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Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Änderung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes zur Vermeidung der „Cash-GmbH“

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Das seit dem Jahre 2009 gültige Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz ermöglichte es, Geldanlagen in dem erbschaftsteuerlich nicht begünstigten Privatvermögen durch Einlage in ein Betriebsvermögen in erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen umzuwandeln. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist unter dem Stichwort „Cash-GmbH“ bekannt geworden, wobei auch die Einlagen in ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft entsprechende schenkungsteuerliche Entlastungseffekte mit sich gebracht haben.

Ansatzpunkt für diese Gestaltungsmöglichkeit war, dass nach dem bislang geltenden Recht Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen  in  unbegrenztem Umfang kein Verwaltungsvermögen dargestellt haben, sodass bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von dem Regelverschonungsabschlag in Höhe von 85 % oder gar von der Vollverschonung (100 % Bewertungsabschlag) für die Übertragung von Betriebsvermögen oder von Anteilen an Kapitalgesellschaften Gebrauch gemacht werden konnte. Seitens des Bundesfinanzhofs wurden solche Gestaltungen in dem Vorlagebeschluss vom 27.09.2012 an das Bundesverfassungsgericht (Az. II R 9/11) als verfassungsrechtlich problematisch  bewertet.

Der Gesetzgeber hat bereits im letzten Jahr Versuche unternommen, das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht zu ändern, um Gestaltungen wie die „Cash- GmbH“ zu verhindern. Bundesrat und Bundestag konnten sich aber nicht auf eine gesetzliche Änderung verständigen.

Nach langen Verhandlungen hat nun der Vermittlungsausschuss am 05.06.2013 einen Änderungsvorschlag für das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz im Zuge der Verabschiedung des sogenannten Amtshilferichtlinienumsetzungsgesetzes (kurz: AmtshilfeRLUmsG) unterbreitet. Der Bundestag hat diesem Gesetzesvorschlag am 06.06.2013 und der Bundesrat am 07.06.2013 zugestimmt.

Die Neuregelungen gelten für alle Übertragungen, die am Tag nach dem Beschluss des Gesetzesent- wurfs durch den deutschen Bundestag erfolgen, somit ab dem 07.06.2013.

Im Folgenden wird unter  I. ein kurzer Überblick über die wesentlichen Änderungen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (kurz: ErbStG) vermittelt und sodann unter  II. die praktische Bedeutung dieser Neuregelungen für Familienunternehmen im Überblick dargestellt.

I. Übersicht über die Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes

  1. Erweiterung des Verwaltungsvermögens durch Einbeziehung von Geldmitteln und Forderungen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 4a ErbStG n.F.)

Nach der bisher gültigen Definition für Verwaltungsvermögen zählen auch nach Auffassung der Finanzverwaltung Geld, Sichteinlagen, Sparanlagen, Festgeldkonten, Forderungen aus Lieferung und Leistungen sowie Forderungen gegen verbundene Unternehmen nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen (vgl. hierzu die Regelungen in den ErbStR 2011 unter HE 13b.17). Dies war der Ansatzpunkt für Gestaltungen, solche Vermögenspositionen im Vorfeld eines Schenkungsvorgangs in ein Betriebsvermögen (z.B. in eine „Cash-GmbH“) oder aber ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft zu überführen, um dann beim anschließenden Schenkungsvorgang für dieses Betriebsvermögen bzw. die Anteile an der Kapitalgesellschaft die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen nach § 13a ErbStG (Verschonungsabschlag von 85 % oder gar 100 %) in Anspruch zu nehmen.

Die neue gesetzliche Regelung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG n.F. erweitert nun den Begriff des Verwaltungsvermögens, in dem zum Verwaltungsvermögen zukünftig auch gehören:

„Der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens, des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt.“

Im anschließenden Satz 2 der Neuregelung werden Ausnahmen für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute formuliert, die hier nicht näher dargestellt werden sollen. Von breiterem Interesse ist dann wiederum aber die Regelung in Satz 3 der neuen Vorschrift, die wie folgt lautet:

Satz 1 gilt ferner nicht r Gesellschaften, deren Hauptzweck in der Finanzierung einer Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des EStG von verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) besteht.“

Somit sind zukünftig zur Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote sämtliche liquiden Mittelbestände im Unternehmen sowie sämtliche Forderungspositionen (hierzu gehören auch Forderungen aus Lieferung und Leistungen, Forderungen gegen verbundene Unternehmen oder gegen Gesellschafter) nach Abzug der Schulden der Gesellschaft bei der Bestimmung der Verwaltungsvermögensquote zu berücksichtigen. Allerdings ist vorab ein Freibetrag in Höhe von 20 % des gemeinen Werts der Gesellschaft abzuziehen. Der danach verbleibende Betrag ist als Verwaltungsvermögen zu definieren und bei der Ermittlung der gesamten Verwaltungsvermögensquote als Grundlage für eine Entscheidung über die Regelverschonung (Verwaltungsvermögensgrenze von bis zu 50 %) oder Vollverschonung (Verwaltungsvermögensgrenze von bis zu 10 %) zu berücksichtigen.

