Beiträge

Arbeitnehmer und Betrieb

Leiharbeitnehmer zählen nicht mit – zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Berechnung der Schwellenwerte für die Unternehmensmitbestimmung

Dr. Sebastian von Thunen, LL.M., Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Unternehmen, die u.a. als Aktiengesellschaft oder GmbH organisiert sind, müssen einen teilweise mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat einrichten, wenn die Anzahl der von ihnen regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Nach § 1 Abs. 1, 7 des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) hat der Aufsichtsrat eine Größe von mindestens 12 Mitgliedern und ist sogar zur Hälfte („paritätisch“) mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen, wenn das Unternehmen in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Nach den Regelungen des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) ist ein zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen- der Aufsichtsrat zu bilden in Unternehmen, die in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, §1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 DrittelbG. Diese im MitbestG und im DrittelbG geregelte, sogenannte unternehmerische Mitbestimmung greift unmittelbar in die gesellschaftsrechtliche Struktur der Unternehmung ein und gewährt der Belegschaft auf gesellschaftsrechtlicher Ebene Informations und Einflussrechte auf originär strategischunternehmerische Entscheidungen. Das unterscheidet sie von der sogenannten betrieblichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, die lediglich auf betrieblicher Ebene in betrieblichen Angelegenheiten besteht und bei der vor allem auch kein Einfluss externer Gewerkschaftsvertreter begründet wird (so nämlich zwingend nach § 7 Abs. 2 MitbestG).

Ob bei der Ermittlung der für die Besetzung eines mitbestimmten Aufsichtsrats maßgeblichen Schwellenwerte neben den eigenen Arbeitnehmern des Unternehmens („Stammbelegschaft“) auch die Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Dies hängt davon ab, ob die Leiharbeitnehmer unter den Begriff des  „Arbeitnehmers“  i.S.d.  §  3 Abs. 1 DrittelbG und § 3 MitbestG fallen. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Mitbestimmung (z.B. BAG, Beschluss vom 10.03.2004 – 7 ABR 49/03) und der Obergerichte zur Unternehmensmitbestimmung (z.B. OLG Düsseldorf 19 W 2/04; OLG Hamburg 11 W 27/07) waren Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten nicht zu berücksichtigen. Hintergrund war die sogenannte „Zwei-Komponenten-Lehre“, nach der zu den konstitutiven Merkmalen für den Arbeitnehmerbegriff bzw. der Betriebszugehörigkeit zum einen das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Betriebsinhaber (Arbeitsvertrag) und zum anderen die Eingliederung in den Betrieb als solchen gehören. An der ersten Voraussetzung (Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber) fehlt es begriffsnotwendig bei im Entleihunternehmen beschäftigten Leiharbeitnehmern. Denn deren Arbeitsverhältnis besteht mit dem Verleihunternehmen, während sie in den Entleihbetrieb betrieblich eingegliedert sind. Die Arbeitgeberstellung ist dementsprechend zwischen Ver- und Entleihunternehmen „aufgespalten“, was einer Zurechnung zum Entleihbetrieb entgegenstehen sollte. Von dieser strengen Auffassung ist das Bundesarbeitsgericht in seiner neueren Rechtsprechung abgerückt: Bei einer für Leiharbeitsverhältnisse typischen aufgespaltenen Arbeitgeberstellung seien differenzierte Lösungen geboten, um die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen berücksichtigen zu können (BAG, Beschluss vom 05.12.2012 – 7 ABR 48/11). Um zu ermitteln, welche Personen zum Kreis der „Arbeitnehmer“ zu zählen sind, soll es also nunmehr darauf ankommen, welche Funktion der Begriff „Arbeitnehmer“ in der jeweiligen Regelung hat, sodass er in unterschiedlichen Regelungen je unterschiedlich ausgelegt werden kann und ggf. muss.

Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht unter Abkehr von seiner bisherigen, anderslautenden Rechtsprechung u.a. auch für die Bestimmung der Betriebsratsgröße nach 9 Satz 1 BetrVG, der ähnlich wie die Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung ebenfalls an die Anzahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer anknüpft, die Leiharbeitnehmer mit in die Berechnung einbezogen. Da der Betriebsrat aufgrund des gesetzlichen Aufgabenzuschnitts u.a. auch die im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer vertrete, müsse der aufgrund der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bedingten Zunahme an Aufgaben durch eine entsprechende Betriebsratsgröße Rechnung getragen werden (BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69 /11). Auch in einem Urteil vom 18.10.2011 (1 AZR 335/10) hatte das BAG bereits zur Norm des § 111 Satz 1 BetrVG (Sozialpläne) die im Entleihbetrieb tätigen Leiharbeitnehmer mitberücksichtigt.

Diese gewandelte höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bislang nur Regelungen der betrieblichen Mitbestimmung zum Gegenstand. Es ist bislang ungeklärt, inwieweit sie auf die unternehmerische Mitbestimmung und damit auch die Schwellenwerte des Mitbestimmungsgesetzes und Drittelbeteiligungsgesetzes zu übertragen ist. Mit dieser Frage hatte sich das OLG Hamburg in der vorliegenden Entscheidung  auseinanderzusetzen.

Zum Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Besetzung des Aufsichtsrates einer AG. Diese unterhielt in der Vergangenheit Betriebsstätten mit insgesamt mehr als 2.000 Arbeitnehmern in Deutschland. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft war dementsprechend gemäß den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes paritätisch gebildet worden. Im November 2012 machte die Gesellschaft im Bundesanzeiger bekannt, dass der Aufsichtsrat nicht mehr gesetzmäßig zusammengesetzt sei, da die Gesellschaft weniger als 2.000 Arbeitnehmer beschäftige und damit nicht mehr den Regelungen des MitbestG, sondern denjenigen des DrittelbG unterliege.

Hiergegen wandten sich die Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 1 AktG (sog. „Statusverfahren“). Zur Begründung trugen sie vor, dass die Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl ebenfalls zu berücksichtigen seien, weshalb die Zahl der bei der Gesellschaft regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht dauerhaft unter dem Schwellenwert von 2.000 gesunken sei. Eine Abfrage bei den Betrieben der Gesellschaft habe unter Einbeziehung von 139 Leiharbeitnehmern eine Beschäftigtenzahl von insgesamt 2.062 ergeben. Dieser Argumentation schloss sich das OLG Hamburg nicht an.

Entscheidungsgründe

Das OLG referiert zunächst die eingangs (Ziff. I) angesprochenen jüngeren Entscheidungen des BAG zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der Schwellenwerte der betrieblichen Mitbestimmung, führt dann jedoch aus, dass im Hinblick auf die Unternehmensmitbestimmung eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht geboten sei. Der Gesetzgeber habe die Leiharbeitnehmer bislang bewusst nicht vollumfänglich der Stammbelegschaft gleichgestellt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der Schutz des Leiharbeitnehmers vielmehr durch den Gleichlauf im Hinblick auf die Bezahlung (sogenannter Grundsatz des Equal Pay) und die sonstigen eingeräumten Rechte (§ 7 Abs. 2 BetrVG und § 14 AÜG) ausreichend gewährleistet.

Des Weiteren seien Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Ebene der unternehmerischen Mitbestimmung anders betroffen als die Stammbelegschaft, sodass ihre Nichtberücksichtigung für die Ermittlung von Schwellenwerten gerechtfertigt sei: Der Aufsichtsrat, dessen Tätigkeit auf die langfristige Unternehmenspolitik und die Kontrolle strategischer Entscheidungen der Geschäftsführung gerichtet sei, wahre das mittel und langfristige Gesellschaftsinteresse. Dieses sei für die Leiharbeitnehmer von jedenfalls geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft, da ihnen die Rückkehr zum verleihenden Betrieb verbleibe. Sie sind letztlich nur temporär von arbeitsplatzrelevanten Entscheidungen auf unternehmerischer Ebene des Entleihunternehmens betroffen.

