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Erbrecht

Doppelbesteuerung ausländischen Kapitalvermögens mit Erbschaftsteuer wegen fehlender Anrechnungsmöglichkeit

Andrea Seemann, Steuerberaterin

I. Die Erbschaftsteuer, die ein ausländischer Staat auf den Erwerb von Kapitalvermögen erhebt, das ein inländischer Erblasser in dem Staat angelegt hat, ist bei Fehlen eines DBA weder auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen noch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

II. Führt die Doppelbesteuerung zu einer übermäßigen, konfiskatorischen Steuerbelastung, kann eine Billigkeitsmaßnahme geboten

 

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Zum Nachlass eines deutschen Erblassers gehören häufig ausländische Vermögenswerte. In diesem Fall stellt sich die Frage, welche Erbschaftsteuer im Ausland auf die Vermögenswerte erhoben wird und wie diese im Inland auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden kann. Für die Ertragsteuer, also die Besteuerung laufender Einkünfte, gibt es zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen, die die Zuordnung der Besteuerungsrechte und die Vermeidung der Doppelbesteuerung regeln. Nur zwischen wenigen Staaten, beispielsweise zwischen Deutschland und Brasilien, gibt es kein solches Doppelbesteuerungsabkommen. Für die Zuordnung der Besteuerungsrechte bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist dies nicht so. Nur mit der Schweiz (nur für Erbschaften), Frankreich, den USA, Dänemark, Schweden (Schweden erhebt seit 2005 keine Erbschaft- und Schenkungsteuer mehr), Österreich und Griechenland hat Deutschland entsprechende Abkommen geschlossen. Das Abkommen mit Frankreich ist erst im Jahr 2009 in Kraft getreten. Das Abkommen mit Österreich wurde mit Wirkung zum 01.01.2008 gekündigt. Bei der Erbschaftsteuer sind damit Doppelbesteuerungen die Regel, nicht die Ausnahme. Dieser missliche Befund resultiert auch aus den engen Grenzen, die § 21 ErbStG für eine Anrechenbarkeit ausländischer Erbschaftsteuer zieht. § 121 BewG definiert das sogenannte Inlandsvermögen. Im Rahmen einer beschränkten Erbschaftsteuerpflicht würde Deutschland nur dieses Vermögen besteuern. Im Wesentlichen handelt es sich um inländisches Betriebsvermögen, inländische Immobilien, Anteile an deutschen Kapitalgesellschaften, wenn die Beteiligungsquote 10 % übersteigt, partiarische Darlehen oder stille Beteiligungen, wenn der Gläubiger bzw. Geschäftsinhaber seinen Sitz im Inland hat und anderweitige Forderungen, wenn diese durch inländischen Grundbesitz abgesichert sind. Nicht zum Inlandsvermögen zählen beispielsweise bei einer deutschen Bank unterhaltene Konten bzw. Wertpapierdepots. Im Gegenzug rechnet Deutschland, wenn der Erblasser im Inland lebte, nur die ausländische Erbschaftsteuer an, die auch Deutschland im Falle der beschränkten Steuerpflicht auf das nach § 121  BewG definierte Inlandsvermögen erhoben hätte. Eine ausländische Erbschaftsteuer auf im Ausland unterhaltene Konten wird in Deutschland nicht angerechnet. Länder wie beispielsweise Spanien und Frankreich zählen aber auch diese Vermögenswerte zu ihrem Inlandsvermögen und unterwerfen diese der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Es kommt damit zu einer Doppelbesteuerung.

