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Steuerrecht

Bundesverfassungsgericht:

Anteiliger Untergang des steuerlichen Verlustvortrags einer verlustbehafteten Kapitalgesellschaft ist verfassungswidrig nach §8c Abs. 1 Satz 1 KStG

Andrea Seemann, Steuerberaterin, Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz

Die Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG, wonach bei einer Übertragung von mehr als 25 % bis zu 50 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft die Verlustvorträge dieser Gesellschaft anteilig untergehen, ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies gilt für die Fassung des § 8c KStG für den Veranlagungszeitraum 2008 bis 2015. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2018 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 den Verlustabzug für Kapitalgesellschaften bei einer Anteilsübertragung von mehr als 25 % bis zu 50 % neu zu regeln.

      I.        Tenor

  1. § 8c S. 1 KStG idF des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 14.8.2007 (BGBl. I 2007, 1912) sowie § 8c Abs. 1 S. 1 KStG idF des Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen v. 12.8.2008 (BGBl. I 2008, 1672) und in den nachfolgenden Fassungen bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften v. 20.12.2016 (BGBl. I 2016, 2998) sind mit Art. 3 Abs. 1 des GG unvereinbar, soweit bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber (schädlicher Beteiligungserwerb) die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind.
  2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2018 rückwirkend zum 1.1.2008 eine Neuregelung zu treffen.
  3. Sollte der Gesetzgeber seiner Verpflichtung nicht nachkommen, tritt am 1.1.2019 im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens die Nichtigkeit von § 8c S. 1 und § 8c Abs. 1 S. 1 KStG ein.

    II.        Sachverhalt

Die Klägerin war eine im Jahr 2006 gegründete Kapitalgesellschaft, an der die zwei Gründungsgesellschafter mit 52 % und 48 % beteiligt waren. Im Veranlagungszeitraum 2006 und 2007 erwirtschaftete die Klägerin Verluste. Zu Beginn des Jahres 2008 übertrug ein Gesellschafter seinen Anteil von 48 % an einen Dritten. Das Finanzamt kürzte daraufhin den Verlustvortrag um den prozentual auf diesen Gesellschafter entfallenden Anteil von 48 %. Im Klageverfahren beim Finanzgericht Hamburg berief sich die Klägerin auf die Verfassungswidrigkeit des § 8c KStG. Das Finanzgericht Hamburg setzte daraufhin das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungswidrigkeit zur Entscheidung vor.

   III.        Entscheidungsgründe

Das Bundesverfassungsgericht sieht durch die Regelung des § 8c KStG für die Übertragung von Anteilen von mehr als 25 % bis 50 % eine Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften beim Verlustabzug, die dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG widerspricht. Für eine verfassungsrechtlich zulässige Differenzierung müsse ein vernünftiger und sachgerechter Grund vorliegen. Der Gesetzgeber darf zwar bei der Ausgestaltung auch generalisierende und typisierende Regelungen treffen, ohne dass allein durch diese und die damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen wird. Allerdings müssen diese Verallgemeinerungen von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Auch ist die Bekämpfung von unerwünschten Steuergestaltungen, insbesondere des Handels mit vortragsfähigen Verlusten, ein legitimer Zweck, der grundsätzlich Ungleichbehandlungen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen kann. Allerdings hat der Gesetzgeber vorliegend die Grenzen zulässiger Typisierung überschritten, da die Rechtsfolge allein an die Übertragung eines Anteils von mehr als 25 % anknüpft. Der Erwerb einer solchen Beteiligung von mehr als 25 % allein indiziert nicht eine missbräuchliche Gestaltung, weil es für die Übertragung einer derartigen Beteiligung an einer Verlustgesellschaft vielfältige Gründe geben kann, die nicht regelmäßig in der Intention bestehen, die Verluste für ein anderes Unternehmen des neuen Anteilseigners nutzbar zu machen. Damit ist die Regelung des § 8c KStG – zumindest bis zur Einführung der Regelung des fortführungsgebundenen Verlusts gemäß § 8d KStG im Jahr 2016 – für den Fall der Übertragung von mehr als 25 % bis 50 % der Anteile verfassungswidrig.

