Beiträge

Steuerrecht, Körperschaftssteuer

Steuerliche Behandlung der Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Mezzanine-Kapital

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Rechtsanwalt

Problemstellung

Wesentliche Säule der Finanzierung von Familienunternehmen ist die sog. Innenfinanzierung, also die Finanzierung durch einbehaltene, versteuerte Unternehmensgewinne. Auch dem Bereich der Innenfinanzierung zuzurechnen sind Darlehen, die Gesellschafter in ihr Unternehmen hineingeben. Neben diesen Instrumenten der Innenfinanzierung nehmen nach wie vor die überwiegende Anzahl der Familienunternehmen Bankkredite als Instrumente der Fremdfinanzierung in Anspruch. Gerät das Familienunternehmen wirtschaftlich in die Krise wird von den Banken für die Aufrechterhaltung der Kreditlinien oder die Gewährung eines „Überbrückungskredites“ regelmäßig die Verbesserung der Eigenkapitalquote gefordert. In solchen Konstellationen ist es in der Praxis durchaus üblich, Gesellschafterdarlehen im Rahmen eines sog. Debt-Mezzanine-Swap in Mezzanine- Finanzierungsinstrumente, beispielsweise Genussrechte, umzuwandeln. Die Genussrechte werden dabei so ausgestaltet, dass sie handelsbilanziell Eigenkapital darstellen. Dies ist möglich, wenn die Genussrechte dauerhaft gewährt und mit Nachrang gegenüber sonstigen Gläubigern ausgestaltet werden, eine Verlustbeteiligung vorgesehen ist und die Verzinsung zumindest teilweise gewinnabhängig erfolgt. Dadurch werden die Bilanzrelationen verbessert, was eine höhere Bonität und damit günstigere Kreditkonditionen bzw. eine Erweiterung des Kreditfinanzierungsspielraums zur Folge hat. Entgegen der handelsbilanziellen Betrachtung ist steuerlich regelmäßig gewünscht, dass die Mezzanine- Finanzierungsinstrumente Fremdkapitalcharakter haben. Dabei liegen die Vorteile einer unterschiedlichen Behandlung in der Handels- und Steuerbilanz auf der Hand. So können Zinsaufwendungen, die an den Mezzanine-Finanzierungsgeber bezahlt werden, steuerlich als Betriebsaus- gaben abgezogen werden. Die Rückzahlung der entsprechenden Finanzierungsinstrumente stellt steuerlich keine Gewinnausschüttung dar, führt also nicht zu unerwünschten ertrag- steuerlichen Folgen beim Finanzierungsgeber. Last but not least kann die Umwandlung des Gesellschafterdarlehens in Mezzanine-Finanzierungsinstrumente ertragsteuerneutral vollzogen werden. Die steuerbilanzielle Qualifizierung als Fremdkapital wird in der Praxis mit Hinblick auf 8 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 KStG zumeist dadurch versucht zu erreichen, dass eine Beteiligung am Liquidationserlös und/oder an den stillen Reserven vertraglich ausgeschlossen wird. Diese in der Praxis gängige Handhabung ist nun von der Finanzverwaltung in Frage gestellt worden. Die OFD Rheinland vertritt die Auffassung, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 KStG nur Regelungen zur Einkommensermittlung beinhaltet und inhaltlich keine Aussage zur steuerbilanziellen Behandlung von Mezzaninen-Finanzierungsinstrumenten trifft. Nach Ansicht der OFD Rheinland zieht eine handelsbilanzielle Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital infolge des Maßgeblich- keitsprinzips steuerbilanziell ebenfalls eine Umqualifizierung in Eigenkapital nach sich. Folge dieser Auffassung der Finanzverwaltung ist, dass sämtliche vorgenannten Steuervorteile verloren gehen und durch die Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Mezzanine-Finanzierungsinstrumente steuerbilanziell kein erfolgsneutraler Passivtausch vorliegt. Eine solche Umwandlung führt vielmehr handels- und steuerbilanziell zu einem Ertrag. Soweit das umgewandelte Gesellschafterdarlehen nicht werthaltig ist sind entsprechende Ertragsteuern die Folge. In der Höhe, in der das Gesellschafterdarlehen werthaltig ist, führt die Umwandlung zu einer verdeckten Einlage des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen (vgl. BFH v. 09.06.1997 – GrS 1/94 – BStBl. II 1998, 307). Beim Gesellschafter führt dies zu einer nachträglichen Erhöhung der Anschaffungskosten seiner Beteiligung.

Abschließende Hinweise

Die Verfügung der OFD Rheinland ist soweit ersichtlich bundeseinheitlich noch nicht abgestimmt. Es muss also zunächst abgewartet werden, ob die Finanzverwaltung insgesamt auch in anderen Bundesländern diese Linie vertreten wird. In der Praxis ist Vorsicht anzuraten. Das gängige Instrument der Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital zur Stärkung der Eigenkapitalquote kann in Sanierungssituationen derzeit nicht ohne erhebliche Steuerrisiken eingesetzt werden.