Angesichts der Tatsache, dass Leiharbeitnehmer jedenfalls in den entleihenden Betrieb zurückkehren könnten, weil eine betriebsbedingte Kündigung von Seiten des Verleihbetriebs allein aufgrund des Wegfalls der Beschäftigungsbedürfnisse im Entleiherbetrieb ausgeschlossen sei, seien sie auch in Bezug auf die durch die Mitbestimmung bezweckte sog. Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Sozialbindung des Eigentums („Art. 14 Abs. 2 GG: Eigentum verpflichtet sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“) anders betroffen als Stammarbeitnehmer: (Nur) für diese könne sich die Ausübung der Verfügungsbefugnis durch den Eigentümer zugleich auf ihre Daseinsgrundlage auswirken und berühre damit ihre Grundrechtssphäre.

Vor diesem Hintergrund sei es selbst auf Grundlage der eingangs referierten neueren Rechtsprechung des BAG, nach der der Arbeitnehmerbegriff im jeweiligen gesetzlichen Kontext differenzierend je nach Funktion ausgelegt werden soll, nicht gerechtfertigt, die Leiharbeitnehmer unter den Arbeitnehmerbegriff des § 1 MitbestG zu fassen. Die Argumentation des BAG zur Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer im Rahmen der Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung sei auf die Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung nicht übertragbar.

Denn aufgrund der dargestellten Aufgaben des Aufsichtsrats langfristige Unternehmenspolitik und Kontrolle strategischer Entscheidungen wirke sich seine Tätigkeit nicht in so maßgeblichem Umfang auf die Leiharbeitnehmer aus, dass vergleichbar der Ermittlung des Schwellenwertes für die Größe des Betriebsrats den Leiharbeitnehmern auch ein Einfluss auf die unternehmerische Mitbestimmung im Entleihbetrieb zukommen müsse. Das vom Aufsichtsrat zu wahrende mittel und langfristige Gesellschaftsinteresse sei für die Leiharbeitnehmer, gerade aufgrund der ihnen möglichen Rückkehr zum verleihenden Betrieb, von wesentlich geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft.

Weiterführende Hinweise

Der Beschluss des OLG Hamburg ist die erste obergerichtliche Entscheidung zu diesem Themenkomplex nach Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Behandlung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung. Sie dürfte dazu führen, dass in naher Zukunft hierzu auch höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegen wird. Denn die Antragsteller haben Rechtsbeschwerde eingelegt, über die laut dem Verfasser erteilter Auskunft des Bundesgerichtshofs (BGH) voraussichtlich Anfang kom- menden Jahres entschieden wird.

Aufgrund der Besonderheiten des sogenannten aktienrechtlichen Statusverfahrens (§§ 98 f. AktG) ist für die Entscheidung über die Frage, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, also für die unternehmerische Mitbestimmung, der BGH letztinstanzlich zuständig und nicht das BAG, auf dessen Entscheidungen zur betrieblichen Mitbestimmung des OLG Hamburg mehrfach Bezug nimmt. Der für das Gesellschaftsrecht zuständige Zivilsenat des BGH dürfte sich dabei erfahrungsgemäß stärker von originär gesellschaftsrechtlichen Argumenten leiten lassen und der unterschiedlichen Zwecksetzung von unternehmerischer und betrieblicher Mitbestimmung mehr Gewicht beimessen als es möglicherweise das in der Regel stärker aktuelle sozialpolitische Anliegen berücksichtigende und tendenziell eher mitbestimmungsfreundliche BAG täte. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der BGH der Argumentation des OLG Hamburg folgt, die schlüssig und sachgerecht ist und sich auch mit der vom BAG vertretenen differenzierenden Sichtweise vereinbaren lässt.

Jedenfalls wird insoweit seine Auffas- sung künftig für die Praxis maßgeblich sein, weil Statusverfahren in letzter Instanz stets vom BGH zu entscheiden sind.

Auch wenn der BGH der Auffassung des OLG Hamburg folgen würde und somit für die Praxis davon ausgegangen werden könnte, dass Leiharbeitnehmer bei Ermittlung der relevanten Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung nicht zu berücksichtigen sind, werden Familienunternehmen, die bei unterstellter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bereits die Schwellenwerte überschreiten, bei weiterem Zuwachs in absehbarer Zeit auch mit ihrer Stammbelegschaft über diesen Schwellenwerten liegen.

Das DrittelbG und das MitbestG stellen dabei auf die „in der Regel“ beschäftigte Anzahl von Mitarbeitern ab. Dabei kommt es nicht auf die Stärke der Belegschaft zu einem bestimmten Stichtag an, sondern die Beschäftigtenzahl ist unter Berücksichtigung der Vergangenheit und der zukünftigen  Entwicklung festzulegen. Überschreitet daher die Mitarbeiterzahl bereits (nur) unter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer die relevanten Schwellenwerte, sollte diese „Pegelwarnung“ in jedem Fall abgesehen von der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern ein Anlass sein, sich rechtzeitig mit rechtlichen Möglichkeiten zur Gestaltung der unternehmerischen Mitbestimmung zu befassen. Dabei kommen insbesondere konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen und Rechtsformwechsel (z.B. in eine Europäische Aktiengesellschaft („SE“)) sowie gegebenenfalls die Einbeziehung ausländischer Rechtsträger in Betracht.

Rechtsprechung

GmbH-Gesellschafterliste – Zur Wirksamkeit von Beurkundungen in der Schweiz

Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar, Dr. Alexander Haines, Rechtsanwalt und Notar

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Entscheidung des BGH betrifft zuvorderst die handelsregisterrechtliche Frage, inwieweit das Handelsregister eingereichte Gesellschafterlisten einer GmbH prüfen und ggf. zurückweisen darf. Bei jeder Veränderung der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung an der GmbH (zum Beispiel bei Gesellschafterwechseln aufgrund von Abtretungen oder Erbfolge) ist eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen. Grundsätzlich ist der Geschäftsführer zuständig und verpflichtet, die neue Gesellschafterliste einzureichen (§ 40 Abs. 1 GmbHG). Hat ein Notar an solchen Veränderungen mitgewirkt, so ist er für die Listeneinreichung zuständig (§ 40 Abs. 2 GmbHG).  Bisher höchstrichterlichungeklärt war die Frage, inwieweit das Handelsregister neu eingereichte Gesellschafterlisten überprüfen darf. Der BGH hat mit diesem Beschluss die Prüfungskompetenz der Handelsregister  deutlich eingegrenzt.

Inzident war vom BGH auch darüber zu entscheiden, ob ausländische Notare wirksam GmbH-Anteilsabtretungsverträge beurkunden können. Die Frage, ob solche Verträge im Ausland beurkundet werden können und wer in einem solchen Fall für die Einreichung der neuen Gesellschafterliste zuständig ist, ist nach Inkrafttreten des sog. MoMiG 2008 streitig. Mit dem MoMiG wurde die Gesellschafterliste zum wichtigsten Nachweisdokument bei der GmbH, da sie sämtliche Veränderungen im Bestand der Gesellschafter abbilden soll und nur Gesellschafter, die in der Liste aufgenommen sind, gegenüber der GmbH legitimiert sind, die Rechte der Gesellschafter wahrzunehmen (§ 16 Abs. 1 GmbHG).

