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Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern

Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt, Dr. Anton Ederle, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Im ersten Heft der FuS (FuS 2011, 35) besprach Wiedemann ein Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 15.02.2011, Az. 5 U 30/10, das für erhebliche Unruhe in der Gestaltungspraxis sorgte. Das OLG Frankfurt erklärte die Auszahlung von Beratungshonoraren an ein Aufsichtsratsmitglied der Fresenius SE für pflichtwidrig, weil sie ohne vorherige Zustimmung des Gesamtaufsichtsrates erfolgte, obwohl der Gesamtaufsichtsrat die Zahlung im Nachhinein genehmigte. Es handele sich so das OLG Frankfurt um einen schweren und eindeutigen Gesetzesverstoß, der zur Versagung der Entlastung nach 120 Abs. 1 AktG führen müsse. Direkte Relevanz hat diese Thematik für Pflichtaufsichtsräte in der Aktiengesellschaft, der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und der mit bestimmten GmbH. Ob sie auch freiwillige Beratungsgremien wie Beiräte, Verwaltungsräte und Gesellschafterausschüsse betrifft, wie sie insbesondere in Familiengesellschaften verbreitet sind (vgl. Wiedemann, FuS 2011, 35), wurde von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden, wird in der Literatur aber teilweise bejaht (Wiedemann, FuS 2011, 36).

Die Entscheidung des OLG Frankfurt sorgte deshalb für große Unruhe, weil sich viele Unternehmen die Expertise einzelner ihrer Aufsichtsratsmitglieder häufig nicht nur im Rahmen der allgemeinen Aufsichtsratstätigkeit, sondern auch in speziellen Fragen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit nutzbar machen wollen, wofür die Betroffenen aber freilich die Zahlung eines gesonderten, über die bloße Aufsichtsratsvergütung hinausgehenden Beratungshonorars erwarten. In der Praxis hat sich dabei eingebürgert, der Zahlung von Beratungshonoraren nicht bereits im Voraus zuzustimmen, sondern sie erst nachträglich zu genehmigen. Denn ob ein Beratungsvertrag überhaupt genehmigungsfähig ist, kann oft erst im Nachhinein beurteilt werden, ist doch der Umfang des Beratungsgegenstands und der mit der Beratung verbundene Aufwand beispielsweise bei der Übernahme von Prozessvertretungen im Voraus regelmäßig kaum einzuschätzen und damit auch die Angemessenheit der Vergütung sowie die Abgrenzung zur bloßen Organtätigkeit im Voraus nur schwer zu beurteilen.

Dennoch erklärte das OLG Frankfurt diese Praxis für rechtswidrig. Viele Autoren, darunter auch Wiedemann, äußerten die Hoffnung, der BGH werde diese Entscheidung „geraderücken“. Eine Hoffnung, die nun enttäuscht wurde.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BGH hat sich der Entscheidung des OLG Frankfurt weitgehend angeschlossen: Die Vergütung für einen Beratungsvertrag dürfe grundsätzlich erst dann gezahlt werden, wenn der Aufsichtsrat dem Beratungsvertrag zugestimmt hat. Begründet wird dies mit dem Regelungszweck der §§ 113 und 114 AktG. Nach § 113 AktG hat die Hauptversammlung über die Höhe der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zu entscheiden soweit das nicht bereits in der Satzung geschehen ist. Gemäß § 114 AktG hängt die Wirksamkeit eines Beratervertrages mit einem Aufsichtsratsmitglied von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. Der Zweck des § 114 AktG besteht nach Auffassung des BGH zum einen darin, Umgehungen des 113 AktG zu verhindern, indem es dem Aufsichtsrat ermöglicht wird, den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv darauf zu überprüfen, ob er tatsächlich in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 113 AktG nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat.

Der dadurch bewirkte Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, soll diesem zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der Aktiengesellschaft an einzelne Aufsichtsratsmitglieder etwa in Form überhöhter Vergütungen und damit eine denkbare unsachliche, der Erfüllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch den Vorstand verhindern.

Eine nachträgliche Genehmigung schaffe zwar einen Rechtsgrund für die Vergütungszahlung; das betreffende Aufsichtsratsmitglied muss die bereits vereinnahmte Vergütung also nicht zurückzahlen. Eine nachträgliche Genehmigung ersetze aber nicht die präventive Kontrolle durch den Aufsichtsrat, die das Gesetz erfordere. Schon die Zahlung einer zum Zahlungszeitpunkt rechtsgrundlosen Vergütung stelle regelmäßig eine Privilegierung des Aufsichtsratsmitglieds dar, die durch § 114 AktG gerade verhindert werden soll. Die Vergütungszahlung bleibe daher rechtswidrig. Zwar fehle es im vorliegenden Fall anders als vom OLG Frankfurt angenommen an einem schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzverstoß, der eine Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen rechtfertige. Dies aber nur deshalb, weil die Frage, ob eine nachträgliche Genehmigung nicht nur auf den Rechtsgrund der Zahlung, sondern auch auf die Frage der Pflichtgemäßheit der Auszahlung bezogen werden könne, im Jahr 2008 noch nicht höchstrichterlich entschieden war. Die Rechtslage sei damals nicht eindeutig gewesen. Jetzt, mit seiner Entscheidung so wird man den BGH wohl verstehen müssen, ist sie es aber. Auch wenn der BGH zum Gewicht des Gesetzesverstoßes selbst keine Ausführungen macht, droht also künftig die erfolgreiche Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen, wenn Aufsichtsratsmitgliedern ein Beratungshonorar ausgezahlt wird, bevor der Aufsichtsrat dem Beratungsvertrag  zugestimmt hat.

Die zeitliche Verzögerung der Honorarzahlung, so der BGH, sei der Preis, den ein Aufsichtsratsmitglied zahlen müsse, wenn es von der Gesellschaft Aufträge bekommen wolle. Dass das Aufsichtsratsmitglied damit das Risiko eingehen muss, in Vorleistung zu treten und unter Umständen umsonst gearbeitet zu haben, lässt er unerwähnt.

Weitere Hinweise

Bei der Fresenius SE sollen am Anfang jedes Jahres vom Aufsichtsrat eine Obergrenze für Mandate an bestimmte Aufsichtsratsmitglieder oder deren Sozietäten festgelegt und die einzelnen Verträge dann am Ende des Jahres dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt worden sein. Ob die Zahlung eines Beratungshonorars vor Zustimmung des Aufsichtsrates unter diesen Umständen ausnahmsweise rechtmäßig ist, ließ der BGH ausdrücklich offen. Dies wird im Einzelfall davon abhängen, ob dem Zweck des § 114 AktG, durch eine preventive Kontrolle eine Umgehung der 113 AktG und eine Beeinflussung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds zu verhindern, durch hinreichende Konkretisierung ausreichend Rechnung getragen wurde. Für die Praxis empfiehlt es sich künftig, vor der Auszahlung von Beratungshonoraren die Genehmigung durch den Aufsichtsrat abzuwarten, wenn aufgrund der Aktionärsstruktur mit der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen zu rechnen ist.