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Willenserklärung

Rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot

Gibt es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach schuldrechtliche Verpflichtungen auch dann, wenn sie vom Vertragswortlaut her unbefristet sind, nach 30 Jahren unwirksam werden?

Prof. Rainer Kirchdörfer, Rechtsanwalt, Dr. Olivia Sarholz, Rechtsanwältin

Problemstellung und praktische Bedeutung

Im vorliegenden Sachverhalt geht es um eine klassische Fragestellung im Zusammenhang mit langfristigen Verträgen. In der Praxis erfordern Vermögensdispositionen häufig eine langfristige vertragliche Sicherheit. Dies hat zur Folge, dass Verträge über viele Jahre, häufig auch Jahrzehnte, nicht oder nur aus wichtigem Grund kündbar sein sollen. Da das Bürgerliche Gesetzbuch in einer ganzen Reihe von Sachverhalten, in welchen solche langfristigen Bindungen in der Natur der Sache liegen, eine maximale Bindungsdauer von 30 Jahren vorgesehen hat, stellt sich die allgemeine Frage, ob die in diesen Spezialregelungen angeordnete „Enddauer“ der vertraglichen Bindung einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts enthält, dass ganz grundsätzlich schuldrechtliche vertragliche Bindungen, welche über einen solchen 30-jährigen Zeitraum hinausgehen, unwirksam sind.