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde eine GmbH-Anteilsabtretung von einem Notar in Basel-Stadt, Schweiz, beurkundet. Dieser Notar reichte eine von ihm erstellte und mit einer Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 GmbHG versehene Gesellschafterliste ein, die den Erwerber als Inhaber der Geschäftsanteile auswies. Das Registergericht lehnte die Aufnahme der Liste in das elektronische Handelsregister ab, da sie nicht von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl unterzeichnet sei. Die Unterzeichnung durch den Schweizer Notar genüge deshalb nicht, weil dieser nicht zuständig sei. Die grundsätzliche Zuständigkeit der Geschäftsführer nach § 40 Abs. 1 GmbHG werde nach Ansicht des Registergerichts nur dann verdrängt, wenn der die Abtretung beurkundende Notar nach § 40 Abs. 2 GmbHG auch zur Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste verpflichtet sei. Der ausländische Notar könne aber nicht durch den deutschen Gesetzgeber zur Erstellung und Einreichung der Gesell- schafterliste verpflichtet werden. Das OLG München als Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Registergerichts bestätigt.

Der BGH hielt dagegen die gegen die Entscheidung des OLG München eingelegte Rechtsbeschwerde für begründet. Das Handelsregister hat nach Ansicht des BGH nur zu prüfen, ob die eingereichte Liste von den Geschäftsführern oder einem Notar stammt, der an den Veränderungen mitgewirkt hat (Prüfung der sog. formalen Einreichungszuständigkeit). Das Handelsregister sei nicht dafür zuständig, die Berechtigung des Geschäftsführers oder Notars zur Einreichung der Liste im konkreten Einzelfall zu überprüfen, da sonst die angestrebte schnelle Veröffentlichung der Liste im Handelsregister nicht erreicht wird. Die von einem ausländischen Notar eingereichte Gesellschafterliste könne vom Registergericht im Rahmen seines formellen Prüfungsrechts nur dann zurückgewiesen werden, wenn dieser unter keinerlei Umständen zur Einreichung einer Gesellschafterliste berechtigt sei. Nach Ansicht des BGH ist dies aber nicht Fall, da auch ein im Ausland ansässiger Notar grundsätzlich zur Einreichung der Gesellschafterliste berechtigt sei, wenn die von ihm vorgenommene Beurkundung einer Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig und deshalb auch im Inland wirksam sei. Die Einreichungskompetenz ergebe sich als Annex zur Beurkundungskompetenz. Ob das Registergericht neben diesem formellen Prüfungsrecht ein beschränktes materielles Prüfungsrecht hat und die Aufnahme einer Gesellschafterliste zumindest dann verweigern kann, wenn die Gesellschafterliste offensichtlich inhaltlich unrichtig ist, lässt der BGH ausdrücklich offen. Denn offensichtliche Unrichtigkeit im Zusammenhang mit einer Auslandsbeurkundung sei nur dann anzunehmen, wenn für das Registergericht ohne Weiteres feststeht, dass die Beurkundung im Ausland nicht gleichwertig sei. Dies sei bei einer Beurkundung bei einem Basler Notar, dessen Gleichwertigkeit zumindest vor dem MoMiG und der Reform des Schweizer Obligationenrechts von 2008 anerkannt war, nicht der Fall. Der BGH bejaht damit entgegen gewichtigen Stimmen im Schrifttum, dass auch nach Änderung des GmbH-Gesetzes durch das MoMiG die Beurkundung einer Anteilsabtretung im Ausland im Grundsatz zulässig sei, wenn die Beurkundung durch den ausländischen Notar gleichwertig ist. Der BGH wiederholt dann zwar in seinem Urteil die bisher von ihm aufgestellten Voraussetzungen zur Gleichwertigkeit. Danach ist Gleichwertigkeit gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deut- schen Notars entsprechende Funk- tion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkun- dungsrechts entspricht.

Die Frage, ob eine Beurkundung durch einen Baseler oder sonstigen Schweizer Notar tatsächlich diesen Anforderungen genügt, hat der BGH allerdings offengelassen, da dies hier nicht entscheidungserheblich war. Leider hat es der BGH damit versäumt, umfassend zu der Frage, wann ein ausländisches Beurkundungsverfahren mit dem deutschen Beurkundungsverfahren vergleichbar ist, Stellung zu nehmen. So ist weiterhin umstritten, ob Gleichwertigkeit erfordert, dass das ausländische Beurkundungsverfahren als gesetzliche Mindestanforderung zwingend das Verlesen der Niederschrift vorsieht oder ob die bloß freiwillige Einhaltung des deutschen Beurkundungsverfahrens ausreichend ist. In dem in der hier besprochenen Entscheidung mehrmals zitierten BGH-Beschluss vom 16. Februar 1981 ist der BGH wohl von einer zwingenden Verlesung bei Beurkundungen ausgegangen. Tatsächlich ist dagegen in vielen Kantonen der Schweiz das Selbstleseverfahren als gleichwertig zugelassen (z.B. § 33 NotariatsG Basel-Stadt). Wenn die Urkunde aber nicht zwingend zu verlesen ist, so handelt es sich aus deutscher Sicht eher um ein Beglaubigungs als um ein Beurkundungsverfahren. Das Selbstleseverfahren ist dem deutschen Beurkundungsverfahren, das zwingend die Verlesung vorsieht, nicht vergleichbar.

Schweizer Notare wie in Basel halten das Beurkundungsverfahren, das dem deutschen vergleichbar ist, dementsprechend nicht wie die deutschen Notare aufgrund ihrer Amtspflicht ein, sondern lediglich aufgrund des Wunsches der Parteien (z.B. § 33 NotariatsG, Basel-Stadt). Ob ein solches Verfahren, dass mithin der Dispositionsfreiheit der Parteien und des Notars unterliegt, dem deutschen Beurkundungsverfahren vergleichbar ist, erscheint zumindest zweifelhaft.

Unerheblich soll es dagegen für die Gleichwertigkeit sein, ob der ausländische Notar genaue Kenntnis vom materiellen deutschen (Gesellschafts-) Recht hat. Der BGH geht vielmehr davon aus, dass die Urkunds- beteiligten dies von einem ausländischen Notar gerade nicht erwarten und hierauf verzichten. Dies erscheint insofern bedenklich, als sich auch der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit stets aus dem materiellen Recht ergibt und der ausländische Notar somit für Fehler in diesem Zusammenhang, die regelmäßig zur Unwirksamkeit des Vertrages führen, den Parteien gegenüber nicht verantwortlich ist. So ist im Schrifttum von Schweizer Berufsträgern bereits darauf hingewiesen worden, dass der Schweizer Notar nicht für die Wirksamkeit der Beurkundung haftet, sondern sich die Parteien insoweit an ihre deutschen Rechtsanwälte halten müssen.

Konsequenzen

In der Praxis ist die Beurkundung durch Baseler oder sonstige Schweizer Notare also weiterhin mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden. Da nunmehr feststeht, dass das Registergericht nur eine ein- geschränkte Prüfungskompetenz im Zusammenhang mit der Aufnahme einer Gesellschafterliste hat, werden sich in Zukunft die Fälle häufen, in denen der Listengesellschafter nicht mit dem wahren Gesellschafter übereinstimmt. Denn eine Gesellschafterliste muss bereits dann vom Handelsregister aufgenommen werden, wenn die ausländische Beurkundung nicht offensichtlich ungleichwertig ist, während es für die Wirksamkeit der Abtretung oder sonstigen Verfügung (z.B. Verpfändung) neben der grundsätzlichen Gleichwertigkeit des Notars auch auf die Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens im konkreten Fall ankommt. Bei den gerade im Zusammenhang mit Verpfändungsverträgen üblichen Legal Opinions werden insbesondere die Banken als Pfandgläubiger bei einer Beurkundung im Ausland darauf zu achten haben, dass diese im Hinblick auf die Wirksamkeit der Beurkundung ohne jegliche Einschränkung und unbedingt abgegeben werden. Auch Erwerber von GmbH-Anteilen sollten die Wirksamkeit von durch Auslandsbeurkundung entstandenen Veränderungen der Gesellschafterstruktur, die in der Gesellschafterliste wiedergegeben sind, genau prüfen.

