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Willenserklärung

Abfindungsausschluss in Gesellschaftsvertrag für Verletzung von Gesellschaftsinteressen oder Gesellschafterpflichten  ist nichtig

Dr. Sebastian von Thunen, LL.M., Rechtsanwalt

Eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, nach der im Fall einer (groben) Verletzung der Interessen der Gesellschaft oder der Pflichten des Gesellschafters keine Abfindung zu leisten ist, ist sittenwidrig, damit nichtig und nicht grundsätzlich als Vertragsstrafe zulässig.

I. Hintergrund

Das Urteil reiht sich ein in die verästelte Rechtsprechung rund um die Bemessung der Abfindung eines aus einer Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafters. Diese unterliegt in Personengesellschaften (z.B. GmbH & Co. KG) und Kapitalgesellschaften (insbesondere GmbH) im Wesentlichen den gleichen richterrechtlichen Vorgaben (Siehe dazu näher Kirchdörfer/Lorz, FuS 2012, 176 ff.). Danach hat grundsätzlich jeder – gleich aus welchem Grund – aus der Gesellschaft ausscheidende Gesellschafter einen sofort fälligen Anspruch auf die Abgeltung des vollen wirtschaftlichen Werts seiner Beteiligung (Grundlegend BGH 01.04.1953 – II ZR 253/52, BGHZ 9, 157.). In den Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen wird dieser Abfindungsanspruch aber zur Liquiditätssicherung hinsichtlich Fälligkeit, Berechnungsmethodik und Höhe in der Regel modifiziert. Damit einhergehende Abfindungsbeschränkungen sind grundsätzlich zulässig, soweit sie nicht zu einem groben Missverhältnis zwischen der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Abfindung und dem vollen wirtschaftlichen Wert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters führen. Ergibt sich ein solches grobes Missverhältnis erst aufgrund der Wertentwicklung des Unternehmens im Laufe der Zeit, nimmt die Rechtsprechung lediglich eine Anpassung der als solchen unzulässigen Abfindungsklausel auf einen zulässigen Wert durch sog. ergänzende Vertragsauslegung vor. Abfindungsklauseln, die dem ausscheidenden Gesellschafter die Beteiligung am Unternehmenswert hingegen von vorneherein gezielt abschneiden, wer- den hingegen grundsätzlich als sit- tenwidrig i.S.v. § 138 BGB und damit nichtig verworfen, was zur Abfindung nach dem vollen wirtschaftlichen Wert führt.

Letzteres gilt grundsätzlich insbesondere für den vollständigen Ausschluss jeglicher Abfindung. In besonderen Fallgruppen, bei denen ein sachlicher Grund für den Abfindungsausschluss erkennbar ist, lässt der BGH diesen jedoch zu. Der BGH hatte nunmehr zu entscheiden, ob auch die Anteilseinziehung wegen pflichtwidrigen Verhaltens eines Gesellschafters oder wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht zu diesen Ausnahmefällen zählt.

II. Zum Sachverhalt

Die Klägerin war mit 49,6 % als Gesellschafterin an der beklagten GmbH beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH konnte der Geschäftsanteil eines Gesellschafters durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingezogen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorlag, der bei einer Personengesellschaft seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigen würde (§ 140 HGB). Außerdem heißt es in dem Gesellschaftsvertrag: „Hat der Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft verletzt, so erfolgt die Einziehung ohne Entgelt. In allen anderen Fällen gegen Entgelt (…). Sollte im Fall der Einziehung wegen grober Pflichtverletzung rechtlich ein Entgelt zwingend vorgeschrieben sein, so ist dieses so niedrig wie möglich zu bemessen.“

Die Gesellschafterversammlung stellte zweimal nacheinander fest, dass in der Person der Klägerin wichtige Gründe vorlägen, die dazu berechtigten, sie auszuschließen. Die Gesellschafterversammlung beschloss daraufhin den Ausschluss der Klägerin nebst der Feststellung, dass nach dem Gesellschaftsvertrag kein Abfindungsentgelt geschuldet sei, hilfsweise, dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßgabe eines Gerichtsurteils geschuldet sei, mit dem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt werde. In Vollzug der Ausschließung wurde mit sofortiger Wirkung die Einziehung des Geschäftsanteils beschlossen. Hiergegen wandte sich die Klägerin: Nach Auffassung des BGH hinsichtlich des Abfindungsausschlusses  zu Recht.

