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Schenkungssteuergesetz

Verzicht auf Mehrstimmrecht keine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung

Friedrich Acker,  Rechtsanwalt, Stuttgart

Verzichtet ein Gesellschafter einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht, liegt darin auch dann keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter der GmbH, wenn sich der Wert von deren Anteilen an der GmbH dadurch erhöht.

I. Problemstellung und deren praktische Bedeutung

In der Vermögens- und Unternehmensnachfolge stellen Mehrstimmrechte ein häufiger genutztes Gestaltungsinstrument dar. Mehrstimmrechte werden z.B. vereinbart, wenn der Übergeber bereit ist Substanz und Erträge von Gesellschaftsanteilen zu übertragen, sich aber den Einfluss auf die Gesellschaft noch vorbehalten möchte. Mehrstimmrechte gewähren einem Gesellschafter, meist dem Übergeber, unabhängig vom Nennbetrag seiner Anteile so viele Stimmen, dass ihm z.B. mindestens 51 % oder ein höheres Stimmquorum und den anderen verbleibenden Gesellschaftern insgesamt 49 % oder ein niedrigeres Stimmquorum zur Verfügung stehen.

Häufig sind Mehrstimmrechte in vermögensverwaltenden Gesellschaften vorzufinden, deren Ziel darin besteht, die Familie aus schenkungsteuerlichen Überlegungen frühzeitig am Vermögen und den Erträgen zu beteiligen, ohne ihr Einfluss auf die Gesellschaft zu gewähren.

Während Mehrstimmrechte in der Aktiengesellschaft verboten sind (§ 12 Abs. 2 AktG), sind diese in der GmbH allgemein anerkannt (Baumbach, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 47 Rn. 68; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 47 Rn. 5.). Das Stimmrecht kann in der Satzung der GmbH für bestimmte Gesellschafter oder Geschäftsanteile ausgeschlossen, beschränkt oder erhöht werden. Das Mehrstimmrecht kann an die Person des Gesellschafters oder an den Geschäftsanteil  geknüpft werden.

Bei einem Einsatz von Mehrstimmrechten sind zum einen die damit verbundenen psychologischen Auswirkungen auf die betroffenen Gesellschafter zu berücksichtigen, die in der Gesellschaft letztlich keinen nachhaltigen Einfluss ausüben können. Demgemäß ist zu empfehlen, von Mehrstimmrechten nur sehr zurückhaltend und sorgsam Gebrauch zu machen.

Das hier dargestellte Urteil zeigt aber auch, dass die mit dem Mehrstimmrecht verbundenen steuerlichen Konsequenzen im Auge behalten werden müssen.

II. Zum Sachverhalt

Der Vater der Kläger (V) gründete gemeinsam mit einem Dritten (D) im Jahre 1984 eine GmbH an der er mit 97 % beteiligt war. Im Jahre 1993 wurde im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Gesellschaftsvertrag der GmbH dahingehend geändert, dass die von V gehaltenen Geschäftsanteile an der GmbH, unabhängig von ihrem Nennbetrag, so viele Stimmen gewähren, dass ihm mindesten 51 % der Stimmen zustehen, während den anderen Gesellschaftern die restlichen 49 % zustehen. Diese Regelung sollte solange gelten, wie V Gesellschafter der GmbH ist. Im Jahre 1994 übertrug V seinen drei Söhnen (Kläger) je 24 % seiner Geschäftsanteile, sodass er noch mit 25 % an der GmbH beteiligt war. Da die geschenkten Anteile keinen Einfluss auf die Geschäftsführung vermittelten, wurde bei der Festsetzung der Schenkungsteuer, der nach den damals gültigen Erbschaftsteuerrichtlinien ermittelte gemeine Wert der Anteile um einen Abschlag von 10 % gekürzt. Im Oktober 2000 erwarben die Kläger je 1 % Geschäftsanteile von den Erben des D, sodass sie, wie V, mit je 25 % an der Gesellschaft beteiligt waren. Im Dezember 2000 wurde das Stamm- kapital der GmbH erhöht. Zugleich entfiel im Rahmen der Änderung der Satzung das Mehrheitsstimmrecht des V.

