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Arbeitnehmer und Betrieb

Leiharbeitnehmer zählen nicht mit – zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Berechnung der Schwellenwerte für die Unternehmensmitbestimmung

Dr. Sebastian von Thunen, LL.M., Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Unternehmen, die u.a. als Aktiengesellschaft oder GmbH organisiert sind, müssen einen teilweise mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat einrichten, wenn die Anzahl der von ihnen regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Nach § 1 Abs. 1, 7 des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) hat der Aufsichtsrat eine Größe von mindestens 12 Mitgliedern und ist sogar zur Hälfte („paritätisch“) mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen, wenn das Unternehmen in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Nach den Regelungen des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) ist ein zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen- der Aufsichtsrat zu bilden in Unternehmen, die in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, §1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 DrittelbG. Diese im MitbestG und im DrittelbG geregelte, sogenannte unternehmerische Mitbestimmung greift unmittelbar in die gesellschaftsrechtliche Struktur der Unternehmung ein und gewährt der Belegschaft auf gesellschaftsrechtlicher Ebene Informations und Einflussrechte auf originär strategischunternehmerische Entscheidungen. Das unterscheidet sie von der sogenannten betrieblichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, die lediglich auf betrieblicher Ebene in betrieblichen Angelegenheiten besteht und bei der vor allem auch kein Einfluss externer Gewerkschaftsvertreter begründet wird (so nämlich zwingend nach § 7 Abs. 2 MitbestG).

Ob bei der Ermittlung der für die Besetzung eines mitbestimmten Aufsichtsrats maßgeblichen Schwellenwerte neben den eigenen Arbeitnehmern des Unternehmens („Stammbelegschaft“) auch die Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Dies hängt davon ab, ob die Leiharbeitnehmer unter den Begriff des  „Arbeitnehmers“  i.S.d.  §  3 Abs. 1 DrittelbG und § 3 MitbestG fallen. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Mitbestimmung (z.B. BAG, Beschluss vom 10.03.2004 – 7 ABR 49/03) und der Obergerichte zur Unternehmensmitbestimmung (z.B. OLG Düsseldorf 19 W 2/04; OLG Hamburg 11 W 27/07) waren Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten nicht zu berücksichtigen. Hintergrund war die sogenannte „Zwei-Komponenten-Lehre“, nach der zu den konstitutiven Merkmalen für den Arbeitnehmerbegriff bzw. der Betriebszugehörigkeit zum einen das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Betriebsinhaber (Arbeitsvertrag) und zum anderen die Eingliederung in den Betrieb als solchen gehören. An der ersten Voraussetzung (Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber) fehlt es begriffsnotwendig bei im Entleihunternehmen beschäftigten Leiharbeitnehmern. Denn deren Arbeitsverhältnis besteht mit dem Verleihunternehmen, während sie in den Entleihbetrieb betrieblich eingegliedert sind. Die Arbeitgeberstellung ist dementsprechend zwischen Ver- und Entleihunternehmen „aufgespalten“, was einer Zurechnung zum Entleihbetrieb entgegenstehen sollte. Von dieser strengen Auffassung ist das Bundesarbeitsgericht in seiner neueren Rechtsprechung abgerückt: Bei einer für Leiharbeitsverhältnisse typischen aufgespaltenen Arbeitgeberstellung seien differenzierte Lösungen geboten, um die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen berücksichtigen zu können (BAG, Beschluss vom 05.12.2012 – 7 ABR 48/11). Um zu ermitteln, welche Personen zum Kreis der „Arbeitnehmer“ zu zählen sind, soll es also nunmehr darauf ankommen, welche Funktion der Begriff „Arbeitnehmer“ in der jeweiligen Regelung hat, sodass er in unterschiedlichen Regelungen je unterschiedlich ausgelegt werden kann und ggf. muss.

Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht unter Abkehr von seiner bisherigen, anderslautenden Rechtsprechung u.a. auch für die Bestimmung der Betriebsratsgröße nach 9 Satz 1 BetrVG, der ähnlich wie die Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung ebenfalls an die Anzahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer anknüpft, die Leiharbeitnehmer mit in die Berechnung einbezogen. Da der Betriebsrat aufgrund des gesetzlichen Aufgabenzuschnitts u.a. auch die im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer vertrete, müsse der aufgrund der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bedingten Zunahme an Aufgaben durch eine entsprechende Betriebsratsgröße Rechnung getragen werden (BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69 /11). Auch in einem Urteil vom 18.10.2011 (1 AZR 335/10) hatte das BAG bereits zur Norm des § 111 Satz 1 BetrVG (Sozialpläne) die im Entleihbetrieb tätigen Leiharbeitnehmer mitberücksichtigt.

Diese gewandelte höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bislang nur Regelungen der betrieblichen Mitbestimmung zum Gegenstand. Es ist bislang ungeklärt, inwieweit sie auf die unternehmerische Mitbestimmung und damit auch die Schwellenwerte des Mitbestimmungsgesetzes und Drittelbeteiligungsgesetzes zu übertragen ist. Mit dieser Frage hatte sich das OLG Hamburg in der vorliegenden Entscheidung  auseinanderzusetzen.

Zum Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Besetzung des Aufsichtsrates einer AG. Diese unterhielt in der Vergangenheit Betriebsstätten mit insgesamt mehr als 2.000 Arbeitnehmern in Deutschland. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft war dementsprechend gemäß den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes paritätisch gebildet worden. Im November 2012 machte die Gesellschaft im Bundesanzeiger bekannt, dass der Aufsichtsrat nicht mehr gesetzmäßig zusammengesetzt sei, da die Gesellschaft weniger als 2.000 Arbeitnehmer beschäftige und damit nicht mehr den Regelungen des MitbestG, sondern denjenigen des DrittelbG unterliege.

Hiergegen wandten sich die Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 1 AktG (sog. „Statusverfahren“). Zur Begründung trugen sie vor, dass die Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl ebenfalls zu berücksichtigen seien, weshalb die Zahl der bei der Gesellschaft regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht dauerhaft unter dem Schwellenwert von 2.000 gesunken sei. Eine Abfrage bei den Betrieben der Gesellschaft habe unter Einbeziehung von 139 Leiharbeitnehmern eine Beschäftigtenzahl von insgesamt 2.062 ergeben. Dieser Argumentation schloss sich das OLG Hamburg nicht an.

Entscheidungsgründe

Das OLG referiert zunächst die eingangs (Ziff. I) angesprochenen jüngeren Entscheidungen des BAG zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der Schwellenwerte der betrieblichen Mitbestimmung, führt dann jedoch aus, dass im Hinblick auf die Unternehmensmitbestimmung eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht geboten sei. Der Gesetzgeber habe die Leiharbeitnehmer bislang bewusst nicht vollumfänglich der Stammbelegschaft gleichgestellt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der Schutz des Leiharbeitnehmers vielmehr durch den Gleichlauf im Hinblick auf die Bezahlung (sogenannter Grundsatz des Equal Pay) und die sonstigen eingeräumten Rechte (§ 7 Abs. 2 BetrVG und § 14 AÜG) ausreichend gewährleistet.

Des Weiteren seien Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Ebene der unternehmerischen Mitbestimmung anders betroffen als die Stammbelegschaft, sodass ihre Nichtberücksichtigung für die Ermittlung von Schwellenwerten gerechtfertigt sei: Der Aufsichtsrat, dessen Tätigkeit auf die langfristige Unternehmenspolitik und die Kontrolle strategischer Entscheidungen der Geschäftsführung gerichtet sei, wahre das mittel und langfristige Gesellschaftsinteresse. Dieses sei für die Leiharbeitnehmer von jedenfalls geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft, da ihnen die Rückkehr zum verleihenden Betrieb verbleibe. Sie sind letztlich nur temporär von arbeitsplatzrelevanten Entscheidungen auf unternehmerischer Ebene des Entleihunternehmens betroffen.

