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Auflösung und Nichtigkeit der Gesellschaft

Gesellschafterdarlehen und Zahlungsunfähigkeit

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

  1. Die Zahlungsunfähigkeit wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht S.d. § 64 Satz 3 GmbHG verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist.
  2. Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nach 64 Satz 3 GmbHG ist eine fällige Forderung des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen.
  3. Im Fall des 64 Satz 3 GmbHG kann die Gesellschaft die Zahlung an den Gesellschafter verweigern.

 

Problemstellung und praktische Bedeutung

Bei der Finanzierung von Familienunternehmen spielen Gesellschafterdarlehen vielfach eine große Rolle. Ist das Unternehmen in einer finanziellen Krise, stellt sich dann die Frage, ob die Gesellschafter den Kredit wieder abziehen können oder in der Gesellschaft belassen müssen. Bei einer GmbH haben die Gerichte diese Frage bis vor wenigen Jahren nach den Regeln des Eigenkapitalersatzrechts gelöst. Dem lag folgender Gedanke zugrunde: Wenn die Gesellschafter Einlagen in das Vermögen der GmbH geleistet hatten, so dürfen sie diese nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen zurückerhalten. Aus der Kapitalerhaltungsregel (Ausschüttungsverbot) des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG folgt bei einer Unterbilanz demnach automatisch ein Zurückbehaltungsrecht für die Gesellschaft. Diese Regeln wandte der Bundesgerichtshof bis 2008 auch auf Leistungen an, die nicht als Einlagen, sondern als sog. „kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen“ in der Krise der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden oder stehengeblieben waren. Eine Klage auf Rückzahlung eines Darlehens war mithin unbegründet, wenn sich die Gesellschaft in einer Krise befand und zur Rückzahlung aus freiem Vermögen nicht in der Lage war.

Mit der GmbH-Reform von 2008 (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008 – MoMiG) hat der Gesetzgeber dieser Rechtsprechung die Grundlage entzogen: Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F. findet das Rückzahlungsverbot auf Darlehen nämlich ausdrücklich keine Anwendung mehr. Dafür wurde die Haftungsnorm des § 64 Satz 3 GmbHG eingeführt. Nach dieser Vorschrift haften die Geschäftsführer einer GmbH für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dass dies nicht erkennbar war. Die neue Norm hat große Diskussionen ausgelöst. Für die Geschäftsführer einer GmbH war oft unklar, wie sie sich verhalten sollen, wenn seitens eines Gesellschafters eine Zahlung verlangt wird. Mit dieser Frage beschäftigt sich das hier zu besprechende Urteil.

Zum Sachverhalt

Der Kläger und seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau, die alleinige Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der beklagten GmbH ist, gewährten der Beklagten am 01.08.1995 ein Darlehen über 350.000,– DM (178.952,16 `) zur Finanzierung der Einrichtung und des Warenbestandes. Die Beklagte verpflichtete sich, das Darlehen bis spätestens 31.12.2005 zurückzuzahlen.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Hinterlegung des Darlehensbetrages zzgl. Zinsen zu seinen Gunsten und zugunsten seiner früheren Ehefrau. Die beklagte GmbH verweigert die Rückerstattung des Darlehens unter anderem mit der Begründung, die Rückzahlung führe zu ihrer Zahlungsunfähigkeit, sodass sie diese nach § 64 Satz 3 GmbH verweigern könne. Das Landgericht Mainz hat der Klage stattgegeben. Das OLG Koblenz hat sie auf die Berufung der Beklagten als derzeit unbegründet abgewiesen. Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt der Bundesgerichtshof fest, dass der Anwendungsbereich des § 64 Satz 3 GmbHG nur dann eröffnet ist, wenn die Zahlung der Gesellschaft an einen Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit verursacht. Wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist, könne eine Zahlung an den Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr verursachen. Von einer Zahlungsunfähigkeit sei regelmäßig auszugehen, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von 10 % oder mehr besteht und nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Ob bei der Prüfung der Verursachung der Zahlungsunfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG im insolvenzrechtlichen Sinn fällige und durchsetzbare Ansprüche des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zur Ermittlung der Liquiditätslücke einzustellen sind, war bisher äußerst umstritten. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass hierbei fällige Gesellschafterforderungen nicht auszuklammern sind. Wenn unter Berücksichtigung fälliger, d.h. ernsthaft eingeforderter Gesellschafterforderungen bereits eine Deckungslücke von 10 % oder mehr besteht, sei die Gesellschaft zahlungsunfähig und werde die Zahlungsunfähigkeit durch die Zahlung an den Gesellschafter nicht herbeigeführt. § 64 Satz 3 GmbHG verlange die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit und stelle nicht auch auf die Vertiefung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ab.