Das beklagte Finanzamt (FA) sah im Verzicht auf das Mehrstimmrecht eine steuerpflichtige Zuwendung des V an seine Söhne (Kläger). Der Wert der Anteile der Söhne habe sich dadurch erhöht, dass kein Abschlag wegen fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung mehr vorzunehmen sei. Das FA setzte demgemäß gegen die Söhne (Kläger) Schenkungsteuer fest, weil es im Verzicht des V auf das Mehrstimmrecht eine freigebige Zuwendung des V an die Klägerin sah. Die Einsprüche der Kläger gegen die Schenkungsteuerbescheide blieben erfolglos. Das Finanzgericht Baden Württemberg (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, es läge keine freigebige Zuwendung vor. Die Revision beim BFH hat die Auffassung des FG bestätigt.

III. Entscheidungsgründe

In der Urteilsbegründung legt der BFH zunächst dar, dass der Schenkungsteuer als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unterliegt, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Erforderlich ist demgemäß:

  1. Eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf Seiten des Schenkers, vorliegend V, und eine Vermögensmehrung auf Seiten der Beschenkten, vorliegend der Kläger.
  1. Die Vermögensverschiebung muss sich auf die Vermögenssubstanz beziehen, nämlich auf den Zugang aktiver Wirtschaftsgüter oder Wegfall negativer Vermögenswerte, wie z.B.

Eine bloße Werterhöhung des Vermögens bei den Klägern würde ebensowenig wie die bloße Wertminderung des Vermögens des V zu einem Schenkungsteuertatbestand  führen.

Der BFH weist darauf hin, dass sich auch aus dem Institut der mittelbaren Schenkung nichts anderes ergibt. Auch dort wird eine Vermögensverschiebung zwischen Schenker und Beschenktem gefordert, wobei der Entreicherungsgegenstand und der Bereicherungsgegenstand nicht identisch sein müssen. Wendet z.B. der Schenker einen Geldbetrag mit der Auflage an den Beschenkten zu, eine bestimmte Immobilie zu erwerben, ist mittelbar die Immobilie geschenkt. Der Entreicherungsgegenstand beim Schenker ist der hingegebene Geldbetrag, der Bereicherungsgegenstand beim Beschenkten ist die Immobilie.

Der Verzicht auf das Mehrstimmrecht durch V stellt demnach nach Auffassung des Gerichts keine freigebige Zuwendung dar, weil es an einer substanziellen Vermögensverschiebung zwischen V und dem Kläger fehlt. Das Mehrstimmrecht des V stellt demnach keinen  Vermögensgegenstand dar, sondern lediglich eine an die Person des V gebundene unselbstständige Ausgestaltung des Stimmrechts von V in der Gesellschafterversammlung der GmbH ohne Bezug auf das Vermögen des V. Dadurch, so der BFH, unterscheidet sich das Mehrstimmrecht von selbstständigen Rechtspositionen wie etwa Geldforderungen, Nießbrauchrechten etc. Dem Mehrstimmrecht des V komme jedenfalls kein Vermögensbezug zu, sodass es an einer Vermögensverschiebung fehle. Denn das früher dem V zustehende Mehrstimmrecht erhöhte nach Auffassung des BFH den Wert seiner Beteiligung nicht.

