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Handelsgesetz

Arbeitnehmer im Aufsichtsrat: Ausweitung oder Ende des deutschen Mitbestimmungsrechts?

Dr. Thomas Frohnmayer, Christian Klein-Wiele, Rechtsanwälte, Stuttgart

  1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist es mit Art. 18 AEUV (Diskriminierungsverbot) und Art. 45 AEUV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) vereinbar, dass ein Mitgliedstaat das aktive und passive Wahlrecht für die Vertreter der Arbeitnehmer in das Aufsichtsorgan eines Unternehmens nur solchen Arbeitnehmern eingeräumt [hat], die in Betrieben des Unternehmens oder in Konzernunternehmen im Inland beschäftigt sind?
  2. Der Senat hält es für vorstellbar, dass Arbeitnehmer durch die deutschen Mitbestimmungsregelungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Der Senat sieht es ferner als vorstellbar an, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch die deutschen Mitbestimmungsregelungen verletzt ist. (Leitsätze der Bearbeiter).

I. Problemstellung

Das deutsche Mitbestimmungsrecht steht am Scheideweg. Das Kammergericht Berlin hält es für möglich, dass Teile der deutschen Mitbestimmungsgesetze gegen europäisches Recht verstoßen und hat diese daher dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorgelegt. Die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung ist kaum vorhersehbar und könnte sowohl zu einer enormen Ausweitung der unternehmerischen Mitbestimmung auf bislang mitbestimmungsfreie Familienunternehmen als auch zu einer Nichtanwendbarkeit der deutschen Mitbestimmungsgesetze bei der Besetzung von Aufsichtsräten führen.

Um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen, ist zunächst der Hintergrund des in der Praxis angewandten Mitbestimmungsrechts in Deutschland zu skizzieren:

Die wichtigsten Vorschriften zur Mitbestimmung in Deutschland finden sich im Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbG) und im Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG). Der Drittelbeteiligung unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 DrittelbG Kapitalgesellschaften mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Eine Zurechnung von Arbeitnehmern von Konzernunternehmen findet nach § 2 Abs. 2 DrittelbG nur dann statt, wenn zwischen den Unternehmen ein Beherrschungsvertrag besteht oder das abhängige Unternehmen in das herrschende Unternehmen eingegliedert ist.

Bei Überschreitung der Schwelle von 2.000 Arbeitnehmern greift die paritätische Mitbestimmung nach § 1 Abs. 1 MitbestG. Eine Zurechnung findet für Konzernunternehmen nach § 5 MitbestG auch ohne Beherrschungsvertrag statt.

Ein drittelparitätisch zu bildender Aufsichtsrat ist zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen, ein paritätischer zur Hälfte. Die absolute Größe eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats hängt nach § 7 Mit- bestG von der Anzahl der Arbeitnehmer ab. Wahlberechtigt sind jeweils die Arbeitnehmer des Unternehmens.

Der Erlass des MitbestG 1976 führte vor Jahrzehnten bereits zu einer kontroversen politischen und rechtlichen Debatte. Das Bundesverfassungsgericht verneinte schließlich einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und andere Grundrechte. Danach wurde es lange Jahre um die grundsätzlichen Eckpfeiler der unternehmerischen Mitbestimmung ruhiger.

Nun steht das deutsche Mitbestimmungsrecht erneut auf dem Prüfstand. In jüngerer Vergangenheit mehrten sich in der Literatur Stimmen, die die geltende Praxis des deutschen Mitbestimmungsrechts für mit dem europäischen Recht unvereinbar halten. Eine vorgeschlagene Lösung ist, die deutschen Mitbestimmungsgesetze europarechtskonform auszulegen, eine andere, Teile der Mitbestimmung wegen ihrer Europarechtswidrigkeit bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber nicht mehr anzuwenden.

In der rechtlichen Beurteilung ist indes im Einzelnen sauber zu differenzieren.

Die aus der Sicht des Familienunternehmers wichtigste Frage ist, ob Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften mitbestimmungsrechtlich zur Ermittlung der Schwellenwerte (500 bzw. 2.000 Mitarbeiter) für die unternehmerische Mitbestimmung mitzuzählen sind. Der Wortlaut der Mitbestimmungsgesetze ist nicht eindeutig. Die Praxis orientierte sich in den vergangenen Jahrzehnten bei der Gesetzesauslegung an der Gesetzesbegründung und dem sog. „Territorialitätsprinzip“. Nach diesem Prinzip darf die deutsche Sozialordnung sich nicht auf das Hoheitsgebiet anderer Staaten erstrecken. Danach war lange Zeit weitgehend unbestritten, dass die Zahl der Arbeitnehmer mitbestimmungsrechtlich allein nach den in Deutschland beschäftigten Mitarbeitern zu bestimmen ist. Dieser bis heute herrschenden Ansicht (vgl. die Nachweise bei KG Berlin, Beschl. v. 16.10.2015, 14 W 89/15; ausführlich zur Europa- rechtskonformität in diesem Zusammenhang Hellwig/ Behme, AG 2009, 261, 276 f.) widersprach vor Kurzem das Landgericht Frankfurt am Main. Nach dessen Entscheidung sollen bei der Ermittlung der für die Anwendung der Regeln über die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Unternehmensgröße die im Ausland beschäftigten Mitarbeiter, insbesondere auch die ausländischer Konzernunternehmen, mit zu berücksichtigen sein (LG Frankfurt/M., v. 16.2.2015, 3-16 O 1/14.). Diese Entscheidung wird derzeit vom Oberlandesgericht Frankfurt überprüft und ist daher noch nicht rechtskräftig. Wenn sich das Landgericht Frankfurt mit dieser Auffassung durchsetzt, hätte dies eine enorme Ausweitung der unternehmerischen Mitbestimmung zur Folge: Bislang mitbestimmungsfreie Familienunternehmen könnten unter Einbeziehung der Arbeitnehmer in ausländischen Betrieben der drittelparitätischen oder sogar der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Bislang nur drittelparitätisch besetzte Aufsichtsräte könnten paritätisch zu absolute Größe zahlreicher Aufsichtsräte steigen.

Mit der Ermittlung der Zahl der Arbeitnehmer verbunden, aber nicht notwendigerweise einheitlich zu beurteilen (Ausführlich Krause, ZIP 2015, 636, 637 (Fn. 16).), ist die Frage, ob Arbeitnehmern ausländischer Betriebe ein Wahlrecht bei den Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmerseite zusteht.

Wie bei der Ermittlung der Zahl der Arbeitnehmer war aufgrund der Gesetzesbegründung und des Territorialitätsprinzips lange Jahre unumstritten, dass sich das aktive und passive mitbestimmungsrechtliche Wahlrecht allein auf die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer bezieht.

Dies wurde vom Schrifttum in den letzten Jahren zunehmend bezweifelt. Danach sollen in der Beschränkung des Wahlrechts auf im Inland beschäftigte Arbeitnehmer sowohl ein Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV als auch eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV vorliegen (Ausführlich Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 3 MitbestG Rn. 43ff.). Im Gegensatz zur Frage des Nichtmitzählens von Auslandsbelegschaften bei den Schwellenwerten für die Anwendbarkeit der deutschen Mitbestimmungsgesetze ist die Nichtberücksichtigung von Arbeitnehmern ausländischer Betriebe beim Wahlrecht nach herrschender Literaturauffassung also europarechtswidrig. Die in den letzten Jahren hierzu ergangene Rechtsprechung ist uneinheitlich. Das Landgericht Landau/Pfalz (LG Landau, Beschl. v. 18.9.2013, HKO 27/13)  und das Landgericht München I (LG München I, Beschl. v. 27.8.2015, HKO 20285/14.) verneinten einen Europarechtsverstoß, da der deutsche Gesetzgeber keine Regelungen für Wahlen durch Arbeitnehmer im EU-Ausland erlassen könne. Ähnlich sah es das Landgericht Berlin (LG Berlin, Beschl. v. 1.8.2015, 102 O 65/14.), während das OLG Zweibrücken (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.2.2014, 3 W 150/13)  davon ausgeht, dass die bestehenden deutschen Mitbestimmungsgesetze europarechtskonform so ausgelegt werden können, dass Arbeitnehmer im EU-Ausland aktiv und passiv wahlberechtigt sind.

II.  Sachverhalt

Dem Beschluss des Kammergerichts Berlin liegt wie den anderen angeführten Entscheidungen ein sog. „Statusverfahren“ nach § 98 AktG zugrunde. Danach kann bei einem Streit, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden. Diesen Antrag kann u.a. jeder Aktionär stellen (vgl. § 98 Abs. 2 AktG). Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Berliner Kammergericht ist die TUI AG. Diese beschäftigt in Deutschland ca. 10.103 Arbeitnehmer und in den Mitgliedstaaten der europäischen Union ca. 39.536 Arbeitnehmer. Der Aufsichtsrat der TUI AG hat 20 Mitglieder, von denen 10 durch die Arbeitnehmer zu bestimmen sind. Bei den Wahlen zum Aufsichtsrat waren die Arbeitnehmer ausländischer Betriebe entsprechend der gängigen Praxis bislang nicht einbezogen worden. Hervorzuheben ist, dass der Antragsteller nicht – wie teilweise in der Presse suggeriert wurde (Vgl. FAZ v. 26.10.2015 (Nr. 248), Seite 17)  – beantragt hat, dass Ausländer in den Aufsichtsrat gewählt werden dürfen. Vielmehr begehrt der Antragsteller die Mitbestimmungsfreiheit des Aufsichtsrats der TUI AG.

III.   Entscheidungsgründe

Das Kammergericht Berlin hat das Statusverfahren nach § 98 AktG zunächst ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof angerufen. Dieser soll in einem sog. „Vorlageverfahren“ nach Art. 267 AEUV die Frage der Europarechtswidrigkeit des fehlenden Wahlrechts von Mitarbeitern ausländischer Betriebe deutscher Konzerne klären. In seiner Begründung geht das Gericht zunächst aufgrund des deutschen Territorialitätsprinzips und unter Berufung auf die Gesetzesbegründung mit der herrschenden Meinung davon aus, dass als Arbeitnehmer im Sinne des Mitbestimmungsrechts nur Mitarbeiter deutscher Betriebe mitzuzählen sind. Daraus leitet es im Folgenden ab, dass auch nur diese Arbeitnehmer die Aufsichtsratsmitglieder wählen und selbst im Wahlverfahren Rechte haben können. Nach Ansicht des Kammergerichts ist dadurch ein Verstoß gegen Unionsrecht möglich. Zum einen könnten Arbeitnehmer durch die deutschen Mitbestimmungsregelungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert sein. Im Gegensatz zu den in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern könnten die in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer, die in der Regel keine Deutschen seien, das Aufsichtsorgan der Antragsgegnerin nicht wählen und in diesen nicht gewählt werden und seien mithin in ihrem Aufsichtsorgan nicht ausreichend repräsentiert. Dadurch sei es möglich, dass im Aufsichtsorgan einseitig die Interessen der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Eine ausreichende Rechtfertigung hierfür sei nicht erkennbar. Für möglich hält das Gericht zudem eine Verletzung der Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach europäischem Recht. Die deutschen Regelungen seien geeignet, Arbeitnehmer wegen des drohenden Verlusts ihrer Mitgliedschaft in einem Aufsichtsorgan davon abzuhalten, sich um tatsächlich angebotene Stellen im europäischen Ausland zu bewerben und sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der konforme Auslegung des deutschen Mitbestimmungsrechts beseitigt werden. Für den Fall der Europarechtswidrigkeit des deutschen Mitbestimmungsrechts sei der Gesetzgeber zu einer Änderung berufen.