Insoweit bestehe auch keine Schutzlücke, die geschlossen werden müsste. Der Geschäftsführer hafte bereits nach § 64 Satz 1 GmbHG für geleistete Zahlungen, wenn die Gesellschaft unter Berücksichtigung der Gesellschafterforderung zahlungsunfähig ist. Eine erweiternde Auslegung des § 64 Satz 3 sei auch nicht erforderlich, um der Gesellschaft eine Einrede gegen die Gesellschafterforderung zu gewähren. Wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, habe der Geschäftsführer den Anspruch des Gesellschafters nicht zu befriedigen, sondern Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Das entspreche auch der Konzeption des Gesetzes, nach der die (eingangs dargestellten) Rechtsprechungsregeln, die entsprechend § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. zu einer Durchsetzungssperre für die Gesellschafterforderung führten, mit dem Inkrafttreten des MoMiG abgeschafft sind (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). Der „Nachrang“ der Gesellschafterforderung gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger soll durch die insolvenzrechtlichen Regelungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. § 135 Abs. 1 InsO) gewahrt werden; ernst zu nehmende Schutzlücken sollen nicht entstehen und durch die neuen Regelungen im Anfechtsungsrecht geschlossen werden. Mit einer Interpretation des § 64 Satz 3 GmbHG als Einrede der Gesellschaft gegen fällige Gesellschafterforderungen würde die Durchsetzungssperre aber für einen Teilbereich wieder eingeführt und die Insolvenzantragstellung, da Gesellschafterforderungen nicht durchsetzbar wären und nicht als fällige Forderungen in die Liquiditätsbilanz einzustellen wären, zeitlich verschleppt, obwohl nicht einmal der Gesellschafter die Gesellschaft weiterfinanzieren will.

Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Anwendungsbereich von § 64 Satz 3 GmbHG damit klein ist. Der Gesetzgeber sei nämlich ausdrücklich von einem eng begrenzten Anwendungsbereich ausgegangen. Er habe in der Vorschrift nur eine Ergänzung der Haftung der Gesellschafter auf Existenzvernichtung gesehen. Es bestehe auch über den Fall der – eher theoretischen – Vergrößerung einer Deckungslücke von weniger als 10 % durch die Zahlung hinaus ein Anwendungsbereich gerade im Bereich der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung. So könne die Zahlung einer nicht im insolvenzrechtlichen Sinne fälligen und damit in der Liquiditätsbilanz einzustellende Forderung, etwa eine tatsächlich nicht ernsthaft eingeforderte oder einem Rangrücktritt unterliegende Gesellschafterforderung, die Zahlungsunfähigkeit erst verursachen. Ebenso könne das bei einer Zahlung auf eine Gesellschafterforderung der Fall sein, deren Befriedigung an und für sich nicht zur Zahlungsunfähigkeit führt, von deren Belassen aber Kreditgeber außerhalb des Gesellschafterkreises den Fortbestand, die Verlängerung oder die Gewährung ihrer Kredite abhängig gemacht haben und deren Begleichung sie ihrerseits zum Anlass für eine Kreditrückführung nehmen. Insoweit bestehe nämlich unter Umständen keine anderweitige Haftung des Geschäftsführers, weil der Gesellschaft durch die Zahlung kein Vermögensschaden im i.S.v. § 43 Abs. 2 GmbHG zugefügt werde und die Auszahlung auch nicht gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoße.