Zum Sachverhalt

In dem dem Urteil des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Sachverhalt übertrug die Mutter desBeklagten diesem im Jahre 1980 einen Eigentumsanteil an einem Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. In dem Übertragungsvertrag verpflichtete sich der Beklagte dazu, das erhaltene Grundstück während eines Zeitraums von 35 Jahren nicht zu veräußern. Ein Verstoß gegen dieses Veräußerungsverbot sollte den Rückfall des Grundstückes an die Mutter zur Folge haben. Auch nach dem Tod der Mutter bestand dieses Veräußerungsverbot fort und sollte dann dem Kläger zugutekommen. Die Mutter war im Jahr 2007 verstorben und der Kläger behauptet nun, einen solchen Rückfallanspruch zu haben. Der Beklagte wendet u.a. ein, das Veräußerungsverbot sei 30 Jahre nach dem im Übergabevertrag vereinbarten Zeitpunkt erloschen, weil Unterlassungsverpflichtungen nach 137 Satz 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam würden. Das OLG Frankfurt am Main gab insoweit dem Beklagten Recht. Das Verfügungsverbot sei in der Tat 30 Jahre nach der Übergabe nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam geworden.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Um das Urteil richtig einzuordnen, muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass es der zentrale Rechtsgrundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien grundsätzlich freistellt, Beginn und Ende einer vertraglichen Vereinbarung und deren Kündigungsmöglichkeiten frei zu regeln. Andererseits ist jedes langfristige (Dauer-)Schuldverhältnis ohne Rücksicht darauf, was die Parteien im Detail geregelt haben, aus wichtigem Grund kündbar, d.h. in dem Fall, dass Festhalten an dem Vertrag für eine der Parteien unzumutbar ist. Es stellt sich nun die Frage, ob es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, welcher die Privatautonomie insoweit begrenzt, als vertragliche Bindungen, welche die ordentliche Kündigung für einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren ausschließen, generell oder jedenfalls in der Regel unwirksam sind. Einen solchen Rechtsgrundsatz im Zusammenhang mit Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB vertritt u.a. etwa Armbrüster (in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 137 Rdnr. 25), wenn er ausführt, dass aus Rechtssicherheitsgründen ein fester Zeitraum, (in Rechtsanalogie zu §§ 544, 2044 Abs. 2  Satz 1,  2109 Abs. 1 Satz 1, 2162 Abs. 1, 2210 S. 1 BGB), richtigerweise 30 Jahre, die Dauer der Verpflichtung begrenzen sollte. Auch Großfeld/Gersch (in: JZ 1988, 937, 943 ff.) vertreten die Ansicht, dass über 30 Jahre hinausgehende Verfügungsverbote unwirksam sind und erstrecken diese Frist auf Gesellschaftsverträge. Bindet ein Gesellschaftsvertrag die Gesellschafter an die Gesellschaft länger als 30 Jahre und liegen hierfür keine ganz besonderen Umstände vor, soll die Bindung unwirksam sein. Ulmer/Schäfer (in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 723 Rdnr. 61) gehen noch einen Schritt weiter und sprechen von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, „dass das Eingehen persönlicher und wirtschaftlicher Bindungen ohne zeitliche Begrenzung und ohne Kündigungsmöglichkeit mit der persönlichen Freiheit der Vertragschließenden unvereinbar ist und von ihnen daher auch nicht wirksam vereinbart werden kann.“ Der Bundesgerichtshof hat dieser Ansicht nunmehr eine eindeutige Absage erteilt. Er hat nicht nur ausgeführt, dass „Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB […] nicht nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam (werden)“, er hat vielmehr generalisierend formuliert: „Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält keine Bestimmung zur höchst zulässigen Geltungsdauer vertraglicher Verpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB.“ In diesem Zusammenhang hat er klargestellt, dass diejenigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, welche ausdrücklich eine 30-jährige Höchstlaufzeit vorsehen, Bestimmungen mit einer speziellen Zielsetzung sind, die sich nicht verallgemeinern lassen. Im Ergebnis schränkt der Bundesgerichtshof die zulässige Dauer der Unkündbarkeit von schuldrechtlichen Verpflichtungen jedoch wieder ein, indem er sehr lang für unkündbar erklärte Verpflichtungen als Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB wertet, wenn sie „die Verfügungsbefugnis des Schuldners auf übermäßige Dauer einschränken“. Ob das der Fall ist, ist unter Würdigung aller Umstände, insbesondere des Maßes der Beeinträchtigung des Schuldners, der Dauer der Bindung und des durch die Verfügungsbeschränkung geschützten Interesses des Begünstigten zu entscheiden. Für die Gestaltungspraxis ist zunächst wichtig, dass schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere auch solche im Zusammenhang mit Unternehmensnachfolgeregelungen, nicht automatisch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam werden, wenn diese Verpflichtungen auch über 30 Jahre bindend sein sollen. So finden sich in Verträgen zur Vorwegnahme der Erbfolge (in der Regel sind dies Schenkungen) nicht selten Regelungen, wonach der Beschenkte die von ihm erhaltenen Unternehmensanteile (oder sonstige Vermögensgegenstände) nicht an Personen außerhalb der eigenen Familie verschenken, veräußern oder sonstwie zugunsten solcher Dritter verfügen darf. Solche Regelungen sind nach dem vorstehenden Urteil des Bundesgerichtshofes auch dann möglich, wenn sie über die 30-jährige Dauer hinausgehen. Freilich muss nun und darauf weist der Bundesgerichtshof ganz deutlich hingeprüft werden, ob sich aus einer „übermäßigen Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit“ im konkreten Einzelfall die Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit der schuldrechtlichen Verpflichtung ergibt. So sind etwa vertragliche Verfügungsverbote unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Knebelung des Schuldners als sittenwidrig anzusehen, wenn sie sich auf dessen gesamtes Vermögen erstrecken. Im vorliegenden Fall erfasste das Verfügungsverbot zwar das gesamte Immobiliarvermögen des landwirtschaftlichen Betriebs, es erstreckte sich aber nicht auf das bewegliche Betriebsvermögen und nicht auf das Privatvermögen. Der Bundesgerichtshof ist aber in mehreren Sachverhalten bereits in früheren Urteilen zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verfügungsverbot sittenwidrig ist, welches dem Erwerber ohne Ausnahme jede Verfügung über das Vermögen des Betriebs oder über dessen Grundvermögen untersagt und damit die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Übernehmers in einem Maße beschränkt, dass dieser seine Selbstständigkeit und wirtschaftliche Handlungsfreiheit in einem wesentlichen Teil einbüßt. Dies gilt auch dann, wenn sich der Grundbesitz seit vielen Generationen im Besitz einer Familie befindet. Gemessen an den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien war das Verfügungs und Belastungsverbot im vorliegenden Sachverhalt daher wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Dem Beklagten waren nämlich alle Veräußerungen (sofern nicht an eheliche, leibliche Abkömmlinge) und ausnahmslos auch alle Verpfändungen verboten. Für die Praxis hat das Urteil zur Folge, dass künftig sehr viel differenzierter mit langfristigen vertraglichen Bindungen, insbesondere mit langfristigen Verfügungsverboten, umzugehen ist. Zwar sind solche nicht auf eine Zeitdauer von 30 Jahren begrenzt, zur Verhinderung eines Sittenwidrigkeitsvorwurfes müssen solche langfristigen Verträge jedoch eine ausdifferenzierte Wirkung der Bindung enthalten.