Aktiengesetz

Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern

Beratungsverträge mit Mitgliedern von Aufsichtsräten und Beiräten

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Rechtsanwalt

Zahlungen des Vorstandes an ein Aufsichtsratsmitglied für Dienstverpflichtungen außerhalb seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat sind nur dann erlaubt, wenn der Gesamtaufsichtsrat vorher zustimmt. Die nachträgliche Genehmigung des Gesamtaufsichtsrates ändert an der Pflichtwidrigkeit der Zahlungen nichts.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Aufsichtsräte und Beiräte spielen in Familienunternehmen eine wesentliche Rolle. Zu unterscheiden sind dabei sog. Pflichtaufsichtsräte, also Aufsichtsräte, die nach den gesetzlichen Vorschriften zwingend zu errichten sind, und fakultative Beiräte, also freiwillig von den Gesellschaftern eingesetzte Gremien, für die es keine gesetzlichen Regelungen gibt. Für die Einsetzung von freiwilligen Beiräten bestehen in der Praxis unterschiedlichste Motive, beispielsweise die Kontinuitätssicherung in der Unternehmensnachfolge, die Moderation zwischen verschiedenen Gesellschaftern oder Familienstämmen, die Beratung und Überwachung bei Einsetzung eines Fremdmanagements oder die Koordination auseinanderstrebender Gesellschafterinteressen (vgl. dazu Wiedemann/Kögel, Beirat und Aufsichtsrat  im Familienunternehmen, §4, S. 9 ff.). Häufig spielen Aufsichtsräte in Familienaktiengesellschaften oder freiwillig eingesetzte Beiräte bei der Umsetzung der Unternehmensnachfolge eine wesentliche Rolle, geben sie doch dem Unternehmer, der die operative Führung auf die nächste Generation überleitet, die Möglichkeit für einen stufenweisen Ausstieg durch die Wahrnehmung einer Funktion im Aufsichtsrat oder Beirat des Unternehmens. Eine solche Konstellation bietet einerseits die Möglichkeit, dass der übergebende Unternehmer den „Junioren“ weiterhin mit Rat und Tat zur Seite steht, gleichzeitig aber seine Funktion „kanalisiert“ wird. Häufig werden solche Mandate in Aufsichtsrats- und Beiratsgremien durch entsprechende Beraterverträge begleitet.

Die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit der Frage der Zulässigkeit solcher Beratungsverträge beschäftigt. Hintergrund hierfür ist die Vorschrift des § 114 AktG, die klarstellt, dass ein Aufsichtsratsmitglied keine besonderen Vergütungen für Leistungen erhalten kann, die zum Bereich seiner Aufsichtsratstätigkeit gehören. Insofern hat die durch die Hauptversammlung bzw. Satzung festgelegte Aufsichtsratsvergütung abschließenden Charakter. Das Aktiengesetz lässt es aber zu, dass mit Aufsichtsratsmitgliedern Beratungsverträge abgeschlossen werden, stellt diese jedoch unter den Vorbehalt der Zustimmung durch das Gesamtgremium. Solchen Beratungsverträgen zugänglich sind aber nur Tätigkeiten, die von der eigentlichen Aufsichtsratstätigkeit klar getrennt sind. Ob es sich im Einzelfall um eine einer vertraglichen Regelung zugänglichen Tätigkeit handelt, war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von höchstrichterlichen Entscheidungen. So hat der BGH bspw. klargestellt, dass die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, auch die Pflicht beinhaltet, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten (vgl. dazu BGHZ 114, 127, 129 f. = NJW 1991, 1830, 1831). In einer anderen Entscheidung hat der BGH dargelegt, dass es nicht ausreicht, wenn der Beratungsvertrag die Beratung „in betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fragen“ durch das Aufsichtsratsmitglied vorsieht. Durch einen solchen Beratungsgegenstand ist keine hinreichende Abgrenzung zwischen der Beratungstätigkeit und der Organtätigkeit gewährleistet (vgl. dazu BGH, BB 2007, 1185 ff.).

Ob diese Grundsätze auch für freiwillige Beiräte gelten, bei denen die vorgenannte Vorschrift des § 114 AktG nicht unmittelbar Anwendung findet, wurde von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden. In der Literatur wird dies zumindest dann teilweise bejaht, wenn dem Beirat eine einem Pflichtaufsichtsrat vergleichbare Funktion und Aufgabenstellung zukommt (vgl. dazu bspw. Weiss BB 2007, 1853, 1858 ff.).