Der Bundesgerichtshof bemängelt schließlich, dass das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt habe, dass die Rückzahlung des vom Kläger und der Gesellschafterin gewährten Darlehens die Zahlungsunfähigkeit verursachen würde. Hierzu habe das Berufungsgericht – ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – noch Feststellungen zu treffen. Wenn die Zahlung bzw. die Hinterlegung allerdings die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten verursacht, könne die Gesellschaft die Zahlung verweigern. Die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Satz 3 GmbH und das damit verbundene „Zahlungsverbot“ soll der Gefahr vorbeugen, dass bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit von den Gesellschaftern Mittel entnommen werden. Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn die Gesellschaft den Mittelabfluss verweigern kann und der Geschäftsführer nicht den Mittelabfluss unter Inkaufnahme einer eigenen Haftung bewirken muss. Folgerichtig sei der Geschäftsführer auch an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden (§ 64 Satz 4 GmbHG i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG). Wenn später Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife eintreten, werde über das bis dahin bestehende Leistungsverweigerungsrecht ggf. ein Nachrang der Gesellschafterforderung realisiert (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), und der Insolvenzverwalter sei nicht darauf verwiesen, abgeflossene Mittel über die Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO oder nach § 64 Satz 3 GmbHG zurückzuholen. Ebenso entfalle das Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Gesellschaft der drohenden Zahlungsunfähigkeit begegnen kann und saniert wird.

Fazit

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil für erfreuliche Rechtssicherheit gesorgt. Für die Praxis steht nun fest, dass fällige und ernsthaft eingeforderte Zahlungspflichten gegenüber Gesellschaftern stets im Liquiditätsstatus zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen sind. Der insolvenzbedrohten Gesellschaft steht insoweit kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber Gesellschaftern zu. Klar ist nach dem Urteil auch, dass die viel diskutierte Vorschrift des § 64 Satz 3 GmbHG (und die aktienrechtliche Parallelvorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG) nur einen minimalen Anwendungsbereich hat. Nur wenige Ausnahmefälle werden so gelagert sein, dass nicht schon die Zahlungspflicht zur Zahlungsunfähigkeit führt, sondern erst die Zahlung selbst. In diesen Ausnahmefällen – und nur in diesen – steht der Gesellschaft ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Zahlungsverlangen des Gesellschafters zu.

 

Bedingung und Zeitbestimmung

Publizitätswirkung der GmbH Gesellschafterliste – Kein gutgläubiger Zweiterwerb eines zuvor bereits aufschiebend bedingt abgetretenen GmbH-Geschäftsanteils

Dr. Sabine Funke, Rechtsanwältin und Notarin, Dr. Olaf Gerber, Rechtsanwalt und Notar

  1. Das Registergericht ist berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen §40 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt.
  1. Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach § 161 3 BGB i.V.m. § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.

 