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Inwieweit darf ein Geschäftsführer einer GmbH nach Eintritt der Insolvenzreife (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) noch rückständige Steuern bzw. Sozialabgaben bezahlen?

Prof. Rainer Kirchdörfer, Rechtsanwalt

Der Geschäftsführer haftet nicht nach § 64 Satz 1 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuern an das Finanzamt und rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle zahlt.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Wie komplex und für den Geschäftsführer haftungsrechtlich relevant seine Handlungen in Insolvenznähe sind, zeigt der Sachverhalt, der dem vorstehenden Urteil des BGH zugrunde lag. Der vom Insolvenzverwalter verklagte Geschäftsführer einer Bauingenieurgesellschaft mbH hatte drei Monate vor Stellung eines Antrages auf Insolvenzeröffnung eine Zahlung an die AOK zur Begleichung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeberanteil und Arbeitnehmeranteil) und eine Zahlung rückständiger Umsatzsteuer und einbehaltener Lohnsteuer an das Finanzamt geleistet. Der Insolvenzverwalter behauptet nun, die Bauingenieurgesellschaft mbH sei zum Zeitpunkt der Zahlung bereits überschuldet gewesen, der Geschäftsführer habe deshalb diese Zahlungen nicht mehr leisten dürfen und hafte nun auf Schadensersatz zur Konkursmasse gem. § 64 GmbHG.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Auf den ersten Blick hat der Insolvenzverwalter Recht. Nach § 64 GmbHG sind die Geschäftsführer „der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden“. Dies gilt aber nicht „für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind“. Da die Zahlung nach Eintritt der Überschuldung geleistet wurde, stellte sich dem BGH die Frage, ob sie trotzdem mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar ist.

Zur Lösung des Falles muss man sich verdeutlichen, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern nicht abführt, in einer prekären Situation ist. Führt er Umsatzsteuer oder einbehaltene Lohnsteuer nämlich nicht an das Finanzamt ab, so begeht er eine Ordnungswidrigkeit und setzt sich zudem der persönlichen Haftung für die Zahlung der Steuern gegenüber dem Fiskus gem. § 69 AO aus. Der BGH hat diese kaum zu lösende Pflichtenkollision gesehen und zugunsten des Geschäftsführers entschieden, dass die Zahlungen von Umsatz- und Lohnsteuern mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu vereinbaren sind. Da mit der Nachzahlung auch die persönliche Haftung des Geschäftsführers nach § 69 AO entfällt, kann es dem Geschäftsführer nämlich nicht zugemutet werden, das Zahlungsverbot des § 64 GmbHG (sog. Massesicherungspflicht) zu beachten. Diese Rechtsprechung bezieht sich nicht nur auf laufende, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällig werdende Steuerforderungen, sie bezieht sich auch auf Steuerrückstände.