II. Zum Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin ist zu einem Viertel Miterbin ihrer im April 2000 verstorbenen Großtante, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Der Nachlass bestand zum großen Teil aus in Frankreich angelegtem Kapitalvermögen (Bankguthaben und festverzinsliche Wertpapiere). Die französische Erbschaftsteuer für das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen wurde gegenüber der Klägerin mit einem Steuersatz von 55 % festgesetzt. Das deutsche Finanzamt rechnete die französische Erbschaftsteuer weder an noch ließ es diese als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zu. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich war im Jahr 2000 noch nicht in Kraft und kam daher nicht zur Anwendung. Das Finanzamt erließ allerdings einen Teilbetrag der deutschen Erbschaftsteuer gemäß § 227 AO. Das Finanzgericht wies die gegen die Steuerfestsetzung gerichtete Klage ab.

III. Entscheidungsgründe

Der BFH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die erbschaftsteuerliche Belastung mit dem deutschen Grundgesetz, mit den europäischen Grundfreiheiten sowie mit der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbart werden kann. Die gesamte erbschaftsteuerliche Belastung für das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen betrug immerhin selbst nach dem teilweisen Billigkeitserlass noch 72 % (ohne Billigkeitsmaßnahme 83 %). Trotz dieser hohen steuerlichen Belastung wies der BFH die Revision als unbegründet zurück. Eine Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer bzw. ein Abzug der französischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit kommt gemäß § 21 ErbStG, § 10 Abs. 8 ErbStG nicht in Betracht. Die Festsetzung der Erbschaftsteuer verstößt nach dem BFH auch nicht gegen Unionsrecht, Verfassungsrecht oder Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur europäischen Menschenrechtskonvention. Der BFH hielt es nicht für notwendig, die Rechtsfrage dem EuGH vorzulegen. Die Rechtslage sei bereits durch ein früheres EuGH-Urteil geklärt; die europäischen Grundfreiheiten stehen der doppelten Belastung einer Kapitalforderung mit Erbschaftsteuer nicht entgegen. Die Anrechnungsmöglichkeiten ausländischer Erbschaftsteuer wären zwar weitergehender, wenn die Erblasserin ihren Wohnsitz nicht in Deutschland gehabt hätte. Aber auch dies stellt nach Ansicht des BFH keine Verletzung europäischer Grundfreiheiten dar. Die Anlage von Kapitalvermögen im Ausland kann zur Anwendbarkeit ausländischen Erbschaftsteuerrechts führen und bedingt dadurch das Risiko, dass es im Erbfall zu einer Doppelbesteuerung kommt. Auch die gesamte Höhe der Steuerbelastung führt nicht entsprechend dem Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 Satz GG und dem auf dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Verhältniskeitsgrundsatz beruhenden Übermaßverbot zu einer Anrechnung der ausländischen Steuer. Vielmehr kann in einem solchen Fall nach dem BFH nur eine Billigkeitsmaßnahme nach den §§ 163, 227 AO als verfassungsrechtlich ausreichende Abhilfemaßnahme in Betracht kommen. Das Finanzamt hatte von dieser Möglichkeit teilweise Gebrauch gemacht und die Erbschaftsteuer teilweise erlassen. Der Erlassbescheid war aber nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens, sodass der BFH hierzu keine weiteren Ausführungen machte. Gleiches gilt für Billigkeitsmaßnahmen, die nach dem französischen Steuerrecht ggf. möglich sind. Auch hierauf geht der BFH nicht weiter ein. Im Ergebnis sah der BFH damit keine Möglichkeit, die französische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen bzw. diese als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.

IV. Weitere Hinweise und Folgen für die Praxis

Der dem Urteil des Bundesfinanzhofs zu Grunde liegende Sachverhalt macht zum einen deutlich, dass die Rechtsgrundlagen für die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen sehr uneinheitlich sind und es keine europäische Handhabung für eine Vereinheitlichung gibt. Dies hat auch die Europäische Kommission zwischenzeitlich erkannt (vgl. Mitteilung der EU-Kommission vom 15.12.2011). In absehbarer Zeit ist aber weder mit einer Harmonisierung des Rechts, einer Erweiterung der Anrechnungsmöglichkeit ausländischer Erbschaftsteuer noch mit dem Abschluss weiterer Doppelbesteuerungsabkommen zu rechnen. Bei international strukturiertem Vermögen sind daher neben der laufenden ertragsteuerlichen Belastung auch die erbschaftsteuerlichen Folgewirkungen bei der Entscheidung über die Anlage des Vermögens zu berücksichtigen. Teilweise kann eine Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer bereits durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft, die das ausländische Vermögen hält, vermieden werden.