IV. Praktische Bedeutung

Die Vorlage durch das Berliner Kammergericht an den Europäischen Gerichtshof ist wegen der zu beobachtenden Unsicherheiten in der Rechtsprechung zu begrüßen und kann je nach Ausgang des Verfahrens enorme praktische Auswirkungen zeitigen. Wenig vorhersehbar ist, ob der Europäische Gerichtshof eine Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer bejaht. Zwar knüpfen die einschlägigen Vorschriften des DrittelbG und des MitbestG nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an, was auf den ersten Blick gegen eine Diskriminierung spricht. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit mit dem Argument des „Effet utile“ des Europäischen Rechts auch versteckte, mittelbare oder indirekte Diskriminierungen, bei denen eine Benachteiligung durch die überwiegende Betroffenheit von EU-Ausländern entsteht, ausreichen lassen (Vgl. die Nachweise bei Hellwig/Behme, AG 2009, 261, 265). Ähnlich weit interpretiert der Europäische Gerichtshof die Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Vgl. Hellwig/Behme, AG 2009, 268).

Falls der Europäische Gerichtshof die Europarechtswidrigkeit des mitbestimmungsrechtlichen Wahlverfahrens in Deutschland feststellt, ist die Rechtsfolge dieser Verletzung zu klären. Da das Berliner Kammergericht eine europarechtskonforme Auslegung der Mitbestimmungsgesetze im Vorlagebeschluss abgelehnt hat, muss der Anwendungsvorrang des Europarechts grundsätzlich zur Unanwendbarkeit der Mitbestimmungsgesetze führen. Dies würde in der Konsequenz (vorerst) bedeuten, dass deutsche Aufsichtsräte nur noch aus Vertretern der Anteilseigner zusammenzusetzen wären (vgl. § 96 Abs. 1 Variante 6 AktG) bis der deutsche Gesetzgeber eine neue (europarechtskonforme) Regelung getroffen hat. Wegen der Hoheitsrechte anderer Mitgliedstaaten ist jedoch der Erlass einer diskriminierungsfreien Regelung nicht so einfach möglich. Fraglich wäre z.B., wie ein in Deutschland normiertes Wahlverfahren im Ausland durchgesetzt werden kann.

Die Familienunternehmen insbesondere mit EU-Auslandsgesellschaften sollten die weitere Entwicklung genauestens im Auge behalten. Falls die Mitbestimmungsgesetze europarechtswidrig sind, wären bestehende und besetzte Aufsichtsräte erst nach einem wirksamen und rechtskräftigen Abschluss eines entsprechenden Statusverfahrens neu zu bilden und zu besetzen. So lange blieben die bisherigen Mitglieder ordnungsgemäß im Amt (vgl. § 96 Abs. 4 AktG) (Mense/Klie, DStR 2015, 1.508, 1.511.).

Strategisch kann sich dann vor Erlass einer eventuellen Neuregelung durch den deutschen Gesetzgeber die Umwandlung in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) anbieten, da die Mitbestimmungsfreiheit im Falle einer Europarechtswidrigkeit der deutschen Mitbestimmungsgesetze auf diesem Wege gegebenenfalls für die Zukunft gesichert werden kann. Solche Maßnahmen sollten jedoch erst nach einer umfassenden rechtlichen Beratung im Einzelfall erwogen werden.

Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit

Berücksichtigung eines Lottogewinns bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

Problemstellung und Sachverhalt

Nicht selten leben Ehegatten auch nach Ablauf des Trennungsjahres noch über Jahre hinweg getrennt, ohne die Ehescheidung zu forcieren. Dass diese Untätigkeit wirtschaftliche Konsequenzen haben kann, zeigt die hier zu besprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Die Ehegatten trennten sich nach 29 Jahren Ehe, aus der drei mittlerweile erwachsene Kinder hervorgegangen sind. Acht Jahre nach der Trennung erzielte der Ehemann gemeinsam mit seiner neuen Lebensgefährtin einen Lottogewinn von knapp 1 Mio. €. Zwei Monate nach dem Lottogewinn beantragte er die Ehescheidung. Die Ehefrau begehrte Zugewinnausgleich in Höhe von rd. 250.000 € unter Berücksichtigung der Hälfte des auf ihren Ehemann entfallenden Anteils am Lottogewinn.

Grundsätzlich gilt: Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, findet bei Scheidung einer Ehe ein Zugewinnausgleich wie folgt statt. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu, § 1378 Abs. 1 BGB. Zugewinn eines Ehegatten ist dabei der Betrag, um den sein Vermögen bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (Endvermögen, §§ 1375, 1384 BGB) das Vermögen bei Eheschließung (Anfangsvermögen, § 1374 BGB) übersteigt.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs muss der Ehemann seinen Lottogewinn mit seiner Ehefrau, von der er seit Jahren getrennt lebt, teilen. Der hälftige Anteil des Ehemanns an dem erzielten Lottogewinn sei bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung nach § 1378 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Denn dieser Vermögenszuwachs sei dem Ehemann noch vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zugeflossen und könne nicht in analoger Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB dessen Anfangsvermögen zugerechnet werden.

Nach § 1374 Abs. 2 BGB sei nur das Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, seinem Anfangsvermögen hinzuzurechnen und damit vom Zugewinnausgleich ausgenommen. Einen solchen Erwerb stelle der Lottogewinn eines Ehegatten nicht dar. § 1374  Abs. 2  BGB kann auf einen solchen Vermögenszuwachs nach Ansicht des BGH auch nicht entsprechend angewendet werden. Denn die Fälle des § 1374 Abs. 2 BGB, in denen ein Zugewinnausgleich nicht stattfinden soll, stellten Ausnahmen von dem gesetzlichen Prinzip dar, wonach es für den Zugewinnausgleich grundsätzlich nicht darauf ankomme, ob und in welcher Weise der den Ausgleich fordernde Ehegatte zur Entstehung des Zugewinns beigetragen hat. Dabei seien die in § 1374 Abs. 2 BGB geregelten Ausnahmen nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass der andere Ehegatte in diesen Fällen nicht zu dem Erwerb beigetragen hat. Ein wesentlicher Grund für die gesetzliche Ausnahmeregelung sei vielmehr, dass eine derartige Zuwendung meist auf persönlicher Beziehung des erwerbenden Ehegatten zu dem Zuwendenden oder auf ähnlichen besonderen Umständen beruht. Da dieses kennzeichnende Merkmal bei einem durch einen Lottogewinn erzielten Vermögenszuwachs nicht gegeben sei, komme eine erweiternde Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.

Der Ehemann könne die Erfüllung der Ausgleichsforderung auch nicht nach 1381 Abs. 1 BGB verweigern. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Die Vorschrift ermögliche eine Korrektur von Ergebnissen, die sich in besonders gelagerten Einzelfällen aus der schematischen Anwendung der Vorschrift zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs ergeben können. Nicht ausreichend sei allerdings, dass sich die Unbilligkeit allein aus dem vom Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität festgelegten pauschalierenden und schematischen Berechnungssystem ergibt. Dem ausgleichspflichtigen Ehegatten stehe das Leistungsverweigerungsrecht aus § 1381 BGB vielmehr nur dann zu, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde, ohne dass ein Verschulden des den Ausgleich verlangenden Ehegatten vorausgesetzt sei.

Der BGH hat im entschiedenen Fall keine Umstände gesehen, die eine solche grobe Unbilligkeit rechtfertigen würden. Die Tatsache, dass der für den Zugewinnausgleich maßgebliche Vermögenszuwachs zu einer Zeit erfolgte, zu der die Ehegatten bereits längere Zeit getrennt lebten, rechtfertige für sich allein betrachtet die Anwendung des § 1381 Abs. 1 BGB nicht. Nach der gesetzlichen Regelung des § 1384 BGB falle die Trennungszeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in den Zeitraum, für den ein Zugewinnausgleich stattfindet. Vermögensänderungen, die in der Zeit zwischen der Trennung und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetreten sind, seien deshalb in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen. Hinzu komme, dass die §§ 1385, 1386 BGB einem Ehegatten, der keinen Antrag auf Scheidung der Ehe stellen möchte, die Möglichkeit eröffnen, nach einer dreijährigen Trennungszeit die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zu verlangen, um damit zu verhindern, dass ein bei ihm später eintretender Vermögenszuwachs im Zugewinnausgleichsverfahren Berücksichtigung findet. Wenn der Ausgleichspflichtige von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, sei der Ausgleich ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht grob unbillig.

Im Rahmen des § 1381 BGB sei auch die Herkunft des Zugewinns grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Zugewinnausgleich solle nach seinem Grundgedanken der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen dienen. Die vom Gesetz vorgesehene pauschalisierte Berechnungsweise differenziere dabei nicht, in welchem Umfang die Ehegatten zum Vermögenserwerb während der Ehe beigetragen haben. Diese Wertung sei auch bei der Auslegung des § 1381 BGB zu beachten. Deshalb könne die Vorschrift nicht etwa schon dann eingreifen, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte keinen Beitrag zur Entstehung des Zugewinns geleistet hat.

Auch die außergewöhnlich lange Trennungszeit und der Umstand, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte sein Endvermögen erst nach der Trennung und ohne jeglichen inneren Bezug zu der ehelichen Lebensgemeinschaft erwirtschaftet hat, führten nach dem BGH nicht zur Annahme einer groben Unbilligkeit. Die Eheleute lebten im vorliegenden Fall bei einer (bis zum Anfall des Lottogewinns) achtjährigen Trennungszeit immerhin 29 Jahre in ehelicher Lebensgemeinschaft. Aus der Ehe sind drei mittlerweile erwachsene Kinder hervorgegangen. Zudem beruhe der maßgebliche Vermögenszuwachs nicht auf besonderen persönlichen Anstrengungen des Ehemanns während der Trennungszeit.

Folgen für die Praxis

Möchte ein Ehegatte einen nach der Trennung eingetretenen Vermögenszuwachs nicht im Zugewinnausgleichsverfahren berücksichtigt wissen, kann er nicht auf eine analoge Anwendung des Katalogs des § 1374 Abs. 2 BGB hoffen. Zudem sind die Schwellen der groben Unbilligkeit für ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB sehr hoch. Damit liegt es in der Hand der Ehegatten, die Berücksichtigung eines Vermögenszuwachses nach der Trennung durch geeignete rechtliche Gestaltungen zu verhindern. Es kommen hierzu die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft oder der Abschluss eines Ehevertrages in Betracht. Für einen Ehevertrag spricht, dass weitere bei Fortführung der Ehe relevante Umstände, wie z.B. unterhalts oder erbrechtliche Aspekte, mitgeregelt werden können. Auch die Forcierung der Ehescheidung nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Trennungszeit kann im Einzelfall zu einem geringen Zugewinn führen.