Die vorstehenden Erwägungen gelten mit Einschränkungen auch für die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Hier ist jedoch zu unterscheiden: Soweit es um die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung geht, handelt der Geschäftsführer einer GmbH grds. mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes und haftet deshalb nicht nach § 64 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife fällige Arbeitnehmeranteile oder auch Beitragsrückstände an die zuständige sozialversicherungs- rechtliche Einzugsstelle bezahlt. Der Geschäftsführer befindet sich insoweit nämlich in einer der Zahlung fälliger Steuern vergleichbaren Pflichtenkollision, weil er sich nach § 266a StGB strafbar macht, wenn er „der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung … vorenthält…“. Anderes gilt aber im Hinblick auf die Arbeitgeberanteile. Insoweit befindet sich nämlich der zahlende Geschäftsführer nicht in einer Pflichtenkollision. Nur das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen ist nach § 266a StGB unter Strafe gestellt. Hinsichtlich der Arbeitgeberanteile fehlt es deshalb nach Ansicht des BGH an einem Grund, den Anwendungsbereich des Zahlungsverbots nach § 64 Satz 1 GmbHG einzuschränken.

Nach alledem handelt ein Geschäftsführer, der Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung abführt, nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes und haftet insoweit der Gesellschaft auf Schadensersatz.

Schenkungssteuergesetz

Kann für die (isolierte) Schenkung eines variablen Kapitalkontos eines Kommanditisten der schenkungsteuerliche  Verschonungsabschlag  gewährt werden?

Prof. Rainer Kirchdörfer, Rechtsanwalt

Eigenkapital einer Kommanditgesellschaft i.S.d. Handels- und Gesellschaftsrechts liegt nur dann vor, wenn der Posten für Verluste der Gesellschaft voll haftet, im Insolvenzfall der Gesellschaft nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht werden darf und bei der Liquidation der Gesellschaft erst nach der Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger auszugleichen ist.

Die Schenkung eines danach (LS 1) als Forderung des Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft zu qualifizierenden variablen Kapitalkontos an nicht an der Gesellschaft beteiligte Dritte ist keine Schenkung von Betriebsvermögen, für die der Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 2 ErbStG zu gewähren wäre.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das dem FG München zugrunde liegende Urteil ist für sich betrachtet kaum einer ausführlichen Besprechung Wert, es ermöglicht aber die Korrektur eines in der Praxis im Familienunternehmen immer wieder auftretenden Fehlverständnisses im Rahmen der Schenkung von Betriebsvermögen. In dem dem Urteil des FG München zugrunde liegenden Sachverhalt war der Schenker einer von vier Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG. Nach dem Gesellschaftsvertrag der X-GmbH & Co. KG wurde für die Kommanditisten je ein festes Kapitalkonto I und je ein variables Kapitalkonto II geführt. Über die Kapitalkonten II wurden laut Gesellschaftsvertrag – wie in der Praxis häufig – die Gewinnanteile, die Entnahmen und die Einlagen der Kommanditisten verbucht. Außerdem war im Gesellschaftsvertrag geregelt, in welchem Umfang die Kommanditisten zu Entnahmen aus Ihren jeweiligen Kapitalkonten II berechtigt waren. Der Schenker schloss nun Schenkungsverträge mit zwei Beschenkten und übertrug diesen jeweils zur Hälfte schenkweise sein Kapitalkonto II. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest, ohne den damals geltenden 40%igen Betriebsvermögensabschlag zu gewähren.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Nach dem heute geltenden Erbschaftsteuergesetz würde sich die mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Frage stellen, ob der 85 %ige Verschonungsabschlag auf die Übertragung der Kapitalkonten II Anwendung findet. Die Kläger gingen offensichtlich davon aus, dass es sich bei den schenkweise zugewendeten Kapitalkonten II um gewerbliches Betriebsvermögen handelt und schon deshalb die Voraussetzungen für den damaligen Bewertungsabschlag in Höhe von 40 % gegeben waren. Sowohl nach der seinerzeit geltenden Vorschrift des § 13a ErbStG als auch nach der heutigen Fassung der §§ 13a und 13b ErbStG reichte die Qualifikation eines Vermögensgegenstandes als Betriebsvermögen jedoch nicht aus, um den damaligen Bewertungsabschlag und den heutigen Verschonungsabschlag zu erhalten.