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Ergebnisverwendung

Satzungsdurchbrechung – Zu den Wirksamkeitsvorausset- zungen eines von der gesellschaftsrechtlichen Regelung abweichenden   Gewinnverwendungsbeschlusses

Dr. Sabine Funke, Rechtsanwältin und Notarin; Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Entscheidung des OLG Dresden betrifft das in der gesellschaftsrechtlichen Praxis häufig vorkommende Thema sog. satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschlüsse. Als satzungsdurchbrechend bezeichnet man einen Gesellschafterbeschluss, der eine Regelung enthält, die zum Gesellschaftsvertrag im Widerspruch steht, ohne diesen jedoch generell für die Zukunft abändern zu wollen. Vielmehr soll für zukünftige Fälle die betroffene gesellschaftsvertragliche Regelung unverändert fortgelten. Dabei ist weiterhin zwischen punktuellen Satzungsdurchbrechungen und Satzungsdurchbrechungen mit Dauerwirkung zu unterscheiden. Unter punktuellen Satzungsdurchbrechungen sind Beschlüsse zu verstehen, bei denen sich die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme erschöpft, wie etwa die Befreiung eines Gesellschafters vom Wettbewerbsverbot für einen ganz konkreten Einzelfall. Eine Satzungsdurchbrechung mit Dauerwirkung liegt demgegenüber dann vor, wenn der vom Gesellschaftsvertrag abweichende Gesellschafterbeschluss eine fortdauernde Wirkung besitzt und sei es auch nur für einen beschränkten Zeitraum. Hierzu gehören etwa Beschlüsse, die einen Gesellschafter generell von einem Wettbewerbsverbot befreien, oder die Wahl von mehr Beiratsmitgliedern für eine bestimmte Periode als dies der Gesellschaftsvertrag vorsieht. Für satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse gelten besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen. Punktuelle Satzungsdurchbrechungen bedürfen nach der höchstrichterlich allerdings noch nicht bestätigten Rechtsprechung zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung sämtlicher Vorschriften über die Änderung des Gesellschaftsvertrages (mit qualifizierter Mehrheit zu fassender und notariell zu beurkundender Gesellschafterbeschluss gemäß § 53 GmbHG), mit Ausnahme der Anmeldung und Eintragung des Beschlusses im Handelsregister. Wird den Voraussetzungen an die Beschlussfassung nicht entsprochen, ist der Beschluss wohl anfechtbar. Haben jedoch sämtliche Gesellschafter dem Beschluss zugestimmt, so ist der Beschluss wirksam.Satzungsdurchbrechungen mit Dauerwirkung bedürfen zu  ihrer Wirksamkeit ebenalls der Einhaltung sämtlicher Vorschriften über die Änderung des Gesellschaftsvertrages, allerdings zusätzlich der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister (§ 54 GmbHG). Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, ist der Beschluss unwirksam und zwar auch dann, wenn ihm sämtliche Gesellschafter zugestimmt haben.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

In dem vom OLG Dresden zu entscheidenden Fall gab der Gesellschaftsvertrag vor, vom Jahresüberschuss der Gesellschaft vor Steuern abzüglich eines Verlustvortrages ein Viertel in die Gewinnrücklage einzustellen und den verbleibenden Betrag grundsätzlich an die Gesellschafter auszuschütten. Die Gesellschafter fassten über mehrere Jahre hiervon abweichende Gesellschafterbeschlüsse, die im Wesentlichen zu niedrigeren Rücklagenzuführungen und höheren Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter führten. Da für keinen der Gesellschafterbeschlüsse die Vorschriften über Gesellschaftsvertragsänderungen eingehalten wurden, fassten die Gesellschafter später in einer notariell beurkundeten Gesellschafterversammlung einen Bestätigungsbeschluss, mit dem sämtliche der satzungsdurchbrechenden Gewinnverwendungsbeschlüsse bestätigt wurden. Dieser wurde anschließend zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das Registergericht lehnte die Eintragung des Bestätigungsbeschlusses ab, da die Gewinnverwendungsbeschlüsse nicht bewusst entgegen der gesellschaftsvertraglichen Regelung gefasst worden und daher nicht satzungsdurchbrechend seien. Hiergegen richtete sich die Beschwerde, über die das OLG Dresden zu ent- scheiden hatte. Das OLG Dresden ist der Sichtweise des Registergerichts zu Recht nicht
gefolgt. Zutreffend weist das Gericht zunächst darauf hin, dass es für den Begriff der Satzungsdurchbrechung unerheblich sei, ob die Gesellschafter bei ihrer Beschlussfassung eine Satzungsänderung bewusst herbeiführen wollen oder nicht. Das Gericht stuft sodann die Gewinnverwendungsbeschlüsse, und zwar jeden einzelnen von ihnen, als satzungsdurchbrechende Beschlüsse mit Dauerwirkung ein und nicht lediglich als punktuelle Satzungsdurchbrechung. Die Ausschüttung der für die Rücklagen gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Beträge wirke sich nämlich über die laufende Abrechnungsperiode aus, da die nicht für die Rücklagen verwendeten Beträge auch in zukünftigen Perioden nicht mehr als Eigenkapital zur Verfügung stünden. Eine Heilung der Beschlüsse komme nur durch beurkundeten Bestätigungsbeschluss und dessen Eintragung in das Handelsregister in Betracht.Für die Praxis bedeutet die Entscheidung für vergleichbare Fälle ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit. Die Entscheidung zeigt zugleich aber auch, dass bereits bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages mögliche Durchbrechungen der gesellschaftsrechtlichen Regelung durch entsprechende Öffnungsklauseln antizipiert werden sollten. Denn eine Satzungsdurchbrechung liegt dann nicht vor, wenn der Gesellschaftsvertrag die Abweichung von der fraglichen Satzungsregelung gestattet. Dabei ist zu beachten, dass Öffnungsklauseln immer für jeden konkreten Einzelfall angeordnet werden müssen. Ein lediglich allgemeiner Vorbehalt im Gesellschaftsvertrag zugunsten abweichender Gesellschafterbeschlüsse oder schematische Vorbehaltsklauseln für eine Vielzahl von gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen sind nach allgemeiner Auffassung nicht genügend.

Bedingung und Zeitbestimmung

Publizitätswirkung der GmbH Gesellschafterliste – Kein gutgläubiger Zweiterwerb eines zuvor bereits aufschiebend bedingt abgetretenen GmbH-Geschäftsanteils

Dr. Sabine Funke, Rechtsanwältin und Notarin, Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

  1. Das Registergericht ist berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen §40 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt.
  1. Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach § 161 3 BGB i.V.m. § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.

 