III. Entscheidungsgründe

Der BGH hält in seinen Urteilsgründen im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung zunächst fest, dass das Recht eines Gesellschafters, bei Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Abfindung zu erhalten, zu seinen Grundmitgliedschaftsrechten gehört und ein vollständiger gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss grundsätzlich sittenwidrig i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB und nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Der Gesellschafter habe durch seinen Kapitaleinsatz und ggf. Mitarbeit zu dem im Wert seines Geschäftsanteils repräsentierten Gesellschaftsvermögens beigetragen, weshalb die Gesellschafterstellung nicht ohne Wertausgleich verloren gehen dürfe. Sodann referiert der BGH die von diesem Grundsatz anerkannten Ausnahmefallgruppen, in denen eine Abfindung ausgeschlossen werden darf. Dies sind: (i) Verfolgung eines ideellen Zwecks durch die Gesellschaft, (ii) Abfindungsklauseln auf den Todesfall und (iii) auf Zeit abgeschlossene Mitarbeiter- oder Managementbeteiligung ohne Kapitaleinsatz (Vgl. im Einzelnen die Nachweise aus der Recht- sprechung in der Urteilsbegründung, BGH Urt. v. 29.04.2014 – II ZR 216/13, DStR 2014, 2306, 2307.). In allen diesen Ausnahmefällen bestehe ein sachlicher Grund für den Ausschluss der Abfindung darin, dass die ausscheidenden Gesellschafter entweder kein Kapital eingesetzt hätten ((ii) und (iii)) oder mit Verfolgung eines ideellen Ziels von vornherein auf die Vermehrung des eigenen Vermögens zugunsten der Förderung des uneigennützigen Zwecks verzichtet hätten ((i)).

Der Abfindungsausschluss bei Einziehung wegen pflichtwidrigen Verhaltens eines Gesellschafters oder wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht zählt hingegen nach Auffassung des BGH nicht zu diesen Ausnahmefällen. In der Literatur wird hingegen bislang von einer starken Meinungsströmung vertreten, dass ein derartiger Ausschluss der Abfindung zulässig ist, wenn er sich auf den Fall der Zwangseinziehung aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verstoßes des Betroffenen gegen seine Pflichten als Gesellschafter beschränkt. Ein solcher Abfindungsausschluss trüge den Charakter einer Verfallklausel als einer Form der Vertragsstrafe §§ 339 ff. BGB (Vgl. etwa Michalski/Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 34 Rn. 66; Großkomm. GmbHG/Ulmer, 2006, 34 Rn. 104.). Die Gegenansicht im Schrifttum hält hingegen eine solche Abfindungsklausel für unzulässig und lässt eine Abfindungsbeschränkung nur zu, wenn sie erforderlich ist, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern (Vgl. etwa Baumbach/Hueck/Fastrich, 20. Aufl. 2013, § 34 Rn. 34a; Henssler/Strohn/Fleischer, Ge- sellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, GmbHG, § 34 Rn. 19; Münch.Komm. GmbHG/Strohn, 2. Aufl. 2015, § 34 Rn. 228.).