Zu dem begünstigten Vermögen gehört inländisches Betriebsvermögen nämlich nur beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils. Nicht begünstigt war – und ist auch heute noch – die schenkweise Übertragung nur einzelner Wirtschaftsgü- ter aus dem Betriebsvermögen. Um den Bewertungsabschlag zu erhalten, hätte demnach ein Mitunternehmeranteil geschenkt werden müssen. Bei dem tatsächlich geschenkten Kapitalkonto II handelte es sich jedoch ganz offensichtlich nicht um das Kapitalkonto, welches die Stimmrechte, die Gewinnrechte, das gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungsguthaben und anderweitige gesellschaftsrechtliche Sozialansprüche, kurz gesagt, welches den Mitunternehmeranteil vermittelt. Vielmehr handelt es sich zivilrechtlich betrachtet um die Schenkung von Fremdkapital. Als solches unterliegt es jedoch allenfalls dann dem Verschonungsabschlag, wenn es als Sonderbetriebsvermögen zusammen mit einem Mitunternehmeranteil geschenkt wird. Nach alledem hätte das Kapitalkonto II zusammen mit dem Kapitalkonto I geschenkt werden müssen, um den schenkungsteuerlichen Bewertungsabschlag zu erhalten.

Erbrecht

Schenkungen unter Lebenden

Schenkungsteuerfreier Verzicht auf eine Darlehensforderung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Familienwohnheims  vor Eheschließung

Prof. Rainer Kirchdörfer, Rechtsanwalt

  1. Im Zusammenhang mit Familienwohnheimen/Familienheimen stehende Zuwendungen unter Lebenden sind auch dann nach Maßgabe des 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei, wenn die Ehe bei der Anschaffung oder Herstellung des Objekts noch nicht bestanden hatte.
  2. Zu den Zuwendungen unter Lebenden i.S.d. 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG gehören auch Abfindungen für einen Erbverzicht.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das vorstehende Urteil des BFH ist schon für sich genommen interessant. Es gibt aber darüber hinaus auch Gelegenheit, auf schenkung- steuerliche Probleme hinzuweisen, die in der Praxis immer wieder daraus resultieren, dass Ehegatten in der Vergangenheit relativ unreflektiert Vermögensverschiebungen unterei- nander vorgenommen haben. Sachverhalte, in welchen Ehegatten, auch wenn sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, wesentliche Vermögenswerte untereinander übertragen, sei es, weil man gemeinsame (auf beide Ehegatten lautende) Konten führt, die nur  ein Ehegatte dotiert, sei es, weil der eine Ehegatte Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten tilgt oder sei es, weil man  gemeinsame Vermögenswerte, z.B. Grundbesitz, im Grundbuch auf beide Ehegatten eintragen lässt, aber nur einer der Ehegatten die Anschaffungskosten hieraus trägt, sind unter schenkungsteuerlichen Gesichtspunkten hoch problematisch.