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der vorstehend mit seinen amtlichen Leitsätzen wiedergegebene Beschluss des BGH nimmt zu einer der seit Reform des GmbHG durch das MoMiG in Schrifttum und obergerichtlicher Rechtsprechung umstrittensten Fragen im Zusammenhang mit der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen Stellung. In der Vertragspraxis ist es zur Gewährleistung einer Zug- um-Zug Abwicklung üblich, die Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen aufschiebend durch den Eingang des Kaufpreises beim Veräußerer zu bedingen. Dadurch wird sichergestellt, dass der Veräußerer die Rechtsinhaberschaft an dem veräußerten Geschäftsanteil erst dann verliert, wenn er auch den vereinbarten Kaufpreis erhalten hat. Gleichzeitig ist der Erwerber gesetzlich geschützt, falls der Veräußerer den Geschäftsanteil bis zum Bedingungseintritt an einen Dritten veräußert. § 161 Abs. 1 BGB bestimmt nämlich, dass mit Bedingungseintritt (Kaufpreiszahlung) jede in der Zwischenzeit vorgenommene weitere Verfügung (Veräußerung, Belastung) unwirksam ist. Auf dieser Schutzwirkung des § 161 Abs. 1 BGB basiert auch die Absicherung des Treugebers bei Treuhandverträgen (aufschiebend auf die Beendigung des Treuhandvertrages bedingte Abtretung des Geschäftsanteils an den Treugeber) sowie des Übergebers bei vorweggenommener Erbfolge (bedingte Rückabtretung für den Fall der Ausübung vertraglich vereinbarter Widerrufsrechte). Durch die mit dem MoMiG erstmals eingeführte Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen ist fraglich geworden, ob sich durch die aufschiebend bedingte Abtretung allein die gewünschte Absicherung der Vertragsparteien weiterhin erreichen lässt. Denn die Sicherung des Ersterwerbers bei bedingter Abtretung versagt nach § 161 Abs. 3 BGB grundsätzlich gegenüber einem gutgläubigen Zweiterwerber. Die herrschende Meinung im Schrifttum hielt die aufschiebend bedingte Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen für einen Anwendungsfall des § 161 Abs. 3 BGB, da die Gesellschafterliste infolge der bedingten Abtretung unrichtig sei und daher ein gutgläubiger (Zweit-)Erwerb von dem nicht mehr berechtigten, aber weiterhin in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter in Betracht komme mit der Folge, dass der Ersterwerber bei Bedingungseintritt den Geschäftsanteil nicht erwerbe. Die Praxis hat hierauf reagiert und im Wesentlichen zwei Modelle zur Sicherung der Rechtsposition des Ersterwerbers entwickelt. Beim sog. Zwei-Listen-Modell wurde unmittelbar im Anschluss an die Beurkundung eine erste Gesellschafterliste eingereicht, die den mit Bedingungseintritt erfolgenden, zukünftigen Erwerb durch den Käufer durch einen entsprechenden Vermerk ankündigte, und eine zweite Liste nach Bedingungseintritt, d.h. nach erfolgter Abtretung. Beim Widerspruchsmodell bewilligte der Verkäufer die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der Gesellschafterliste. Beide Varianten zielen darauf ab, die fehlende Berechtigung des Gesellschafters offenzulegen und so einen etwaigen guten Glauben auszuschließen. Nicht geeignet sind diese Sicherungsmittel allerdings bei Treuhandverträgen, bei denen typischerweise gerade keine Transparenz hinsichtlich des wirtschaftlich Berechtigten gewollt ist. Dem Sachverhalt des BGH Beschlusses lag das vorstehend beschriebene Zwei-Listen-Modell zugrunde. Das Registergericht hat die Aufnahme der unmittelbar nach der bedingten Abtretung eingereichten und mit entsprechendem Vermerk versehenen ersten Liste abgelehnt und wurde darin durch das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht bestätigt. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde beim BGH.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BGH hat die Entscheidungen des Registergerichts und des Oberlandesgerichts bestätigt und entschieden, dass das Registergericht berechtigt sei, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die keine Veränderungen in der Person der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern nur ankündigt. Weiterhin hat der BGH entschieden, dass das in § 161 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Prioritätsprinzip, das den Ersterwerber nach einer bedingten Anteilsabtretung gegen einen Zweiterwerb schützt, durch die Einführung des gutgläubigen Erwerbs in § 16 Abs. 3 GmbH nicht außer Kraft gesetzt wurde. Ein vorrangiger Schutz des gutgläubigen Zweiterwerbers nach § 161 Abs. 3 BGB komme nur dann in Betracht, wenn nach den einschlägigen Vorschriften über den jeweiligen Verfügungsgegenstand der gute Glaube in die Verfügungsbefugnis geschützt sei. Bei GmbH- Geschäftsanteilen erstrecke sich der