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der vorstehend mit seinen amtlichen Leitsätzen wiedergegebene Beschluss des BGH nimmt zu einer der seit Reform des GmbHG durch das MoMiG in Schrifttum und obergerichtlicher Rechtsprechung umstrittensten Fragen im Zusammenhang mit der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen Stellung. In der Vertragspraxis ist es zur Gewährleistung einer Zug- um-Zug Abwicklung üblich, die Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen aufschiebend durch den Eingang des Kaufpreises beim Veräußerer zu bedingen. Dadurch wird sichergestellt, dass der Veräußerer die Rechtsinhaberschaft an dem veräußerten Geschäftsanteil erst dann verliert, wenn er auch den vereinbarten Kaufpreis erhalten hat. Gleichzeitig ist der Erwerber gesetzlich geschützt, falls der Veräußerer den Geschäftsanteil bis zum Bedingungseintritt an einen Dritten veräußert. § 161 Abs. 1 BGB bestimmt nämlich, dass mit Bedingungseintritt (Kaufpreiszahlung) jede in der Zwischenzeit vorgenommene weitere Verfügung (Veräußerung, Belastung) unwirksam ist. Auf dieser Schutzwirkung des § 161 Abs. 1 BGB basiert auch die Absicherung des Treugebers bei Treuhandverträgen (aufschiebend auf die Beendigung des Treuhandvertrages bedingte Abtretung des Geschäftsanteils an den Treugeber) sowie des Übergebers bei vorweggenommener Erbfolge (bedingte Rückabtretung für den Fall der Ausübung vertraglich vereinbarter Widerrufsrechte). Durch die mit dem MoMiG erstmals eingeführte Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen ist fraglich geworden, ob sich durch die aufschiebend bedingte Abtretung allein die gewünschte Absicherung der Vertragsparteien weiterhin erreichen lässt. Denn die Sicherung des Ersterwerbers bei bedingter Abtretung versagt nach § 161 Abs. 3 BGB grundsätzlich gegenüber einem gutgläubigen Zweiterwerber. Die herrschende Meinung im Schrifttum hielt die aufschiebend bedingte Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen für einen Anwendungsfall des § 161 Abs. 3 BGB, da die Gesellschafterliste infolge der bedingten Abtretung unrichtig sei und daher ein gutgläubiger (Zweit-)Erwerb von dem nicht mehr berechtigten, aber weiterhin in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter in Betracht komme mit der Folge, dass der Ersterwerber bei Bedingungseintritt den Geschäftsanteil nicht erwerbe. Die Praxis hat hierauf reagiert und im Wesentlichen zwei Modelle zur Sicherung der Rechtsposition des Ersterwerbers entwickelt. Beim sog. Zwei-Listen-Modell wurde unmittelbar im Anschluss an die Beurkundung eine erste Gesellschafterliste eingereicht, die den mit Bedingungseintritt erfolgenden, zukünftigen Erwerb durch den Käufer durch einen entsprechenden Vermerk ankündigte, und eine zweite Liste nach Bedingungseintritt, d.h. nach erfolgter Abtretung. Beim Widerspruchsmodell bewilligte der Verkäufer die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der Gesellschafterliste. Beide Varianten zielen darauf ab, die fehlende Berechtigung des Gesellschafters offenzulegen und so einen etwaigen guten Glauben auszuschließen. Nicht geeignet sind diese Sicherungsmittel allerdings bei Treuhandverträgen, bei denen typischerweise gerade keine Transparenz hinsichtlich des wirtschaftlich Berechtigten gewollt ist. Dem Sachverhalt des BGH Beschlusses lag das vorstehend beschriebene Zwei-Listen-Modell zugrunde. Das Registergericht hat die Aufnahme der unmittelbar nach der bedingten Abtretung eingereichten und mit entsprechendem Vermerk versehenen ersten Liste abgelehnt und wurde darin durch das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht bestätigt. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde beim BGH.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BGH hat die Entscheidungen des Registergerichts und des Oberlandesgerichts bestätigt und entschieden, dass das Registergericht berechtigt sei, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die keine Veränderungen in der Person der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern nur ankündigt. Weiterhin hat der BGH entschieden, dass das in § 161 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Prioritätsprinzip, das den Ersterwerber nach einer bedingten Anteilsabtretung gegen einen Zweiterwerb schützt, durch die Einführung des gutgläubigen Erwerbs in § 16 Abs. 3 GmbH nicht außer Kraft gesetzt wurde. Ein vorrangiger Schutz des gutgläubigen Zweiterwerbers nach § 161 Abs. 3 BGB komme nur dann in Betracht, wenn nach den einschlägigen Vorschriften über den jeweiligen Verfügungsgegenstand der gute Glaube in die Verfügungsbefugnis geschützt sei. Bei GmbH- Geschäftsanteilen erstrecke sich der

Stiftung

Gutglaubensschutz der Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 3 GmbHG aber nur auf den guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft des eingetragenen Gesellschafters. Die Gesellschafterliste begründe dagegen keinen Vertrauenstatbestand für die Freiheit des Geschäftsanteils von Belastungen (Nießbrauch, Pfandrecht) oder dafür, dass der Gesellschafter gesellschaftsvertraglich in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit. Da ein gutgläubiger Erwerb der Geschäftsanteile von demjenigen, der diese bereits aufschiebend bedingt übertragen hat, nicht möglich ist, bedarf es keiner weiteren Maßnahmen zur Sicherung des endgültigen Erwerbs durch den Käufer. Die damit einhergehende und dem gesetzgeberischen Plan, die Due Diligence Prüfung bei Anteilskäufern zu erleichtern zuwiderlaufende weitere Beschränkung der Reichweite des § 16 Abs. 3 GmbHG ist zugunsten dieses Zugewinns an Rechtssicherheit hinzunehmen. Entschieden hat der BGH ferner, dass es nicht im Belieben der Beteiligten steht, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen. Außer dem Tatbestand der erfolgten aufschiebend bedingten Abtretung können somit auch keine sonstigen Verfügungsbeschränkungen und wohl auch keine Belastungen (z.B. Pfandrechte) in die Gesellschafterliste aufgenommen werden. Hierzu hat das OLG München jüngst entschieden, dass das Registergericht berechtigt sei, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die einen Testamentsvollstreckervermerk enthält, da die Gesellschafterliste gerade keinen Vertrauenstatbestand dafür begründe, dass der Gesellschafter in seiner Verfügungsmacht über den Geschäftsanteil beschränkt sei (OLG München, Beschl. v. 15.11.2011, 31 Wx 274/11).

Aktiengesetz

Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern

Beratungsverträge mit Mitgliedern von Aufsichtsräten und Beiräten

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Rechtsanwalt

Zahlungen des Vorstandes an ein Aufsichtsratsmitglied für Dienstverpflichtungen außerhalb seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat sind nur dann erlaubt, wenn der Gesamtaufsichtsrat vorher zustimmt. Die nachträgliche Genehmigung des Gesamtaufsichtsrates ändert an der Pflichtwidrigkeit der Zahlungen nichts.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Aufsichtsräte und Beiräte spielen in Familienunternehmen eine wesentliche Rolle. Zu unterscheiden sind dabei sog. Pflichtaufsichtsräte, also Aufsichtsräte, die nach den gesetzlichen Vorschriften zwingend zu errichten sind, und fakultative Beiräte, also freiwillig von den Gesellschaftern eingesetzte Gremien, für die es keine gesetzlichen Regelungen gibt. Für die Einsetzung von freiwilligen Beiräten bestehen in der Praxis unterschiedlichste Motive, beispielsweise die Kontinuitätssicherung in der Unternehmensnachfolge, die Moderation zwischen verschiedenen Gesellschaftern oder Familienstämmen, die Beratung und Überwachung bei Einsetzung eines Fremdmanagements oder die Koordination auseinanderstrebender Gesellschafterinteressen (vgl. dazu Wiedemann/Kögel, Beirat und Aufsichtsrat  im Familienunternehmen, §4, S. 9 ff.). Häufig spielen Aufsichtsräte in Familienaktiengesellschaften oder freiwillig eingesetzte Beiräte bei der Umsetzung der Unternehmensnachfolge eine wesentliche Rolle, geben sie doch dem Unternehmer, der die operative Führung auf die nächste Generation überleitet, die Möglichkeit für einen stufenweisen Ausstieg durch die Wahrnehmung einer Funktion im Aufsichtsrat oder Beirat des Unternehmens. Eine solche Konstellation bietet einerseits die Möglichkeit, dass der übergebende Unternehmer den „Junioren“ weiterhin mit Rat und Tat zur Seite steht, gleichzeitig aber seine Funktion „kanalisiert“ wird. Häufig werden solche Mandate in Aufsichtsrats- und Beiratsgremien durch entsprechende Beraterverträge begleitet.