Im Kern geht es auch im Sachverhalt des vorstehenden Urteils um einen solchen Fall: Etwa ein Jahr vor der Eheschließung erhielt die spätere Ehefrau von ihrem späteren Ehemann ein zinsverbilligtes Darlehen in Millionenhöhe, welches sie vereinbarungsgemäß zum Erwerb eines landund forstwirtschaftlichen Betriebes mit einem Herrenhaus verwendete. Sieben Jahre nach der Eheschließung erließ der Ehemann seiner Frau dieses Darlehen und zwar als Gegenleistung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Im Jahr des Darlehenserlasses wurde der Sachverhalt dem Finanzamt bekannt und dieses vertrat die Auffassung, der Verzicht auf das Darlehen sei – neben weiteren, hier nicht im Einzelnen besprochenen Schenkungen – ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang des Ehemannes an seine Frau. Die beschenkte Ehefrau wehrte sich mit mehreren Argumenten gegen den Schenkungsteuerbescheid, u.a. unter Hinweis auf § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Danach waren nämlich in der zum Zeitpunkt des Urteils geltenden Fassung des Gesetzes „Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum … an einem … zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus … verschafft oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienwohnheims freistellt“ steuerfrei. Der zum Zeitpunkt des vorliegenden Falles geltende § 13a Abs. 1 Nr. 4a ErbStG ist zwar heute neu gefasst, die vom BFH beantworteten Fragestellungen bleiben jedoch dieselben.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Im Hinblick auf das vor der Eheschließung erhaltene zinsverbilligte Darlehen hat der BFH zunächst in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung entschieden, dass in der zinslosen bzw. einer mit einem niedrigen Zinssatz verbundenen Gewährung eines Darlehens eine steuerpflichtige Schenkung in Höhe des ersparten Zinsaufwandes (dieser liegt nach § 15 Abs.1 BewG mangels anderer feststellbarer Werte in der Differenz zwischen 5,5 % und dem vereinbarten Zinssatz) liegt. Für diese Schenkung konnten die Kläger freilich schon deshalb nicht auf die Steuerfreiheit der Zuwendung eines Familienwohnheimes zurückgreifen, weil § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG lediglich Zuwendungen unter Ehegatten betrifft, Schenker und Beschenkte zum Zeitpunkt der zinsverbilligten Überlassung des Darlehens aber noch nicht verheiratet waren.

Der BFH hatte weiter zu entscheiden, ob der nach Eheschließung erfolgte Erlass des Darlehens unter die Steuerbefreiung fällt. Insoweit waren zwei Fragen zu beantworten:

Da das Herrenhaus Teil eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens war, stellte sich zunächst die Frage, ob die allgemeine schenkungsteuerliche Begünstigung des Betriebsvermögens in § 13a ErbStG Vorrang hat vor der Begünstigungsvorschrift für Familienwohnheime in § 13 ErbStG, was das Finanzgericht als Vorinstanz bejaht hatte. Darüber hinaus stellte sich die zweite Frage, ob der Einwand des Finanzamtes zutreffend war, dass nämlich die Ehegatten die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG nicht beanspruchen konnten, da das Herrenhaus bei dessen Anschaffung (mangels Eheschließung) noch kein Familienwohnheim gewesen sei.

Die erste Frage beantwortete der BFH dahin, dass das Herrenhaus schon nicht Betriebsvermögen sei und aus diesem Grunde nicht von der Begünstigungsvorschrift für Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG erfasst sein könne. Aber selbst dann, wenn man dies anders sehen wollte, würden nach Auffassung des BFH die Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG und die Steuervergünstigung für Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG parallel anwendbar sein; es gebe nämlich keinen Vorrang der Betriebsvermögensvergünstigungen des § 13a ErbStG vor den Vergünstigungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG.

Die zweite Frage beantwortete der BFH dahingehend, dass im Darlehenserlass eine Freistellung von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Familienwohnheims liege. Der Steuerbefreiung stehe insoweit nicht entgegen, dass das Herrenhaus bei der Anschaffung noch kein Familienwohnheim war (weil die Ehegatten seinerzeit noch nicht miteinander verheiratet waren). Zwar setze § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG voraus, dass die Ehegatten, zwischen welchen die Zuwendung erfolgt, zum Zeitpunkt der Zuwendung auch verheiratet waren. Insoweit spiele also eine nach der Zuwendung durchgeführte Eheschließung keine Rolle. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Darlehens waren die Ehegatten aber verheiratet. Nach Ansicht des BFH ist nicht zusätzlich erforderlich, dass es sich bereits bei der Anschaffung oder Herstellung um ein Familienwohnheim gehandelt hat. Diese Erwägung gelte sowohl für die Übertragung des Eigentums an dem Familienwohnheim als auch bei der Freistellung von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Familienwohnheims.