  IV.        Praktische Bedeutung

Durch die Regelung des § 8c KStG wird bei verlustbehafteten Kapitalgesellschaften der Verlustvortrag bereits dann gefährdet, wenn eine Veränderung auf Anteilseignerebene stattfindet. Damit wirken sich Übertragungsvorgänge – selbst Schenkungen oder Übertragungen von Todes wegen – auf Gesellschafterebene auf die Besteuerung der Kapitalgesellschaft aus. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft dabei verändert wird und die Änderung auf Gesellschafterebene auch zu einer anderen Nutzung des Verlustvortrags durch eine Anpassung des Geschäftsbetriebs führt. Das Bundesverfassungsgericht hat nun für die Jahre 2008 bis 2015 im Falle einer nicht mehrheitlichen Übertragung von Anteilen entschieden, dass § 8c KStG verfassungswidrig ist, und dem Gesetzgeber die Schaffung einer neuen Regelung auferlegt. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob das Gesetz auch in der derzeitigen Fassung unter Berücksichtigung des im Jahr 2016 eingeführten fortführungsgebundenen Verlusts gemäß § 8d KStG verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht musste hierüber nicht entscheiden und hat dies ausdrücklich offengelassen. Es ist aber zumindest als zweifelhaft anzusehen, dass die Einführung des § 8d KStG die Verfassungswidrigkeit der Regelung heilt. Denn eine Fortführung des Verlustvortrages gemäß § 8d KStG kann nur auf Antrag und bei Fortführung des bisherigen Geschäftsbetriebs erfolgen. Beispielsweise sind der Erwerb eines Mitunternehmeranteils oder die Begründung einer Organschaft mit einer Tochtergesellschaft hierfür schon schädlich. Der Antrag gemäß § 8d KStG kann zudem nur einheitlich für den gesamten Verlustvortrag gestellt werden, was bei einem lediglich anteiligen Untergang des Verlustvortrags gemäß § 8c KStG zu einer Gefährdung des gesamten Verlustvortrags führen würde. Auch die Frage, ob bei einer mehrheitlichen Übertragung der Anteile (vor 2016) eine Verfassungswidrigkeit besteht, ließ das Bundesverfassungsgericht offen. Diesbezüglich ist ein Verfahren beim BFH unter Az. I R 31/11 anhängig.

Steuerrecht, Körperschaftssteuer

Steuerliche Behandlung der Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Mezzanine-Kapital

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Rechtsanwalt

Problemstellung

Wesentliche Säule der Finanzierung von Familienunternehmen ist die sog. Innenfinanzierung, also die Finanzierung durch einbehaltene, versteuerte Unternehmensgewinne. Auch dem Bereich der Innenfinanzierung zuzurechnen sind Darlehen, die Gesellschafter in ihr Unternehmen hineingeben. Neben diesen Instrumenten der Innenfinanzierung nehmen nach wie vor die überwiegende Anzahl der Familienunternehmen Bankkredite als Instrumente der Fremdfinanzierung in Anspruch. Gerät das Familienunternehmen wirtschaftlich in die Krise wird von den Banken für die Aufrechterhaltung der Kreditlinien oder die Gewährung eines „Überbrückungskredites“ regelmäßig die Verbesserung der Eigenkapitalquote gefordert. In solchen Konstellationen ist es in der Praxis durchaus üblich, Gesellschafterdarlehen im Rahmen eines sog. Debt-Mezzanine-Swap in Mezzanine- Finanzierungsinstrumente, beispielsweise Genussrechte, umzuwandeln. Die Genussrechte werden dabei so ausgestaltet, dass sie handelsbilanziell Eigenkapital darstellen. Dies ist möglich, wenn die Genussrechte dauerhaft gewährt und mit Nachrang gegenüber sonstigen Gläubigern ausgestaltet werden, eine Verlustbeteiligung vorgesehen ist und die Verzinsung zumindest teilweise gewinnabhängig erfolgt. Dadurch werden die Bilanzrelationen verbessert, was eine höhere Bonität und damit günstigere Kreditkonditionen bzw. eine Erweiterung des Kreditfinanzierungsspielraums zur Folge hat. Entgegen der handelsbilanziellen Betrachtung ist steuerlich regelmäßig gewünscht, dass die Mezzanine- Finanzierungsinstrumente Fremdkapitalcharakter haben. Dabei liegen die Vorteile einer unterschiedlichen Behandlung in der Handels- und Steuerbilanz auf der Hand. So können Zinsaufwendungen, die an den Mezzanine-Finanzierungsgeber bezahlt werden, steuerlich als Betriebsaus- gaben abgezogen werden. Die Rückzahlung der entsprechenden Finanzierungsinstrumente stellt steuerlich keine Gewinnausschüttung dar, führt also nicht zu unerwünschten ertrag- steuerlichen Folgen beim Finanzierungsgeber. Last but not least kann die Umwandlung des Gesellschafterdarlehens in Mezzanine-Finanzierungsinstrumente ertragsteuerneutral vollzogen werden. Die steuerbilanzielle Qualifizierung als Fremdkapital wird in der Praxis mit Hinblick auf 8 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 KStG zumeist dadurch versucht zu erreichen, dass eine Beteiligung am Liquidationserlös und/oder an den stillen Reserven vertraglich ausgeschlossen wird. Diese in der Praxis gängige Handhabung ist nun von der Finanzverwaltung in Frage gestellt worden. Die OFD Rheinland vertritt die Auffassung, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 KStG nur Regelungen zur Einkommensermittlung beinhaltet und inhaltlich keine Aussage zur steuerbilanziellen Behandlung von Mezzaninen-Finanzierungsinstrumenten trifft. Nach Ansicht der OFD Rheinland zieht eine handelsbilanzielle Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital infolge des Maßgeblich- keitsprinzips steuerbilanziell ebenfalls eine Umqualifizierung in Eigenkapital nach sich. Folge dieser Auffassung der Finanzverwaltung ist, dass sämtliche vorgenannten Steuervorteile verloren gehen und durch die Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Mezzanine-Finanzierungsinstrumente steuerbilanziell kein erfolgsneutraler Passivtausch vorliegt. Eine solche Umwandlung führt vielmehr handels- und steuerbilanziell zu einem Ertrag. Soweit das umgewandelte Gesellschafterdarlehen nicht werthaltig ist sind entsprechende Ertragsteuern die Folge. In der Höhe, in der das Gesellschafterdarlehen werthaltig ist, führt die Umwandlung zu einer verdeckten Einlage des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen (vgl. BFH v. 09.06.1997 – GrS 1/94 – BStBl. II 1998, 307). Beim Gesellschafter führt dies zu einer nachträglichen Erhöhung der Anschaffungskosten seiner Beteiligung.