Nach Auffassung des BGH fehlt jedoch ein sachlicher Grund dafür, eine Abfindung allein aufgrund einer (groben) Pflichtverletzung eines Gesellschafters auszuschließen, was aus gesellschaftlicher Sicht Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Klausel wäre. Der Abfindungsausschluss führe insbesondere zu der unangemessenen Rechtsfolge, dass dem Gesellschafter wegen einer – unter Umständen – einzigen (groben) Pflichtverletzung der Wert seiner Mitarbeit und seines Kapitaleinsatzes entschädigungslos entzogen werden könne. Damit steht für den BGH fest, dass die (grobe) Verletzung von Gesellschafterpflichten keinen den anerkannten Fallgruppen vergleichba- ren Fall, in dem der Abfindungsausschluss zulässig wäre, darstellt.

Der Abfindungsausschluss bei (grober) Pflichtverletzung eines Gesellschafters habe auch keinen Vertragsstrafencharakter und könne deshalb nicht als allgemeizivilrechtliche Vertragsstrafenregelung (§§ 339 ff. BGB) aufrechterhalten werden, obwohl sich hierfür ein älteres BGH-Urteil anführen ließe (BGH v. 29.09.1983, III ZR 213/82, WM 1983, 1207, 1208; dagegen BGH v. 19.09.1977, II ZR 11/176, NJW 1977, 2316.). Eine Vertragsstrafe solle als Druckmittel zur ordnungsgemäßen Leistung anhalten und/oder einen Schadensersatzanspruch pauschalieren. Der vollständige Abfindungsausschluss bei Pflichtverletzung diene hingegen keinem dieser charakteristischen Zwecke, sondern in der Regel dem Bestandsschutz der Gesellschaft. Dem vollständigen Abfindungsaus- schluss komme, über die Sanktion des Verlustes der Gesellschafterstellung aufgrund Einziehung des Geschäftsanteils hinaus, keine gesteigerte verhaltenssteuernde Wirkung zu, den Gesellschafter zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten. Als Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs wiederum sei die Regelung eines vollständigen Abfindungsausschlusses zu undifferenziert, zumal dann, wenn jeder Bezug zu einem möglicherweise eingetretenen Schaden fehle. Habe hingegen der Gesellschafter, der ausgeschlossen werden solle oder dessen Anteil zwangsweise eingezogen werden solle, die Gesellschaft über die Pflichtverletzung als solche hinaus durch sein Verhalten geschädigt, könne der Schaden konkret berechnet und von ihm eingefordert werden. Schließlich setze die Verwirkung einer Vertragsstrafe stets Verschulden des Ausgeschlossenen voraus, das bei einer bloßen Pflichtverletzung oder einem bloßen Verstoß gegen die Gesellschaftsinteressen nicht vorliegen muss.

Da der vollständige Abfindungsausschluss nach der Räson des BGH von Anfang an zu einem groben Missverhältnis zwischen Anteilswert und Abfindung führte und somit nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig war, war die entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung nichtig, ebenso der darauf aufbauende Gesellschafterbeschluss (analog § 241 Nr. 4 AktG). Gerade weil der Abfindungsausschluss bei Ausschluss aus wichtigem Grund auch nicht als zivilrechtliche Vertragsstrafenregelung aufrechterhalten werden kann, fehlt laut BGH auch die rechtliche Grundlage für eine teilweise Aufrechterhaltung des Abfindungsausschlusses als bloßer Abfindungsbeschränkung im Wege einer an § 343 BGB orientierten Zuteilung eines angemessenen Betrags durch das Gericht i.S.d. Vertragsklausel „so niedrig wie möglich“.

IV. Weiterführende Hinweise

Mit der sehr stringenten und klaren Entscheidung ist ein Zugewinn an Rechtssicherheit verbunden. Für die Vertragspraxis steht fest, dass Straf-Abfindungsklauseln, die einen vollständigen Abfindungsausschluss als bloße weitere Sanktion für (allgemein) pflichtwidriges Verhalten eines Gesellschafters über dessen Ausschluss als solchen hinaus vorsehen, grundsätzlich nicht in Gesellschaftsverträge gehören. Zugleich bestätigt der BGH, dass der vollständige Abfindungsausschluss in den drei Fallgruppen ideeller Zweck/Tod/ Managementbeteiligung ausnahmsweise zulässig ist.