Schenkungsteuergesetz

Schenkungsteuerliche Probleme bei der Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Nießbrauchsvorbehalt

Prof. Rainer Kirchdörfer, Rechtsanwalt

  1. Der schenkweise Erwerb eines Kommanditanteils unterfällt nur dann dem § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt wird.
  1. Es reichte daher nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen Kommanditanteils nur deshalb Mitunternehmerinitiative zukäme, weil er bereits Kommanditist der KG war, h. wenn sich seine bisherige Mitunternehmereigenschaft wegen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das vorstehende Urteil des BFH ist schon älter, soll jedoch wegen der hohen praktischen Relevanz von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bei Familienunternehmen im Rahmen des seit 01.01.2009 gelten- den neuen Schenkungsteuer- und Erbschaftsteuersystems besprochen werden. Während der Beschenkte nach dem bis zum 31.12.2008 gelten- den § 15 ErbStG den Wert des Nießbrauchs im Rahmen der zu berechnenden Schenkungsteuer nicht von dem geschenkten Vermögen abziehen konnte, wenn sich der Schenker den Nießbrauch vorbehielt, ist dieses Abzugsverbot heute entfallen. Insbesondere im Rahmen von schenkweisen Grundstücks- oder Unternehmensübertragungen ist daher der Vorbehaltsnießbrauch (neben häufig alternativ in Betracht kommenden Rentenlösungen) in vielen Fällen eine sinnvolle Gestaltung.

Die im vorliegenden Sachverhalt beschenkte Tochter und die schenkende Mutter waren zwei von sechs Kommanditisten einer x-GmbH & Co. KG. Die Beteiligung der Mutter betrug ca. 11 % und die der Tochter ca. 42 %. Im Jahr 2002 übertrug die Mutter ihren Kommanditanteil an der Kommanditgesellschaft einschließlich ihres Anteils an offenen Rücklagen und zzgl. der Forderungen aus ihrem Darlehenskonto sowie ihren Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH auf ihre Tochter. Die Mutter behielt sich im Schenkungsvertrag den lebenslangen Nießbrauch an den übertragenen Gesellschaftsbeteiligungen vor. Im Einzelnen war der Nießbrauch so ausgestaltet, dass der Mutter als Nießbrauchsberechtigter die Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung nebst den Zinsen auf die Darlehensforderung und auch die anteiligen Gewinnausschüttungen der Komplementär-GmbH verblieben. Darüber hinaus sollten der Mutter die mit der übertragenen Beteiligung an der Kommanditgesellschaft verbundenen „Stimm- und sonstigen Verwaltungsrechte“ zustehen und im Falle einer Veräußerung der Beteiligungen sollte sich der Nießbrauch am „Netto-Veräußerungserlös“ und ggf. an dessen Wiederanlage fortsetzen.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der Sachverhalt war noch nach der vor 2009 geltenden Fassung des Erbschaftsteuergesetzes zu beurteilen. Dieselbe Fragestellung würde sich jedoch auch in der heute geltenden Gesetzesfassung ergeben. Für den BFH stellte sich die Frage, ob die beschenkte Tochter den seinerzeitigen schenkungsteuerlichen Bewertungsabschlag von 40 % nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG (alt) in Anspruch nehmen konnte. Dies konnte sie nur dann, wenn ihr ein Mitunternehmeranteil i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG geschenkt worden war. Dies wiederum setzt u.a. voraus, dass der Tochter nicht nur zivilrechtlich ein Gesellschaftsanteil, sondern damit verbunden – unter steuerrechtlicher Betrachtung – auch die zum Mitunternehmeranteil gehörende Mitunternehmerinitiative geschenkt und übertragen worden war. Bei der Schenkung eines Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt muss nun zunächst im Detail geprüft werden, wer letztendlich auf Basis des konkreten Schenkungs- und Nießbrauchsvertrages Mitunternehmer ist bzw. wird: Ist dies die Beschenkte, ist dies die sich den Nießbrauch vorbehaltende Schenkerin oder sind dies beide?