Abschließende Hinweise

Die Verfügung der OFD Rheinland ist soweit ersichtlich bundeseinheitlich noch nicht abgestimmt. Es muss also zunächst abgewartet werden, ob die Finanzverwaltung insgesamt auch in anderen Bundesländern diese Linie vertreten wird. In der Praxis ist Vorsicht anzuraten. Das gängige Instrument der Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital zur Stärkung der Eigenkapitalquote kann in Sanierungssituationen derzeit nicht ohne erhebliche Steuerrisiken eingesetzt werden.

Steuerrecht

Beschluss des BFH zu der rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei Ausschüttungen des Vermögens der Körperschaft an ihre steuerpflichtigen Gesellschafter

Andrea Seemann, Steuerberaterin

Ist die tatsächliche Geschäftsführungeinergemeinnützigen GmbH nicht während des gesamten Besteuerungszeitraums auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet, führt dies grundsätzlich nur zu einer Versagung der Steuerbefreiung für diesen Besteuerungszeitraum. Schüttet eine gemeinnützige GmbH jedoch die aus der gemeinnützgen Tätigkeit erzielten Gewinne überwiegend verdeckt an ihre steuerpflichtigen Gesellschafter aus, liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1–3 AO vor, der die Anwendung des 61 Abs. 3 AO ermöglicht.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Anerkennung einer Körperschaft als gemeinnützige Organisation setzt u.a. voraus, dass die Mittel der Körperschaft nur für die in der Satzung festgelegten gemeinnützigen Zwecke verwendet werden. Demgemäß dürfen auch Gesellschafter einer gemeinnützigen GmbH keine Gewinnanteile oder bei ihrem Ausscheiden nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile erhalten. Die gemeinnützige Organisation darf auch keine Person durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen.