Steuerrecht

Doppelbesteuerung: Gewerblich geprägte Personengesellschaft kein Unternehmen i.S.d. Art. 22 Abs. 2  DBA-Schweiz

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Das Recht, Vermögensteuer für die Beteiligung einer in der Schweiz ansässigen, im Inland beschränkt vermögensteuerpflichtigen Person an einer inländischen gewerblich geprägten Personengesellschaft zu erheben, steht der Schweiz zu.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Leser wird sich möglicherweise fragen, ob denn eine Entscheidung zur Vermögensteuer, die seit 1997 in Deutschland nicht mehr erhoben wird, überhaupt noch von Bedeutung sein kann für die Besteuerungspraxis von Familienunternehmen. Das vorliegende Urteil hat aber über die Vermögensteuer hinaus auch Bedeutung für die Ertragsbesteuerung von Familienunternehmen, bei denen Gesellschafter im Ausland leben oder aber ins Ausland umziehen möchten und diese Gesellschafter an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt sind.

Nach dem deutschen Steuerrecht kann eine an sich vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte erzielen, wenn sie im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt ist. Beispielsweise erzielt eine GmbH & Co. KG, die als solche nur vermögensverwaltend tätig ist, und bei der ausschließlich die GmbH persönlich haftende Gesellschafterin und zur Geschäftsführung befugt ist, kraft Gesetzes gewerbliche Einkünfte. Es stellt sich nun die Frage, ob diese gewerbliche Prägung auch für Zwecke der Zuweisung von Besteuerungsrechten nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz maßgeblich ist.

Der BFH hat zum wiederholten Male entschieden, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft ihrer Art nach keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne der einschlägigen Vorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens ausübt. Der abkommensrechtliche Begriff „gewerbliche Gewinne eines Unternehmens“ umfasst nach Auffassung des BFH nicht Einkünfte aus einer inhaltlich zum Bereich der Vermögensverwaltung gehörenden und nach deutschem Recht nur im Wege einer Fiktion dem Bereich der Gewerblichkeit zugewiesenen Tätigkeit. Dementsprechend kann auch nach dem Doppelbesteuerungsabkommen keine Zuweisung von Besteuerungsrechten nach den für Unternehmen geltenden Grundsätzen erfolgen.

Von entscheidender Bedeutung ist diese Frage u.a. dann, wenn beispielsweise im Falle eines Wegzugs eines deutschen Steuerpflichtigen in das Ausland eine Wegzugsbesteuerung durch Einbindung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft vermieden werden soll. Hält beispielsweise ein in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiger  Gesellschafter mindestens 1 % der Anteile an einer deutschen GmbH und möchte dieser Gesellschafter in die Schweiz umziehen, so muss er beim Gang über die Grenze die in seinen GmbH-Anteilen angewachsenen stillen Reserven versteuern. Eine Wegzugsbesteuerung droht dem GmbH-Gesellschafter aber nicht nur bei seinem eigenen Wegzug, sondern beispielsweise auch bei einer unentgeltlichen Übertragung der Geschäftsanteile auf im Ausland lebende Kinder. Dies kann er nur dann vermeiden, wenn die GmbH-Anteile in ein deutsches Betriebsvermögen eingelegt werden und das Besteuerungsrecht für dieses Betriebsvermögen entsprechend dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz nach den für Unternehmensgewinne einschlägigen Vorschriften Deutschland zugewiesen wird.