Durch die zuvor dargestellte ergänzende Formulierung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 3 ErbStG sollen Gesellschaften von dieser Regelung ausgenommen werden, deren Hauptzweck in der Finanzierung von verbundenen Unternehmen besteht. In der Gesetzesbegründung hierzu heißt es, dass damit eine Bereichsausnahme für konzerninterne Finanzierungsgesellschaften geschaffen werden soll, um z.B. dem Cash-Pooling im Unternehmensverbund mittelständischer Betriebe Rechnung zu tragen. Es bleibt sicherlich abzuwarten, wie der Begriff „Hauptzweck in der Finanzierung“ durch die Finanzverwaltung ausgelegt wird.

  1. Neudefinition des jungen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 ErbStG F.)

Auch der Begriff des jungen Verwaltungsvermögens, das nach dem Erbschaftsteuergesetz generell von den erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen ausgeschlossen ist, wurde durch Einfügung eines neuen Satzes 3 umfassender definiert. Nach dieser Neuregelung soll bisher im Privatvermögen gehaltenes Finanzvermögen, das grundsätzlich der vorstehenden Neufassung des Verwaltungsvermögens in Gestalt liquider Mittel unterliegt, als junges Verwaltungsvermögen erfasst werden, wenn es innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt dem Betrieb zugeführt wurde, wobei nur ein positiver Saldo aus Entnahmen und Einlagen solcher liquider Mittel maßgebend ist.

Aus dem Wortlaut der neuen gesetzlichen Vorschrift folgt aber auch, dass die Umschichtung von Vermögen in potenziell schädliche liquide Mittel (z.B. Verkauf einer Immobilie gegen Kaufpreiszahlung) nicht zu jungem Verwaltungsvermögen  führt.

  1. Weitere Verschärfung bei jungem Verwaltungsvermögen in Tochtergesellschaften (§ 13b Abs. 2 Satz 7 Hs. 2 ErbStG F.)

Durch die gesetzliche Neuregelung soll sichergestellt werden, dass junges Verwaltungsvermögen einer nachgelagerten Tochtergesellschaft anteilig als (normales) Verwaltungsvermögen auf der nächst höheren Ebene der Muttergesellschaft  zu berücksichtigen ist, auch wenn es den Wert der Tochtergesellschaft selbst übersteigt.

  1. Änderungen bei der Lohnsummenermittlung (§ 13a Abs. 1 Satz 4 und Abs. 4 Satz 5 ErbStG F.)

Die Lohnsummenklausel als eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Verschonungsabschläge greift erst, wenn ein Betrieb mehr als 20 Beschäftigte hat.

Durch die Gesetzesänderung soll aus der Sicht des Gesetzgebers klargestellt werden, dass die Zahl der Beschäftigten in Tochtergesellschaften und auch deren Lohnsummen entsprechend der Beteiligungsquote der Muttergesellschaft berücksichtigt werden.

Bisher war jedenfalls in Fällen, in denen beispielsweise die Muttergesellschaft nicht mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt hat, strittig, ob überhaupt die Lohnsummenregelungen Anwendung finden. Nunmehr ist dies gesetzlich klar geregelt. Ob dieses tatsächlich für die in der Vergangenheit liegenden Schenkungs- oder Erbfälle lediglich eine Klarstellung bedeutet oder aber eine neue Rechtslage darstellt, wird sicherlich auch Gegenstand finanzgerichtlicher Prozesse werden.

II. Praktische Bedeutung der Neuregelungen und erste Gestaltungshinweise

Erste Analysen zur Anwendung der neuen gesetzlichen Regelung, insbesondere zur Neudefinition des Verwaltungsvermögens unter Einbezug der im Unternehmensverbund enthaltenen Nettoliquidität zeigen, dass sich die Verwaltungsvermögensquote für liquiditäts- und eigenkapitalstarke Unternehmensgruppen deutlich erhöhen und zumindest die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Vollverschonungsabschlags für solche Unternehmen entfallen kann (siehe zu einer ersten Bewertung der Neuregelung auch die Ausführungen von Stalleiken, DB 2013, 1382 ff.).

Der Freibetrag von 20 % bringt zwar eine Erleichterung mit sich, die aber nicht ausreicht, um bei den vorgenannten liquiditäts- und eigenkapitalstarken Unternehmen nicht zu zusätzlichem Verwaltungsvermögen zu führen. Problematisch erweisen sich insbesondere folgende Konstellationen:

Im Falle eines Familienunternehmens mit einer Holdinggesellschaft an der Spitze die mehrere operativ tätige Beteiligungen bündelt, werden die liquiden Mittel häufig durch einen Ergebnisabführungsvertrag bei der Muttergesellschaft angesammelt und von dort aus an diejenigen in- und ausländischen Beteiligungen ausgeliehen, die z.B. aufgrund von Investitionen Kapitalbedarf haben. Bei der Muttergesellschaft ergibt sich je nach deren Eigenkapitalausstattung ein hoher Betrag liquider Mittel, da auch die Forderungen gegenüber den verbundenen Unternehmen nach der Neudefinition oberhalb des Freibetrags von 20 % dem Verwaltungsvermögen  zugerechnet werden.