 

Auflösung und Nichtigkeit der Gesellschaft

Gesellschafterdarlehen und Zahlungsunfähigkeit

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

  1. Die Zahlungsunfähigkeit wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht S.d. § 64 Satz 3 GmbHG verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist.
  2. Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nach 64 Satz 3 GmbHG ist eine fällige Forderung des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen.
  3. Im Fall des 64 Satz 3 GmbHG kann die Gesellschaft die Zahlung an den Gesellschafter verweigern.

 

Problemstellung und praktische Bedeutung

Bei der Finanzierung von Familienunternehmen spielen Gesellschafterdarlehen vielfach eine große Rolle. Ist das Unternehmen in einer finanziellen Krise, stellt sich dann die Frage, ob die Gesellschafter den Kredit wieder abziehen können oder in der Gesellschaft belassen müssen. Bei einer GmbH haben die Gerichte diese Frage bis vor wenigen Jahren nach den Regeln des Eigenkapitalersatzrechts gelöst. Dem lag folgender Gedanke zugrunde: Wenn die Gesellschafter Einlagen in das Vermögen der GmbH geleistet hatten, so dürfen sie diese nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen zurückerhalten. Aus der Kapitalerhaltungsregel (Ausschüttungsverbot) des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG folgt bei einer Unterbilanz demnach automatisch ein Zurückbehaltungsrecht für die Gesellschaft. Diese Regeln wandte der Bundesgerichtshof bis 2008 auch auf Leistungen an, die nicht als Einlagen, sondern als sog. „kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen“ in der Krise der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden oder stehengeblieben waren. Eine Klage auf Rückzahlung eines Darlehens war mithin unbegründet, wenn sich die Gesellschaft in einer Krise befand und zur Rückzahlung aus freiem Vermögen nicht in der Lage war.

Mit der GmbH-Reform von 2008 (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008 – MoMiG) hat der Gesetzgeber dieser Rechtsprechung die Grundlage entzogen: Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F. findet das Rückzahlungsverbot auf Darlehen nämlich ausdrücklich keine Anwendung mehr. Dafür wurde die Haftungsnorm des § 64 Satz 3 GmbHG eingeführt. Nach dieser Vorschrift haften die Geschäftsführer einer GmbH für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dass dies nicht erkennbar war. Die neue Norm hat große Diskussionen ausgelöst. Für die Geschäftsführer einer GmbH war oft unklar, wie sie sich verhalten sollen, wenn seitens eines Gesellschafters eine Zahlung verlangt wird. Mit dieser Frage beschäftigt sich das hier zu besprechende Urteil.

Zum Sachverhalt

Der Kläger und seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau, die alleinige Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der beklagten GmbH ist, gewährten der Beklagten am 01.08.1995 ein Darlehen über 350.000,– DM (178.952,16 `) zur Finanzierung der Einrichtung und des Warenbestandes. Die Beklagte verpflichtete sich, das Darlehen bis spätestens 31.12.2005 zurückzuzahlen.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Hinterlegung des Darlehensbetrages zzgl. Zinsen zu seinen Gunsten und zugunsten seiner früheren Ehefrau. Die beklagte GmbH verweigert die Rückerstattung des Darlehens unter anderem mit der Begründung, die Rückzahlung führe zu ihrer Zahlungsunfähigkeit, sodass sie diese nach § 64 Satz 3 GmbH verweigern könne. Das Landgericht Mainz hat der Klage stattgegeben. Das OLG Koblenz hat sie auf die Berufung der Beklagten als derzeit unbegründet abgewiesen. Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt der Bundesgerichtshof fest, dass der Anwendungsbereich des § 64 Satz 3 GmbHG nur dann eröffnet ist, wenn die Zahlung der Gesellschaft an einen Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit verursacht. Wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist, könne eine Zahlung an den Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr verursachen. Von einer Zahlungsunfähigkeit sei regelmäßig auszugehen, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von 10 % oder mehr besteht und nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Ob bei der Prüfung der Verursachung der Zahlungsunfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG im insolvenzrechtlichen Sinn fällige und durchsetzbare Ansprüche des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zur Ermittlung der Liquiditätslücke einzustellen sind, war bisher äußerst umstritten. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass hierbei fällige Gesellschafterforderungen nicht auszuklammern sind. Wenn unter Berücksichtigung fälliger, d.h. ernsthaft eingeforderter Gesellschafterforderungen bereits eine Deckungslücke von 10 % oder mehr besteht, sei die Gesellschaft zahlungsunfähig und werde die Zahlungsunfähigkeit durch die Zahlung an den Gesellschafter nicht herbeigeführt. § 64 Satz 3 GmbHG verlange die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit und stelle nicht auch auf die Vertiefung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ab.

Insoweit bestehe auch keine Schutzlücke, die geschlossen werden müsste. Der Geschäftsführer hafte bereits nach § 64 Satz 1 GmbHG für geleistete Zahlungen, wenn die Gesellschaft unter Berücksichtigung der Gesellschafterforderung zahlungsunfähig ist. Eine erweiternde Auslegung des § 64 Satz 3 sei auch nicht erforderlich, um der Gesellschaft eine Einrede gegen die Gesellschafterforderung zu gewähren. Wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, habe der Geschäftsführer den Anspruch des Gesellschafters nicht zu befriedigen, sondern Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Das entspreche auch der Konzeption des Gesetzes, nach der die (eingangs dargestellten) Rechtsprechungsregeln, die entsprechend § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. zu einer Durchsetzungssperre für die Gesellschafterforderung führten, mit dem Inkrafttreten des MoMiG abgeschafft sind (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). Der „Nachrang“ der Gesellschafterforderung gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger soll durch die insolvenzrechtlichen Regelungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. § 135 Abs. 1 InsO) gewahrt werden; ernst zu nehmende Schutzlücken sollen nicht entstehen und durch die neuen Regelungen im Anfechtsungsrecht geschlossen werden. Mit einer Interpretation des § 64 Satz 3 GmbHG als Einrede der Gesellschaft gegen fällige Gesellschafterforderungen würde die Durchsetzungssperre aber für einen Teilbereich wieder eingeführt und die Insolvenzantragstellung, da Gesellschafterforderungen nicht durchsetzbar wären und nicht als fällige Forderungen in die Liquiditätsbilanz einzustellen wären, zeitlich verschleppt, obwohl nicht einmal der Gesellschafter die Gesellschaft weiterfinanzieren will.

Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Anwendungsbereich von § 64 Satz 3 GmbHG damit klein ist. Der Gesetzgeber sei nämlich ausdrücklich von einem eng begrenzten Anwendungsbereich ausgegangen. Er habe in der Vorschrift nur eine Ergänzung der Haftung der Gesellschafter auf Existenzvernichtung gesehen. Es bestehe auch über den Fall der – eher theoretischen – Vergrößerung einer Deckungslücke von weniger als 10 % durch die Zahlung hinaus ein Anwendungsbereich gerade im Bereich der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung. So könne die Zahlung einer nicht im insolvenzrechtlichen Sinne fälligen und damit in der Liquiditätsbilanz einzustellende Forderung, etwa eine tatsächlich nicht ernsthaft eingeforderte oder einem Rangrücktritt unterliegende Gesellschafterforderung, die Zahlungsunfähigkeit erst verursachen. Ebenso könne das bei einer Zahlung auf eine Gesellschafterforderung der Fall sein, deren Befriedigung an und für sich nicht zur Zahlungsunfähigkeit führt, von deren Belassen aber Kreditgeber außerhalb des Gesellschafterkreises den Fortbestand, die Verlängerung oder die Gewährung ihrer Kredite abhängig gemacht haben und deren Begleichung sie ihrerseits zum Anlass für eine Kreditrückführung nehmen. Insoweit bestehe nämlich unter Umständen keine anderweitige Haftung des Geschäftsführers, weil der Gesellschaft durch die Zahlung kein Vermögensschaden im i.S.v. § 43 Abs. 2 GmbHG zugefügt werde und die Auszahlung auch nicht gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoße.

Der Bundesgerichtshof bemängelt schließlich, dass das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt habe, dass die Rückzahlung des vom Kläger und der Gesellschafterin gewährten Darlehens die Zahlungsunfähigkeit verursachen würde. Hierzu habe das Berufungsgericht – ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – noch Feststellungen zu treffen. Wenn die Zahlung bzw. die Hinterlegung allerdings die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten verursacht, könne die Gesellschaft die Zahlung verweigern. Die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Satz 3 GmbH und das damit verbundene „Zahlungsverbot“ soll der Gefahr vorbeugen, dass bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit von den Gesellschaftern Mittel entnommen werden. Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn die Gesellschaft den Mittelabfluss verweigern kann und der Geschäftsführer nicht den Mittelabfluss unter Inkaufnahme einer eigenen Haftung bewirken muss. Folgerichtig sei der Geschäftsführer auch an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden (§ 64 Satz 4 GmbHG i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG). Wenn später Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife eintreten, werde über das bis dahin bestehende Leistungsverweigerungsrecht ggf. ein Nachrang der Gesellschafterforderung realisiert (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), und der Insolvenzverwalter sei nicht darauf verwiesen, abgeflossene Mittel über die Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO oder nach § 64 Satz 3 GmbHG zurückzuholen. Ebenso entfalle das Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Gesellschaft der drohenden Zahlungsunfähigkeit begegnen kann und saniert wird.

Fazit

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil für erfreuliche Rechtssicherheit gesorgt. Für die Praxis steht nun fest, dass fällige und ernsthaft eingeforderte Zahlungspflichten gegenüber Gesellschaftern stets im Liquiditätsstatus zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen sind. Der insolvenzbedrohten Gesellschaft steht insoweit kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber Gesellschaftern zu. Klar ist nach dem Urteil auch, dass die viel diskutierte Vorschrift des § 64 Satz 3 GmbHG (und die aktienrechtliche Parallelvorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG) nur einen minimalen Anwendungsbereich hat. Nur wenige Ausnahmefälle werden so gelagert sein, dass nicht schon die Zahlungspflicht zur Zahlungsunfähigkeit führt, sondern erst die Zahlung selbst. In diesen Ausnahmefällen – und nur in diesen – steht der Gesellschaft ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Zahlungsverlangen des Gesellschafters zu.

 

Aktiengesetz

Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt, Dr. Anton Ederle, Rechtsanwalt

Die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestelldauer ist grundsätzlich zulässig und stellt auch dann, wenn für diese Vorgehensweise keine besonderen Gründe gegeben sind, keine unzulässige Umgehung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG dar.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist zuständig für die Bestellung der Vorstandsmitglieder. Die Bestellung darf auf höchstens fünf Jahre erfolgen. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit ist zulässig, bedarf aber eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden kann.