In diesem Zusammenhang verweist der BFH in der Urteilsbegründung auf die Vorschriften zur Ermittlung des Verkehrswerts in § 9 Abs. 2 BewG. Nach § 9 Abs. 2 S. 2 dürfen bei der Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht berücksichtigt werden. Da es sich bei dem Mehrstimmrecht des V um einen persönlichen Umstand handelt, darf sich dieser nach der genannten Vorschrift nicht auf den Wert der Beteiligung auswirken. Die Folge daraus ist, dass sich der Verkehrswert oder gemeine Wert des Vermögens des V durch den Verzicht auf das Mehrstimmrecht steuerlich nicht auswirkt. Damit wäre nach Auffassung des Gerichts auch für den Fall keine Schenkung anzunehmen, dass eine bloße Änderung des Werts des Vermögens des Schenkers und des Bedachten zu einer steuerpflichtigen Schenkung führen würde.

IV. Weitere Hinweise

Die Entscheidung des BFH bezog sich auf ein Mehrstimmrecht, das an die Person von V geknüpft war. Wäre das Mehrstimmrecht sachlich an einen Geschäftsanteil geknüpft gewesen, läge jedenfalls anders als bei der Anknüpfung an die Person des V ein sachlicher Bezug zum Vermögen des V vor. Dennoch dürfte es aber gleichwohl an dem vom BFH für eine schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendung geforderten Zugang aktiver Wirtschaftsgüter fehlen, da das Mehrstimmrecht keinen gesonderten Vermögensgegenstand darstellt. Die Entscheidung des BFH erfolgte nach alter Rechtslage. Der BFH hatte daher den durch Gesetz vom 07.12.2011 eingeführten § 7 Abs. 8 ErbStG bei seiner Entscheidung nicht zu berücksichtigen, da dieser gemäß § 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG nur auf Erwerbe Anwendung findet, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht.

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesell- schaft, die eine an der Kapitalge- sellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erhält. Demgemäß ist die Frage aufzuwerfen, ob der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht als eine Schenkung i.S. des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG gilt. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG setzt die Leistung an die Gesellschaft voraus, die zu einer Werterhöhung der Anteile natürlicher Gesellschafter oder Stiftungen führt.

Die Aufgabe eines Mehrstimmrechts stellt von vornherein keine Leistung an die Gesellschaft dar, sodass bereits insoweit § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG nicht erfüllt ist. Das Gesellschaftsvermögen wird durch die Gesellschaftervereinbarung nicht berührt.

Vielmehr ist das Stimmrecht nach dem hier dargestellten Urteil des BFH ein unselbstständiger Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters, über das nicht getrennt verfügt werden kann (Siehe hierzu auch die Anmerkungen von Wach- ter zum BFH Urteil vom 30.01.2013, ZEV 2013, 349 (352)). Demgemäß ist davon auszugehen, dass der Verzicht auf ein persönliches Mehrstimmrecht auch nicht gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG der Schenkungsbesteuerung unterliegt.

Allerdings verdeutlicht die Entscheidung auch die Bedeutung des § 9 Abs. 2 BewG, der verfassungsrechtlich als nicht unproblematisch angesehen wird (So zutreffend der Hinweis von Wachter in den o.g. Anmerkungen zu dem hier diskutierten BFH-Ur- teil, ZEV 2013, 349 (352)). Denn es entspricht keinesfalls der Bewertungspraxis, dass Anteile mit oder ohne Stimmrechtsbeschränkungen oder mit Mehrstimmrechten nicht in ihrem Wert tangiert werden. Man betrachte nur den Bewertungsunterschied zwischen Stamm- und Vorzugsaktien. Für Familienunternehmen hat die Bewertungsvorschrift des § 9 Abs. 2 BewG auch noch an anderer Stelle Bedeutung, wenn es beispielsweise um die Berücksichtigung von Verfügungsbeschränkungen oder aber um Abfindungsbeschränkungen bei der Wertermittlung für Anteile geht. Auch diese Einschränkungen dürfen bei der Bewertung der Anteile für Zwecke der Schenkungsteuer nicht berücksichtigt werden, was unter dem Aspekt der vom BVerfG geforderten realitätsnahen Bewertung kritisch zu sehen ist.