichen Teils des Grundbesitzes unentgeltlich erfolgte. Damit war den Anschaffungskosten von 59.700,– ` ein anteiliger Veräußerungspreis von 60.000,– ` gegenzustellen, so dass sich unter Berücksichtigung der geltend gemachten Veräußerungskosten kein Gewinn nach § 23 Abs. 3 EStG ergab.

Das Urteil schafft weitere Rechtssicher- heit zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kaufrechtsvermächtnissen (zur erbschaftsteuerlichen Behandlung vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rdnr. 181). Aus Sicht der mit dem Kaufrechtsvermächtnis beschwerten Erben ist zu beachten, dass die Vermächtniserfüllung einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn auslösen kann. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn ein solches Vermächtnis Betriebsvermögen betrifft oder Immobilien zu übertragen sind, für die die Zehn-Jahres-Frist des § 23 EStG noch nicht abgelaufen ist. Finden die Rechtsgrundsätze des teilentgeltlichen Erwerbs hier Anwendung, weil der zu bezahlende Kaufpreis den Wert der zu übernehmenden Wirtschaftsgüter nicht ausgleicht, können diesem Kaufpreis auch nur die anteiligen Anschaffungskosten bzw. die anteiligen Buchwerte gegenüber gestellt werden.