Geregelt ist das in § 84 Abs. 1 AktG, einer Bestimmung, die insbesondere für Familienunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft von großer Bedeutung ist. Denn die auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit ausgerichtete Unternehmensstrategie von Familienunternehmen findet ihren Ausdruck auch in der Verweildauer der Unternehmensführung. Eine Studie der Stiftung Familienunternehmen 2010 hat gezeigt: Geschäftsführer und Vorstände von Familienunternehmen bleiben mit im Schnitt 9,4 Jahren signifikant länger im Amt als die entsprechende Führungsriege bei Unternehmen im Streubesitz, die durchschnittlich nur auf eine Verweildauer von 6,3 Jahren kommen. Auch bei isolierter Betrachtung von Aktiengesellschaften ist die Verweildauer von Vorstandsmitgliedern in Familienunternehmen mit 8,2 Jahren deutlich höher als bei Unternehmen im Streubesitz mit einer Verweildauer von 6,3 Jahren. Diese Zahlen zeigen, dass die Wiederbestellung bzw. Verlängerung der Amtszeit von Vorstandsmitgliedern und die daran zu stellenden Anforderungen besonders bei Familienunternehmen bedeutsam sind.

Eine bislang ungeklärte Frage war, ob und ggf. wie § 84 Abs. 1 AktG es zulässt, die Amtszeit eines Vorstandsmitglieds schon früher als ein Jahr vor ihrem Ablauf zu verlängern. Die Fragestellung ist dabei nicht nur für Aktiengesellschaften relevant, sondern auch für paritätisch mitbestimmte Gesellschaften mit beschränkter Haftung; denn auch bei diesen ist bei der Bestellung von Geschäftsführer § 84 AktG zu beachten (§ 31 Abs. 1 MitbestG).

Eine solche vorzeitige Wiederbestellung kann aus unterschiedlichen Gründen gewünscht sein, beispielsweise um einem Vorstandsmitglied, das abgeworben zu werden droht, frühzeitig eine gesicherte Stellung für weitere fünf Jahre zu bieten, aber auch um die Amtsperioden der Vorstandsmitglieder einander anzugleichen oder sie zeitlich zu staffeln. Möglich ist auch das Bestreben, vor Erreichen der Schwelle zum paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat und der Mitsprache der Arbeitnehmervertreter bei der Bestellung der Vorstandsmitglieder noch ein letztes Mal (ohne deren Einfluss) die vorhandenen Vorstandsmitglieder für weitere fünf Jahre zu bestellen.

Weitere Gründe sind denkbar, wie die vorliegende Entscheidung zeigt.

Zum Sachverhalt

Der Aufsichtsrat einer mittelständischen Familiengesellschaft hatte am Tag vor der Hauptversammlung einstimmig beschlossen, die Bestellung zweier Vorstandsmitglieder zweieinhalb bzw. knapp vier Jahre vor Ablauf ihrer regulären Amtszeit einvernehmlich aufzuheben und sie erneut auf fünf Jahre als Vorstandsmitglieder zu bestellen. Die Aktionäre des Unternehmens gehörten zwei zerstrittenen Familienstämmen an, die den Aufsichtsrat paritätisch besetzt haben. Im Rahmen der auf die Aufsichtsratssitzung folgenden Hauptversammlung wurde ein neuer Aufsichtsrat gewählt. Versuche in der Folgezeit, die erneut bestellten Vorstandsmitglieder abzuberufen, scheiterten an einer Pattsituation im neuen Aufsichtsrat.

Eines der neuen Aufsichtsratsmitglieder klagte daraufhin gegen die vorzeitige Wiederbestellung der beiden Vorstandsmitglieder. Sie sei eine unzulässige Umgehung des in § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG normierten Verbots und damit nach § 134 BGB nichtig. Jedenfalls aber sei die Zulässigkeit dieses Vorgehens auf eng begrenzte Ausnahmefälle begrenzt. Durch eine Neubestellung schon früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Amtszeit habe der Aufsichtsrat zudem in unzulässiger Weise die Möglichkeit, einen künftigen Aufsichtsrat für fünf Jahre an den Vorstand zu binden.

Während das Landgericht Frankenthal dieser Argumentation nicht gefolgt war, gab das OLG Zweibrücken der Klage statt und stellte die Nichtigkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse fest. Unter Aufhebung dieser Entscheidung stellte der BGH nun das landgerichtliche Urteil wieder her.

Entscheidungsgründe

Der Aufsichtsrat des Familienunternehmens habe § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG seinem Wortlaut nach beachtet. Durch die einvernehmliche Aufhebung der Bestellung der betreffenden Vorstandsmitglieder sei deren „bisherige Amtszeit“ i.S.d. § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG beendet worden. Die sich daran anschließende (wiederholte) Bestellung sei demnach nicht früher als ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit beschlossen worden.

Diese Vorgehensweise stelle auch keine unzulässige Umgehung des Verbots des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG dar. Die Vorschrift solle lediglich sicherstellen, dass der Aufsichtsrat zumindest alle fünf Jahre einen Beschluss über die wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit der Vorstandsmitglieder fasst. Ferner solle verhindert werden, dass sich die Aktiengesellschaft länger als fünf Jahre an ein Vorstandsmitglied bindet und dadurch wirtschaftlich untragbare Belastungen entstehen können. Der Aufsichtsrat soll vielmehr spätestens nach fünf Jahren die Möglichkeit haben, sich von einem Vorstandsmitglied ohne einen wichtigen Grund und ohne eine Abfindung zu trennen. Als weiterer Zweck käme hinzu, dass der Aufsichtsrat spätestens alle fünf Jahre gezwungen sein soll, sich in einer verantwortlichen Beratung über die Weiterbeschäftigung des Vorstandsmitglieds schlüssig zu werden.

Dieser Gesetzeszweck werde durch die vorliegende Fallgestaltung weder vereitelt noch beeinträchtigt. Indem das Vorstandsmitglied nach Amtsniederlegung ab diesem Zeitpunkt für fünf Jahre neu bestellt wird, sei die Bindungsfrist des Aufsichtsrats sogar kürzer, als es die gesetzliche Regelung für den Fall, dass die bisherige Bestellung nicht vorzeitig endet, als äußerste Grenze zulässt. Danach kann sich der Aufsichtsrat, wenn er über eine fünfjährige Verlängerung ein Jahr vor Ablauf der Amtszeit befindet, sogar für sechs Jahre binden. Auch finde eine verantwortliche Beratung und Beschlussfassung über die Neubestellung statt. Der Aufsichtsrat fasse genauso einen Beschluss wie er es nach der gesetzlichen Regelung im letzten Jahr der laufenden Amtszeit des Vorstandsmitglieds tun würde. Auch der Einwand, der Aufsichtsrat binde einen künftigen Aufsichtsrat in unzulässiger Weise, verfängt beim BGH nicht. Nach der gesetzlichen Regelung könne ein neuer Aufsichtsrat sogar für sechs Jahre an die Vorstandsbestellung gebunden sein, wenn die Jahresfrist des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG kurz vor Ende der Amtszeit des alten Aufsichtsrats beginnt und dieser Aufsichtsrat eine Verlängerung der Bestellung des Vorstandsmitglieds beschließt. Der neue Aufsichtsrat müsse den Vorstand so akzeptieren, wie er ihn vorfinde und wie er vom alten Aufsichtsrat bestellt wurde.

Ein Rechtsmissbrauch sei nicht erkennbar. Die Annahme, die Verlängerungsbeschlüsse beruhten offenkundig nicht auf sachlichen Erwägungen, sondern seien vor dem Hintergrund der Streitigkeiten zwischen den Familienstämmen gefasst worden, um für den am nächsten Tag von der Hauptversammlung zu wählenden neuen Aufsichtsrat „vollendete Tatsachen“ zu schaffen, reiche für einen Rechtsmissbrauch nicht aus.

Praxishinweise

Die Entscheidung hat die schon seit langem in der Literatur geführte Auseinandersetzung über die gesetzliche Zulässigkeit von Neufestsetzungen der Amtszeiten von Vorstandsmitgliedern (vgl. nur Willemer, AG 1977, 130) für die Praxis in dankenswerter Klarheit im Sinne derjenigen entschieden, die die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestelldauer selbst dann für zulässig halten, wenn für diese Vorgehensweise keine besonderen Gründe gegeben sind. Das schafft Rechtssicherheit und ist zu begrüßen.

Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern

Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt, Dr. Anton Ederle, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Im ersten Heft der FuS (FuS 2011, 35) besprach Wiedemann ein Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 15.02.2011, Az. 5 U 30/10, das für erhebliche Unruhe in der Gestaltungspraxis sorgte. Das OLG Frankfurt erklärte die Auszahlung von Beratungshonoraren an ein Aufsichtsratsmitglied der Fresenius SE für pflichtwidrig, weil sie ohne vorherige Zustimmung des Gesamtaufsichtsrates erfolgte, obwohl der Gesamtaufsichtsrat die Zahlung im Nachhinein genehmigte. Es handele sich so das OLG Frankfurt um einen schweren und eindeutigen Gesetzesverstoß, der zur Versagung der Entlastung nach 120 Abs. 1 AktG führen müsse. Direkte Relevanz hat diese Thematik für Pflichtaufsichtsräte in der Aktiengesellschaft, der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und der mit bestimmten GmbH. Ob sie auch freiwillige Beratungsgremien wie Beiräte, Verwaltungsräte und Gesellschafterausschüsse betrifft, wie sie insbesondere in Familiengesellschaften verbreitet sind (vgl. Wiedemann, FuS 2011, 35), wurde von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden, wird in der Literatur aber teilweise bejaht (Wiedemann, FuS 2011, 36).

Die Entscheidung des OLG Frankfurt sorgte deshalb für große Unruhe, weil sich viele Unternehmen die Expertise einzelner ihrer Aufsichtsratsmitglieder häufig nicht nur im Rahmen der allgemeinen Aufsichtsratstätigkeit, sondern auch in speziellen Fragen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit nutzbar machen wollen, wofür die Betroffenen aber freilich die Zahlung eines gesonderten, über die bloße Aufsichtsratsvergütung hinausgehenden Beratungshonorars erwarten. In der Praxis hat sich dabei eingebürgert, der Zahlung von Beratungshonoraren nicht bereits im Voraus zuzustimmen, sondern sie erst nachträglich zu genehmigen. Denn ob ein Beratungsvertrag überhaupt genehmigungsfähig ist, kann oft erst im Nachhinein beurteilt werden, ist doch der Umfang des Beratungsgegenstands und der mit der Beratung verbundene Aufwand beispielsweise bei der Übernahme von Prozessvertretungen im Voraus regelmäßig kaum einzuschätzen und damit auch die Angemessenheit der Vergütung sowie die Abgrenzung zur bloßen Organtätigkeit im Voraus nur schwer zu beurteilen.