Großes Aufsehen hatte vor einigen Jahren eine Entscheidung des OLG Frankfurt erregt, die sich mit der Frage beschäftigt hat, ob ein Aufsichtsratsmitglied bei der Beschlussfassung über die Zustimmung zu dem ihn betreffenden Beratungsvertrag stimmberechtigt ist (OLG Frankfurt, AG 2005, 925). Das Gericht hat dies verneint und weiter ausgeführt, dass der Beschluss eines dreiköpfigen Aufsichtsrats über die Zustimmung mangels Beschlussfähigkeit auch dann unwirksam sei, wenn sich das betroffene Aufsichtsratsmitglied der Stimme enthalte (vgl. OLG Frankfurt AG 2005, 925). Folge dieser Entscheidung wäre gewesen, dass Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern in Aufsichtsräten, die sich lediglich aus drei Personen zusammensetzen, nicht genehmigungsfähig wären, da für die Beschlussfähigkeit eines Aufsichtsrats mindestens drei Personen an der Beschlussfassung teilnehmen müssen. Der BGH, der die Frage, ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist, zunächst offengelassen hatte (vgl. BGH, NZG 2007, 103, 105), hat in einer späteren Entscheidung entgegen dem OLG Frankfurt entschieden, dass die Beschlussfähigkeit eines dreiköpfigen Aufsichtsrats auch dann besteht, wenn ein Aufsichtsratsmitglied nicht stimmberechtigt ist. Das vom Stimmverbot betroffene Aufsichtsratsmitglied kann – und muss – sich der Stimme enthalten und so durch seine „Teilnahme“ an der Abstimmung über die Genehmigung des Beratungsvertrags die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats herstellen (vgl. BGH, BB 2007, 1185, 1187).

Kaum hat sich nunmehr die Diskus- sion über die Zulässigkeit von Bera- tungsverträgen mit Aufsichtsrats- mitgliedern etwas beruhigt, ist es erneut das OLG Frankfurt, das für erhebliche Unruhe in der Gestaltungspraxis sorgt, indem es entgegen der ganz herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. dazu die Hinweise bei Wiedemann/Kögel, a.a.O., §11, Rn. 13, Fn. 25 und Drygala ZIP 2011, 428, Fn. 3) die nachträgliche Genehmigung von Beratungshonoraren als Gesetzesverstoß einstuft.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Das OLG Frankfurt hatte sich mit der Berufung der Fresenius SE gegen ein erstinstanzliches Urteil zu beschäftigen, mit dem die Entlastungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat aus der Hauptversammlung 2009 für nichtig erklärt worden waren. Diese Entlastungsbeschlüsse waren mit dem Argument von zwei Aktionären angefochten worden, dass einem Aufsichtsratsmitglied Beratungshonorare auf der Grundlage eines Beratungsvertrags ausgezahlt wurden, die nicht vorherig, also vor Zahlung der Beratungshonorare, durch den Aufsichtsrat, sondern erst nachträglich genehmigt wurden. Die beklagte Fresenius SE machte u.a. geltend, dass der Aufsichtsrat ein jährliches Budget vorab freigegeben hatte und nur die konkreten Zahlungen nachträglich genehmigt wurden.

Das OLG Frankfurt sieht in dieser der Praxis entsprechenden Handhabung „schwere und eindeutige Gesetzesverstöße, die zur Versagung der (Gesamt-)Entlastung nach § 120 Abs. 1 AktG führen mussten.“ Nach Ansicht des OLG Frankfurt beinhaltet § 114 AktG eine Verhaltensregelung mit dem Zweck, eine Abhängigkeit des überwachenden Organs vom überwachenden Organ zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund sollen Zahlungen an Aufsichtsratsmitglieder für Beratungsleistungen nur bei vorheriger Zustimmung durch den Aufsichtsrat erlaubt sein. Auch die nachträgliche Genehmigung kann nach Ansicht des OLG Frankfurt das „tatsächliche Fehlverhalten nicht ungeschehen machen“. Das OLG Frankfurt stellt dabei auf die „Pflichtwidrigkeit der Zahlung“ ab.

Sollte sich die Ansicht des OLG Frankfurt durchsetzen, wird dies sicherlich zu einer Neustrukturierung der Beratungsmandate in der Praxis in dem Sinne führen, dass Vergütungen vor deren Auszahlung stets dem Zustimmungsvorbehalt durch den Gesamtaufsichtsrat unterworfen werden. Diese Vorgehensweise kann wiederum im Widerspruch zu einem anderen oben bereits erwähnten Vorteil des OLG Frankfurt stehen, wonach eine nachträgliche Konkretisierung eines Beratungsvertrags ebenfalls unzulässig sein soll (vgl. AG 2005, 925). Die Anwendung beider Vorteile des OLG Frankfurt würde faktisch dazu führen, dass nur solche Beratungsleistungen genehmigungsfähig wären, die erstens vor Erbringung der Leistungen konkret definiert werden können und die zweitens einschließlich des dafür vorgesehen Beratungshonorars zuvor durch den Aufsichtsrat genehmigt werden. Ein Verfahren, das in vielen Fällen kaum praktikabel ist und dem Wortlaut des § 114 AktG, der gerade von der Zulässigkeit von Beratungsverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern ausgeht, zuwiderläuft.

Für die Gestaltungspraxis bleibt zu hoffen, dass der BGH, wie bereits in dem oben geschilderten Fall, nochmals die Möglichkeit bekommt, auch dieses Urteil des OLG Frankfurt „geradezurücken“. Anlass hierfür hätte der BGH ausreichend, spricht doch beispielsweise § 114 Abs. 1 AktG von „Zustimmung“, die, sofern das Gesetz hierzu keine andere Aussage trifft, sowohl als vorherige Einwilligung als auch als nachträgliche Genehmigung zu verstehen ist. Ferner hat sich das OLG Frankfurt überhaupt nicht mit dem Wortlaut des § 114 Abs. 2 AktG auseinandergesetzt, der explizit die (nachträgliche) Genehmigung durch den Aufsichtsrat zulässt. Das OLG Frankfurt hat die Revision zwar nicht zugelassen; die Nichtzulassungsbeschwerde ist aber derzeit beim BGH anhängig.

