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Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit

Berücksichtigung eines Lottogewinns bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

Problemstellung und Sachverhalt

Nicht selten leben Ehegatten auch nach Ablauf des Trennungsjahres noch über Jahre hinweg getrennt, ohne die Ehescheidung zu forcieren. Dass diese Untätigkeit wirtschaftliche Konsequenzen haben kann, zeigt die hier zu besprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Die Ehegatten trennten sich nach 29 Jahren Ehe, aus der drei mittlerweile erwachsene Kinder hervorgegangen sind. Acht Jahre nach der Trennung erzielte der Ehemann gemeinsam mit seiner neuen Lebensgefährtin einen Lottogewinn von knapp 1 Mio. €. Zwei Monate nach dem Lottogewinn beantragte er die Ehescheidung. Die Ehefrau begehrte Zugewinnausgleich in Höhe von rd. 250.000 € unter Berücksichtigung der Hälfte des auf ihren Ehemann entfallenden Anteils am Lottogewinn.

Grundsätzlich gilt: Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, findet bei Scheidung einer Ehe ein Zugewinnausgleich wie folgt statt. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu, § 1378 Abs. 1 BGB. Zugewinn eines Ehegatten ist dabei der Betrag, um den sein Vermögen bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (Endvermögen, §§ 1375, 1384 BGB) das Vermögen bei Eheschließung (Anfangsvermögen, § 1374 BGB) übersteigt.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs muss der Ehemann seinen Lottogewinn mit seiner Ehefrau, von der er seit Jahren getrennt lebt, teilen. Der hälftige Anteil des Ehemanns an dem erzielten Lottogewinn sei bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung nach § 1378 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Denn dieser Vermögenszuwachs sei dem Ehemann noch vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zugeflossen und könne nicht in analoger Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB dessen Anfangsvermögen zugerechnet werden.

Nach § 1374 Abs. 2 BGB sei nur das Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, seinem Anfangsvermögen hinzuzurechnen und damit vom Zugewinnausgleich ausgenommen. Einen solchen Erwerb stelle der Lottogewinn eines Ehegatten nicht dar. § 1374  Abs. 2  BGB kann auf einen solchen Vermögenszuwachs nach Ansicht des BGH auch nicht entsprechend angewendet werden. Denn die Fälle des § 1374 Abs. 2 BGB, in denen ein Zugewinnausgleich nicht stattfinden soll, stellten Ausnahmen von dem gesetzlichen Prinzip dar, wonach es für den Zugewinnausgleich grundsätzlich nicht darauf ankomme, ob und in welcher Weise der den Ausgleich fordernde Ehegatte zur Entstehung des Zugewinns beigetragen hat. Dabei seien die in § 1374 Abs. 2 BGB geregelten Ausnahmen nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass der andere Ehegatte in diesen Fällen nicht zu dem Erwerb beigetragen hat. Ein wesentlicher Grund für die gesetzliche Ausnahmeregelung sei vielmehr, dass eine derartige Zuwendung meist auf persönlicher Beziehung des erwerbenden Ehegatten zu dem Zuwendenden oder auf ähnlichen besonderen Umständen beruht. Da dieses kennzeichnende Merkmal bei einem durch einen Lottogewinn erzielten Vermögenszuwachs nicht gegeben sei, komme eine erweiternde Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.

Der Ehemann könne die Erfüllung der Ausgleichsforderung auch nicht nach 1381 Abs. 1 BGB verweigern. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Die Vorschrift ermögliche eine Korrektur von Ergebnissen, die sich in besonders gelagerten Einzelfällen aus der schematischen Anwendung der Vorschrift zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs ergeben können. Nicht ausreichend sei allerdings, dass sich die Unbilligkeit allein aus dem vom Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität festgelegten pauschalierenden und schematischen Berechnungssystem ergibt. Dem ausgleichspflichtigen Ehegatten stehe das Leistungsverweigerungsrecht aus § 1381 BGB vielmehr nur dann zu, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde, ohne dass ein Verschulden des den Ausgleich verlangenden Ehegatten vorausgesetzt sei.

Der BGH hat im entschiedenen Fall keine Umstände gesehen, die eine solche grobe Unbilligkeit rechtfertigen würden. Die Tatsache, dass der für den Zugewinnausgleich maßgebliche Vermögenszuwachs zu einer Zeit erfolgte, zu der die Ehegatten bereits längere Zeit getrennt lebten, rechtfertige für sich allein betrachtet die Anwendung des § 1381 Abs. 1 BGB nicht. Nach der gesetzlichen Regelung des § 1384 BGB falle die Trennungszeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in den Zeitraum, für den ein Zugewinnausgleich stattfindet. Vermögensänderungen, die in der Zeit zwischen der Trennung und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetreten sind, seien deshalb in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen. Hinzu komme, dass die §§ 1385, 1386 BGB einem Ehegatten, der keinen Antrag auf Scheidung der Ehe stellen möchte, die Möglichkeit eröffnen, nach einer dreijährigen Trennungszeit die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zu verlangen, um damit zu verhindern, dass ein bei ihm später eintretender Vermögenszuwachs im Zugewinnausgleichsverfahren Berücksichtigung findet. Wenn der Ausgleichspflichtige von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, sei der Ausgleich ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht grob unbillig.

Im Rahmen des § 1381 BGB sei auch die Herkunft des Zugewinns grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Zugewinnausgleich solle nach seinem Grundgedanken der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen dienen. Die vom Gesetz vorgesehene pauschalisierte Berechnungsweise differenziere dabei nicht, in welchem Umfang die Ehegatten zum Vermögenserwerb während der Ehe beigetragen haben. Diese Wertung sei auch bei der Auslegung des § 1381 BGB zu beachten. Deshalb könne die Vorschrift nicht etwa schon dann eingreifen, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte keinen Beitrag zur Entstehung des Zugewinns geleistet hat.

Auch die außergewöhnlich lange Trennungszeit und der Umstand, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte sein Endvermögen erst nach der Trennung und ohne jeglichen inneren Bezug zu der ehelichen Lebensgemeinschaft erwirtschaftet hat, führten nach dem BGH nicht zur Annahme einer groben Unbilligkeit. Die Eheleute lebten im vorliegenden Fall bei einer (bis zum Anfall des Lottogewinns) achtjährigen Trennungszeit immerhin 29 Jahre in ehelicher Lebensgemeinschaft. Aus der Ehe sind drei mittlerweile erwachsene Kinder hervorgegangen. Zudem beruhe der maßgebliche Vermögenszuwachs nicht auf besonderen persönlichen Anstrengungen des Ehemanns während der Trennungszeit.

Folgen für die Praxis

Möchte ein Ehegatte einen nach der Trennung eingetretenen Vermögenszuwachs nicht im Zugewinnausgleichsverfahren berücksichtigt wissen, kann er nicht auf eine analoge Anwendung des Katalogs des § 1374 Abs. 2 BGB hoffen. Zudem sind die Schwellen der groben Unbilligkeit für ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB sehr hoch. Damit liegt es in der Hand der Ehegatten, die Berücksichtigung eines Vermögenszuwachses nach der Trennung durch geeignete rechtliche Gestaltungen zu verhindern. Es kommen hierzu die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft oder der Abschluss eines Ehevertrages in Betracht. Für einen Ehevertrag spricht, dass weitere bei Fortführung der Ehe relevante Umstände, wie z.B. unterhalts oder erbrechtliche Aspekte, mitgeregelt werden können. Auch die Forcierung der Ehescheidung nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Trennungszeit kann im Einzelfall zu einem geringen Zugewinn führen.