Dennoch erklärte das OLG Frankfurt diese Praxis für rechtswidrig. Viele Autoren, darunter auch Wiedemann, äußerten die Hoffnung, der BGH werde diese Entscheidung „geraderücken“. Eine Hoffnung, die nun enttäuscht wurde.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BGH hat sich der Entscheidung des OLG Frankfurt weitgehend angeschlossen: Die Vergütung für einen Beratungsvertrag dürfe grundsätzlich erst dann gezahlt werden, wenn der Aufsichtsrat dem Beratungsvertrag zugestimmt hat. Begründet wird dies mit dem Regelungszweck der §§ 113 und 114 AktG. Nach § 113 AktG hat die Hauptversammlung über die Höhe der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zu entscheiden soweit das nicht bereits in der Satzung geschehen ist. Gemäß § 114 AktG hängt die Wirksamkeit eines Beratervertrages mit einem Aufsichtsratsmitglied von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. Der Zweck des § 114 AktG besteht nach Auffassung des BGH zum einen darin, Umgehungen des 113 AktG zu verhindern, indem es dem Aufsichtsrat ermöglicht wird, den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv darauf zu überprüfen, ob er tatsächlich in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 113 AktG nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat.

Der dadurch bewirkte Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, soll diesem zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der Aktiengesellschaft an einzelne Aufsichtsratsmitglieder etwa in Form überhöhter Vergütungen und damit eine denkbare unsachliche, der Erfüllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch den Vorstand verhindern.

Eine nachträgliche Genehmigung schaffe zwar einen Rechtsgrund für die Vergütungszahlung; das betreffende Aufsichtsratsmitglied muss die bereits vereinnahmte Vergütung also nicht zurückzahlen. Eine nachträgliche Genehmigung ersetze aber nicht die präventive Kontrolle durch den Aufsichtsrat, die das Gesetz erfordere. Schon die Zahlung einer zum Zahlungszeitpunkt rechtsgrundlosen Vergütung stelle regelmäßig eine Privilegierung des Aufsichtsratsmitglieds dar, die durch § 114 AktG gerade verhindert werden soll. Die Vergütungszahlung bleibe daher rechtswidrig. Zwar fehle es im vorliegenden Fall anders als vom OLG Frankfurt angenommen an einem schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzverstoß, der eine Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen rechtfertige. Dies aber nur deshalb, weil die Frage, ob eine nachträgliche Genehmigung nicht nur auf den Rechtsgrund der Zahlung, sondern auch auf die Frage der Pflichtgemäßheit der Auszahlung bezogen werden könne, im Jahr 2008 noch nicht höchstrichterlich entschieden war. Die Rechtslage sei damals nicht eindeutig gewesen. Jetzt, mit seiner Entscheidung so wird man den BGH wohl verstehen müssen, ist sie es aber. Auch wenn der BGH zum Gewicht des Gesetzesverstoßes selbst keine Ausführungen macht, droht also künftig die erfolgreiche Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen, wenn Aufsichtsratsmitgliedern ein Beratungshonorar ausgezahlt wird, bevor der Aufsichtsrat dem Beratungsvertrag  zugestimmt hat.

Die zeitliche Verzögerung der Honorarzahlung, so der BGH, sei der Preis, den ein Aufsichtsratsmitglied zahlen müsse, wenn es von der Gesellschaft Aufträge bekommen wolle. Dass das Aufsichtsratsmitglied damit das Risiko eingehen muss, in Vorleistung zu treten und unter Umständen umsonst gearbeitet zu haben, lässt er unerwähnt.

Weitere Hinweise

Bei der Fresenius SE sollen am Anfang jedes Jahres vom Aufsichtsrat eine Obergrenze für Mandate an bestimmte Aufsichtsratsmitglieder oder deren Sozietäten festgelegt und die einzelnen Verträge dann am Ende des Jahres dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt worden sein. Ob die Zahlung eines Beratungshonorars vor Zustimmung des Aufsichtsrates unter diesen Umständen ausnahmsweise rechtmäßig ist, ließ der BGH ausdrücklich offen. Dies wird im Einzelfall davon abhängen, ob dem Zweck des § 114 AktG, durch eine preventive Kontrolle eine Umgehung der 113 AktG und eine Beeinflussung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds zu verhindern, durch hinreichende Konkretisierung ausreichend Rechnung getragen wurde. Für die Praxis empfiehlt es sich künftig, vor der Auszahlung von Beratungshonoraren die Genehmigung durch den Aufsichtsrat abzuwarten, wenn aufgrund der Aktionärsstruktur mit der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen zu rechnen ist.

Form des Schenkungsversprechens

Formlose Schenkung von Unterbeteiligungen

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Familienstiftung, ist testamentarische Alleinerbin des am 26.10.2002 verstorbenen Frank- furter Verlegers Dr. Siegfried Unseld (U). Der Beklagte ist ein (Sohn des U) war als persönlich haftender Gesellschafter an der S. Verlag GmbH & Co. KG (Verlag „Suhrkamp“) und an der I. Verlag GmbH & Co. KG (Verlag „Insel“) jeweils zu 51 %, an der Verlagsleitung (Komplementär-) GmbH zu 55 % beteiligt, außerdem an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffend den Grundbesitz in Frankfurt. Im Jahr 2001 räumte U in notarieller Form einer weiteren Stiftung, der Siegfried Unseld-Stiftung (SU-Stiftung), auf den Zeitpunkt seines Versterbens ohne Gegenleistung Unterbeteiligungen i.H.v. je 30 % an den genannten Gesellschaften ein mit der Maßgabe, dass nach seinem Tod sein Erbe Hauptbeteiligter sei. In 18 des notariellen Vertrages ist die Gewinnverteilung in der Unterbeteiligungsgesellschaft geregelt. In § 16 heißt es zur Geschäftsführung in der Unterbeteiligungsgesellschaft: „I. Geschäftsführer der Innengesellschaft ist der Hauptbeteiligte. Der Hauptbeteiligte hat die Unterbeteiligte zu unterrichten und anzuhören, ehe er bei der Wahrnehmung ihm als Gesellschafter der Hauptgesellschaften zustehender Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung vornimmt. Für Handlungen, die über gewöhnliche Gesellschafterent- scheidungen in den Beteiligungen hinausgehen (entsprechend § 116 Abs. 2 HGB), ist die Zustimmung der Unterbeteiligten einzuholen.“ Seit dem Tod des Erblassers (U) streiten die Parteien darüber, ob die der SU-Stiftung eingeräumten Unterbeteiligungen in den Nachlass gefallen und bei der Berechnung des vom Beklagten (Sohn des U) geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen sind (so der Rechts- standpunkt des Beklagten). Die Klägerin hat auf Feststellung geklagt, dass die Einräumung der Unterbeteiligungen zugunsten der SU-Stiftung im Todeszeitpunkt wirksam gewesen sei. Das Landgericht hat diesem Antrag stattgegeben. Berufung und Revision des Beklagten hiergegen blieben erfolglos.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Für die Begründetheit der Klage kam es darauf an, ob U durch die aufschiebend bedingte Einräumung der Unterbeteiligungen den Nach- lass verringert hatte. Dann wären die der SU-Stiftung eingeräumten Unterbeteiligungen bei der Berechnung des Pflichtteils des Beklagten nicht zu berücksichtigen. Damit trat ein Problem des Schenkungsrechts auf, nämlich die Frage, ob es sich um eine zu Lebzeiten vollzogene Schenkung handelte. Verträge der hier vorliegenden Art sind gleichzeitig (Innen-) Gesellschaftsverträge und Schenkungsverträge. Umstritten ist deshalb wie bei der stillen Beteiligung –, ob sie formlos abgeschlossen werden können. Denn ohne notarielle Beurkundung sind Schenkungsver- träge nur wirksam, wenn es sich um vollzogene Schenkungen handelt 518 Abs. 2 BGB. Um diese Streit- frage ging es in dem vorliegenden Fall allerdings nicht (direkt), denn die notarielle Form des § 518 Abs. 1 BGB war ja gewahrt. Da es sich aber um ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall handelte, kam § 2301 BGB zum Tragen. Danach fällt eine auf den Todes- und Überlebensfall vereinbarte Schenkung nur dann aus dem Nachlass heraus, wenn der Schenker die Schenkung durch Leistung des zugewendeten Gegenstands vollzogen hat, § 2301 Abs. 2 BGB. Es kam also wie bei § 518 Abs. 2 BGB – darauf an, ob die aufschiebend auf den Tod vereinbarte stille Beteiligung oder Unterbeteiligung als eine bereits vollzogene Schenkung anzusehen ist. Im Gewand des § 2301 BGB war deshalb eine Frage zu entscheiden, die im Bereich des § 518 BGB seit Jahrzehnten heftig umstritten ist.

Entscheidungsgründe

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1952, 1412; NJW 1953, 138; offen gelassen in NJW 1990, 2616) konnte die unent- geltliche Einräumung einer Unterbeteiligung – ebenso wie die unentgeltliche Zuwendung der stillen Beteiligung an einer Gesellschaft – mangels dinglicher Mitberechtigung des Unterbeteiligten am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft nicht vollzogen werden. Dies sollte weder durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages über die Begründung der Innengesellschaft noch durch die Einbuchung des Gesellschaftsanteils in die Bücher der Gesellschaft geschehen können. Das Wesen der Unterbeteiligung als Innengesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen bestehe gerade darin, dass nur der Hauptbeteiligte an der Hauptgesellschaft beteiligt ist und dass er dem anderen nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags lediglich schuldrechtlich zur Teilhabe zumindest am Gewinn seines Gesellschaftsanteils verpflichtet ist. Geht die Verpflichtung des Hauptbeteiligten dahin, einen anderen durch Einräumung einer Unterbeteiligung lediglich schuldrechtlich an den Vermögensrechten des ihm an der Hauptgesellschaft zustehenden Gesellschaftsanteils zu beteiligen, solle es nach dem Parteiwillen gerade nicht zu einer Vermögensübertragung kommen. Vielmehr erschöpfe sich die Zusage in einer schuldrechtlichen Verpflichtung, die im Falle der unentgeltlichen Erteilung des Versprechens der notariellen Form bedarf. Ein solches Schenkungsversprechen könne auch nicht dadurch vollzogen werden, dass der Hauptbeteiligte den vereinbarten Anteil des Unterbeteiligten buchmäßig, steuerlich oder in anderer Weise als Vermögen des anderen führt. Denn auch durch eine derartige Handhabung werde der Unterbeteiligte nicht stärker als schuldrechtlich an dem Gesellschaftsanteil des Hauptbeteiligten als Partner der Innengesellschaft beteiligt. Auch wenn nur ein schuld- rechtlicher Anspruch zugewendet werden soll, so stelle doch dessen Anerkennung in den Geschäftsbüchern oder gegenüber dem Finanzamt nicht die Bewirkung der versprochenen Leistung dar; vielmehr werde lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung des Schenkers durch eine andere ersetzt. Für den vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof mit dem hier zu besprechenden Urteil festgestellt, dass der Erblasser (U) der SU-Stiftung nicht nur schuldrechtliche Ansprüche auf Beteiligung am Gewinn des Hauptbeteiligten in den Hauptgesellschaften und auf eine Abfindung bei der Ablösung der Innengesellschaft eingeräumt hat. Vielmehr soll die SU-Stiftung auch mitgliedschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft erhalten haben. Nach § 16 Abs. 2 des notariellen Vertrages aus dem Jahre 2001 habe der Hauptbeteiligte die Unterbeteiligte zu unterrichten und anzuhören, bevor er bei der Ausübung der ihm als Gesellschafter der Hauptgesellschaft zustehenden Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung vornimmt. Für Verhandlungen, die über gewöhnliche Entscheidungen i.S. von § 116 Abs. 2 HGB in den Beteiligungsgesellschaften hinausgehen, sei sogar die Zustimmung der Unterbeteiligten einzuholen.