Stiftung

Gutglaubensschutz der Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 3 GmbHG aber nur auf den guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft des eingetragenen Gesellschafters. Die Gesellschafterliste begründe dagegen keinen Vertrauenstatbestand für die Freiheit des Geschäftsanteils von Belastungen (Nießbrauch, Pfandrecht) oder dafür, dass der Gesellschafter gesellschaftsvertraglich in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit. Da ein gutgläubiger Erwerb der Geschäftsanteile von demjenigen, der diese bereits aufschiebend bedingt übertragen hat, nicht möglich ist, bedarf es keiner weiteren Maßnahmen zur Sicherung des endgültigen Erwerbs durch den Käufer. Die damit einhergehende und dem gesetzgeberischen Plan, die Due Diligence Prüfung bei Anteilskäufern zu erleichtern zuwiderlaufende weitere Beschränkung der Reichweite des § 16 Abs. 3 GmbHG ist zugunsten dieses Zugewinns an Rechtssicherheit hinzunehmen. Entschieden hat der BGH ferner, dass es nicht im Belieben der Beteiligten steht, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen. Außer dem Tatbestand der erfolgten aufschiebend bedingten Abtretung können somit auch keine sonstigen Verfügungsbeschränkungen und wohl auch keine Belastungen (z.B. Pfandrechte) in die Gesellschafterliste aufgenommen werden. Hierzu hat das OLG München jüngst entschieden, dass das Registergericht berechtigt sei, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die einen Testamentsvollstreckervermerk enthält, da die Gesellschafterliste gerade keinen Vertrauenstatbestand dafür begründe, dass der Gesellschafter in seiner Verfügungsmacht über den Geschäftsanteil beschränkt sei (OLG München, Beschl. v. 15.11.2011, 31 Wx 274/11).

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Zulässigkeit von Auslandsbeurkundungen bei der Abtretung von Gmbh-Geschäftsanteilen

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

Die Abtretung eines GmbH- Geschäftsanteils kann im Ausland beurkundet werden, wenn die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist. Hieran hat sich nach Auffassung des OLG Düsseldorf auch durch die Aufwertung der Gesellschaftsliste durch das am 01.11.2008 in Kraft getretene MoMiG und die in diesem Zusammenhang neu geschaffene Pflicht des Notars, bei von ihm beurkundeten Anteilsabtretungen eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, nichts geändert.

Ein ausländischer Notar kann bei einer von ihm hiernach wirksam beurkundeten Abtretung eine diese Änderung der Geschäftsanteile berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen. Er genügt dabei der nach § 12 Abs. 2 HGB erforderlichen elektronischen Form, wenn er sich zur Einreichung der Liste eines deutschen Notars als Boten bedient.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Zur Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen bedarf es nach § 15 Abs. 3 GmbHG eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. Die dabei von einem deutschen Notar zu erhebenden Gebühren können – abhängig vom Geschäftswert –  bis zu 52.274,– € betragen. Demgegenüber können die Notariatsgebühren bei Beurkundung in der Schweiz verhandelt werden bzw. sind der Höhe nach auf einen deutlich geringeren Betrag begrenzt (bspw. auf 5.000,– SFR bei einer Beurkundung in Zürich). Auch vor diesem Hintergrund hatte sich in der Vergangenheit – insbesondere bei größeren Transaktionen – ein florierender „Beurkundungstourismus“ in der Schweiz entwickelt.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf befasst sich mit der Frage, inwieweit das Beurkundungserfordernis bei der Abtretung von GmbH-Gesellschaftsanteilen auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) durch Beurkundungen von ausländischen, insbesondere in der Schweiz ansässigen Notaren, noch erfüllt werden kann. Der Entscheidung lag eine Beschwerde gegen die Weigerung des Registergerichts in Düsseldorf zugrunde, eine von einem schweizerischen Notar angefertigte und durch einen deutschen Notar als Boten eingereichte Gesellschafterliste in das Handelsregister aufzunehmen.

Das Registergericht begründete die Ablehnung damit, dass die der eingereichten Liste zugrundeliegende Anteilsabtretung wegen der Beurkundung durch einen schweizerischen Notar nach neuem Recht formunwirksam sei. Nach Neufassung des GmbHG durch das MoMiG, könne eine gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG zu beurkundende Abtretung eines Geschäftsanteils nur von einem deutschen Notar erfolgen. Die Pflicht des an einer Abtretung beteiligten Notars, gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, stelle eine öffentlich-rechtliche Amtspflicht dar, deren Adressat nur ein inländischer Notar sein könne. Beurkundungen im Ausland habe der Gesetzgeber wegen der erhöhten Bedeutung der Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG ausschließen wollen.

Das OLG Düsseldorf folgt dieser Argumentation nicht. Vielmehr gab es der Beschwerde statt.