Wertpapierhandelsgesetz

Börsennotierte  Familienunternehmen: Ad-hoc-Mitteilungspflicht bei zeitlich gestrecktem Vorgang

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Rechtsanwalt

Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 / EG nur darauf abzustellen, ob dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information nach diesen Richtlinienbestimmungen anzusehen ist, und demgemäß zu prüfen, ob man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder können bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Umstands oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinn der genannten Richtlinienbestimmungen sein?

b) Verlangt hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/ EG eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung mit überwiegender oder hoher Wahrscheinlichkeit, oder ist unter Umständen, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer zukünftigen Existenz, oder Ereignissen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden, zu verstehen, dass das Maß der Wahrscheinlichkeit vom Ausmaß der Auswirkungen auf den Emittenten abhängt und es bei hoher Einigung zur Kursbeeinflussung genügt, wenn der Eintritt des künftigen Umstands oder Ereignisses offen, aber nicht unwahrscheinlich ist?

Problemstellung und praktische Bedeutung

Hat die damalige Daimler-Chrysler AG das Ausscheiden ihres ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp zu spät ad hoc gemeldet?

Diese Frage beschäftigt nunmehr nach einem entsprechenden Vorlagebeschluss des BGH den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die vom EuGH abstrakt zu prüfenden Fragen haben dabei, wie auch der dem Vorlagebeschluss konkret zugrunde liegende Sachverhalt, für börsennotierte Familienunternehmen eine erhebliche praktische Bedeutung. So obliegt sämtlichen börsennotierten Unternehmen, (abgestellt wird insoweit auf eine Notierung in einem organisierten Markt, eine Einbeziehung in den Freiverkehr genügt hierfür nicht) Insiderinformationen, die das Unternehmen unmittelbar betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen (vgl. § 15 Abs. 1 WpHG). Insiderinformationen sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG konkrete Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren, also bspw. börsennotierte Aktien oder Schuldverschreibungen, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind, oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Eine solche Eignung ist gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (§ 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Als Umstände i.d.S. gelten auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG).

Gerade börsennotierte Familien- unternehmen sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass Vertreter der Unternehmerfamilie in den Organen des Unternehmens vertreten sind. Zeichnet sich dann ein Ausscheiden dieser Person aus Vorstand oder Aufsichtsrat ab, so stellt sich regelmäßig die Frage, ob und ggf. wann dies eine Ad-hoc-Mitteilung nach sich zieht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geht in ihrem Emittentenleitfaden davon aus, dass Veränderungen in den Organen eine Publizitätspflichtige Insiderinformation darstellen können (vgl. dazu S. 62 des Emittentenleitfadens der BaFin). Dies wird bei börsennotierten Familienunternehmen in aller Regel zumindest dann der Fall sein, wenn das das börsennotierte Familienunternehmen führende Vorstandsmitglied, das gleichzeitig den Hauptaktionär repräsentiert, aus dem Vorstand ausscheidet. In derartigen Fallkonstellationen stellt sich dabei nicht nur die Frage, ob eine Ad-hoc- Publizitätspflicht überhaupt eröffnet ist, sondern vor allem auch, zu welchem Zeitpunkt diese greift.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Hintergrund für den Vorlagebeschluss des BGH war eine Musterrechtsbeschwerde, die mehrere (ehemalige) Aktionäre der damaligen Daimler- Chrysler AG gegen einen Musterentscheid des OLG Stuttgart im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen einer verspäteten Ad-hoc-Mitteilung gegen die damalige Daimler-Chrysler AG wegen des vorzeitigen Ausscheidens des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp geltend gemacht hatten. Das OLG Stuttgart hat auch in seiner zweiten Entscheidung – die erste Entscheidung eines anderen Senats des OLG Stuttgart wurde durch den BGH aufgehoben und zur Durchführung einer Beweisaufnahme zurückgewiesen – eine Insiderinformation erst zu dem Zeitpunkt angenommen, ab dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden konnte, das das zukünftige Ereignis, also das einvernehmliche Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden, eintreten werde. Dies sah das OLG Stuttgart mit der Beschlussfassung des Präsidialausschusses des Aufsichtsrates der damaligen Daimler- Chrysler AG, die einen Tag vor der Aufsichtsratssitzung und der Ad-hoc- Mitteilung stattfand, gegeben. Das OLG Stuttgart ging weiter davon aus, dass die Daimler-Chrysler AG berechtigt war, die Ad-hoc-Mitteilung um einen Tag zu verschieben, weil die Voraussetzung einer Selbstbefreiung vorgelegen hätte, obwohl es hierzu keine bewusste Entscheidung durch den Vorstand der Daimler-Chrysler AG gegeben hatte.

Demgegenüber hatte das OLG Frankfurt im parallelen Bußgeldverfahren das von der BaFin verhängte Bußgeld in Höhe von ` 200.000,00 für rechtmäßig erkannt und somit den Zeitpunkt der Ad-hoc-Publizitätspflicht deutlich früher gesehen.