Da der BGH in seinem Urteil keinerlei Ansatzpunkte erkennen lässt, Abfindungsbeschränkungen bei Ausschluss eines pflichtwidrig handelnden Gesellschafters gegenüber sonstigen Abfindungsbeschränkungen aus anderen Gründen zu privilegieren, sollte auch eine „bloße“ gesellschaftsvertragliche Reduktion des Abfindungsbetrags in diesen Fällen (z.B. „Abschlag von 25 %“) gegenüber der Abfindung bei sonstigen im Gesellschaftsvertrag definierten Ausschlusstatbeständen mit Vorsicht gehandhabt werden:

Werden  Abfindungsbeschränkungen/-modifikationen vorgesehen, sollten diese möglichst für alle Ausscheidensfälle gleichermaßen gelten und nicht bestimmte Tatbestände lediglich sanktionieren oder privilegieren, soweit sich hierfür kein besonderer sachlicher Grund anführen lässt wie beispielsweise die Bestandssicherung des Unternehmens gerade durch die für den konkreten Fall vorgesehene Abfindungsbeschränkung.

Das gilt insbesondere für Gesellschaftsverträge von Familiengesellschaften, die oftmals ausdrückliche Regelungen enthalten, in welchen konkreten Fällen ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen bzw. seine Gesellschaftsanteile eingezogen werden können. Dazu zählen insbesondere Ausschlusstatbestände bei Nichtabschluss eines bestimmten Ehevertrags oder mangelnder Einholung von Pflichtteilsverzichten von Ehepartnern. Hierbei handelt es sich in aller Regel, gerade wenn die Klauseln an ein bestimmtes Verhalten oder die Person anknüpfen, um Konkretisierungen des allgemeinen gesetzlichen Ausschlusstatbestandes „wichtiger Grund“/„(grobe) Pflicht-verletzung“, um den es in dem Urteil ging.

Gerade bei den vorgenannten Tatbeständen (Ehevertrag/ Pflichtteilsverzicht) hat eine Abfindungsbeschränkung (-reduktion) im Gesellschaftsvertrag aber nicht nur zum Ziel, pflichtwidriges Verhalten über den Ausschluss aus der Gesellschaft hinaus zu sanktionieren. Vielmehr begründet in diesen Fällen das pflichtwidrige Verhalten selbst eine latente Gefahr für den Bestand des Unternehmens. Denn die einschlägigen Gesellschafterpflichten dienten gerade dazu, den Bestand der Gesellschaft dadurch zu sichern, dass Ansprüche Dritter (z.B. geschiedener Ehegatte/enterbte Pflichtteilsberechtigte) gegen den Gesellschafter ausgeschlossen bzw. reduziert werden. Ein Gesellschafter, der sich mit derartigen Forderungen konfrontiert sieht, unterläge nämlich einem Anreiz, der Gesellschaft Liquidität zu entziehen. Dementsprechend haben an die Verletzung dieser Pflichten anknüpfende Abfindungsbeschränkungen auch einen eigenständigen Nutzen zur Bestandsicherung der Gesellschaft, der über die bloße Möglichkeit zum Ausschluss eines pflichtwidrig handelnden Gesellschafters hinausgeht: Sie stellen sicher, dass ein Gesellschafter, in dessen Person sich dieses Risiko realisiert, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, ohne dass es gerade dadurch zu einem übermäßigen Liquiditätsabfluss kommt – der ja durch die verletzte Gesellschafterpflicht verhindert werden sollte. Derartige sachliche Gründe für Abfindungsreduktionen in bestimmten Fällen sollten jedoch möglichst dokumentiert werden (z.B. in einer Präambel zum Gesellschaftsvertrag).