Die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit der Frage der Zulässigkeit solcher Beratungsverträge beschäftigt. Hintergrund hierfür ist die Vorschrift des § 114 AktG, die klarstellt, dass ein Aufsichtsratsmitglied keine besonderen Vergütungen für Leistungen erhalten kann, die zum Bereich seiner Aufsichtsratstätigkeit gehören. Insofern hat die durch die Hauptversammlung bzw. Satzung festgelegte Aufsichtsratsvergütung abschließenden Charakter. Das Aktiengesetz lässt es aber zu, dass mit Aufsichtsratsmitgliedern Beratungsverträge abgeschlossen werden, stellt diese jedoch unter den Vorbehalt der Zustimmung durch das Gesamtgremium. Solchen Beratungsverträgen zugänglich sind aber nur Tätigkeiten, die von der eigentlichen Aufsichtsratstätigkeit klar getrennt sind. Ob es sich im Einzelfall um eine einer vertraglichen Regelung zugänglichen Tätigkeit handelt, war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von höchstrichterlichen Entscheidungen. So hat der BGH bspw. klargestellt, dass die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, auch die Pflicht beinhaltet, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten (vgl. dazu BGHZ 114, 127, 129 f. = NJW 1991, 1830, 1831). In einer anderen Entscheidung hat der BGH dargelegt, dass es nicht ausreicht, wenn der Beratungsvertrag die Beratung „in betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fragen“ durch das Aufsichtsratsmitglied vorsieht. Durch einen solchen Beratungsgegenstand ist keine hinreichende Abgrenzung zwischen der Beratungstätigkeit und der Organtätigkeit gewährleistet (vgl. dazu BGH, BB 2007, 1185 ff.).

Ob diese Grundsätze auch für freiwillige Beiräte gelten, bei denen die vorgenannte Vorschrift des § 114 AktG nicht unmittelbar Anwendung findet, wurde von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden. In der Literatur wird dies zumindest dann teilweise bejaht, wenn dem Beirat eine einem Pflichtaufsichtsrat vergleichbare Funktion und Aufgabenstellung zukommt (vgl. dazu bspw. Weiss BB 2007, 1853, 1858 ff.).

Großes Aufsehen hatte vor einigen Jahren eine Entscheidung des OLG Frankfurt erregt, die sich mit der Frage beschäftigt hat, ob ein Aufsichtsratsmitglied bei der Beschlussfassung über die Zustimmung zu dem ihn betreffenden Beratungsvertrag stimmberechtigt ist (OLG Frankfurt, AG 2005, 925). Das Gericht hat dies verneint und weiter ausgeführt, dass der Beschluss eines dreiköpfigen Aufsichtsrats über die Zustimmung mangels Beschlussfähigkeit auch dann unwirksam sei, wenn sich das betroffene Aufsichtsratsmitglied der Stimme enthalte (vgl. OLG Frankfurt AG 2005, 925). Folge dieser Entscheidung wäre gewesen, dass Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern in Aufsichtsräten, die sich lediglich aus drei Personen zusammensetzen, nicht genehmigungsfähig wären, da für die Beschlussfähigkeit eines Aufsichtsrats mindestens drei Personen an der Beschlussfassung teilnehmen müssen. Der BGH, der die Frage, ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist, zunächst offengelassen hatte (vgl. BGH, NZG 2007, 103, 105), hat in einer späteren Entscheidung entgegen dem OLG Frankfurt entschieden, dass die Beschlussfähigkeit eines dreiköpfigen Aufsichtsrats auch dann besteht, wenn ein Aufsichtsratsmitglied nicht stimmberechtigt ist. Das vom Stimmverbot betroffene Aufsichtsratsmitglied kann – und muss – sich der Stimme enthalten und so durch seine „Teilnahme“ an der Abstimmung über die Genehmigung des Beratungsvertrags die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats herstellen (vgl. BGH, BB 2007, 1185, 1187).

Kaum hat sich nunmehr die Diskus- sion über die Zulässigkeit von Bera- tungsverträgen mit Aufsichtsrats- mitgliedern etwas beruhigt, ist es erneut das OLG Frankfurt, das für erhebliche Unruhe in der Gestaltungspraxis sorgt, indem es entgegen der ganz herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. dazu die Hinweise bei Wiedemann/Kögel, a.a.O., §11, Rn. 13, Fn. 25 und Drygala ZIP 2011, 428, Fn. 3) die nachträgliche Genehmigung von Beratungshonoraren als Gesetzesverstoß einstuft.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Das OLG Frankfurt hatte sich mit der Berufung der Fresenius SE gegen ein erstinstanzliches Urteil zu beschäftigen, mit dem die Entlastungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat aus der Hauptversammlung 2009 für nichtig erklärt worden waren. Diese Entlastungsbeschlüsse waren mit dem Argument von zwei Aktionären angefochten worden, dass einem Aufsichtsratsmitglied Beratungshonorare auf der Grundlage eines Beratungsvertrags ausgezahlt wurden, die nicht vorherig, also vor Zahlung der Beratungshonorare, durch den Aufsichtsrat, sondern erst nachträglich genehmigt wurden. Die beklagte Fresenius SE machte u.a. geltend, dass der Aufsichtsrat ein jährliches Budget vorab freigegeben hatte und nur die konkreten Zahlungen nachträglich genehmigt wurden.

Das OLG Frankfurt sieht in dieser der Praxis entsprechenden Handhabung „schwere und eindeutige Gesetzesverstöße, die zur Versagung der (Gesamt-)Entlastung nach § 120 Abs. 1 AktG führen mussten.“ Nach Ansicht des OLG Frankfurt beinhaltet § 114 AktG eine Verhaltensregelung mit dem Zweck, eine Abhängigkeit des überwachenden Organs vom überwachenden Organ zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund sollen Zahlungen an Aufsichtsratsmitglieder für Beratungsleistungen nur bei vorheriger Zustimmung durch den Aufsichtsrat erlaubt sein. Auch die nachträgliche Genehmigung kann nach Ansicht des OLG Frankfurt das „tatsächliche Fehlverhalten nicht ungeschehen machen“. Das OLG Frankfurt stellt dabei auf die „Pflichtwidrigkeit der Zahlung“ ab.

Sollte sich die Ansicht des OLG Frankfurt durchsetzen, wird dies sicherlich zu einer Neustrukturierung der Beratungsmandate in der Praxis in dem Sinne führen, dass Vergütungen vor deren Auszahlung stets dem Zustimmungsvorbehalt durch den Gesamtaufsichtsrat unterworfen werden. Diese Vorgehensweise kann wiederum im Widerspruch zu einem anderen oben bereits erwähnten Vorteil des OLG Frankfurt stehen, wonach eine nachträgliche Konkretisierung eines Beratungsvertrags ebenfalls unzulässig sein soll (vgl. AG 2005, 925). Die Anwendung beider Vorteile des OLG Frankfurt würde faktisch dazu führen, dass nur solche Beratungsleistungen genehmigungsfähig wären, die erstens vor Erbringung der Leistungen konkret definiert werden können und die zweitens einschließlich des dafür vorgesehen Beratungshonorars zuvor durch den Aufsichtsrat genehmigt werden. Ein Verfahren, das in vielen Fällen kaum praktikabel ist und dem Wortlaut des § 114 AktG, der gerade von der Zulässigkeit von Beratungsverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern ausgeht, zuwiderläuft.

Für die Gestaltungspraxis bleibt zu hoffen, dass der BGH, wie bereits in dem oben geschilderten Fall, nochmals die Möglichkeit bekommt, auch dieses Urteil des OLG Frankfurt „geradezurücken“. Anlass hierfür hätte der BGH ausreichend, spricht doch beispielsweise § 114 Abs. 1 AktG von „Zustimmung“, die, sofern das Gesetz hierzu keine andere Aussage trifft, sowohl als vorherige Einwilligung als auch als nachträgliche Genehmigung zu verstehen ist. Ferner hat sich das OLG Frankfurt überhaupt nicht mit dem Wortlaut des § 114 Abs. 2 AktG auseinandergesetzt, der explizit die (nachträgliche) Genehmigung durch den Aufsichtsrat zulässt. Das OLG Frankfurt hat die Revision zwar nicht zugelassen; die Nichtzulassungsbeschwerde ist aber derzeit beim BGH anhängig.