Bisher wurde in diesen Fällen, auch mit Billigung der Finanzverwaltung, eine gewerblich geprägte Personengesellschaft in Deutschland gegründet und die Geschäftsanteile des GmbH-Gesellschafters in die GmbH & Co. KG eingelegt. Unter Hinweis auf das hier ergangene Urteil sowie die in diesem Urteil enthaltenen Verweise auf weitere Entscheidungen des BFH ist dieses Gestaltungsmodell so nicht mehr haltbar.

Zum Sachverhalt

Im vorliegenden Urteilssachverhalt hatte der Kläger in den Streitjahren (1994–1996) seinen Wohnsitz in der Schweiz. Im Inland hatte er weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Der Kläger war in diesen Jahren als Kommanditist zu 99,75 % am Gesellschaftsvermögen einer deutschen GmbH & Co. KG beteiligt. Die restliche Beteiligung wurde von der Komplementär-GmbH gehalten, die auch die Geschäftsführung ausübte. Die KG ihrerseits verwaltete Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaften.

Im Streitfall ging es nun darum, ob der Kläger mit Wohnsitz in der Schweiz in Deutschland mit seiner Beteiligung an der gewerblich geprägten Personengesellschaft und dem darin enthaltenen Vermögen der inländischen Vermögensbesteuerung unterlag. Das Finanzamt vertrat hierzu die Auffassung, dass inländisches Betriebsvermögen in Gestalt der gewerblich geprägten Personengesellschaft vorlag und leitete daraus eine beschränkte Vermögensteuerpflicht ab.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Der BFH hat nunmehr auch für Zwecke der Vermögensteuer entschieden, dass eine vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft, deren Einkünfte lediglich auf Grund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten, kein Unternehmen im Sinne des Art. 22 Abs. 2 DBA-Schweiz betreibt. Das Recht, die Beteiligung einer natürlichen Person an einer solchen Gesellschaft der Vermögensteuer zu unterwerfen, kann demgemäß nicht aus dieser Vorschrift abgeleitet werden. Vielmehr steht dieses Recht gemäß Art. 22 Abs. 6 DBA-Schweiz dem Ansässigkeitsstaat zu, im vorliegenden Fall also der Schweiz.

Der BFH beruft sich dabei auf die zwischenzeitlich ergangenen Urteile zu Fragen der Gewinnzurechnung bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft. Der BFH hat in jüngster Vergangenheit wiederholt entschieden, dass „Gewinne eines Unternehmens“  im  abkommensrechtlichen Sinne eine ihrer Art nach „unternehmerische“ Tätigkeit voraussetzen, was bei einer vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft, die lediglich gewerblich geprägt ist, per se nicht der Fall ist.

Damit ist auch der bisher von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 16. 04.2010, BStBl. Teil I 2010, S. 354, 2.2.1 vertretenen abweichenden Auffassung vom BFH zum wiederholten Male widersprochen worden.

Für die Beratungspraxis bei Familienunternehmen bedeutet dies, dass in allen Fällen, in denen bisher gewerblich geprägte Personengesellschaften eingebunden wurden, um die Besteuerungsrechte für im Ausland ansässige oder aber ins Ausland umziehende Gesellschafter in Deutschland zu sichern, die Unternehmensstruktur überdacht werden muss. In der Verwaltung wird derzeit über mögliche Reaktionen auf diese geänderte Rechtsprechung nachgedacht. Zur Sicherung von Besteuerungsrechten könnte beispielsweise eine bisher gewerblich geprägte Personengesellschaft mit einer aktiven gewerblichen Tätigkeit ausgestattet werden. Das allein ist aber noch nicht ausreichend. Vielmehr muss auch der funktionale Zusammenhang zwischen dem Vermögen der Personengesellschaft und deren gewerblicher Tätigkeit dargelegt werden können. In jedem Fall muss die Reaktion der Finanzverwaltung auf die nun zahlreich vorliegenden Urteile des Bundesfinanzhofs zur Frage der Anerkennung der gewerblich geprägten Personengesellschaft im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen aufmerksam verfolgt werden.