Im vorliegenden Sachverhalt behielt sich die Mutter als Nießbraucherin – wie in der Praxis beim Vollnießbrauch häufig – sämtliche Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung, der übertragenen Darlehensforderung und den übertragenen GmbH-Anteilen vor. Außerdem sollte sich der Nießbrauch im Falle einer Veräußerung der Beteiligung am „Netto-Veräußerungserlös“ und ggf. an dessen Wiederanlage fortsetzen. Problematisch war nun aber, dass sich die Mutter auch noch sämtliche mit der Beteiligung verbundene „Stimm- und sonstige Verwaltungsrechte“ zurückbehielt. Damit war das für die Mitunternehmerschaft (neben dem sog. Mitunternehmerrisiko) wesentliche Kriterium der Mitunternehmerinitiative, bezogen auf den geschenkten Gesellschaftsanteil, nicht auf die Beschenkte übertragen worden. Es genügt zum Erhalt des schenkungsteuerlichen Bewertungsabschlages aber nicht, dass ein Mitunternehmeranteil in der Hand des Schenkers vorlag, dieser muss als Mitunternehmeranteil auch auf den Beschenkten übergehen.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles lag nun darin, dass die Tochter bereits vor der Schenkung Mitunternehmerin war, nachdem ihr bisheriger Kommanditanteil selbstverständlich auch die notwendige Mitunternehmerinitiative vermittelte. Weil ein Gesellschaftsanteil im Personengesellschaftsrecht – anders als bei Aktien oder GmbH-Anteilen im Kapitalgesellschaftsrecht – nach bisher herrschen- dem Verständnis nicht teilbar ist, ein Kommanditist also nur mit einem Kommanditanteil an der Kommanditgesellschaft beteiligt sein kann, und weil ein geschenkter Kommanditanteil nach dieser Auffassung mit dem beim Beschenkten schon vorhandenen Kommanditanteil zusammenwächst, stellte sich die naheliegende Frage, ob es zur Gewährung des schenkung- steuerlichen Bewertungsabschlages nicht ausreichte, dass die Beschenkte bereits auf der Grundlage ihres bisherigen Kommanditanteils von 42 % Mitunternehmerin war. Der BFH verneint dies und verlangt für die schenkungsteuerliche Begünstigung, dass die Mitunternehmerstellung gerade durch den erworbenen (geschenkten) Kommanditanteil vermittelt wird.

Ob dies rechtsdogmatisch letztendlich dazu führt, dass der Grundsatz der Unteilbarkeit der Mitgliedschaft des Kommanditisten in Fällen des vorbehaltenen Nießbrauchs aufgegeben wird, ließ der BFH offen. Er tendiert allerdings unter Hinweis auf den strukturell gleich liegenden Fall der Testamentsvollstreckung an einem (Teil-) Mitunternehmeranteil dazu.

In Konsequenz aus dem vorliegenden Sachverhalt ist bei Schenkungen von Personengesellschaftsanteilen unter Nießbrauchsvorbehalt auch dann besonders darauf zu achten, wem auf der Basis des konkreten Schenkungs- und Nießbrauchsvertrages die Mitunternehmereigenschaft zukommt, wenn der Beschenkte bereits Mitunternehmer war. Möchte der Schenker dem Beschenkten Mitunternehmerinitiative durch den geschenkten Kommanditanteil vermitteln, so sollte der Beschenkte die Stimmrechte aus dem geschenkten Kommanditanteil zumindest im Bereich der Grundlagengeschäfte persönlich ausüben dürfen; in diesem Fall hatte der BFH (Urteil v. 16.12.2009 – II R 44/08) die Mitunternehmerstellung des Beschenkten bejaht. In zweifelhaften Grenzfällen empfiehlt es sich, eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen.