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Steuerrecht

Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Ausgliederung von Sonderbetriebsvermögen

Andrea Seemann, Steuerberaterin

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG in seiner seit dem Veranlagungszeitraum 2001 gültigen Fassung scheidet die Aufdeckung der stillen Reserven im unentgeltlich übertragenen Mitunternehmeranteil auch dann aus, wenn ein funktional wesentliches Betriebsgrundstück des Sonderbetriebsvermögens vorher bzw. zeitgleich zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG übertragen worden ist.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Übertragung eines Anteils an einer gewerblichen Personengesellschaft (Mitunternehmeranteil) stellt grundsätzlich eine Betriebsaufgabe gemäß § 16 EStG dar und führt zur Aufdeckung der stillen Reserven. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Rahmen einer entgeltlichen, sondern auch bei unentgeltlichen Übertragungen. Nur wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG erfüllt werden, erfolgt bei einer unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils (zwingend) eine Fortführung der steuerlichen Buchwerte.

Gehört zum Mitunternehmeranteil sog. Sonderbetriebsvermögen (z.B. ein im Eigentum des Gesellschafters befindliches Grundstück, das an die Gesellschaft vermietet wird), ist nach der Auffassung der Finanzverwaltung bei einer Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils auch dieses Sonderbetriebsvermögen, sofern es funktional wesentlich ist, auf den Erwerber zu übertragen. Die Finanzverwaltung vertritt insbesondere die Auffassung, dass es die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG hinsichtlich der Übertragung des Mitunternehmeranteils hindert, wenn funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten oder zuvor oder gleichzeitig in ein anderes Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG unter Fortführung der steuerlichen Buchwerte übertragen wird. Nach dem Urteil des BFH soll hingegen weder eine im Vorfeld stattfindende noch eine gleichzeitige Überführung von Sonderbetriebsvermögen gemäß § 6 Abs. 5 EStG schädlich sein. Diese Rechtsauffassung eröffnet für den Steuerpflichtigen einen weitaus größeren Gestaltungsspielraum, insbesondere im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge.

Zum Sachverhalt

An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, ist F als alleiniger Kommanditist sowie 100 %-iger Gesellschafter- Geschäftsführer der Komplementär- GmbH beteiligt. Als Alleineigentümer hielt er zudem ein an den Betrieb verpachtetes Grundstück (Tankstelle und Verwaltungsgebäude). Mit Wirkung zum 01.10.2002 übertrug F im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Zurückbehaltung des Grundstücks seinen gesamten Kommanditanteil unentgeltlich auf seine Tochter Z, die allerdings 20 % des Anteils fortan treuhänderisch für F halten sollte. Zudem übertrug F ebenfalls mit Wirkung zum 01.10.2002 100 % der Beteiligung an der Komplementär-GmbH  unentgeltlich auf Z. Das zurückbehaltene Grundstück übertrug F am 19.12.2002 unter Fortführung der steuerlichen Buchwerte auf die von ihm neu gegründete I-KG, die den Pachtvertrag mit der Klägerin fortsetzte. Alleiniger Kommanditist der I-KG ist F. Ebenfalls am 19.12.2002 wurde das Treuhandverhältnis bezüglich des Kommanditanteils i.H.v. 20 % beendet, und damit der noch zurückbehaltene Kommanditanteil auf Z übertragen. Das Finanzamt vertrat daraufhin die Ansicht, dass eine Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 3 EStG aufgrund Übertragung des Sonderbetriebsvermögens auf die I-KG nicht möglich sei. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz bestätigte die Auffassung des Finanzamts.

Entscheidungsgründe

Der BFH widersprach sowohl der Ansicht der Finanzverwaltung als auch des Finanzgerichts. Nach Auffassung des BFH ist eine Übertragung von Sonderbetriebsvermögen vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils insgesamt unschädlich, da es für die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG auf das zum Stichtag der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen ankommt. Eine zeitgleiche Übertragung hingegen soll für die Fortführung der steuerlichen Buchwerte grundsätzlich schädlich sein. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Übertragung auf den Dritten oder die Überführung in ein anderes Betriebsvermögen des bisherigen Mitunternehmers jeweils nach § 6 Abs. 5 EStG unter Fortführung der steuerlichen Buchwerte erfolgt. Die gleichzeitige Überführung des Wirtschaftsguts unter Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG hindert nach Auffassung des BFH die Buchwertfortführung für den übertragenen Anteil nach § 6 Abs. 3 EStG nicht. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Zurückbehalt des Sonderbetriebsmögens einer Zerschlagung des Betriebs gleichkommt. Ob auch andere Fälle der zeitgleichen Übertragung (z.B. Veräußerung an einen Dritten oder Entnahme) unschädlich sein können, hat der BFH offengelassen.