Hat die Holdinggesellschaft beispielsweise einen Unternehmenswert incl. der Beteiligungen und des ggf. vorhandenen Bestands an liquiden Mitteln von 100 Mio. ` und betragen die liquiden Positionen abzgl. der Schulden 35 Mio. `, so ergibt sich daraus abzüglich des Freibetrages von 20 % eine Verwaltungsvermögensgrenze von 15 %. Die Inanspruchnahme der Vollverschonung von 100 % für die Gesellschafter dieser Unternehmensgruppe ist somit im Falle der schenkweisen oder erbfallbedingten Übertragung von Anteilen an der Muttergesellschaft nicht mehr möglich, sofern die Muttergesellschaft nicht als Hauptzweck der Finanzierung der Tochtergesellschaften dient. Letzteres dürfte in vielen Familienunternehmen fraglich sein, da die Muttergesellschaft häufig neben Finanzierungsaufgaben auch operative Tätigkeiten oder aber zumindest umfassende Holdingtätigkeiten übernimmt.

Ein weiteres Problem besteht, wenn den liquiden Mitteln auf der Aktivseite Rückstellungen auf der Passivseite gegenüberstehen, die für den Risikofall gebildet wurden, z.B. Pensionsrückstellungen. Rückstellungen stellen nicht zwingend Schulden im Sinne der gesetzlichen Definition dar. Ob die Finanzverwaltung auch hierzu eine großzügige Auslegung treffen wird, ist derzeit noch fraglich. Somit werden in solchen Konstellationen relativ schnell hohe Bestände an liquiden Mitteln erreicht, denen keine abzugsfähigen Schulden, sondern Rückstellungen gegenüberstehen. Diesen Unternehmen drohen relativ hohe Verwaltungsvermögensquoten.

Erste Erfahrungen im Umgang mit der neuen Vorschriften zeigen auch die Komplexität, die sich daraus für die Bestimmung einer Verwaltungs- vermögenquote als Grundlage für eine Entscheidung zugunsten der Regelverschonung oder aber der Voll- verschonung ergibt. Zum einen ist ein Unternehmenswert, noch dazu für eine komplexere Unternehmens- gruppe, keinesfalls zweifelsfrei zu ermitteln. Ob die Nettoliquidität aber im Unternehmen die 20 %-Grenze übersteigt, ist gerade von diesem Unternehmenswert abhängig. Ferner muss die Verwaltungsvermögensquote auf jeder Ebene bei jeder der Tochter- bzw. Enkelgesellschaften bestimmt werden, um Schlussfolgerungen für die Begünstigung der daraus resultierenden Anteile auf der nächsthöheren Ebene ziehen zu können. Es bedarf daher einer Aufteilung des Gesamtunternehmenswerts einer Unternehmensgruppe auf die einzelnen Tochtergesellschaften. Das war bisher zumindest dann nicht erforderlich, wenn, wie sehr häufig der Fall, ansonsten kein nennenswertes Verwaltungsvermögen auf Tochtergesellschaftsebene vorhanden war. Liquide Positionen findet man hingegen in Bilanzen fast immer. Leider hat der Gesetzgeber die zwischenzeitlich im Zuge des Gesetzes zur Verkürzung von Aufbewahrungsfristen diskutierte Regelung, dass alle Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten von dieser Verschärfung ausgenommen werden sollen, nicht umgesetzt. Dadurch wären größere Familienunternehmen von weiterem bürokratischem Aufwand im Zuge der Erstellung von Schenkungs- oder Erbschaftsteuererklärungen entlastet worden und mit Sicherheit auch alle Fälle sogar reiner „Cash-Gesellschaften“ von den erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen ausgenommen worden.

Nun gilt es die neuen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden und zumindest in Schenkungsfällen den Umstand zu berücksichtigen, dass die Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer auf einen Bewertungsstichtag abstellt. Zumindest partiell sind die Bilanzpositionen auf einen Stichtag gestaltbar. Während bisher vor allem darauf zu achten war, dass zum Stichtag einer Schenkung nur in begrenztem Umfang schädliche Wertpapiere gehalten wurden, ist nun auch die Liquiditätsausstattung am Stichtag zu betrachten.

Vielleicht steckt hinter der gesetzlichen Neuregelung ja aber auch nur ein verkapptes Konjunkturprogramm. Werden liquide Mittel z.B. in eine Maschine im Anlagevermögen investiert, scheint das Problem einer überschießenden und die Verwaltungsvermögensquote erhöhenden Liquidität gelöst. Ob das Steuerrecht aber wirklich der beste Impulsgeber für unternehmerische Entscheidungen ist, das mag angesichts mancher steuerinduzierter Fehlentwicklungen in der Vergangenheit bezweifelt werden.