Im Zentrum dieser juristischen Auseinandersetzung steht die Frage, ob bei einem gestreckten Vorgang bzw. zukunftsbezogenen Sachverhalten eine – publizitätspflichtige – Insiderinformation bereits dann vorliegen kann, wenn Zwischenschritte zur Erreichung des angestrebten Ereignisse verwirklicht sind oder erst dann, wenn der Eintritt des angestrebten Ereignisses hinreichend wahrscheinlich ist.

Nach Ansicht des BGH kommt es zur Klärung dieser Rechtsfrage darauf an, wie die beiden dem § 13 WpHG zugrunde liegenden Artikel der relevanten Richtlinien (Art. 1 I der Marktmißbrauchsrichtlinie 2003/6/EG und Art. 1 I und II der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG) auszulegen sind. Der BGH lässt in seinem Vorlagebeschluss klar erkennen, dass es nicht zwingend für die Kursrelevanz eines bereits eingetretenen Umstandes darauf ankommt, ob ein damit verknüpfter zukünftiger Umstand hinreichend wahrscheinlich eintritt, sondern vielmehr darauf abzustellen ist, ob ein verständiger Anleger die Information (also den Teilschritt) selbst berücksichtigen oder wahrscheinlich als Teil seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Das Kriterium der „Kursrelevanz“ tritt demnach auch bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen selbständig in den Vordergrund; die Frage der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit dagegen in den Hintergrund.

Der EuGH muss als zweite Frage klären, ob für eine Publizitätspflicht eine „überwiegende“ oder sogar eine „hohe“ Wahrscheinlichkeit erforderlich ist oder ob das Maß der Wahrscheinlichkeit vom Ausmaß der Auswirkungen auf den Emittenten abhängt und es somit bei hoher Eignung zur Kursbeeinflussung auch genügen kann, wenn der Eintritt des zukünftigen Ereignisses zwar offen, aber zumindest nicht unwahrscheinlich ist. Der BGH führt insoweit aus, dass zwar einerseits die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses für einen verständigen Anleger bei seiner Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sei, andererseits aber auch Entscheidungsprozesse mit offenem Ausgang für den Anleger bei seiner Entscheidung über den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren relevant sein können. Mit anderen Worten: Der BGH korrigiert seine bisherige Rechtsprechung, in der er eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für erforderlich gehalten hat (vgl. BGH, NZG 2008, 300) und hält nun offenbar auch eine Eintrittserwartung von unter 50 % für möglicherweise ausreichend. Zweifel an seiner bisherigen Rechtsprechung sind dem BGH vor dem Hintergrund einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2009 gekommen, die sich mit dem engen Zusammenhang zwischen dem Verbot von Insidergeschäften und dem Begriff der Insiderinformation und damit mit den Vorteilen befasst, die eine Insiderinformation dem Insider verschaffen kann (vgl. EuGH, NZG 2010, 107). Diese Zweifel sieht der BGH auch in der englischen und französischen Fassung der rele- vanten Richtlinie begründet.

Die Entscheidung des EuGH wird sicherlich einige Zeit auf sich warten lassen. Trotzdem dürfte der Vorlagebeschluss des BGH unmittelbare praktische Folgen für die börsennotierten Unternehmen haben. Die Tendenz geht eindeutig dahin, dass bereits einzelne Zwischenschritte für sich genommen als publizitätspflichtige Insiderinformationen anerkannt werden müssen. Ferner zeichnet sich klar ab, dass das Kriterium der „überwiegenden“ oder „hohen“ Wahrscheinlichkeit von dem Kriterium des Ausmaßes der Auswirkungen auf den Emittenten überlagert wird, sofern eine erhebliche Eignung zur Kursbeeinflussung vorliegt. Börsennotierten Unternehmen ist demnach vor dem Hintergrund der Schadenersatzregelungen und dem Bußgeldrisiko zu empfehlen, mit der Thematik der Ad- hoc-Publizität zukünftig noch sensibler umzugehen. Dabei wird das Instrument der Selbstbefreiung an Bedeutung gewinnen. Insofern ist es zu bedauern, dass der BGH hierzu nicht dezidiert Stellung genommen hat und insbesondere die Frage offen geblieben ist, ob das OGB Stuttgart festgestellt hat – der Selbstbefreiungstatbestand des § 15 Abs. 3 WpHG kraft Gesetzes eintreten kann. Dies steht im Widerspruch zur bisherigen Praxis der BaFin (vgl. dazu Emittentenleitfaden der BaFin, S. 65). Auch insoweit ist also Vorsicht geboten. Börsennotierte Unternehmen, die von der Selbstbefreiung Gebrauch machen, sollten eine bewusste und dokumentierte Entscheidung hierüber herbeiführen.