Entscheidungsgründe

Das OLG Düsseldorf erinnert zunächst daran, dass nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ein Rechtsgeschäft dann formgültig ist, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (sog. Geschäftsform oder Wirkungsstatut), oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (sog. Ortsform). Nach bisher ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Beurkundungsform des deutschen Rechts durch eine Auslandsbeurkundung dann erfüllt werden, wenn die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist (grundlegend BGH, NJW 1981, 1160). Von einer Gleichwertigkeit ist auszugehen, wenn die ausländische  Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten ist, welches den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Nach diesen Maßstäben sind Beurkundungen von Notaren in der Schweiz jedenfalls in Zürich-Altstadt (BGH, NJW 1991, 1160) und in Basel (OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764) den Beurkundungen, die von deutschen Notaren vorgenommen werden,  gleichwertig.

Das Gericht stellt zudem fest, dass sich die Unwirksamkeit der Auslandsbeurkundung nicht aus den durch das MoMiG eingeführten Änderungen des GmbHG herleiten lässt.

Durch das MoMiG wurde unter anderem § 16 GmbHG völlig neu gefasst. Nach Abs. 1 der Vorschrift gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter nur, „wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen  ist“.  Ferner  wurde  die  Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Gesellschaftsanteilen unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GmbHG geschaffen. Danach gilt der in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste drei Jahre unwidersprochen unrichtig als Gesellschafter Eingetragene gegenüber dem Erwerber als tatsächlicher Inhaber des Geschäftsanteils, sofern dem Erwerber eine mangelnde Berechtigung des Veräußerers weder bekannt noch in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Durch diese Änderungen wurde die Gesellschafterliste in ihrer Bedeutung erheblich aufgewertet. Zugleich wurde § 40 GmbHG neu geregelt. Nach Abs. 1 sind grundsätzlich die Geschäftsführer der Gesellschaft bei einem Wechsel im Gesellschafterkreis zur Einreichung einer aktualisierten Liste verpflichtet. Hat aber ein Notar an der Veränderung der Gesellschafterstellung mitgewirkt, so obliegt die Einreichung der Liste nicht der Geschäftsführung, sondern dem mitwirkenden Notar, § 40 Abs. 2 GmbHG.

Die Düsseldorfer Richter zeigen auf, dass – entgegen der vom Registergericht und von Teilen der Literatur (Wachter, ZNotP 2008, 378; Bayer, DNotZ 2009, 887; Braun, DNotZ 2009, 585) vertretenen und vom LG Frankfurt a.M. (NJW 2010, 683) in einem obiter dictum angedeuteten Auffassung – § 40 Abs. 2 GmbHG schon aus Gründen der Gesetzessystematik keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Beurkundung haben kann: § 40 Abs. 2 GmbHG betreffe nur die Mitteilungspflicht. Die Regelung zur Zuständigkeit für die Einreichung der Gesellschafterliste sei von der eigentlichen Beurkundung streng zu trennen. Dass ein ausländischer Notar nicht mitteilungspflichtig ist, ändere nichts dran, dass er wirksam beurkunden kann. Auch aus der gesteigerten Bedeutung der Gesellschafterliste könne nicht auf eine besondere Richtigkeitsgewähr geschlossen werden, die nur durch Einschaltung eines deutschen Notars zu erreichen ist. Die in § 40 Abs. 2 GmbHG dem mitwirkenden Notar auferlegte Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Liste sei im Wesentlichen aus pragmatischen Gesichtspunkten erfolgt, um das Verfahren zu vereinfachen. Gegen eine besondere – nur durch die Einschaltung eines deutschen Notars – zu gewährleistende Richtigkeitskontrolle spreche, dass den Notar nur eine begrenzte Prüfungspflicht trifft: Der Notar habe zwar die Veränderungen, an denen er mitgewirkt hat, in der Gesellschafterliste zutreffend abzubilden. Darüber hinaus habe er keine Prüfungspflicht, ob die Gesellschafterliste inhaltlich zutreffend ist. Er habe insbesondere die zuvor eingereichte Liste nicht inhaltlich auf rechtliche Wirksamkeit hin zu überprüfen. Im Übrigen knüpfe der in § 16 Abs. 3 GmbHG normierte Gutglaubensschutz allein an die Liste an, ungeachtet, ob diese im Fall des § 40 Abs. 2 GmbHG durch einen Notar oder aber in den Fällen des § 40 Abs. 1 GmbHG von einem Geschäftsführer erstellt worden ist. Bei einer Änderung der Geschäftsanteile bei Erbfällen, Anwachsung oder Einziehung hätten die – regelmäßig gesellschaftsrechtlich nicht geschulten – Geschäftsführer in eigener Kompetenz zu prüfen, ob eine neue Liste einzureichen ist. Die Gesellschafterliste unterliege auch in diesem Fall keiner inhaltlichen Prüfung durch das Registergericht, sondern werde – sofern die Formalien eingehalten sind – von diesem lediglich entgegengenommen und verwahrt. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Wertung könne die gleiche Beurteilung durch einen i.d.R. mit dem deutschen Gesellschaftsrecht deutlich vertrauteren schweizerischen Notar nicht zum Wegfall der Gleichwertigkeit der dortigen Beurkundung führen.

