Beiträge

Schenkungssteuergesetz

Schenkungen unter Lebenden

Kettenschenkung  im  Beziehungsverhältnis „Eltern-Kind-Schwiegerkind“

Dr. Julia Kraft, Notarvertreterin, Weinheim

Problemstellung und praktische Bedeutung

Die Entscheidung betrifft den Fall einer sog. Kettenschenkung. Dieses Gestaltungsmodell ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung. Dem liegt zu Grunde, dass durch die Aufspaltung einer Übertragung in zwei Übertragungsvorgänge die für Kinder und Eheleute vorgesehenen Freibeträge von 400.000,– ` bzw. 500.000,–  `genutzt werden können, während bei einer Direktzuwendung z.B. an das Schwiegerkind nur ein Freibetrag von 20.000,– ` zur Verfügung steht und eine solche direkte Zuwendung zudem der erbschaftsteuerlich ungünstigeren Steuerklasse II unterfällt. Mit notariell beurkundetem Vertrag übertrug ein Vater auf seinen Sohn einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung, zu Alleineigentum. Der Sohn verpflichtete sich für die Überlassung an seinen Bruder 50.000,– ` zu bezahlen. Zur Sicherung des Übergebers vereinbarten sie, dass dieser die unentgeltliche Rückauflassung  des Vertragsobjektes u.a. dann verlangen könne, wenn der Sohn zu Lebzeiten des Vaters ohne dessen Zustimmung das Vertragsobjekt veräußern sollte. Im Hinblick auf dieses Rückforderungsrecht stimmte der Vater der Veräußerung eines Miteigentumsanteils zu ½ an die Ehefrau des Sohnes zu. Noch am selben Tag übertrug der Sohn mit darauf folgender Urkundsnummer des gleichen Notars die Hälfte des Miteigentumsanteils an der Immobilie als ehebezogene Zuwendung auf seine Ehefrau. Auf eine Zwischeneintragung des Sohnes als Alleineigentümer verzichteten sie. Unter der Annahme, der Vater habe jeweils einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Vertragsobjekt seinem Sohn und seiner Schwiegertochter freigebig zugewandt, unterwarf das Finanzamt die zweite Überlassung der Schenkungsteuer. Die klagende Schwiegertochter blieb mit ihrem Antrag, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen, vor dem FG München erfolglos (FG München, Beschl. v. 30.05.2011 – 4 V 548/11).

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts sah der BFH die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung als erfüllt an. Es sei ernstlich zweifelhaft, dass eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG des Vaters an dessen Schwiegertochter vorliege. Dieser habe vielmehr das gesamte Vertragsobjekt seinem Sohn und nicht anteilig seiner Schwiegertochter zugewandt. Die Schenkung sei zum Zeitpunkt als der Sohn die Weiterübertragung auf seine Ehefrau veranlasst habe, schenkungssteuerrechtlich bereits ausgeführt gewesen, denn es habe ein Schenkungsversprechen, die Auflassung und die Eintragungsbewilligung vorgelegen. Der Sohn habe als Zwischenerwerber auch über eine eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Verwendung des Schenkungsgegenstandes verfügt. Er habe den hälftigen Anteil des Vertragsgegenstandes ohne Veranlassung des Zuwendenden und ohne rechtliche Verpflichtung freigebig seiner Ehefrau übertragen können. In diesem Fall scheide die Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus. Dies gelte auch dann, wenn Ersterer weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand unmittelbar im Anschluss an die Schenkung an einen Dritten weiterschenkt (vgl. BFH, Urteil v. 14.03.1962 – II 218/59 U). Für die Praxis ist von Bedeutung, dass der BFH in der vorliegenden Entschei- dung das Modell der Kettenschenkung schenkungssteuerrechtlich grundsätzlich gebilligt hat. Zu der Frage, ob im vorliegenden Fall ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) angenommen werden könne, hat das Gericht lapidar festgestellt: „Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch liegen nicht vor“. Wesentlich für die praktische Gestaltung der Verträge ist der gerichtliche Hinweis, dass in Fällen, in denen der Beschenkte zur Weiterschenkung verpflichtet wird, keine Bereicherung der Mittelperson aus dem Vermögen des Zuwenden- den besteht (BFH, Urt. v. 13.10.1993 II R 92/91). Im Falle einer solchen Weitergabeverpflichtung die sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus anderen Umständen ergeben kann ist folglich von einer direkten Zuwendung der Eltern an das Schwiegerkind auszugehen. Sie ist daher zu vermeiden. Da im Entscheidungsfall keine ausdrückliche Verpflichtung zur Weitergabe vereinbart wurde, ist von besonderem Interesse, welche sonstigen Kriterien das Gericht für die Frage, ob der Erstempfänger zur Weitergabe der Schenkung veranlasst wurde, herangezogen hat. Hierzu hat es zunächst festgestellt, dass Eltern regelmäßig kein vorrangiges Interesse daran haben, ihre Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht auf ihre Kinder, sondern unmittelbar auf ihre Schwiegerkinder zu übertragen. Diese sehr allgemeine Bewertung hat der BFH durch folgende praxisrelevanten Anmerkungen ergänzt: Von der dargestellten Interessenlage sei insbesondere dann auszugehen, wenn für bestimmte Fälle ein Rückübertragungsanspruch des zuwendenden Elternteils gegenüber dem bedachten Kind vereinbart wurde. Ferner sei die dem Sohn auferlegte Zahlungspflicht gegenüber dem weichenden Bruder zu berücksichtigen. Diese Abfindungsverpflichtung spreche so der BFH gegen eine Zuwendung des Vaters an seine Schwiegertochter, die den Hälfteanteil ohne besonderes Entgelt erhalten habe. Bei der künftigen Gestaltung der Vermögensübertragung müssen daher die Fragen der Vereinbarung eines Rückübertragungsanspruchs und der Ausgestaltung einer etwaigen Abfindungsverpflichtung auch mit Blick auf diese Ausführungen des BFH sorgfältig bedacht werden. Insbesondere darf eine etwaige Zahlungspflicht des beschenkten Kindes gegenüber den weichenden Geschwistern nicht auf den Zweitempfänger anteilig abgewälzt werden. Die Tatsache, dass die beiden Verträge an einem Tag in aufeinanderfolgenden Urkundenrollennummern geschlossen wurden, hat der BFH anders als das FG hingegen unberücksichtigt gelassen. Welche Rolle diese äußeren Kriterien bei der steuerrechtlichen Beurteilung einer „Kettenschenkung“ im Verhältnis „Eltern-Kind-Schwiegerkind“ künftig spielen werden, bleibt abzuwarten. Dem BFH liegt derzeit ein vergleichbarer Fall zur Entscheidung im Revisionsverfahren vor (BFH, II R 45/11 zum Urt. des FG München v. 15.06.2011 – 4 K 396/11). Es ist daher zu hoffen, dass das Gericht die Gelegenheit ergreift, die für die Praxis so wichtige Rechtssicherheit in diesem Bereich weiter zu erhöhen.