Einkommensteuergesetz

Urteil des BFH zu der steuerlichen Behandlung von Zahlungen einer Familienstiftung an Familienangehörige

Andrea Seemann, Steuerberaterin

  1. Können die Leistungsempfänger einer Stiftung unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen, handelt es sich bei den Leistungen um Einkünfte aus Kapitalvermögen S.d § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 in der Fassung des Unt- StFG.
  2. Kommt ein Steuerpflichtiger seiner gesetzlichen Verpflichtung, Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, nicht nach, handelt er regelmäßig grob fahrlässig. Dies gilt auch bei nicht eindeutiger Rechtslage; eine abweichende Rechtsmeinung ist im Rechtsbehelfsverfahren

Problemstellung und praktische Bedeutung

Mit dem vorstehenden Urteil nimmt der BFH zu der in der Literatur umstrittenen Frage Stellung, ob Zuwendungen einer Stiftung an ihre Destinatäre nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen) oder nach dem Auffangtatbestand des § 22 Nr. 1 EStG (sonstige Einkünfte) zu besteuern sind. Bedeutung hat dies u.a. für die Frage, ob die Stiftung auf die Leistungen Kapitalertragsteuer einbehalten muss. Von Bedeutung ist diese Frage aber auch für die Besteuerung von im Ausland ansässigen Destinatären. Während Leistungen an im Inland ansässige Destinatäre unabhängig von deren Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG der Abgeltungsteuer oder nach § 22 Nr. 1 EStG dem Teileinkünfteverfahren unterlie- gen, darf Deutschland bei im Ausland ansässigen Destinatären nach einigen Doppelbesteuerungsabkommen diese Leistungen nur dann besteuern, wenn diese unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallen, also Dividenden gleichgestellt sind.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin ist eine im Jahr 1895 errichtete Familienstiftung, deren Zweck es ist, das Vermögen den männlichen Abkömmlingen des Stifters zu erhalten und den Abkömmlingen durch Zuwendungen der Stiftung eine in wirtschaftlicher Beziehung gesicherte Lebensstellung zu verschaffen. Die Klägerin hat in den Streitjahren 2002–2005 Zahlungen an mehrere Destinatäre geleistet. Ein Kapitalertragsteuerabzug unterblieb trotz Aufforderung durch das Finanzamt. Das Finanzamt nahm die Klägerin daraufhin für Kapitalertragsteuer 2002–2005 nach § 44 Abs. 5 EStG 2002 n.F. als Haftende in Anspruch. Hiergegen klagte die Stiftung erfolgreich beim FG Berlin-Brandenburg. Gegen diese Entscheidung legte das Finanzamt Revision beim BFH ein.

Hinweise zur Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Auffassung des Finanzamts bestätigt und entschieden, dass die Zahlungen an die Destinatäre als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG anzusehen sind. Nach dieser Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, z.B. einer Stiftung, die mit Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergleichbar sind und nicht bereits nach dieser Vorschrift besteuert werden. Nach Auffassung des BFH ist die Stellung der Destinatäre im vorliegenden Fall wirtschaftlich mit derjenigen eines Anteilseigners vergleichbar, da sie die ausschließlichen Nutznießer des Stiftungsvermögens sind und zudem mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit das für die Verwendung der Erträge zuständige Kuratorium der Stiftung abberufen können sowie gemäß Satzung zumindest ein Mitglied der Familie im Kuratorium vertreten sein soll. Damit sind die Zahlungen der Klägerin wirtschaftlich mit Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergleichbar. Der BFH ließ jedoch offen, ob alle auf Wiederholung angelegten Leistungen einer Familienstiftung, denen keine Gegenleistungen der Empfänger gegenüberstehen, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gehören. Zudem urteilte der BFH, dass auch bei umstrittener Rechtslage eine Verpflichtung zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer  besteht, anderenfalls handelt der Steuerpflichtige grob fahrlässig. Einen gegenteiligen rechtlichen Standpunkt muss der Steuerpflichtige ggf. durch Anfechtung der Kapitalertragsteuerfestsetzung geltend machen.

Ergänzende Hinweise

Offen bleibt nach der Entscheidung, ob alle auf Wiederholung angelegten Leistungen einer Stiftung an ihre Destinatäre zu den Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gehören, da der Urteilssachverhalt einige Besonderheiten aufweist, die für den BFH entscheidungserheblich waren, z.B. die Möglichkeit der Einflussnahme der Destinatäre auf die Besetzung des Kuratoriums. Aufgrund der Aussage des BFH, dass auch bei umstrittener Rechtslage eine Verpflichtung zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer besteht, ist der Familienstiftung im Zweifelsfall zu raten, Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen sowie im Anschluss ggf. gegen den Bescheid im Einspruchsverfahren vorzugehen. Nur so kann die Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin vermieden werden.

Einkommensteuergesetz

Einkommensteuergesetz – Versorgungsleistungen

Steuerliche Folgen einer vorübergehenden Reduzierung der Zahlung von Versorgungsleistungen

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

  1. Änderungen eines Versorgungsvertrags können nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie von den Vertragsparteien schriftlich fixiert worden
  2. Werden die auf der Grundlage eines Vermögensübergabevertrages geschuldeten Versorgungsleistungen „willkürlich“ ausgesetzt, so dass die Versorgung des Übergebers gefährdet ist, sind die weiteren Zahlungen auch nach Wiederaufnahme der ursprünglich vereinbarten Leistungen nicht als Sonderausgaben abziehbar.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Versorgungsleistungen stellen in der Beratungspraxis eine wichtige Gestaltung zur Absicherung der Versorgungsbedürfnisse von Eltern bei Übertragung von Vermögen auf ihre Kinder dar. Deshalb sind Versorgungsleistungen als wiederkehrende Leistungen definiert, die im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung, insbesondere im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge, geleistet werden. Das Einkommensteuergesetz regelt in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG die Voraussetzungen, unter denen die Versorgungsleistungen beim Verpflichteten als Sonderausgaben abziehbar sind. Beim Versorgungsberechtigten sind diese Zahlungen dann nach § 22 Nr. 1b EStG als sonstige  Einkünfte steuerpflichtig.