Jedenfalls für den Fall der unentgeltli- chen Einräumung einer so ausgestal- teten Unterbeteiligung ist der Bundesgerichtshof nunmehr der Auffassung, dass die Schenkung mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags vollzogen sei. Zwar komme es auch bei der Zuwen- dung einer solchen Unterbeteiligung anders als bei der Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft nicht zu einer dinglichen Mitberechtigung an der Hauptgesellschaft, da die Innengesellschaft wie bei einer solchen Fallgestaltung regelmäßig über kein Gesamthandsvermögen verfügt. Beschränkt sich aber die Unterbeteiligung nicht nur auf schuldrechtliche Ansprüche gegen den zuwendenden Hauptbeteiligten auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, sondern werden dem Unterbeteiligten in der Innengesellschaft darüber hinaus mitgliedschaftsrechtliche Rechte eingeräumt, durch die er Einfluss auf die Innengesellschaft nehmen kann, erhalte er nicht nur die Stellung eines schuldrechtlichen Gläubigers, sondern eine in dem Anteil an der Innengesellschaft verkörperte mitgliedschaftsrechtliche Rechtsposition. Dies rechtfertige die Annahme, dass die unentgeltliche Zuwendung einer derartigen Beteiligung an einer Innengesellschaft ebenso wie die unentgeltliche Einräumung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen ist.

Folgen für die Praxis

Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Differenzierung zwischen einer mitgliedschaftsrechtlichen und einer (bloßen) schuldrechtlichen Rechtsposition ist keineswegs zwingend. Denn die mitgliedschaftliche Rechtsposition wird mit dem Gesellschaftsvertrag der Unterbeteiligungsgesellschaft bzw. der stillen Gesellschaft allein durch eine schuldrechtliche Vereinbarung begründet. Streng genommen wird auch in diesem Fall die schuldrechtliche Verpflichtung des Schenkers lediglich durch eine andere schuldrechtliche Vereinbarung ersetzt.

Für die Praxis ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gleichwohl mit einer deutlichen Vereinfachung und Kostenersparnis verbunden: Immer dann, wenn mit der schenkweisen Einräumung einer Unterbeteiligung oder einer stillen Beteiligung an einer Gesellschaft auch eine mitgliedschaftliche Rechtsposition eingeräumt wird, ist eine notarielle Beurkundung entbehrlich. Wird dem Beschenkten hingegen keine mitgliedschaftliche Rechtsposition eingeräumt – wie beispielsweise bei der schenkweisen Einräumung einer Treugeberstellung –, bleibt es bei der Beurkundungspflicht nach § 518 Abs. 1 BGB; eine Heilung des Formmangels nach § 518 Abs. 2 BGB scheidet dann weiterhin aus.

Form des Schenkungsversprechens

Pflichtteilsrecht und Schenkungsvollzug bei atypischer Unterbeteiligung

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt, und Dr. Anton Ederle, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das in §§ 2303 ff. BGB geregelte Pflichtteilsrecht gewährt engeren Familienangehörigen einen Anspruch auf eine Mindestteilhabe am Nachlass und beschränkt damit als Ausdruck der durch Art. 6 GG geschützten Familiensolidarität die Testierfreiheit des Erblassers. Weil Pflichtteilsansprüche am Verkehrswert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls ohne Rücksicht auf dessen tatsächliche Liquidität anknüpfen und mit dem Erbfall sofort und in bar zu erfüllen sind, stellen sie eine große Gefahr für den Erhalt illiquiden Vermögens dar. Für Familienunternehmen, die mit ihrem Verkehrswert regelmäßig den Großteil des gebundenen Nachlassvermögens ausmachen, kann ein Pflichtteilsanspruch die Zerschlagung bedeuten. Aber auch für die Erben von Wertpapieren oder anderen Anlagen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch werthaltig waren, nach dem Erbfall aber plötzlich an Wert verloren haben, können Pflichtteilsansprüche ruinös sein, denn die Wertentwicklung, die das Vermögen nach dem Erbfall durchlaufen hat, wird bei der Höhe des Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt.

Eine Möglichkeit, diese Gefahr zu umgehen oder jedenfalls zu begrenzen, ist die Zuwendung größerer Vermögenswerte bereits unter Lebenden im Wege der vorweggenommen Erbfolge. Denn der Pflichtteilsanspruch errechnet sich ausschließlich anhand des Nachlassvermögens, also des Ver- mögens, das im Zeitpunkt des Erbfalls noch dem Erblasser zugeordnet war. Ist ein Gegenstand bereits zu Lebzeiten aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden, bleibt er bei der Berechnung des Pflichtteils außer Betracht. Dann drohen zwar Pflichtteilsergänzungsansprüche zum Ausgleich lebzeitiger Vermögensübertragungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall, doch sieht das Gesetz hier für Todesfälle ab dem 01.01.2010 ein Abschmelzungsmodell vor, nach welchem pro Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Erbfall liegt, 10 % vom Wert der Schenkung abgezogen werden. Während eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall also voll in die Berechnung einbezogen wird, wird sie im siebten Jahr nur noch zu 4/10 berücksichtigt. Frühzeitige Vermögensübertragungen sind damit ein gangbarer Weg zur Vermeidung oder Reduzierung von Ansprüchen weichender Erben.

Voraussetzung ist aber, dass die Schenkung auch zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen wurde. Denn nur, wenn der Gegenstand bereits zu Lebzeiten aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden ist, fällt er nicht in den Nachlass (§ 2301 Abs. 2 BGB). Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Schenkung vollzogen wurde, ist damit insbesondere bei Zuwendungen bedeutsam, die aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt des Todes vorgenommen wurden. In der hier zu besprechenden Entscheidung ging es um eine solche Schenkung von Todes wegen.

Zum Sachverhalt

Der im Oktober 2002 verstorbene Verleger Dr. Siegfried Unseld hatte ein Jahr vor seinem Tod die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung als seine Alleinerbin eingesetzt. Der Erblasser war mehrheitlich u.a. an der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG, der Insel Verlag GmbH & Co. KG sowie an der Suhrkamp Verlagsleitung GmbH beteiligt. Einer weiteren Stiftung, der gemeinnützigen Siegfried Unseld- Stiftung, räumte Unseld bereits im Oktober 2001 unentgeltlich Unterbeteiligungen in Höhe von jeweils 30 % seiner Gesellschaftsbeteiligungen ein. Der gemeinnützigen Stiftung wurden dabei neben dem schuldrechtlichen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn der Hauptgesellschaften und einem Abfindungsanspruch auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte innerhalb der durch die Unterbeteiligungen begründeten bürgerlichrechtlichen Innengesellschaften zwischen dem Erblasser als Hauptbeteiligten und der Stiftung als Unterbeteiligten eingeräumt.

Zwischen Unselds zweiter Ehefrau und Unselds Sohn aus erster Ehe entstand nach dem Tode Siegfried Unselds Streit über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs des übergangenen Sohnes. Der BGH hatte nun in dritter und letzter Instanz zu entscheiden, ob die Unterbeteiligungen an den Verlagsgesellschaften bereits mit Abschluss der darauf gerichteten Verträge im Oktober 2001 der Siegfried Unseld-Stiftung rechtswirksam eingeräumt waren, die Schenkung also schon zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen wurde und die Unterbeteiligungen damit bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs außen vor zu lassen waren.

Entscheidungsgründe

Eine Unterbeteiligung ist das Pendant zur stillen Gesellschaft, unterscheidet sich aber dadurch, dass Vertragsbeziehungen des Unterbeteiligten nicht mit dem Träger des Unternehmens als solchem bestehen, sondern mit einem der Gesellschafter der unternehmenstragenden Gesellschaft. Die Unterbeteiligung ist also eine stille Beteiligung nicht an einer Gesellschaft, sondern an einem Gesellschaftsanteil (so treffend K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 230 Rdnr. 192). Das Verhältnis zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten ist rechtlich als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) in der Sonderform der Innengesellschaft zu qualifizieren.

Typischerweise wird dem Unterbeteiligten nur eine schuldrechtliche Teilhabe an den Vermögensrechten des Gesellschaftsanteils des Hauptbeteiligten eingeräumt, ohne dass er eine dingliche Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft selbst erwirbt. Der BGH nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass die unentgeltliche Zuwendung einer solch typischen Unterbeteiligung wie auch die Zuwendung einer typisch stillen Gesellschaftsbeteiligung aus Rechtsgründen nicht vollziehbar ist. Denn hier werde ein bloß schuldrechtlicher Anspruch zugewendet, worin keine Leistungsbewirkung, sondern lediglich der Austausch einer schuldrechtlichen Verpflichtung durch eine andere zu sehen sei.

Vorliegend hat der Erblasser der gemeinnützigen Stiftung über die rein schuldrechtliche Position hinaus aber auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft eingeräumt, nämlich Unterrichtungs-, Anhörungs- und Zustimmungsrechte. Laut BGH ist darin eine Leistungshandlung zu sehen, die die Annahme rechtfertige, die Einräumung einer solch atypischen Unterbeteiligung sei mit dem Abschluss des Beteiligungsvertrages vollzogen. Die Unterbeteiligungen sind damit nicht in den Nachlass Siegfried Unselds gefallen und bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Beklagten folglich außen vor zu lassen.

Praxishinweise

Die Entscheidung zeigt, dass lebzeitige Vermögensübertragungen ein möglicher Weg sind, Risiken des Pflichtteilsrechts zu minimieren, dies allerdings nur, wenn sie frühzeitig erfolgen. Bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des weichenden Erben Joachim Unseld konnte die Einbeziehung der Unterbeteiligungen durch die gewählte Nachfolgegestaltung zwar umgangen werden, nicht aber der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB. Der dürfte die Alleinerbin hier nicht weniger hart treffen, ist der Erbfall doch vor der Reform des Pflichtteilsrechts – und innerhalb von zehn Jahren nach Vollzug der Schenkung eingetreten– und die Schenkung daher in vollem Umfang in Ansatz zu bringen. Eine notariell beurkundete Pflichtteilsverzichtserklärung des weichenden Erben gegen Abfindung (bspw. lebzeitige Einräumung einer stillen Beteiligung) hätte retrospektiv für mehr Sicherheit gesorgt.