Angesichts der Tatsache, dass Leiharbeitnehmer jedenfalls in den entleihenden Betrieb zurückkehren könnten, weil eine betriebsbedingte Kündigung von Seiten des Verleihbetriebs allein aufgrund des Wegfalls der Beschäftigungsbedürfnisse im Entleiherbetrieb ausgeschlossen sei, seien sie auch in Bezug auf die durch die Mitbestimmung bezweckte sog. Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Sozialbindung des Eigentums („Art. 14 Abs. 2 GG: Eigentum verpflichtet sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“) anders betroffen als Stammarbeitnehmer: (Nur) für diese könne sich die Ausübung der Verfügungsbefugnis durch den Eigentümer zugleich auf ihre Daseinsgrundlage auswirken und berühre damit ihre Grundrechtssphäre.

Vor diesem Hintergrund sei es selbst auf Grundlage der eingangs referierten neueren Rechtsprechung des BAG, nach der der Arbeitnehmerbegriff im jeweiligen gesetzlichen Kontext differenzierend je nach Funktion ausgelegt werden soll, nicht gerechtfertigt, die Leiharbeitnehmer unter den Arbeitnehmerbegriff des § 1 MitbestG zu fassen. Die Argumentation des BAG zur Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer im Rahmen der Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung sei auf die Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung nicht übertragbar.

Denn aufgrund der dargestellten Aufgaben des Aufsichtsrats langfristige Unternehmenspolitik und Kontrolle strategischer Entscheidungen wirke sich seine Tätigkeit nicht in so maßgeblichem Umfang auf die Leiharbeitnehmer aus, dass vergleichbar der Ermittlung des Schwellenwertes für die Größe des Betriebsrats den Leiharbeitnehmern auch ein Einfluss auf die unternehmerische Mitbestimmung im Entleihbetrieb zukommen müsse. Das vom Aufsichtsrat zu wahrende mittel und langfristige Gesellschaftsinteresse sei für die Leiharbeitnehmer, gerade aufgrund der ihnen möglichen Rückkehr zum verleihenden Betrieb, von wesentlich geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft.

Weiterführende Hinweise

Der Beschluss des OLG Hamburg ist die erste obergerichtliche Entscheidung zu diesem Themenkomplex nach Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Behandlung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung. Sie dürfte dazu führen, dass in naher Zukunft hierzu auch höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegen wird. Denn die Antragsteller haben Rechtsbeschwerde eingelegt, über die laut dem Verfasser erteilter Auskunft des Bundesgerichtshofs (BGH) voraussichtlich Anfang kom- menden Jahres entschieden wird.

Aufgrund der Besonderheiten des sogenannten aktienrechtlichen Statusverfahrens (§§ 98 f. AktG) ist für die Entscheidung über die Frage, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, also für die unternehmerische Mitbestimmung, der BGH letztinstanzlich zuständig und nicht das BAG, auf dessen Entscheidungen zur betrieblichen Mitbestimmung des OLG Hamburg mehrfach Bezug nimmt. Der für das Gesellschaftsrecht zuständige Zivilsenat des BGH dürfte sich dabei erfahrungsgemäß stärker von originär gesellschaftsrechtlichen Argumenten leiten lassen und der unterschiedlichen Zwecksetzung von unternehmerischer und betrieblicher Mitbestimmung mehr Gewicht beimessen als es möglicherweise das in der Regel stärker aktuelle sozialpolitische Anliegen berücksichtigende und tendenziell eher mitbestimmungsfreundliche BAG täte. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der BGH der Argumentation des OLG Hamburg folgt, die schlüssig und sachgerecht ist und sich auch mit der vom BAG vertretenen differenzierenden Sichtweise vereinbaren lässt.

Jedenfalls wird insoweit seine Auffas- sung künftig für die Praxis maßgeblich sein, weil Statusverfahren in letzter Instanz stets vom BGH zu entscheiden sind.

Auch wenn der BGH der Auffassung des OLG Hamburg folgen würde und somit für die Praxis davon ausgegangen werden könnte, dass Leiharbeitnehmer bei Ermittlung der relevanten Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung nicht zu berücksichtigen sind, werden Familienunternehmen, die bei unterstellter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bereits die Schwellenwerte überschreiten, bei weiterem Zuwachs in absehbarer Zeit auch mit ihrer Stammbelegschaft über diesen Schwellenwerten liegen.