Zum Sachverhalt

Der Vater des Klägers übertrug diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge das Eigentum an einem Grundstück sowie an dem auf dem Grundstück befindlichen Bäckereibetrieb. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, seinen Eltern eine monatliche Rente in Höhe von 4.000,- DM zu bezahlen. Der Bäckereibetrieb wurde von dem Kläger nach der Übertragung im Rahmen einer GmbH fortgeführt. Dabei wurden dieser GmbH auch die betrieblichen Grundstücke vermietet. Auf Grund einer schlechten Ertragslage des Bäckereibetriebs musste die Pacht für das Grundstück deutlich reduziert werden. Es kam auch zu weiteren Anpassungsmaßnahmen bezüglich der Ausgaben des Bäckereibetriebs, u.a. zu Tilgungsaussetzungen.

In Folge der schlechten Ertragslage wurde vom Kläger nur ein Teil der vereinbarten Rentenzahlungen geleistet.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Im Urteil wird ausgeführt, dass nach einer Phase einer schwerwiegenden Abweichung von der vereinbarten Rentenzahlung eine Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten nicht mehr in Betracht kommt. Nach Auffassung des BFH zeigt das gravierende vertragswidrige Verhalten während eines längeren Zeitraums (im Streitfall 17 Monate) den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien und lässt den Übergabevertrag als Ganzes deshalb nicht unberührt. Erfüllt demgemäß der Übernehmer in späteren Jahren die  vereinbarten Versorgungsleistungen vertragsgemäß, sind deshalb auch diese Aufwendungen nicht als Sonderausgaben abziehbar. Andererseits hat der Vermögensübergeber, der über einen längeren Zeitraum vertragswidrig keine Versorgungsleistungen erhalten hat, bei Wiederaufnahme der Zahlungen keine sonstigen Einkünfte zu versteuern.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung sollten die Vertragsparteien eines Versorgungsvertrages die Gründe einer vorübergehenden Reduzierung von Zahlungen von Versorgungsleistungen schriftlich dokumentieren.

 

Schenkungsteuergesetz

Schenkungsteuerliche Probleme bei der Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Nießbrauchsvorbehalt

Prof. Rainer Kirchdörfer, Rechtsanwalt

  1. Der schenkweise Erwerb eines Kommanditanteils unterfällt nur dann dem § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt wird.
  1. Es reichte daher nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen Kommanditanteils nur deshalb Mitunternehmerinitiative zukäme, weil er bereits Kommanditist der KG war, h. wenn sich seine bisherige Mitunternehmereigenschaft wegen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das vorstehende Urteil des BFH ist schon älter, soll jedoch wegen der hohen praktischen Relevanz von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bei Familienunternehmen im Rahmen des seit 01.01.2009 gelten- den neuen Schenkungsteuer- und Erbschaftsteuersystems besprochen werden. Während der Beschenkte nach dem bis zum 31.12.2008 gelten- den § 15 ErbStG den Wert des Nießbrauchs im Rahmen der zu berechnenden Schenkungsteuer nicht von dem geschenkten Vermögen abziehen konnte, wenn sich der Schenker den Nießbrauch vorbehielt, ist dieses Abzugsverbot heute entfallen. Insbesondere im Rahmen von schenkweisen Grundstücks- oder Unternehmensübertragungen ist daher der Vorbehaltsnießbrauch (neben häufig alternativ in Betracht kommenden Rentenlösungen) in vielen Fällen eine sinnvolle Gestaltung.