Der BFH hat zudem klargestellt, dass die beiden Übertragungsvorgänge nicht als einheitliche Übertragung zu werten sind, sondern eine getrennte Beurteilung der zeitlich gestaffelten Übertragungsvorgänge zu erfolgen hat. Bei der ersten Übertragung handelt es sich damit um die Übertragung eines Teilanteils. Mit der Übertragung verbunden war die Übertragung der 100 %-igen Beteiligung an der Komplementär-GmbH. Das sich im Sonderbetriebsvermögen befindliche Grundstück wurde hingegen zurückbehalten. Es stellte sich zunächst die Frage, ob die Fortführung der Buchwerte bzgl. der überquotalen Übertragung der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH i.H.v. 20 % gemäß § 6 Abs. 3 EStG oder gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG zu erfolgen hat. Der Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG auf einen überquotalen Teil des Sonderbetriebsvermögens steht nach Ansicht des BFH entgegen, dass dieser Vorgang i.V.m. der Übertragung eines Mitunternehmeranteils zu sehen ist und es sich deshalb nicht um die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern handelt, sondern um die Übertragung von Sachgesamtheiten. Die Frage, ob die steuerlichen Buchwerte fortzuführen sind, richtet sich damit auch für den überquotal übertragenen Anteil am Sonderbetriebsvermögen ausschließlich nach den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG. Dabei hat der BFH auch klargestellt, dass für die Frage, ob eine unter- bzw. überquotale Übertragung von Sonderbetriebsvermögen vorliegt, eine wertmäßige und nicht gegenständliche (wirtschaftsgutbezogene) Betrachtungsweise herangezogen werden muss. Dies hat Bedeutung für die Anwendbarkeit der Sperrfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG, die eingreift, wenn ein Teilmitunternehmeranteil nebst einem unterquotalen Anteil des Sonderbetriebsvermögens übertragen wird.

Zusammenfassend kommt der BFH damit zum Ergebnis, dass weder die erste noch die zweite Übertragung zu einer Aufdeckung von stillen Reserven geführt hat.

Weitere Hinweise

Aus dem vorab dargestellten BFH- Urteil können zusammenfassend insbesondere für die Nachfolgeplanung bei Familienunternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

  • Eine Überführung von Sonderbetriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen unter Fortführung der steuerlichen Buchwerte gemäß § 6 Abs. 5 EStG vor bzw. im Rahmen der Übertrag des Mitunternehmeranteils hindert die Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 3 EStG nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Zurückbehalt des Sonderbetriebsmögens einer Zerschlagung des Betriebs gleichkommt.
  • Bei Übertragung eines Teilanteils ist § 6 Abs. 3 EStG auf die gesamte Übertragung auch dann anwendbar, wenn das Sonderbetriebsvermögen überquotal übertragen wird. Eine Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG in Höhe des überquotalen Anteils erfolgt nicht. Die Sperrfristen des § 6 Abs. 5 EStG sind damit nicht einschlägig.
  • Für die Frage, ob bei einer Übertragung von Teilmitunternehmerantei- len eine unterquotale Übertragung von Sonderbetriebsvermögen vorliegt und damit gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG eine fünfjährige Behaltensfrist eingreift, gilt eine wertmäßige Betrachtungsweise. Das vorhandene Sonderbetriebsvermögen ist wertmäßig in entsprechendem Anteil zu übertragen, um die Anwendbarkeit der Sperrfrist zu vermeiden. Die Sperrfrist greift nur dann nicht ein, wenn der Gesamtwert der übertragenen Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens den Wert des gesamten quotalen Anteils des Sonderbetriebsvermögens abdeckt.
  • § 6 Abs. 3 EStG greift bei unterquotaler Übertragung von Sonderbetriebsvermögen nach dem Gesetzeswortlaut nur dann ein, wenn das Sonderbetriebsvermögen weiterhin Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft bleibt. Die spätere Entnahme von Sonderbetriebsvermögen durch den Schenker ist laut BFH für eine laufende Sperrfrist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG aber unschädlich. Die Sperrfrist endet spätestens dann, wenn dem Rechtsnachfolger in den Teilanteil auch der restliche Bruchteil des Anteils am Gesellschaftsvermögen übertragen wurde.

Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung, die für den Steuerpflichtigen positive Entscheidung des BFH im Bundessteuerblatt veröffentlicht und ihre bisherige Rechtsauffassung korrigiert. Insoweit müsste nicht nur das oben genannte BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 3 EStG, sondern auch die Erbschaftsteuerrichtlinien (RE 13b.5 Abs. 3 ErbStR 2011) angepasst werden. Es wäre wünschenswert, dass sich die Finanzverwaltung hierzu zeitnah positioniert.