Schließlich sei Ziel des MoMiG die Stärkung der Rechtsform der GmbH im internationalen Wettbewerb gewesen. Die angestrebte internationale Offenheit zeige sich etwa auch darin, dass nach Änderung des § 4a GmbHG eine GmbH ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen kann. Dass durch das MoMiG angestrebte Ziel spreche aber dafür, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung nicht einschränken wollte. An dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, die Attraktivität der deutschen GmbH gegenüber vergleichbaren ausländischen Rechtsformen durch die GmbH-Reform zu steigern, würde es zuwiderlaufen, wenn künftig eine Beurkundung in der Schweiz nicht mehr möglich wäre. Insbesondere der damit verbundene Kostenvorteil sei auch bei ausländischen Investoren ein gewichtiges Argument für eine Beurkundung in der Schweiz anstatt vor einem deutschen Notar.

Schließlich stellt das OLG Düsseldorf fest, dass ein ausländischer Notar bei einer von ihm wirksam beurkundeten Abtretung eine diese Änderung der Geschäftsanteile berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen kann. Das Gericht räumt zwar ein, dass die in § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. normierte Verpflichtung des Notars zur Einreichung der Liste kraft Amtes eine öffentlich- rechtliche Pflicht des Notars darstellt. Diese Pflicht könne einem ausländischen Notar durch deutsche Gesetze nicht auferlegt werden. Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung würden sich indes Hinweise für die vom Registergericht vertretene Auffassung ergeben, dass der ausländische an der Beurkundung mitwirkende Notar zur Einreichung der Gesellschafterliste nicht berechtigt ist. In den Fällen, in denen das deutsche Recht eine ausländische Beurkundung als gleichwertig und damit wirksam anerkennt, könne dem betreffenden Notar nicht die Eignung zur Einreichung der Gesellschafterliste abgesprochen werden. Gegen eine Einreichungsberechtigung könne auch nicht angeführt werden, dass die betreffenden Dokumente nach § 12 Abs. 2 HGB in elektronischer Form einzureichen sind. Es sei nicht zu beanstanden, wenn sich der ausländische Notar eines deutschen Notars als Boten bedient, der wiederum das Dokument in elektronischer Form übermittelt. Denn dann liege das Dokument in der erforderlichen Form vor und könne ohne Weiteres in Zugriff genommen werden.

Weitere Hinweise

Die mit Inkrafttreten des MoMiG und insbesondere seit dem obiter dictum des LG Frankfurt bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Auslandsbeurkundungen ist durch den Beschluss des OLG Düsseldorf mit überzeugenden Argumenten deutlich reduziert worden. Eine der ständigen Rechtsprechung vor Inkrafttreten des MoMiG entsprechenden Sicherheit dürfte indes erst der BGH schaffen können. Bis dahin ist in der Praxis bei Auslandsbeurkundungen von Geschäftsanteilsabtretungen weiterhin Zurückhaltung geboten.