Das DrittelbG und das MitbestG stellen dabei auf die „in der Regel“ beschäftigte Anzahl von Mitarbeitern ab. Dabei kommt es nicht auf die Stärke der Belegschaft zu einem bestimmten Stichtag an, sondern die Beschäftigtenzahl ist unter Berücksichtigung der Vergangenheit und der zukünftigen  Entwicklung festzulegen. Überschreitet daher die Mitarbeiterzahl bereits (nur) unter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer die relevanten Schwellenwerte, sollte diese „Pegelwarnung“ in jedem Fall abgesehen von der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern ein Anlass sein, sich rechtzeitig mit rechtlichen Möglichkeiten zur Gestaltung der unternehmerischen Mitbestimmung zu befassen. Dabei kommen insbesondere konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen und Rechtsformwechsel (z.B. in eine Europäische Aktiengesellschaft („SE“)) sowie gegebenenfalls die Einbeziehung ausländischer Rechtsträger in Betracht.

Kündigungsschutzgesetz

Kleinbetriebsklausel – Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern

Dr.  Wolfram Sitzenfrei, Rechtsanwalt

Bei der Bestimmung der Betriebsgröße i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf  beruht.

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Da § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf die „in der Regel“ im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abstellt, kommt es für die Betriebsgröße nicht auf die zufällige tatsächliche Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Maßgebend ist die Beschäftigungslage, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es deshalb eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung; Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen.

Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hängt unter anderem von der Betriebsgröße ab. Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zieht einige zu beachtende Aspekte nach sich. Insbesondere ist für eine Kündigung eine soziale Rechtfertigung erforderlich.

Hinsichtlich der Bestimmung der Betriebsgröße gibt es einige Streitfragen. Einer der wesentlichen, bisher streitigen Fragen ist es, ob bei der Bestimmung der Betriebsgröße Leiharbeitnehmer Berücksichtigung finden.

Es hat bisher sowohl in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung, als auch im Schrifttum der deutlich überwiegenden Auffassung entsprochen, dass Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße nicht zu berücksichtigen sind. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass Leiharbeitnehmer nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen. Darüber hinaus werden Leiharbeitnehmer beim Verleihunternehmen, zu dem ein Arbeitsverhältnis besteht, zur Bestimmung der Betriebsgröße berücksichtigt.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der genannten Entscheidung gegen die instanzgerichtliche Rechtsprechung und gegen die überwiegende Auffassung des Schrifttums gestellt und entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße hinzuzuzählen sind.

II. Zum Sachverhalt

Der Kläger war als Hilfskraft bei der Beklagten beschäftigt; das Arbeitsverhältnis wurde nach etwas mehr als dreijähriger Dauer von der Beklagten ordentlich gekündigt. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hat der Kläger vorgebracht, dass die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Hierzu hat er insbesondere auf die bei der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer verwiesen, die nach seiner Auffassung wie eigene Arbeitnehmer im Betrieb eingesetzt würden. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass ohne die Leiharbeitnehmer weniger als zehn Mitarbeiter im Betrieb tätig seien. Für die Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kam es daher darauf an, ob Leiharbeitnehmer für die Bestimmung der Betriebsgröße hinzuzurechnen sind.

III. Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei der Bestimmung der Betriebsgröße die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer mit zu berücksichtigen sind. Weitere Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit von Leiharbeitnehmern ist dabei, dass ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht. Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG keinen eindeutigen Aufschluss darüber gebe, ob für die Berücksichtigungsfähigkeit der Mitarbeiter ein Arbeitsverhältnis erforderlich sei, oder ob Leiharbeitnehmer – bei denen zum Entleihbetrieb kein Arbeitsverhältnis bestehen würde – dennoch mitzuzählen seien. Auch die Gesetzessystematik und der Regelungszusammenhang würden keinen Aufschluss geben, wie die Frage zu entscheiden sei. Ferner lasse die Entstehungsgeschichte zur vorliegenden Frage keine hinreichenden Schlüsse zu. Die aus seiner Sicht zutreffende Lesart nimmt das Bundesarbeitsgericht aus dem Regelungszweck des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG. Die Benachteiligung von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben bedürfe der verfassungsrechtlichen Legitimation. Der Grund für die Privilegierung von Kleinbetrieben soll darin liegen, dass Kleinbetriebe regelmäßig „eine geringere Finanzausstattung aufweisen, die sie häufig außer Stande setzt, Abfindungen bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen oder weniger leistungsfähiges, weniger benötigtes oder auch nur weniger genehmes Personal mitzutragen und dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen belastet“. Diese Argumentation zu Grunde gelegt, mache es keinen Unterschied, ob Arbeitsplätze mit eigenen oder mit Leiharbeitnehmern besetzt sind. Daher seien unter bestimmten Voraussetzungen auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.

Hieraus leitet das Bundesarbeitsgericht eine weitere Differenzierung ab, der zu Folge Leiharbeitnehmer nicht in allen, sondern nur in bestimmten Fällen mit zu berücksichtigen sind. Leiharbeitnehmer sind dann mitzuzählen, wenn ihre Beschäftigung dem „Regelzustand“ des Betriebes entspricht, also wenn dauerhaft bestehende Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzt sind. Leiharbeitnehmer sind dagegen nicht mitzuzählen, wenn sie zur Vertretung von Stammarbeitnehmern beschäftigt sind. Ebenso wenig zählen sie mit, wenn sie zur Bewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich damit gegen die Instanzenrechtsprechung und gegen die überwiegende Auffassung in der Literatur gestellt. Dabei ist es bemerkenswert, dass sich das Bundesarbeitsgericht recht einfach über die Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und Leiharbeitnehmern hinweg setzt. Immerhin zeichnet das Bundesarbeitsgericht ein differenziertes Bild dazu, unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße zu berücksichtigen sind. Es ist damit keineswegs so, dass in jedem Fall Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden müssen; vielmehr muss jeder Arbeitsplatz danach bewertet werden, ob es ein Dauerarbeitsplatz ist, ob nur eine Vertretung erfolgt, oder ob nur ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf besteht. Für Argumentationen im Einzelfall bleibt damit in erheblichem Umfang Raum. Das Bundesarbeitsgericht hat damit einige Aspekte, die ähnlich auch bei anderen Wertungsfällen wie ruhenden Arbeitsverhältnissen, vorübergehenden Arbeitsverhältnissen, befristeten Arbeitsverhältnissen oder Langzeiterkrankten Berücksichtigung finden, aufgenommen.

Darüber hinaus ist die Entscheidung deshalb interessant, weil einige weitere Gesetze ähnliche oder vergleichbare Regelungen aufweisen. Beispielsweise regelt § 1 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz , dass in Unternehmen, die „in der Regel mehr als 2.0 Arbeitnehmer beschäftigen“ die Mitarbeiter ein Mitbestimmungsrecht. Hierzu gibt es regelmäßige Abgrenzungsschwierigkeiten dazu, wie die Unternehmungsgröße zu bestimmen ist. Dies betrifft auch die Frage, ob Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind (vgl. dazu etwa Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Auflage 2013, § 3 MitbestG RZ. 34 ff.). Es ist dabei zweifelhaft, ob die vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes Hinweise dafür geben kann, wie vergleichbare Fragen hinsichtlich anderer Gesetze zu entscheiden sind. Denn das Bundesarbeitsgericht hat sich sehr spezifisch mit dem Sinn und dem Zweck der Kleinbetriebsklausel auseinandergesetzt, und dabei eine grundrechtsorientierte Argumen- tation vorgenommen. Diese Argumentation dürfte kaum auf andere Gesetze übertragbar sein, sodass die Beantwortung dortiger Fragen hinsichtlich der Bestimmung der Betriebs- und Unternehmensgröße originär aus diesen Gesetzen heraus zu erfolgen haben wird.