Bedeutung erlangt die Entscheidung über die bloße Pflichtteilsproblematik hinaus auch für die Frage, in welcher Form ein Unterbeteiligungs- bzw. stil- ler Gesellschaftsvertrag zu schließen ist. Ein Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Wirksamkeit grds. notarieller Beurkundung. Nimmt man an, die Schenkung der Beteiligung wird wie im vorliegenden Fall bereits mit Ver- tragsschluss vollzogen, so wird der Formmangel sogleich geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB). Auch wenn damit auf eine notarielle Beurkundung atypi- scher, also mitgliedschaftliche Rechte vermittelnder, stiller Beteiligungs- verträge an sich verzichtet werden könnte (entgegen BGH, WM 1967, 685), ist bis zu einer gerichtlichen Klärung auch weiterhin zu einer nota- riellen Beurkundung zu raten.

Der BGH folgt mit seiner Entscheidung einem Urteil des BFH (NJW- RR 2008, 986), nach welchem die schenkweise Einräumung einer atypischen Unterbeteiligung gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig ist, im Falle einer typischen Unterbeteiligung hingegen erst die laufenden Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen. Ob die bisherige Rechtsprechung, wonach eine unentgeltliche Zuwendung typisch stiller Beteiligungen aus Rechtsgründen nicht vollziehbar ist, grds. zu überdenken ist, ließ der BGH ausdrücklich offen. Das wäre schon aus steuerlicher Sicht zu begrüßen, denn nach jetzigem Stand ist die Schenkungsteuer bei der typischen Unterbeteiligung laufend auf die schon gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Einkommensteuer unterliegenden Gewinnanteile zu veranlagen.

Schenkung

Pflichtteilsrecht und Schenkungsvollzug bei atypischer Unterbeteiligung

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt, und Dr. Anton Ederle, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das in §§ 2303 ff. BGB geregelte Pflichtteilsrecht gewährt engeren Familienangehörigen einen Anspruch auf eine Mindestteilhabe am Nachlass und beschränkt damit als Ausdruck der durch Art. 6 GG geschützten Familiensolidarität die Testierfreiheit des Erblassers. Weil Pflichtteilsansprüche am Verkehrswert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls ohne Rücksicht auf dessen tatsächliche Liquidität anknüpfen und mit dem Erbfall sofort und in bar zu erfüllen sind, stellen sie eine große Gefahr für den Erhalt illiquiden Vermögens dar. Für Familienunternehmen, die mit ihrem Verkehrswert regelmäßig den Großteil des gebundenen Nachlassvermögens ausmachen, kann ein Pflichtteilsanspruch die Zerschlagung bedeuten. Aber auch für die Erben von Wertpapieren oder anderen Anlagen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch werthaltig waren, nach dem Erbfall aber plötzlich an Wert verloren haben, können Pflichtteilsansprüche ruinös sein, denn die Wertentwicklung, die das Vermögen nach dem Erbfall durchlaufen hat, wird bei der Höhe des Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt. Eine Möglichkeit, diese Gefahr zu umgehen oder jedenfalls zu begrenzen, ist die Zuwendung größerer Vermögenswerte bereits unter Lebenden im Wege der vorweggenommen Erbfolge. Denn der Pflichtteilsanspruch errechnet sich ausschließlich anhand des Nachlassvermögens, also des Vermögens, das im Zeitpunkt des Erbfalls noch dem Erblasser zugeordnet war. Ist ein Gegenstand bereits zu Lebzeiten aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden, bleibt er bei der Berechnung des Pflichtteils außer Betracht. Dann drohen zwar Pflichtteilsergänzungsansprüche zum Ausgleich lebzeitiger Vermögensübertragungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall, doch sieht das Gesetz hier für Todesfälle ab dem 01.01.2010 ein Abschmelzungsmodell vor, nach welchem pro Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Erbfall liegt, 10 % vom Wert der Schenkung abgezogen werden. Während eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall also voll in die Berechnung einbezogen wird, wird sie im siebten Jahr nur noch zu 4/10 berücksichtigt. Frühzeitige Vermögensübertragungen sind damit ein gangbarer Weg zur Vermeidung oder Reduzierung von Ansprüchen weichender Erben. Voraussetzung ist aber, dass die Schenkung auch zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen wurde. Denn nur, wenn der Gegenstand bereits zu Lebzeiten aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden ist, fällt er nicht in den Nachlass (§ 2301 Abs. 2 BGB). Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Schenkung vollzogen wurde, ist damit insbesondere bei Zuwendungen bedeutsam, die aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt des Todes vorgenommen wurden. In der hier zu besprechenden Entscheidung ging es um eine solche Schenkung von Todes wegen.

Zum Sachverhalt

Der im Oktober 2002 verstorbene Verleger Dr. Siegfried Unseld hatte ein Jahr vor seinem Tod die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung als seine Alleinerbin eingesetzt. Der Erblasser war mehrheitlich u.a. an der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG, der Insel Verlag GmbH & Co. KG sowie an der Suhrkamp Verlagsleitung GmbH beteiligt. Einer weiteren Stiftung, der gemeinnützigen Siegfried Unseld- Stiftung, räumte Unseld bereits im Oktober 2001 unentgeltlich Unterbeteiligungen in Höhe von jeweils 30 % seiner Gesellschaftsbeteiligungen ein. Der gemeinnützigen Stiftung wurden dabei neben dem schuldrechtlichen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn der Hauptgesellschaften und einem Abfindungsanspruch auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte innerhalb der durch die Unterbeteiligungen begründeten bürgerlich-rechtlichen Innengesellschaften zwischen dem Erblasser als Hauptbeteiligten und der Stiftung als Unterbeteiligten eingeräumt. Zwischen Unselds zweiter Ehefrau und Unselds Sohn aus erster Ehe entstand nach dem Tode Siegfried Unselds Streit über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs des übergangenen Sohnes. Der BGH hatte nun in dritter und letzter Instanz zu entscheiden, ob die Unterbeteiligungen an den Verlagsgesellschaften bereits mit Abschluss der darauf gerichteten Verträge im Oktober 2001 der Siegfried Unseld-Stiftung rechtswirksam eingeräumt waren, die Schenkung also schon zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen wurde und die Unterbeteiligungen damit bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs außen vor zu lassen waren.

Entscheidungsgründe

Eine Unterbeteiligung ist das Pendant zur stillen Gesellschaft, unterscheidet sich aber dadurch, dass Vertragsbeziehungen des Unterbeteiligten nicht mit dem Träger des Unternehmens als solchem bestehen, sondern mit einem der Gesellschafter der unternehmenstragenden Gesellschaft. Die Unterbeteiligung ist also eine stille Beteiligung nicht an einer Gesellschaft, sondern an einem Gesellschaftsanteil (so treffend K. Schmidt, in: Münche- ner Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 230 Rdnr. 192). Das Verhältnis zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten ist rechtlich als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) in der Sonderform der Innengesellschaft zu qualifizieren. Typischerweise wird dem Unterbeteiligten nur eine schuldrechtliche Teilhabe an den Vermögensrechten des Gesellschaftsanteils des Hauptbeteiligten eingeräumt, ohne dass er eine dingliche Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft selbst erwirbt. Der BGH nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass die unentgeltliche Zuwendung einer solch typischen Unterbeteiligung wie auch die Zuwendung einer typisch stillen Gesellschaftsbeteiligung aus Rechtsgründen nicht vollziehbar ist. Denn hier werde ein bloß schuldrechtlicher Anspruch zugewendet, worin keine Leistungsbewirkung, sondern lediglich der Austausch einer schuldrechtlichen Verpflichtung durch eine andere zu sehen sei. Vorliegend hat der Erblasser der gemeinnützigen Stiftung über die rein schuldrechtliche Position hinaus aber auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft eingeräumt, nämlich Unterrichtungs-, Anhörungs- und Zustimmungsrechte. Laut BGH ist darin eine Leistungshandlung zu sehen, die die Annahme rechtfertige, die Einräumung einer solch atypischen Unterbeteiligung sei mit dem Abschluss des Beteiligungsvertrages vollzogen. Die Unterbeteiligungen sind damit nicht in den Nachlass Siegfried Unselds gefallen und bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Beklagten folglich außen vor zu lassen.

Praxishinweise

Die Entscheidung zeigt, dass lebzeitige Vermögensübertragungen ein möglicher Weg sind, Risiken des Pflichtteilsrechts zu minimieren, dies allerdings nur, wenn sie frühzeitig erfolgen. Bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des weichenden Erben Joachim Unseld konnte die Einbeziehung der Unterbeteiligungen durch die gewählte Nachfolgegestaltung zwar umgangen werden, nicht aber der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB. Der dürfte die Alleinerbin hier nicht weniger hart treffen, ist der Erbfall doch vor der Reform des Pflichtteilsrechts – und innerhalb von zehn Jahren nach Vollzug der Schenkung eingetreten– und die Schenkung daher in vollem Umfang in Ansatz zu bringen. Eine notariell beurkundete Pflichtteilsverzichtserklärung des weichenden Erben gegen Abfindung (bspw. lebzeitige Einräumung einer stillen Beteiligung) hätte retrospektiv für mehr Sicherheit gesorgt. Bedeutung erlangt die Entscheidung über die bloße Pflichtteilsproblematik hinaus auch für die Frage, in welcher Form ein Unterbeteiligungs- bzw. stiller Gesellschaftsvertrag zu schließen ist. Ein Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Wirksamkeit grds. notarieller Beurkundung. Nimmt man an, die Schenkung der Beteiligung wird wie im vorliegenden Fall bereits mit Vertragsschluss vollzogen, so wird der Formmangel sogleich geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB). Auch wenn damit auf eine notarielle Beurkundung atypischer, also mitgliedschaftliche Rechte vermittelnder, stiller Beteiligungsverträge an sich verzichtet werden könnte (entgegen BGH, WM 1967, 685), ist bis zu einer gerichtlichen Klärung auch weiterhin zu einer notariellen Beurkundung zu raten. Der BGH folgt mit seiner Entscheidung einem Urteil des BFH (NJW- RR 2008, 986), nach welchem die schenkweise Einräumung einer atypischen Unterbeteiligung gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig ist, im Falle einer typischen Unterbeteiligung hingegen erst die laufenden Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen. Ob die bisherige Rechtsprechung, wonach eine unentgeltliche Zuwendung typisch stiller Beteiligungen aus Rechtsgründen nicht vollziehbar ist, grds. zu überdenken ist, ließ der BGH ausdrücklich offen. Das wäre schon aus steuerlicher Sicht zu begrüßen, denn nach jetzigem Stand ist die Schenkungsteuer bei der typischen Unterbeteiligung laufend auf die schon gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Einkommensteuer unterliegenden Gewinnanteile zu veranlagen.

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Zulässigkeit von Auslandsbeurkundungen bei der Abtretung von Gmbh-Geschäftsanteilen

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

Die Abtretung eines GmbH- Geschäftsanteils kann im Ausland beurkundet werden, wenn die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist. Hieran hat sich nach Auffassung des OLG Düsseldorf auch durch die Aufwertung der Gesellschaftsliste durch das am 01.11.2008 in Kraft getretene MoMiG und die in diesem Zusammenhang neu geschaffene Pflicht des Notars, bei von ihm beurkundeten Anteilsabtretungen eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, nichts geändert.

Ein ausländischer Notar kann bei einer von ihm hiernach wirksam beurkundeten Abtretung eine diese Änderung der Geschäftsanteile berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen. Er genügt dabei der nach § 12 Abs. 2 HGB erforderlichen elektronischen Form, wenn er sich zur Einreichung der Liste eines deutschen Notars als Boten bedient.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Zur Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen bedarf es nach § 15 Abs. 3 GmbHG eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. Die dabei von einem deutschen Notar zu erhebenden Gebühren können – abhängig vom Geschäftswert –  bis zu 52.274,– € betragen. Demgegenüber können die Notariatsgebühren bei Beurkundung in der Schweiz verhandelt werden bzw. sind der Höhe nach auf einen deutlich geringeren Betrag begrenzt (bspw. auf 5.000,– SFR bei einer Beurkundung in Zürich). Auch vor diesem Hintergrund hatte sich in der Vergangenheit – insbesondere bei größeren Transaktionen – ein florierender „Beurkundungstourismus“ in der Schweiz entwickelt.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf befasst sich mit der Frage, inwieweit das Beurkundungserfordernis bei der Abtretung von GmbH-Gesellschaftsanteilen auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) durch Beurkundungen von ausländischen, insbesondere in der Schweiz ansässigen Notaren, noch erfüllt werden kann. Der Entscheidung lag eine Beschwerde gegen die Weigerung des Registergerichts in Düsseldorf zugrunde, eine von einem schweizerischen Notar angefertigte und durch einen deutschen Notar als Boten eingereichte Gesellschafterliste in das Handelsregister aufzunehmen.

Das Registergericht begründete die Ablehnung damit, dass die der eingereichten Liste zugrundeliegende Anteilsabtretung wegen der Beurkundung durch einen schweizerischen Notar nach neuem Recht formunwirksam sei. Nach Neufassung des GmbHG durch das MoMiG, könne eine gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG zu beurkundende Abtretung eines Geschäftsanteils nur von einem deutschen Notar erfolgen. Die Pflicht des an einer Abtretung beteiligten Notars, gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, stelle eine öffentlich-rechtliche Amtspflicht dar, deren Adressat nur ein inländischer Notar sein könne. Beurkundungen im Ausland habe der Gesetzgeber wegen der erhöhten Bedeutung der Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG ausschließen wollen.

Das OLG Düsseldorf folgt dieser Argumentation nicht. Vielmehr gab es der Beschwerde statt.

Entscheidungsgründe

Das OLG Düsseldorf erinnert zunächst daran, dass nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ein Rechtsgeschäft dann formgültig ist, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (sog. Geschäftsform oder Wirkungsstatut), oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (sog. Ortsform). Nach bisher ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Beurkundungsform des deutschen Rechts durch eine Auslandsbeurkundung dann erfüllt werden, wenn die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist (grundlegend BGH, NJW 1981, 1160). Von einer Gleichwertigkeit ist auszugehen, wenn die ausländische  Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten ist, welches den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Nach diesen Maßstäben sind Beurkundungen von Notaren in der Schweiz jedenfalls in Zürich-Altstadt (BGH, NJW 1991, 1160) und in Basel (OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764) den Beurkundungen, die von deutschen Notaren vorgenommen werden,  gleichwertig.

Das Gericht stellt zudem fest, dass sich die Unwirksamkeit der Auslandsbeurkundung nicht aus den durch das MoMiG eingeführten Änderungen des GmbHG herleiten lässt.

Durch das MoMiG wurde unter anderem § 16 GmbHG völlig neu gefasst. Nach Abs. 1 der Vorschrift gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter nur, „wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen  ist“.  Ferner  wurde  die  Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Gesellschaftsanteilen unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GmbHG geschaffen. Danach gilt der in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste drei Jahre unwidersprochen unrichtig als Gesellschafter Eingetragene gegenüber dem Erwerber als tatsächlicher Inhaber des Geschäftsanteils, sofern dem Erwerber eine mangelnde Berechtigung des Veräußerers weder bekannt noch in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Durch diese Änderungen wurde die Gesellschafterliste in ihrer Bedeutung erheblich aufgewertet. Zugleich wurde § 40 GmbHG neu geregelt. Nach Abs. 1 sind grundsätzlich die Geschäftsführer der Gesellschaft bei einem Wechsel im Gesellschafterkreis zur Einreichung einer aktualisierten Liste verpflichtet. Hat aber ein Notar an der Veränderung der Gesellschafterstellung mitgewirkt, so obliegt die Einreichung der Liste nicht der Geschäftsführung, sondern dem mitwirkenden Notar, § 40 Abs. 2 GmbHG.

Die Düsseldorfer Richter zeigen auf, dass – entgegen der vom Registergericht und von Teilen der Literatur (Wachter, ZNotP 2008, 378; Bayer, DNotZ 2009, 887; Braun, DNotZ 2009, 585) vertretenen und vom LG Frankfurt a.M. (NJW 2010, 683) in einem obiter dictum angedeuteten Auffassung – § 40 Abs. 2 GmbHG schon aus Gründen der Gesetzessystematik keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Beurkundung haben kann: § 40 Abs. 2 GmbHG betreffe nur die Mitteilungspflicht. Die Regelung zur Zuständigkeit für die Einreichung der Gesellschafterliste sei von der eigentlichen Beurkundung streng zu trennen. Dass ein ausländischer Notar nicht mitteilungspflichtig ist, ändere nichts dran, dass er wirksam beurkunden kann. Auch aus der gesteigerten Bedeutung der Gesellschafterliste könne nicht auf eine besondere Richtigkeitsgewähr geschlossen werden, die nur durch Einschaltung eines deutschen Notars zu erreichen ist. Die in § 40 Abs. 2 GmbHG dem mitwirkenden Notar auferlegte Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Liste sei im Wesentlichen aus pragmatischen Gesichtspunkten erfolgt, um das Verfahren zu vereinfachen. Gegen eine besondere – nur durch die Einschaltung eines deutschen Notars – zu gewährleistende Richtigkeitskontrolle spreche, dass den Notar nur eine begrenzte Prüfungspflicht trifft: Der Notar habe zwar die Veränderungen, an denen er mitgewirkt hat, in der Gesellschafterliste zutreffend abzubilden. Darüber hinaus habe er keine Prüfungspflicht, ob die Gesellschafterliste inhaltlich zutreffend ist. Er habe insbesondere die zuvor eingereichte Liste nicht inhaltlich auf rechtliche Wirksamkeit hin zu überprüfen. Im Übrigen knüpfe der in § 16 Abs. 3 GmbHG normierte Gutglaubensschutz allein an die Liste an, ungeachtet, ob diese im Fall des § 40 Abs. 2 GmbHG durch einen Notar oder aber in den Fällen des § 40 Abs. 1 GmbHG von einem Geschäftsführer erstellt worden ist. Bei einer Änderung der Geschäftsanteile bei Erbfällen, Anwachsung oder Einziehung hätten die – regelmäßig gesellschaftsrechtlich nicht geschulten – Geschäftsführer in eigener Kompetenz zu prüfen, ob eine neue Liste einzureichen ist. Die Gesellschafterliste unterliege auch in diesem Fall keiner inhaltlichen Prüfung durch das Registergericht, sondern werde – sofern die Formalien eingehalten sind – von diesem lediglich entgegengenommen und verwahrt. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Wertung könne die gleiche Beurteilung durch einen i.d.R. mit dem deutschen Gesellschaftsrecht deutlich vertrauteren schweizerischen Notar nicht zum Wegfall der Gleichwertigkeit der dortigen Beurkundung führen.

Schließlich sei Ziel des MoMiG die Stärkung der Rechtsform der GmbH im internationalen Wettbewerb gewesen. Die angestrebte internationale Offenheit zeige sich etwa auch darin, dass nach Änderung des § 4a GmbHG eine GmbH ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen kann. Dass durch das MoMiG angestrebte Ziel spreche aber dafür, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung nicht einschränken wollte. An dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, die Attraktivität der deutschen GmbH gegenüber vergleichbaren ausländischen Rechtsformen durch die GmbH-Reform zu steigern, würde es zuwiderlaufen, wenn künftig eine Beurkundung in der Schweiz nicht mehr möglich wäre. Insbesondere der damit verbundene Kostenvorteil sei auch bei ausländischen Investoren ein gewichtiges Argument für eine Beurkundung in der Schweiz anstatt vor einem deutschen Notar.

Schließlich stellt das OLG Düsseldorf fest, dass ein ausländischer Notar bei einer von ihm wirksam beurkundeten Abtretung eine diese Änderung der Geschäftsanteile berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen kann. Das Gericht räumt zwar ein, dass die in § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. normierte Verpflichtung des Notars zur Einreichung der Liste kraft Amtes eine öffentlich- rechtliche Pflicht des Notars darstellt. Diese Pflicht könne einem ausländischen Notar durch deutsche Gesetze nicht auferlegt werden. Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung würden sich indes Hinweise für die vom Registergericht vertretene Auffassung ergeben, dass der ausländische an der Beurkundung mitwirkende Notar zur Einreichung der Gesellschafterliste nicht berechtigt ist. In den Fällen, in denen das deutsche Recht eine ausländische Beurkundung als gleichwertig und damit wirksam anerkennt, könne dem betreffenden Notar nicht die Eignung zur Einreichung der Gesellschafterliste abgesprochen werden. Gegen eine Einreichungsberechtigung könne auch nicht angeführt werden, dass die betreffenden Dokumente nach § 12 Abs. 2 HGB in elektronischer Form einzureichen sind. Es sei nicht zu beanstanden, wenn sich der ausländische Notar eines deutschen Notars als Boten bedient, der wiederum das Dokument in elektronischer Form übermittelt. Denn dann liege das Dokument in der erforderlichen Form vor und könne ohne Weiteres in Zugriff genommen werden.

Weitere Hinweise

Die mit Inkrafttreten des MoMiG und insbesondere seit dem obiter dictum des LG Frankfurt bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Auslandsbeurkundungen ist durch den Beschluss des OLG Düsseldorf mit überzeugenden Argumenten deutlich reduziert worden. Eine der ständigen Rechtsprechung vor Inkrafttreten des MoMiG entsprechenden Sicherheit dürfte indes erst der BGH schaffen können. Bis dahin ist in der Praxis bei Auslandsbeurkundungen von Geschäftsanteilsabtretungen weiterhin Zurückhaltung geboten.