Es stellt sich daher die Frage, welche Folgen sich aus dem Verstoß gegen dieses Gebot der Selbstlosigkeit ergeben. In dem nachfolgend dargestellten Beschluss unterscheidet der BFH hinsichtlich der Folgen eines Verstoßes gegen das Gebot der Selbstlosigkeit zwischen einer nicht den Anforderungen der Gemeinnützigkeit entsprechenden Geschäftsführung einerseits und einem Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung andererseits. Während eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung grundsätzlich nur zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit für diesen Besteuerungszeitraum führt, wird bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkannt. Dies hat zur Folge, dass die Körperschaft für die letzten zehn Jahre ihre Steuerbefreiung verliert. Daneben kann es zu einer Haftung der Körperschaft und ihrer Organe für unzulässig erteilte Spendenbescheinigungen sowie für Spenden kommen, die nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken  verwendet wurden.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, die eine private Fachhochschule betreibt. Die Gesellschaft verfolgt nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Im Jahr 1998 veräußerten die Eheleute A und E ihre Geschäftsanteile an der Klägerin an eine ebenfalls gemeinnützige B-gGmbH zum Kaufpreis von 100.000,– DM. Noch vor der Veräußerung der Anteile an die Klägerin wurde der Geschäftsführervertrag der Klägerin mit dem A neugefasst und u.a. das Jahresgehalt von 120.000,– DM auf 240.000,–  DM erhöht. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der B-gGmbH (S) bestätigte auf dem Briefbogen der Klägerin, dass A ein Betrag von 1,2 Mio. DM geschuldet wird, mit dem sämtliche Zahlungen an A verrechnet werden sollen. Im selben Jahr kündigte A seinen Geschäftsführer- und Präsidentenvertrag mit der Klägerin fristlos. Er begründete dies damit, dass für die Anteile der Klägerin ein Kaufpreis von 1,3 Mio. DM vereinbart worden sei. Dieser Kaufpreis hätte über einen Fünfjahresvertrag als Geschäftsführer bzw. Präsident der Klägerin erbracht werden sollen. Nachdem S sich jedoch geweigert habe, den vereinbarten Kaufpreis über eine Darlehensregelung zu bezahlen, sei eine Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar. Die Klägerin und A einigten sich letztendlich, dass A im Rahmen der Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages eine Abfindung in Höhe von 1,08 Mio. DM erhalten sollte.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Klägerin die Gemeinnützigkeit wegen der schädlichen Mittelverwendung abzuerkennen sei, da abweichend vom notariellen Kaufvertrag zwischen den Eheleuten A und E einerseits und der B-gGmbH andererseits ein Kaufpreis in Höhe von 1.300.000,– DM vereinbart und aus den Mitteln der Klägern gezahlt worden sei.

Zusammenfassung des Beschlusses

Das gemeinnützigkeitsrechtlich gebundene Vermögen darf nicht an einen steuerpflichtigen Gesellschafter ausgekehrt werden. Wird der Anteil an einer gemeinnützigen GmbH veräußert, ist diese für einen steuerpflichtigen Erwerber nicht mehr wert als höchstens den Nominalwert der Anteile zzgl. des gemeinen Werts der vom bisherigen Gesellschafter geleisteten Sacheinlagen. Denn nur diese, nicht dagegen Gewinne, dürfen an den Gesellschafter ausgekehrt werden. Zahlt eine steuerbegünstigte Körperschaft für Anteile an einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft einem steuerpflichtigen Anteilseigner mehr als diese Beträge, liegt darin regelmäßig eine Mittelfehlverwendung i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO, da dem bisherigen Anteilseigner mehr als der Wert abgegolten wird, der den Anteilen bei Fortführung der steuerbegünstigten Zwecke zukommt. Gemeinnützigkeitsrechtliche Einschränkungen des § 55 Abs. 1 AO könnten ansonsten umgegangen werden, indem dem Gesellschafter mit seinem Ausscheiden über den Kaufpreis genau die Mittel der steuerbegünstigten Körperschaft zugewendet werden, die im Falle einer Ausschüttung wegen Verstoßes gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1–3 AO zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Körperschaft führen würden. Durch die verschleierten Kaufpreiszahlungen entsprach die tatsächliche Geschäftsführung nicht den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen gemäß § 63 Abs. 1 AO. Vielmehr lag ein Verstoß gegen die Vorschrift über die Mittelverwendung vor, der einer Änderung des Zwecks gleich kam und damit als Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung gewertet wurde. Die Gemeinnützigkeit der Gesellschaft wurde deshalb rückwirkend gemäß § 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO aberkannt. In diesem Fall können die Steuerbescheide für die Steuern, die innerhalb der letzten 10 Kalenderjahre vor der Änderung der Bestimmung über die Vermögensbindung entstanden sind, erlassen, aufgehoben oder geändert werden. Die Steuern müssen also bis zu 10 Jahre nachentrichtet werden. Der BFH-Beschluss bestätigt die bereits bislang teilweise von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, wonach „Abfindungen“ (verschleierte Kaufpreiszahlungen) an steuerpflichtige Anteilseigner aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht immer unzulässig sind und zur Nachverteuerung führen. Denn das im Rahmen der Gemeinnützigkeit gebildete Vermögen unterliegt für „immer und ewig“ dem Gebot der Mittelverwendung nach § 55 AO.