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Erbrecht

Schenkungen unter Lebenden

Schenkungsteuerfreier Verzicht auf eine Darlehensforderung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Familienwohnheims  vor Eheschließung

Prof. Rainer Kirchdörfer, Rechtsanwalt

  1. Im Zusammenhang mit Familienwohnheimen/Familienheimen stehende Zuwendungen unter Lebenden sind auch dann nach Maßgabe des 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei, wenn die Ehe bei der Anschaffung oder Herstellung des Objekts noch nicht bestanden hatte.
  2. Zu den Zuwendungen unter Lebenden i.S.d. 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG gehören auch Abfindungen für einen Erbverzicht.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das vorstehende Urteil des BFH ist schon für sich genommen interessant. Es gibt aber darüber hinaus auch Gelegenheit, auf schenkung- steuerliche Probleme hinzuweisen, die in der Praxis immer wieder daraus resultieren, dass Ehegatten in der Vergangenheit relativ unreflektiert Vermögensverschiebungen unterei- nander vorgenommen haben. Sachverhalte, in welchen Ehegatten, auch wenn sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, wesentliche Vermögenswerte untereinander übertragen, sei es, weil man gemeinsame (auf beide Ehegatten lautende) Konten führt, die nur  ein Ehegatte dotiert, sei es, weil der eine Ehegatte Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten tilgt oder sei es, weil man  gemeinsame Vermögenswerte, z.B. Grundbesitz, im Grundbuch auf beide Ehegatten eintragen lässt, aber nur einer der Ehegatten die Anschaffungskosten hieraus trägt, sind unter schenkungsteuerlichen Gesichtspunkten hoch problematisch.

Im Kern geht es auch im Sachverhalt des vorstehenden Urteils um einen solchen Fall: Etwa ein Jahr vor der Eheschließung erhielt die spätere Ehefrau von ihrem späteren Ehemann ein zinsverbilligtes Darlehen in Millionenhöhe, welches sie vereinbarungsgemäß zum Erwerb eines landund forstwirtschaftlichen Betriebes mit einem Herrenhaus verwendete. Sieben Jahre nach der Eheschließung erließ der Ehemann seiner Frau dieses Darlehen und zwar als Gegenleistung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Im Jahr des Darlehenserlasses wurde der Sachverhalt dem Finanzamt bekannt und dieses vertrat die Auffassung, der Verzicht auf das Darlehen sei – neben weiteren, hier nicht im Einzelnen besprochenen Schenkungen – ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang des Ehemannes an seine Frau. Die beschenkte Ehefrau wehrte sich mit mehreren Argumenten gegen den Schenkungsteuerbescheid, u.a. unter Hinweis auf § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Danach waren nämlich in der zum Zeitpunkt des Urteils geltenden Fassung des Gesetzes „Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum … an einem … zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus … verschafft oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienwohnheims freistellt“ steuerfrei. Der zum Zeitpunkt des vorliegenden Falles geltende § 13a Abs. 1 Nr. 4a ErbStG ist zwar heute neu gefasst, die vom BFH beantworteten Fragestellungen bleiben jedoch dieselben.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Im Hinblick auf das vor der Eheschließung erhaltene zinsverbilligte Darlehen hat der BFH zunächst in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung entschieden, dass in der zinslosen bzw. einer mit einem niedrigen Zinssatz verbundenen Gewährung eines Darlehens eine steuerpflichtige Schenkung in Höhe des ersparten Zinsaufwandes (dieser liegt nach § 15 Abs.1 BewG mangels anderer feststellbarer Werte in der Differenz zwischen 5,5 % und dem vereinbarten Zinssatz) liegt. Für diese Schenkung konnten die Kläger freilich schon deshalb nicht auf die Steuerfreiheit der Zuwendung eines Familienwohnheimes zurückgreifen, weil § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG lediglich Zuwendungen unter Ehegatten betrifft, Schenker und Beschenkte zum Zeitpunkt der zinsverbilligten Überlassung des Darlehens aber noch nicht verheiratet waren.

Der BFH hatte weiter zu entscheiden, ob der nach Eheschließung erfolgte Erlass des Darlehens unter die Steuerbefreiung fällt. Insoweit waren zwei Fragen zu beantworten:

Da das Herrenhaus Teil eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens war, stellte sich zunächst die Frage, ob die allgemeine schenkungsteuerliche Begünstigung des Betriebsvermögens in § 13a ErbStG Vorrang hat vor der Begünstigungsvorschrift für Familienwohnheime in § 13 ErbStG, was das Finanzgericht als Vorinstanz bejaht hatte. Darüber hinaus stellte sich die zweite Frage, ob der Einwand des Finanzamtes zutreffend war, dass nämlich die Ehegatten die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG nicht beanspruchen konnten, da das Herrenhaus bei dessen Anschaffung (mangels Eheschließung) noch kein Familienwohnheim gewesen sei.

Die erste Frage beantwortete der BFH dahin, dass das Herrenhaus schon nicht Betriebsvermögen sei und aus diesem Grunde nicht von der Begünstigungsvorschrift für Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG erfasst sein könne. Aber selbst dann, wenn man dies anders sehen wollte, würden nach Auffassung des BFH die Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG und die Steuervergünstigung für Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG parallel anwendbar sein; es gebe nämlich keinen Vorrang der Betriebsvermögensvergünstigungen des § 13a ErbStG vor den Vergünstigungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG.

Die zweite Frage beantwortete der BFH dahingehend, dass im Darlehenserlass eine Freistellung von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Familienwohnheims liege. Der Steuerbefreiung stehe insoweit nicht entgegen, dass das Herrenhaus bei der Anschaffung noch kein Familienwohnheim war (weil die Ehegatten seinerzeit noch nicht miteinander verheiratet waren). Zwar setze § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG voraus, dass die Ehegatten, zwischen welchen die Zuwendung erfolgt, zum Zeitpunkt der Zuwendung auch verheiratet waren. Insoweit spiele also eine nach der Zuwendung durchgeführte Eheschließung keine Rolle. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Darlehens waren die Ehegatten aber verheiratet. Nach Ansicht des BFH ist nicht zusätzlich erforderlich, dass es sich bereits bei der Anschaffung oder Herstellung um ein Familienwohnheim gehandelt hat. Diese Erwägung gelte sowohl für die Übertragung des Eigentums an dem Familienwohnheim als auch bei der Freistellung von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Familienwohnheims.