Willenserklärung

Sittenwidriges Rechtsgeschäft

Nichtigkeit eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots trotz gesellschaftsvertraglicher Befreiungsmöglichkeit

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Rechtsanwalt

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit eines GmbH- Gesellschafters, der durch ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot bewirkt wird, das in gegenständlicher Hinsicht über die schützenswerten Interessen der Gesellschaft hinausgeht und den verpflichteten Gesellschafter übermäßig beschränkt, kann nicht durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung gerechtfertigt werden, wonach durch Gesellschafterbeschluss Befreiung von dem Wettbewerbsverbot erteilt werden kann.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Familienunternehmen verfügen häufig über ein spezielles Know-how, das es ihnen ermöglicht, in bestimmten Nischen erfolgreich zu agieren. Der Schutz dieses Know-hows hat für Familienunternehmen erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Ein wichtiges Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, stellen gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote für Gesellschafter und Geschäftsführer dar. Vor diesem Hintergrund verdient die Entscheidung des OLG München Beachtung. Das OLG München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot, das in gegenständlicher Hinsicht über die schützenswerten Interessen der Gesellschaft hinausgeht, dadurch Wirksamkeit erlangen kann, dass im Gesellschaftsvertrag eine Regelung vorhanden ist, wonach die Gesellschafter Befreiung von dem Wettbewerbsverbot erteilen können.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der Entscheidung des OLG München lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die klagende GmbH macht gegen einen ihrer Minderheitsgesellschafter einen Vertragsstrafenanspruch gemäß den gesellschaftsvertraglichen Regelungen wegen des Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot durch Entwicklung und Vertrieb eines Konkurrenzprodukts geltend. Das im Gesellschaftsvertrag geregelte Wettbewerbsverbot hat folgenden wesentlichen Inhalt:

„[…] dementsprechend ist es den Gesellschaftern […] nicht gestattet, unmittelbar oder mittelbar, in eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung, selbstständig oder unselbstständig in einem Betrieb tätig zu sein, der dem Betrieb einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft der Gesellschaft gleichartig ist oder mit ihm im Wettbewerb steht oder stehen könnte oder im wesentlichen Umfang Geschäftsbeziehungen mit einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft unterhält. Wesentlich i.d.S. sind Geschäftsbeziehungen mit Leistungsvergütungen im Wert von mindestens 10.000,- p.a.. Unzulässig ist insoweit auch eine freiberufliche oder beratende Tätigkeit […].

Das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot enthält sodann noch eine Regelung für den räumlichen Anwendungsbereich (geografische Begrenzung) und die angesprochene Vertragsstrafenklausel.

Der Gesellschaftsvertrag weist schließlich folgende Regelung auf:

„Durch Gesellschafterbeschluss kann Befreiung von dem vorstehenden Wettbewerbsverbot erteilt werden.“

Das OLG München führt in seinen Entscheidungsgründen zutreffend aus, dass gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote vom Grundsatz zulässig sind, sich aber hinsichtlich ihrer Wirksamkeit an den von § 1 GWB und von Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgegebenen Grenzen messen lassen müssen. Ferner sind Wettbewerbsverbote am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu prüfen, da sie regelmäßig die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit tangieren. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt BGH, GmbHR 2010, 256) ist ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot nur zulässig, wenn es nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen der begünstigten Gesellschaft hinausgeht und den verpflichteten Gesellschafter nicht übermäßig beschränkt. Hierzu ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls anzustellen.

Im vorliegenden Fall hatte das OLG München die Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots angenommen, weil es in gegenständlicher Hinsicht über die schützenswerten Interessen der GmbH hinausgeht und den Gesellschafter übermäßig beschränkt, da ihm jegliche unmittelbare oder mittelbare Tätigkeit in einem Betrieb untersagt ist, der dem Betrieb einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft der GmbH gleichartig ist oder mit ihm im Wettbewerb steht „oder stehen könnte“. Entscheidend war dabei für das OLG München, dass sich das Wettbewerbsverbot auch auf Tätigkeiten in Unternehmen erstreckt, die potentiell mit der Gesellschaft im Wettbewerb stehen könnten.

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BGH, dass bei einem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot hohe Sorgfalt bei der Formulierung des räumlichen und gegenständlichen, aber auch zeitlichen Anwendungsbereichs verwendet werden muss. Der zeitliche Anwendungsbereich war im vorliegenden Fall nicht kritisch, da kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Gesellschaftsvertrag enthalten war. Insofern sollte eine zeitliche Erstreckung des Wettbewerbsverbots auf einen Zeitraum von mehr als zwei bis drei Jahren nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters nicht in Erwägung gezogen werden. Bei der Ausgestaltung des räumlichen und gegenständlichen Anwendungsbereichs ist stets darauf zu achten, dass ein Wettbewerbsverbot nur gerechtfertigt ist, um zu verhindern, dass die Gesellschaft durch einen Gesellschafter von innen her ausgehöhlt und ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird (vgl. dazu BGH, GmbHR 2010, 256). Zu berücksichtigen sind ferner die Besonderheiten des Einzelfalls, also beispielsweise, ob es sich bei dem von dem Wettbewerbsverbot betroffenen Gesellschafter um einen Mehrheitsgesellschafter handelt, der die Möglichkeit hat, strategischen Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, oder ob er auch als Geschäftsführer der Gesellschaft fungiert. Beides war im vorliegenden Fall nicht gegeben, was das OLG München zugunsten des von der Vertragsstrafe betroffenen Gesellschafters gewürdigt hatte.

Die sorgfältige Formulierung des gegenständlichen Anwendungsbereichs eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots hat auch vor folgendem Hintergrund hohe Relevanz: So ist ein Wettbewerbsverbot, das in gegenständlicher Hinsicht unzulässig ist, stets nichtig, ohne Rücksicht darauf, ob im Außenverhältnis tatsächlich eine Wettbewerbsbeschränkung spürbar ist (vgl. hierzu BGH, NZG 2010, 76, BGH, NJW 2009, 1751). Zudem kommt eine sog. geltungserhaltende Reduktion, also eine Zurückführung des Wettbewerbsverbots auf den zulässigen Umfang, bei einem Verstoß gegen die gegenständlichen Grenzen nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht in Betracht. Etwas anderes gilt, wenn das Wettbewerbsverbot lediglich das zeitlich zulässige Maß überschreitet.

Das OLOG München hat schließlich festgestellt, dass eine gesellschaftsvertragliche Regelung, wonach einem Gesellschafter von dem Wettbewerbsverbot durch Gesellschafterbeschluss Befreiung erteilt werden kann, nicht genügt, um eine Überschreitung des gegenständlichen Anwendungsbereichs des Wettbewerbsverbots zu rechtfertigen. Wird das Verlangen eines Gesellschafters, im konkreten Einzelfall Befreiung von dem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot erteilt zu bekommen, durch Gesellschafterbeschluss aus sachwidrigen Gründen zurückgewiesen, hätte der hiervon betroffene Gesellschafter zwar die Möglichkeit, den Gesellschafterbeschluss anzufechten, bis zum rechtskräftigen Ausgang des Gerichtsverfahrens bliebe er aber von dem Wettbewerbsverbot und insbesondere der Vertragsstrafenklausel betroffen. Eine solche Befreiungsregelung im Gesellschaftsvertrag ist deswegen nach Ansicht des OLG München nicht geeignet, einen unzulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Befreiungsklausel im Gesellschaftsvertrag sachliche Kriterien enthält, bei deren Vorliegen jedem Gesellschafter ein Anspruch auf Befreiung von dem Wettbewerbsverbot zusteht. Kriterium hierfür kann beispielsweise die tatsächliche wesentliche Beeinträchtigung des in Rede stehenden Verhaltens eines Gesellschafters für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens sein.

Das OLG München hat die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist derzeit beim BGH anhängig.

Hessisches Stiftungsgesetz

Stiftung von Todes wegen Vereinbarkeit einer Stiftung von Todes wegen mit Dauertestamentsvollstreckung; Anerkennung einer Stiftung von Todes wegen bei angeordnetem Nießbrauch

Prof. Dr. Knut Werner Lange, Universität Bayreuth

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Errichtung einer Stiftung wird zunehmend als ein Element der vorausschauenden Nachfolgeplanung sowohl für das private als auch für das unternehmerische Vermögen begriffen. Dabei ist es grundsätzlich möglich, die Stiftung sowohl zu Lebzeiten des Erblassers zu errichten als auch eine Stiftung von Todes wegen vorzusehen (vgl. § 83 S. 1 BGB), zumal im zweiten Fall der Erbe keine Widerrufsmöglichkeit besitzt. Die entsprechende Vermögenszuwendung an die Stiftung kann in einer Erbeinsetzung, einem Vermächtnis oder aber in der Begünstigung durch eine Auflage bestehen. Nach dem Tod des Erblasser/Stifters ist der Antrag auf staatliche Anerkennung an die nach Landesrecht zuständige Behörde zu richten. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wird in der einschlägigen Fachliteratur die Ernennung eines Testamentsvollstreckers empfohlen, der nach dem Erbfall das Anerkennungsverfahren durchzuführen und den Nachlass in die Stiftung zu überführen hat (vgl. Hof in Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts Handbuch, 3. Aufl. 2009, § 6 Rn. 106; R. Kössinger in Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 4. Aufl. 2011, § 15 Rn. 289). Bei der Beschreibung seines Aufgabenbereichs ist allerdings größte Sorgfalt geboten, wie der vom OLG Frankfurt entschiedene Fall nachhaltig vor Augen führt.

Zum Sachverhalt

Die Erblasserin war vor neun Jahren (!) verstorben. Sie hatte in ihrer Verfügung von Todes wegen die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung verfügt und zugleich Dauertestamentsvollstreckung über die Verwaltung ihres Nachlasses angeordnet. Darüber hinaus hatte sie einem Vermächtnisnehmer den Nießbrauch am Nachlass zugewandt. Nachdem die Stiftung errichtet worden war, stritten Stiftung und Testamentsvollstrecker darüber, ob der Testamentsvollstrecker der Stiftung das ihr zugewandte Vermögen zu überlassen habe. Dies hing davon ab, ob die Testamentsvollstreckung beendet sei bzw. ob der Testamentsvollstrecker nach § 2217 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet gewesen war, die Nachlassgegenstände herauszugeben.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Soweit ersichtlich hat seit vielen Jahrzehnten zum ersten Mal (zuvor nur KG OLGE 34, 298, 300 aus dem Jahr 1915) ein OLG die Frage entschieden, ob die Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung (§ 2209 S. 1 Halbs. 2 BGB) mit der Einsetzung einer Stiftung zum Erben vereinbar ist. Diese besondere Form der Testamentsvollstreckung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Testamentsvollstrecker den Nachlass über einen langen Zeitraum hinweg verwalten soll. Daher führt die Erledigung der ihm sonst zugewiesenen Aufgaben nicht zur Beendigung der Testamentsvollstreckung. Vielmehr dauert sie solange fort, wie es vom Erblasser angeordnet worden ist. Die Höchstgrenze einer Dauervollstreckung beträgt 30 Jahre und kann ausnahmsweise sogar über eine noch längere Zeitspanne hinweg angeordnet werden, § 2210 S. 2 BGB. Die so geschaffene Rechtsstellung hat den Charakter eines dinglich wirkenden Verwaltungsrechts an einem fremden Vermögen (Lange, Erbrecht, 2011, Kap. 15 Rn. 15). Damit weicht die Dauertestamentsvollstreckung erheblich von der Figur der begleitenden Testamentsvollstreckung ab, die zweckmäßigerweise allein dazu genutzt wird, den Nachlass geordnet in die Stiftung einzubringen. Zugleich kommt es zu Kollisionen mit elementaren Grundsätzen des Stiftungsrechts, da auf diese Weise sowohl die Stiftungsorgane dauerhaft von der Verwaltung des Stiftungsvermögens ausgeschlossen werden als auch die Stiftung der staatlichen Stiftungsaufsicht entzogen wird. Zu Recht ist daher schon vor der Entscheidung in der Literatur die Zulässigkeit der Kopplung von Dauertestamentsvollstreckung und Berufung einer Stiftung als Erbin verneint worden (Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Stand 2011, § 83 Rn. 19; MünchKomm-BGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, § 83 Rn. 12; a.A. jedoch Schewe, ZSt 2004, 301, 305). In einer ersten Besprechung ist bezweifelt worden, ob diese Aussage in ihrer Allgemeinheit zutreffend sei. Man solle vielmehr die Dauertestamentsvollstreckung als „temporäre Oberaufsicht“ zulassen, um namentlich das Recht der Destinatäre auf Leistungen durch die Stiftung abzusichern (so Reimann, ZEV 2011, 609). So wichtig eine Art Aufsicht über die Stiftungsorgane im Einzelfall sein kann, so erscheint doch das Amt des Dauertestamentsvollstreckers dazu nicht geeignet zu sein. Auch wenn eine höchstrichterliche Klärung der Frage aussteht, so sollte sich die Praxis mit Blick auf die Judikatur des OLG Frankfurt und die überwiegende Auffassung der Kommentarliteratur darauf einstellen, dass eine Dauertestamentsvollstreckung am Stiftungsvermögen überwiegend als nicht zulässig angesehen wird. Vom OLG Frankfurt kaum thematisiert, aber nicht weniger spannend ist die Frage, ob eine Stiftung überhaupt anerkennungsfähig sein kann, wenn ihr Vermögen nießbrauchsbelastet ist. Das OLG meint nur recht lapidar, die Rechtsfähigkeit der Stiftung stoße auf Bedenken, weil sie „nach der Anordnung des Testaments keine effektive Vermögensausstattung erhalten hätte, da das Besitz- und Nutzungsrecht vollständig den Nießbrauchern zugestanden hätte“. Diese Aussage ist nur dann zutreffend, wenn die Stiftung über keinerlei sonstige Mittel verfügen sollte, um ihr laufendes Stiftungsgeschäft zu betreiben. Beim Quotenvermächtnis ist das aber nicht notwendig der Fall, da dem Bedachten lediglich ein Bruchteil (Quote oder Prozentsatz) von dem Barerlös des nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten verbleibenden Nachlassrestes vermacht ist (Lange, Erbrecht, 2011, Kap. 6 Rn. 109). Zudem ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln, wie der Erblasserwille in einer solchen Konstellation lautet. Dennoch sollte die Praxis in diesem Punkt Zurückhaltung üben, da die Folgen der Rechtsauffassung des OLG Frankfurt sehr problematisch sein können. Ist die Auflösung des Nießbrauchs nicht wie hier möglich, droht die Zurückstellung der Anerkennung bis zur Beendigung des Nießbrauchs. Dies kann zu jahrelangen Schwebezuständen führen, etwa wenn der Nießbrauch auf Lebzeiten des Berechtigten angeordnet worden ist. Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass im Falle der Errichtung einer Stiftung von Todes wegen größtmögliche Sorgfalt an den Tag gelegt werden muss, zumal wenn sie mit weiteren erbrechtlichen Elementen (Quotennießbrauch, Testamentsvollstreckung) verbunden wird.