Die im vorliegenden Sachverhalt beschenkte Tochter und die schenkende Mutter waren zwei von sechs Kommanditisten einer x-GmbH & Co. KG. Die Beteiligung der Mutter betrug ca. 11 % und die der Tochter ca. 42 %. Im Jahr 2002 übertrug die Mutter ihren Kommanditanteil an der Kommanditgesellschaft einschließlich ihres Anteils an offenen Rücklagen und zzgl. der Forderungen aus ihrem Darlehenskonto sowie ihren Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH auf ihre Tochter. Die Mutter behielt sich im Schenkungsvertrag den lebenslangen Nießbrauch an den übertragenen Gesellschaftsbeteiligungen vor. Im Einzelnen war der Nießbrauch so ausgestaltet, dass der Mutter als Nießbrauchsberechtigter die Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung nebst den Zinsen auf die Darlehensforderung und auch die anteiligen Gewinnausschüttungen der Komplementär-GmbH verblieben. Darüber hinaus sollten der Mutter die mit der übertragenen Beteiligung an der Kommanditgesellschaft verbundenen „Stimm- und sonstigen Verwaltungsrechte“ zustehen und im Falle einer Veräußerung der Beteiligungen sollte sich der Nießbrauch am „Netto-Veräußerungserlös“ und ggf. an dessen Wiederanlage fortsetzen.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der Sachverhalt war noch nach der vor 2009 geltenden Fassung des Erbschaftsteuergesetzes zu beurteilen. Dieselbe Fragestellung würde sich jedoch auch in der heute geltenden Gesetzesfassung ergeben. Für den BFH stellte sich die Frage, ob die beschenkte Tochter den seinerzeitigen schenkungsteuerlichen Bewertungsabschlag von 40 % nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG (alt) in Anspruch nehmen konnte. Dies konnte sie nur dann, wenn ihr ein Mitunternehmeranteil i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG geschenkt worden war. Dies wiederum setzt u.a. voraus, dass der Tochter nicht nur zivilrechtlich ein Gesellschaftsanteil, sondern damit verbunden – unter steuerrechtlicher Betrachtung – auch die zum Mitunternehmeranteil gehörende Mitunternehmerinitiative geschenkt und übertragen worden war. Bei der Schenkung eines Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt muss nun zunächst im Detail geprüft werden, wer letztendlich auf Basis des konkreten Schenkungs- und Nießbrauchsvertrages Mitunternehmer ist bzw. wird: Ist dies die Beschenkte, ist dies die sich den Nießbrauch vorbehaltende Schenkerin oder sind dies beide?

Im vorliegenden Sachverhalt behielt sich die Mutter als Nießbraucherin – wie in der Praxis beim Vollnießbrauch häufig – sämtliche Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung, der übertragenen Darlehensforderung und den übertragenen GmbH-Anteilen vor. Außerdem sollte sich der Nießbrauch im Falle einer Veräußerung der Beteiligung am „Netto-Veräußerungserlös“ und ggf. an dessen Wiederanlage fortsetzen. Problematisch war nun aber, dass sich die Mutter auch noch sämtliche mit der Beteiligung verbundene „Stimm- und sonstige Verwaltungsrechte“ zurückbehielt. Damit war das für die Mitunternehmerschaft (neben dem sog. Mitunternehmerrisiko) wesentliche Kriterium der Mitunternehmerinitiative, bezogen auf den geschenkten Gesellschaftsanteil, nicht auf die Beschenkte übertragen worden. Es genügt zum Erhalt des schenkungsteuerlichen Bewertungsabschlages aber nicht, dass ein Mitunternehmeranteil in der Hand des Schenkers vorlag, dieser muss als Mitunternehmeranteil auch auf den Beschenkten übergehen.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles lag nun darin, dass die Tochter bereits vor der Schenkung Mitunternehmerin war, nachdem ihr bisheriger Kommanditanteil selbstverständlich auch die notwendige Mitunternehmerinitiative vermittelte. Weil ein Gesellschaftsanteil im Personengesellschaftsrecht – anders als bei Aktien oder GmbH-Anteilen im Kapitalgesellschaftsrecht – nach bisher herrschen- dem Verständnis nicht teilbar ist, ein Kommanditist also nur mit einem Kommanditanteil an der Kommanditgesellschaft beteiligt sein kann, und weil ein geschenkter Kommanditanteil nach dieser Auffassung mit dem beim Beschenkten schon vorhandenen Kommanditanteil zusammenwächst, stellte sich die naheliegende Frage, ob es zur Gewährung des schenkung- steuerlichen Bewertungsabschlages nicht ausreichte, dass die Beschenkte bereits auf der Grundlage ihres bisherigen Kommanditanteils von 42 % Mitunternehmerin war. Der BFH verneint dies und verlangt für die schenkungsteuerliche Begünstigung, dass die Mitunternehmerstellung gerade durch den erworbenen (geschenkten) Kommanditanteil vermittelt wird.

Ob dies rechtsdogmatisch letztendlich dazu führt, dass der Grundsatz der Unteilbarkeit der Mitgliedschaft des Kommanditisten in Fällen des vorbehaltenen Nießbrauchs aufgegeben wird, ließ der BFH offen. Er tendiert allerdings unter Hinweis auf den strukturell gleich liegenden Fall der Testamentsvollstreckung an einem (Teil-) Mitunternehmeranteil dazu.

In Konsequenz aus dem vorliegenden Sachverhalt ist bei Schenkungen von Personengesellschaftsanteilen unter Nießbrauchsvorbehalt auch dann besonders darauf zu achten, wem auf der Basis des konkreten Schenkungs- und Nießbrauchsvertrages die Mitunternehmereigenschaft zukommt, wenn der Beschenkte bereits Mitunternehmer war. Möchte der Schenker dem Beschenkten Mitunternehmerinitiative durch den geschenkten Kommanditanteil vermitteln, so sollte der Beschenkte die Stimmrechte aus dem geschenkten Kommanditanteil zumindest im Bereich der Grundlagengeschäfte persönlich ausüben dürfen; in diesem Fall hatte der BFH (Urteil v. 16.12.2009 – II R 44/08) die Mitunternehmerstellung des Beschenkten bejaht. In zweifelhaften Grenzfällen empfiehlt es sich, eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen.