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Börsengesetz

Delisting ohne Abfindungsangebot und Hauptversammlungsbeschluss Aufgabe der Macrotron-Rechtsprechung

Dr. Michael Breyer, LL.M. (Harvard), Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Im Laufe der Zeit kann für börsennotierte Gesellschaften das Bedürfnis nach einer Börsenzulassung entfallen. Dies gilt insbesondere, wenn die Aufnahme weiteren Eigenkapitals über die Börse nicht mehr in Betracht kommt. Aus Unternehmenssicht ist es dann nur folgerichtig, die Börsenzulassung zu beenden, um die hiermit verbundenen Kosten zu sparen und das oft drückende Korsett der an die Börsenzulassung anknüpfenden Regulierung abzulegen. Beispielhaft seien hier genannt die gesteigerten Anforderungen an die Regelpublizität (IFRS-Konzernabschluss, Quartals und Halbjahresberichte, erwei- terter Inhalt Lagebericht etc.), die Ad-hoc-Mitteilungspflichten und das Verbot von Insidergeschäften sowie die Beteiligungstransparenz nach § 21 ff. WpHG und die Geltung des Übernahmerechts mit den gerade für Familienunternehmen mitunter problematischen Zurechnungsvorschriften des acting in concert. Begrifflich wird üblicherweise wie folgt unterschieden: „Delisting“ bezeichnet den Widerruf der Zulassung von Aktien zum Handel im regulierten Markt einer bestimmten Börse. Bei einem solchen Widerruf handelt es sich um einen Verwaltungsakt der jeweiligen Börsengeschäftsführung. Der Widerruf setzt einen Antrag des Emittenten voraus, der hierbei von seinem vertretungsberechtigten Organ bei der AG also dem Vorstandvertreten wird. Von einem „Downgrading“ oder  auch „Downlisting“, die Terminologie ist uneinheitlich wird gesprochen, wenn die Aktien nach dem Widerruf in ein Freiverkehrssegment einbezogen werden, das im Vergleich zum regulären Freiverkehr erhöhten Trans- parenzanforderungen unterliegt. Um einen solchen „qualifizierten Freiverkehr“ handelt es sich etwa beim Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse oder beim M:access an der Börse München. Als „Downlisting“ wird auch bezeichnet, wenn innerhalb des regulierten Markts der Frankfurter Wertpapierbörse nur die besondere Zulassung zum Prime Standard widerrufen wird, sodass die betreffenden Aktien in den General Standard „zurückfallen“. Mit der Zulassung zum Prime Standard sind in Frankfurt Zulassungsfolgepflichten verbunden, die über die gesetzlichen Anforderungen an den regulierten Markt hinausgehen, so etwa die Pflicht zur Erstellung englischer und deutscher Fassungen des Konzernabschlusses sowie der Quartals und Halbjahresberichte. Der Widerruf der Börsenzulassung ist in § 39 Abs. 2 BörsenG geregelt. Hiernach ist lediglich erforderlich, dass der Emittent einen Widerrufsantrag stellt und der beantragte Widerruf dem Schutz der Anleger nicht widerspricht. Das BörsenG selbst führt nicht näher aus, wann konkret der Anlegerschutz gewahrt ist. Es verweist hierzu vielmehr auf die Börsenordnung der jeweiligen Börse. Die Börsen begnügen sich in der Regel damit, bestimmte Wirksamkeitsfristen ab Veröffentlichung der Widerrufsentscheidung vorzusehen, sofern künftig nicht an einer anderen in oder ausländischen Börse ein Handel in einem organisierten Markt gewährleistet ist. Die Regularien der Frankfurter Wertpapierbörse etwa erachten eine Wirksamkeitsfrist von sechs Monaten als ausreichend für den Anlegerschutz, da den Anlegern in einem solchen Zeitraum genügend Zeit zur Veräußerung ihrer Aktien im regulierten Markt bleibe. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Wirksamkeitsfrist auch abgekürzt werden. Das Gesellschaftsrecht kennt keine besonderen gesetzlichen Regelungen, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand seine Vertretungsmacht ausüben und einen Widerrufsantrag stellen darf. Es gilt lediglich der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG. Allerdings waren bislang die richterrechtlichen Grundsätze der Macrotron Rechtsprechung1 zu beachten. Hiernach durfte der Vorstand auch mit Zustimmung des Aufsichtsrats  einen Widerrufsantrag. Im Anschluss an die Leitenscheidung BGH, Urteil v. 25.11.2002, II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 – DSW/ Ingram Macrotron nur stellen, wenn er zuvor die Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt und die Gesellschaft oder der „Großaktionär“ den „Minderheitsaktionären“ ein im Spruchverfahren überprüfbares Abfindungsangebot unterbreitet hat. Entbehrlich waren diese beiden Voraussetzungen nur im Falle eines Downgrading oder Downlisting. Die Macrotron-Rechtsprechung hatte zur Folge, dass ein Delisting zeit- und kostenintensiv und angesichts der Klagefreudigkeit deutscher Minder- heitsaktionäre mit beträchtlichen Prozessrisiken verbunden war. Diese Hürden sind nunmehr entfallen.

Sachverhalt

Der Vorstand der Bremerhavener Frosta AG, ein Hersteller von Tiefkühlprodukten, hatte mit Zustimmung des Aufsichtsrats den Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel im regulierten Markt der Börse Berlin und parallel dazu die Einbeziehung der Aktien in den Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse beantragt. Die Hauptversammlung wurde nicht um Zustimmung gebeten, ein Abfindungsangebot wurde nicht abgegeben. Nach erfolgtem Wechsel in den Entry Standard beantragten Minderheitsaktionäre ein Spruchverfahren zur Festlegung einer angemessenen Barabfindung. Das Landgericht hat die Anträge in erster Instanz als unzulässig zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragsteller blieb erfolglos, ebenso die Rechtsbeschwerde beim BGH.

Entscheidungsgründe

Der BGH sah sich durch ein Urteil des BVerfG vom 11.07.20123 veranlasst, seine Macrotron-Rechtsprechung zu revidieren.

Die Macrotron- Rechtsprechung beruhte auf der Einschätzung des BGH, dass der Wegfall der Bör- senzulassung das von Art. 14 GG geschützte Aktieneigentum der Minderheitsaktionäre beeinträchtigt. Der BGH leitete diese beeinträchtigende Wirkung aus einer früheren Entscheidung des BVerfG ab, wonach die Verkehrsfähigkeit einer Aktie von der Eigentumsgarantie geschützt ist.4 Ein Wegfall der Börsenzulassung hat zwar keine Auswirkungen auf die Verkehrsfähigkeit einer Aktie im rechtlichen Sinn: Rein rechtlich ist die Möglichkeit, Aktien zu kaufen und zu verkaufen, unabhängig von der Frage, ob der Käufer und Verkäufer über oder außerhalb einer Börse zueinander finden. Allerdings schätzte der BGH in der Macrotron-Entscheidung die Auswirkungen des Wegfalls eines regulierten Marktes auf die Veräußerbarkeit der betroffenen Aktien als so gravierend ein, dass er dies gleichfalls als Beeinträchtigung des Aktieneigentums verstanden wissen wollte. Der BGH selbst relativierte später seine Macrotron-Rechtsprechung im Anschluss an Entscheidungen einiger Oberlandesgerichte durch die Einschätzung, dass der Wegfall eines regulierten Marktes keine relevante Beeinträchtigung ist, wenn an die Stelle des regulierten Marktes ein qualifiziertes Freiverkehrssegment tritt, in dem „die Kleinaktionäre in ähnlicher Weise ihre Aktien handeln können“.

Aus Sicht des BGH folgte aus der Grundrechtsrelevanz eines Widerrufs der Börsenzulassung, dass der von § 39 Abs. 2 BörsenG vorgesehene Anlegerschutz ergänzt werden musste. Die gebotene Ergänzung lag nach dem BGH im Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung und eines im Spruchverfahren nachprüfbaren Abfindungsangebots an die Minderheitsaktionäre.

Das BVerfG lehnte es in seinem Urteil vom 11.07.2012 ab, den Schutzbereich des Art. 14 GG auf Beeinträch- tigungen der tatsächlichen Verkehrsfähigkeit zu erstrecken. Bei der tatsächlichen Verkehrsfähigkeit handele es sich um schlichte Ertrags- und Handelschancen, die grundrechtlich nicht geschützt seien. Ein Hauptversammlungsbeschluss und Abfindungsangebot waren für den Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung damit zwar nicht mehr verfassungsrechtlich geboten. Allerdings hielt das BVerfG ausdrücklich fest, dass die Zivilgerichte die Macrotron-Rechtsprechung auf Grundlage gesamt- analoger Anwendung bestehender aktienrechtlicher Vorschriften aufrechterhalten können und darin keine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung liegt.

Der BGH nahm diese Einladung jedoch nicht an. Er lehnte vielmehr eine einzel und gesamtanaloge Anwendung bestehender Rechtsgrundlagen zur Aufrechterhaltung seiner Macrotron- Rechtsprechung ab. In der Begründung fällt insbesondere auf, dass sich der BGH ausdrücklich von seiner in der Macrotron-Entscheidung geäußerten Annahme distanziert, dass der von § 39 Abs. 2 BörsG gewähr- leistete und mit entsprechenden Konsequenzen für die Rechtsmittel rein öffentlichrechtlich ausgestaltete Anlegerschutz unzureichend sei.

Konsequenzen

Wenn aus Unternehmenssicht eine Börsennotierung nicht länger erforderlich erscheint, kann der Vorstand einen Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel im regulierten Markt stellen. Die Geschäftsordnungen des Aufsichtsrats sehen hierfür in der Regel eine Zustimmung der Hauptversammlung und ein Abfindungsangebot sind jedoch nicht mehr erforderlich. Dies gilt auch, wenn der Widerruf nicht mit einer Einbeziehung der Aktien in einen „qualifizierten Freiverkehr“ verbunden wird. Selbst auf eine Einbeziehung der Aktien in den regulären Freiver- kehr wird der Vorstand regelmäßig verzichten können.

Die Unternehmen, die in den letzten Jahren statt eines regulären Delisting ein Downgrading in einen „qualifizierten Freiverkehr“ vorgenommen haben, um sich Hauptversammlungs- schutz und Abfindungsangebot zu ersparen, können den qualifizierten Freiverkehr nun ebenfalls ohne wie in der einschlägigen Fachliteratur zur Vermeidung von Umgehungen gefordert Hauptversammlungsbeschluss und Abfindungsangebot kündigen. Eine solche ordentliche Kündigung ist nach den einschlägigen Regelwerken meist ohne weitere Voraussetzung mit einer gewissen Kündigungsfrist zulässig. Für den Frankfurter Entry Standard sieht etwa § 23 Abs. 1 AGB Freiverkehr FWB ein ordentliches Kündigungsrecht mit sechs Wochen Kündigungsfrist vor.

 

Wie der Gesetzgeber auf den Entfall der Macrotron-Rechtsprechung reagieren wird, ist derzeit allerdings noch nicht absehbar, zumal das BVerfG in seinem Urteil vom 11.07.2012 ausgeführt hat, dass ein besonderer Schutz der Minderheits- aktionäre gegen einen Entfall der Börsenzulassung verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Da es auch keine europarechtlichen Vorgaben gibt, sollte sich der Gesetzgeber nun in Ruhe eine rechts- und wirtschaftspolitisch vernünftige Regelung überlegen. Prinzipiell spricht viel dafür, die Fälle des regulären und des „kalten“ Delisting (Verschmelzung einer börsennotierten auf eine nicht börsennotierte Gesellschaft) gleich zu behandeln. Wenn denn nicht gänzlich auf eine Abfindungspflicht verzichtet wird, sollte sich eine solche Einheitsregelung aber jedenfalls darauf beschränken, eine Abfindungspflicht nur vorzusehen, wenn der Entfall der Zulassung im regulierten Markt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der faktischen Veräußerbarkeit führt. Dies ist typischerweise nur der Fall, wenn der Emittent nicht dafür sorgt, dass die Aktien künftig zumindest in einen Freiverkehr einbezogen sind, sodass auch weiterhin Börsenpreise im Sinne des § 24 BörsenG festgestellt werden können. Allein der Entfall des mit einer Zulassung im regulierten Markt verbundenen Regelungsregimes wiegt hingegen nicht so schwer, dass er eine Abfindungspflicht rechtfertigt.6 Der 2007 noch unter dem Einfluss der Macrotron-Rechtsprechung und vermeintlich verfassungsrechtlicher Vorgaben zum „kalten“ Delisting eingeführte § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 2 UmwG sollte also in jedem Fall im vorstehenden Sinn angepasst werden.

Einkommensteuergesetz

Quellensteuern der Tochter-Kapitalgesellschaft als Entnahme bei der Mutter-Personengesellschaft

Regelungsbedarf  im Gesellschaftsvertrag

Dr. Michael Breyer, LL.M. (Harvard), Rechtsanwalt

Bei Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft wird die Kapitalertragsteuer, die die Kapitalgesellschaft auf ausgeschüttete Gewinne abführt, dem Beteiligungsertrag der Personengesellschaft hinzu- und als Entnahme durch die Gesellschafter wieder herausgerechnet. Ob diese Entnahme zulässig ist, bestimmt sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Bei Unzulässigkeit hat die Gesellschaft einen Erstattungsanspruch gegen ihre Gesellschafter

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Kapitalgesellschaften müssen auf Dividendenzahlungen Kapitalertragsteuer einbehalten und an den Fiskus abführen. Wenn sie nicht abgeltend wirkt, wird die Kapitalertragsteuer später auf die Einkommensteuerschuld des Gesellschafters angerechnet, § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Die Kapitalertragsteuer ist damit eine Steuervorauszahlung „an der Quelle“ für den Gesellschafter. In der steuerlichen Systematik ist damit der Gesellschafter Schuldner der Kapitalertragsteuer und die Kapitalgesellschaft Zahlstelle, die für Rechnung des Gesellschafters handelt, § 44 Abs. 1 EStG.

Ist der Gesellschafter eine Personengesellschaft, muss wegen deren steuerlichen Transparenz unterschieden werden: Zivilrechtlicher Gläubiger des Dividendenanspruchs ist die Personengesellschaft, steuerlich zugerechnet wird die Dividende jedoch ihren Gesellschaftern. Schuldner der Kapitalertragsteuer und anrechnungsberechtigt sind damit allein und unmittelbar die Gesellschafter der Personengesellschaft in Höhe der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsquote. Die Kapitalertragsteuer wird also unmittelbar für Rechnung der Gesellschafter abgeführt. Für die zivilrechtliche Vermögenszuordnung bedeutet dies nach der Rechtsprechung des BGH (II ZR 42/94, NJW 1995, 1088), dass die Dividende der Personengesellschaft ungeschmälert zusteht und der Steuerabzug zu ihren Lasten erfolgt. Die Dividende muss daher ungeschmälert als Beteiligungsertrag und der Steuerabzug als Entnahme durch die Gesellschafter ausgewiesen werden. Der BFH (I R 114/94, DStR 1996, 460) hat diese Einordnung auch für die Steuerbilanz übernommen.

Mit der Qualifikation der Kapitalertragsteuer als Entnahme sind neben den steuerlichen auch zivilrechtliche Konsequenzen verbunden. Insbesondere ist auch die Entnahme in Form der Kapitalertragsteuer nur zulässig, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Andernfalls hat die Personengesellschaft in Höhe der Kapitalertragsteuer einen Erstattungsanspruch gegen ihre Gesellschafter. Es gilt also dasselbe wie allgemein für Entnahmen.

Das vorliegende Urteil des BGH führt die bisherige Rechtsprechung fort und klärt noch offene Fragen. Es veranschaulicht zugleich die Notwendigkeit interessengerechter Entnahmere – gelungen bei Personengesellschaften, um entsprechende Sachverhalte adäquat zu berücksichtigen.

II. Sachverhalt

Über das Vermögen der A. GmbH & Co. KG wurde am 01.01.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die A. GmbH & Co. KG verfügte über eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die in den Jahren 2001 bis 2008 kontinuierlich Gewinne ausschüttete. Mit einer Ende 2008 eingereichten Klage forderte der Insolvenzverwalter vom Kommanditisten der A. GmbH & Co. KG Erstattung der auf die Gewinnausschüttungen abgeführten Kapitalertragsteuer für die Jahre 2001 bis 2008. Der Klage wurde in der Berufungsinstanz für die Jahre 2005 bis 2008 stattgegeben. Mit der Revision verfolgte der Insolvenzverwalter den Erstattungsanspruch für die Jahre 2001 bis 2004.

III. Entscheidungsgründe

Das Oberlandesgericht urteilte in der Berufungsinstanz, dass der Gesellschaftsvertrag der A. GmbH & Co. KG die Entnahme der Kapitalertragsteuer zwar gestattete, dass aber das Entnahmerecht gleich sonstigen Entnahmerechten mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfiel. Der BGH konnte die bis heute umstrittene Frage nach dem Entfall von Steuerentnahmerechten mit Insolvenzeröffnung leider offenlassen, da er die streitgegenständlichen Erstattungsansprüche für die Jahre 2001 bis 2004 nach der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB als verjährt ansah. Ebenfalls offenlassen konnte der BGH, aus welchem Rechtsgrund – Bereicherungsrecht, so das OLG, oder Gesellschaftsvertrag, so die Revisionsbegründung – sich der Erstattungsanspruch ergab, da beide Ansprüche gleich verjährten.

Die Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt mit Entstehung des Anspruchs. Der BGH führte aus, dass der Erstattungsanspruch der Personengesellschaft bereits mit Erhebung der Kapitalertragsteuer bei der Kapitalgesellschaft entstand. Es kommt also nicht darauf an, ob und wann die Anrechnung im Rahmen der Veranlagung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG tatsächlich zu einer Anrechnung bzw. Einkommensteuererstattung beim Gesellschafter führt. Der BGH präzisierte hierbei auch sein Urteil aus dem Jahr 1995. Der damalige Gesell- schaftsvertrag enthielt ein Steuerent- nahmerecht für die „tatsächlich zu entrichtenden Steuern“. Hier sei der Erstattungsanspruch von vornherein auf den Teil der Kapitalertragsteuer begrenzt, der beim Gesellschafter zu einem Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt führe. Damit sei der Erstattungsanspruch hier erst entstanden, als auf Grundlage des Ein- kommensteuerbescheids feststand, dass die Gesellschafterin einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt hatte.

IV. Konsequenzen

Die Qualifikation der Kapitalertragsteuer als Entnahme durch die Gesellschafter der Personengesellschaft ist gesetzlich vorgegeben. Um unangenehme Überraschungen durch Rückforderungsansprüche für die Vergangenheit zu vermeiden, sollte der Gesellschaftsvertrag klar regeln, dass die Entnahme zulässig ist, auf welchem Gesellschafterkonto sie verbucht wird und ob sie auch insoweit ohne Nachschusspflicht zulässig ist, wie sie zu einem negativen Kontostand führt. Da ein Quellensteuerabzug international weithin üblich ist, sollte die Regelung nicht auf die deutsche Kapitalertragsteuer beschränkt bleiben, sondern allgemein für Quellensteuern gelten, die von Unternehmen, an denen die Gesellschaft beteiligt ist, abgeführt wurden und bei den Gesellschaftern auf die Einkommensteuer anrechenbar sind.