Beiträge

Steuergesetz, Umwandlungsteuer

Entnahme einbringungsgeborener Anteile führt zu keiner Gewinnrealisation

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Problemstellung und praktische Bedeutung

Familienunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, insbesondere GmbHs, sind häufig aus der Umwandlung von Personengesellschaften oder aber aus der Einbringung von Unternehmensteilen entstanden. Insbesondere der letztere Fall, bei dem aus einem bestehenden Unternehmen (z.B. einem Einzelunternehmen oder einer Personengesellschaft) Unternehmensteile in eine GmbH ausgegliedert wurden, deren Anteile vom Einzelunternehmer oder den Gesellschaftern der Personengesellschaft gehalten werden, führt zu der in der Praxis weit verbreiteten Betriebsaufspaltungsstruktur. Mit dem Umwandlungssteuergesetz (kurz UmwStG) hält der Gesetzgeber Normen bereit, die eine erfolgsneutrale Ausgestaltung der Vermögensübertragung auf die Kapitalgesellschaft ermöglichen (§ 20 UmwStG). Ohne diese Vorschriften würde die Einbringung von mit stillen Reserven behafteten Vermögenspositionen aus einem bestehenden Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft zu einer Gewinnrealisierung führen. Im Ergebnis können somit stille Reserven von einem bestehenden Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft überführt werden. Die durch einen solchen Einbringungsvorgang entstandenen Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind in doppelter Hinsicht steuerverhaftet. Zum einen gehören die im Zuge einer Betriebsaufspaltung begründeten Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft weiterhin zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmers bzw. ggf. zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter eines Besitzunternehmens in der Rechtsform der Personengesellschaft. Sowohl das alte als auch das seit Dezember 2006 gültige neue UmwStG enthalten Spezialregelungen für durch eine Sacheinlage begründete Anteile an einer Kapitalgesellschaft. In dem noch vor Dezember 2006 gültigen UmwStG hat man in diesem Zusammenhang von sog. einbringungsgeborenen Anteilen gesprochen. In dem seit Dezember 2006 gültigen UmwStG spricht man insoweit von sperrfristbehafteten Anteilen. Kommt es nun in der Folgezeit zu einer Übertragung der Kapitalgesellschaftsanteile auf Personen, die nicht am Besitzunternehmen beteiligt sind, so werden die Kapitalgesellschaftsanteile aus dem Betriebsvermögen des bisherigen Inhabers entnommen. Es stellt sich dann die Frage, ob dieser Entnahmegewinn zu versteuern ist oder ob eine Versteuerung vermieden werden kann, da die entnommenen Kapitalgesellschaftsanteile weiterhin den speziellen Vorschriften des UmwStG für einbringungsgeborene bzw. sperrfristbehaftete  Anteile unterliegen. Insbesondere in den Fällen der Betriebsaufspaltung, in denen Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft z.B. im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge oder aber im Todesfall auf Gesellschafter übergehen, die nicht zugleich am Besitzunternehmen beteiligt werden, kann nun mit Berufung auf das den Gegenstand dieser Besprechung bildende BFH-Urteil die Besteuerung eines Entnahmegewinns abgewendet werden.

Zum Sachverhalt

Der Entscheidung des BFH lag folgen- der Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger war ursprünglich alleiniger Gesellschafter einer GmbH. Die GmbH-Anteile waren in den 1970er Jahren durch durch Einbringung des vormaligen Einzelunternehmens des Klägers zu Buchwerten entstanden. Daneben war der Kläger Eigentümer eines Grundstücks, das er an die GmbH verpachtet hat. Dies führte im Ergebnis zu einer Betriebsaufspaltung mit der Folge, dass die Anteile an der GmbH zum steuerlichen Betriebsvermögen des Klägers bei seinem Besitzunternehmen (Grundstücksun- ternehmen) gehören. Im Mai 2002 übertrug der Kläger seiner Ehefrau unentgeltlich 15 % der Anteile an der GmbH; weitere 2,5 % der Anteile wurden auf einen leitenden Mitarbeiter übertragen. Das Finanzamt unterwarf die Differenz zwischen dem Teilwert und dem Buchwert der auf die Ehefrau übertragenen Anteile (719.794,– `) der Besteuerung als Entnahmegewinn des Klägers. Die dagegen erhobene Klage beim Finanzgericht Düsseldorf hatte Erfolg, die Festsetzung eines Entnah- megewinns wurde aufgehoben (vgl. Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11.11.2009, 15 K 4209/08 E). Der BFH hat nunmehr in seinem Urteil die in der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung bestätigt, dass durch die unentgeltliche Übertragung von Geschäftsanteilen an der GmbH von dem Kläger auf seine Ehefrau kein steuerbarer Entnahmegewinn beim Kläger entstanden ist. Im Hinblick auf die dem leitenden Mitarbeiter übertragenen Geschäftsanteile blieben aber Fragen offen, die vom BFH zur Klärung an die Vorinstanz zurückverwiesen wurden.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

In dem Urteil wird zunächst bestätigt, dass die schenkweise Übertragung der Geschäftsanteile von dem Kläger auf seine Ehefrau begrifflich eine Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG in der damals gültigen Fassung (2002) darstellt. Der BFH kommt aber zu dem Ergebnis, dass die Entnahme nicht die Besteuerungsfolge nach § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 auslöst. Vielmehr greifen die besonderen Gewinnrealisierungsregeln für einbringungsgeborene Anteile im Sinne des UmwStG 2002. Nach diesen Regelungen führt eine schenkweise Übertragung von einbringungsgeborenen Anteilen auf Dritte zu keinem gewinnrealisierenden Vorgang. Der BFH weist in seiner Entscheidung vor allem darauf hin, dass nach dem UmwStG die Besteuerung der in den einbringungsgeborenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs dadurch gesichert wird, dass die Anteile auch beim Erwerber weiterhin den besonderen Vorschriften des § 21 UmwStG 2002 unterliegen und damit – unabhängig von einer Zuordnung zum Betriebs- oder Privatvermögen – steuerverhaftet bleiben. Der BFH widerspricht damit eindeutig der von der Finanzverwaltung im alten Umwandlungssteuererlass vertretenen Auffassung, wonach der Entnahmetatbestand im Einkommensteuergesetz neben den Nachversteuerungsregelungen im UmwStG Anwendung finden soll. Das Urteil kann somit in allen Fällen, in denen bei der Übertragung von Anteilen an der Betriebskapitalgesellschaft nicht bedacht worden ist, dass diese zu einem steuerlichen Betriebsvermögen gehören und eine Entnahmebesteuerung droht, als Begründung dafür herangezogen werden, dass der Entnahmegewinn nicht zu versteuern ist. Zwar sprechen gute Gründe dafür, die Grundsätze dieser Entscheidung auch auf das neue, seit Dezember 2006 gültige UmwStG zu übertragen. Diese Auffassung ist aber keinesfalls gesichert. Deshalb ist nach wie vor Vorsicht geboten, wenn auf Basis des Urteils gestalterische Überlegungen angestellt werden. Hier wäre dringend zu einer verbindlichen Auskunft anzuraten, um sicherzustellen, dass die Finanzverwaltung im Einzelfall der Auffassung des BFH folgt.