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Einkommensteuergesetz

Halb- bzw. Teilabzugsverbot in Fällen der Betriebsaufspaltung

Birgit Alber-Reindl, Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg

Einleitung und Ausführungen zur aktuellen Rechtsprechung des BFH

Der BFH hat mit Urteil vom 18.04.2012, Az. X R 5/10, entschieden, dass Substanzverluste von im Betriebsvermögen gehaltenen Gesellschafterdarlehen aufgrund von Wertminderungen, wie sie durch Teilwertabschreibungen abgebildet werden, unabhängig von der Frage der Fremdüblichkeit der Darlehensüberlassung und einer etwaigen Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis mangels wirtschaftlichen Zusammenhangs mit nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreiten Beteiligungserträgen nicht dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG unterliegen. Er hat sich damit eindeutig gegen die im BMF-Schreiben vom 08.11.2010 (BStBl I 2010, 1292) vertretene Verwaltungsauffassung entschieden. Erwartungsgemäß hat diese Rechtsprechung erneut zu Diskussionen zum Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG geführt. In seiner Entscheidung kommt der X. Senat des BFH auch zum Ergebnis, dass in gleicher Weise substanzbezogene Wertminderungen von Rückgriffsforderungen aus der Inanspruchnahme aus im Betriebsvermögen gehaltenen Bürgschaften eines Gesellschafters für seine Gesellschaft sowie eine Rückstellungsbildung für die drohende Inanspruchnahme aus solchen Bürgschaften nicht dem Abzugsverbot des 3c Abs. 2 Satz 1 EStG unterliegen. In seinem weiteren Urteil vom selben Tag (Az. X R 7/10) stellt er schließlich fest, dass die von ihm aufgestellten Grundsätze im Falle des Verzichts auf ein nicht mehr werthaltiges Gesellschafterdarlehen entsprechend anzuwenden seien. Damit bleibt er konsequent bei seinem Grundansatz, die Vermögenssubstanz bestehender Darlehensverhältnisse unabhängig von einer etwaigen daneben noch existenten Kapitalbeteiligung zu beurteilen. In diesem Zusammenhang drängt sich auch die Frage auf, wie künftig die teil- bzw. unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft behandelt werden. Denn auch insoweit besteht ein lediglich mittelbarer Zusammenhang mit der betreffenden Kapitalbeteiligung an der Betriebskapitalgesellschaft. Insoweit muss die weitere Rechtsprechung des BFH abgewartet werden. Der BFH hat diese Frage in seinen Urteilen vom 18.04.2012 noch nicht entschieden. Im Folgenden soll die Problematik anhand von drei Beispielen veranschaulicht sowie eine erste Einschätzung der künftigen Handhabung derartiger Fallgestaltungen aufgezeigt werden.

Beispiel 1

A ist zu 10 % an der X-GmbH beteiligt und hält seine Kapitalbeteiligung im Privatvermögen. Daneben gewährt A der X-GmbH ein bislang marktüblich verzinstes Darlehen in Höhe von 100.000,– `. Wegen sinkender Absatzzahlen ist Ende 2011 von einer dauerhaften Wertminderung der Kapitalbeteiligung auszugehen. Seine Darlehensforderung ist zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch maximal in Höhe von 50 % werthaltig. Auf die Verzinsung wird verzichtet.

Die Kapitalbeteiligung des A ist nach 17 EStG „steuerverstrickt“. Seine private Darlehensforderung unterliegt hingegen nicht der Regelung des § 17 EStG, sondern im Falle einer Darlehensgewährung seit 01.01.2009 der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG. Weder die eingetretene Wertminderung betreffend seine Kapitalbeteiligung noch der nicht mehr werthaltige Teil seiner privaten Darlehensforde- rung wirkt sich derzeit einkünftemindernd aus. Es fehlt jeweils an der sowohl für § 17 Abs. 1 EStG als auch für § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG erforderlichen Veräußerung, das heißt es fehlt am Realisierungstatbestand. Ein späterer Verzicht des A auf die Rückzahlung seines Darlehens beurteilt sich nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 21.10.2010 (BStBl I 2010 S. 832), das zur Frage der nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Kapitalbeteiligung nach 17 Abs. 2 EStG Stellung nimmt.

Beispiel 2

A ist zu 10 % an der X-GmbH beteiligt und hält seine Kapitalbeteiligung im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens. Daneben gewährt A der X-GmbH ein marktüblich verzinstes Darlehen, das in Höhe von 100.000,– ` in seinem Einzelbetriebsvermögen aktiviert ist. Wegen sinkender Absatzzahlen ist Ende 2011 von einer dauerhaften Wertminderung der Kapitalbeteiligung auszugehen. Seine Darlehensforderung ist zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch maximal in Höhe von 50 % werthaltig. Auf die Verzinsung wird verzichtet.

A hat sowohl für seine betriebliche Kapitalbeteiligung als auch für seine betriebliche Darlehensforderung die gewinnmindernde Vornahme einer Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu prüfen, die nach Auffassung der Finanzverwaltung im BMF- Schreiben vom 08.11.2010 (BStBl I 2010 S. 1292) in beiden Fällen zu einer außerbilanzmäßigen Einkommenskorrektur in Höhe von 40 % führt.

Beispiel 3

A ist zu 100 % an der X-GmbH beteiligt, an welche er das mit einem Produktionsgebäude bebaute Grundstück zu einem marktüblichen Mietzins zur Nutzung überlässt. Wegen personeller und sachlicher Verflechtung liegt zwischen A in der Form des Besitzeinzelunternehmens und der X-GmbH als Betriebskapitalgesellschaft eine Betriebsaufspaltung vor. Das an die X-GmbH überlassene Grundstück sowie die von A gehaltene Kapitalbeteiligung an der X-GmbH sind daher im Betriebsvermögen seines Besitzeinzelunternehmens zu erfassen. Daneben gewährt A der X-GmbH ein bislang marktüblich verzinstes Darlehen in Höhe von 100.000,– `. Die Darlehensforderung gehört ebenfalls zum Betriebsvermögen des  Besitzeinzelunternehmens.

Wegen sinkender Absatzzahlen im Betriebsunternehmen (hier: X-GmbH) ist Ende 2011

a) von einer dauerhaften Wertminderung der Kapitalbeteiligung

b)Die im Besitzeinzelunternehmen erfasste Darlehensforderung ist zum 12.2011 unstreitig nur noch zu maximal 50% werthaltig und auf die Verzinsung wird verzichtet.

c)A ermäßigt den Mietpreis für das der X-GmbH überlassene Grundstück auf die Hälfte. Der marktübliche Mietzins beträgt unverändert 100 %.

Zu a): A hat nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG die gewinnmindernde Vornahme einer Teilwertabschreibung zu prüfen.

Zu b): A hat auch hinsichtlich seiner im Besitzeinzelunternehmen gegenüber der Betriebsgesellschaft bestehenden Darlehensforderung die gewinnmindernde Vornahme einer Teilwertabschreibung zu prüfen.

Zu c): Es ist zu prüfen, ob die Grundstücksaufwendungen des an die Betriebsgesellschaft überlassenen Grundstücks nach wie vor in voller Höhe als Betriebsausgaben in der Gewinnermittlung des Besitzeinzelunternehmen abzugsfähig sind.

Bisherige gegenteilige Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 08.11.2010, BStBl I 2010 S. 1292)

Die Finanzverwaltung hat sich nach langjähriger Diskussion zur Anwendung des früheren Halb- bzw. zwischenzeitlichen Teileinkünfteverfahrens auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vom Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen und auf Teilwertabschreibungen von betrieblichen Darlehensforderungen in der steuerlichen Gewinnermittlung mit BMF-Schreiben vom 08.11.2010, a.a.O., geäußert. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum damaligen Zeitpunkt die hier angesprochene Problematik im Bereich der Körperschaftsteuer bereits gesetzlich in § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 7 KStG geregelt war. Eine entsprechende Gesetzesinitiative im Anwendungsbereich des Einkommensteuergesetzes konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht verwirklicht werden. Die Finanzverwaltung hat deshalb in Form eines BMF-Schreibens Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 08.11.2010, a.a.O.). Im Wesentlichen finden sich in diesem BMF-Schreiben die Abgrenzungskriterien für die Frage, in welchem Veranlassungszusammenhang die Darlehensgewährung bzw. die Aufwendungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufspaltung stehen. Ist nach den dort im Einzelnen dargelegten Kriterien nicht von einer Fremdüblichkeit auszugehen, wird eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung mit der Folge der Anwendung des heutigen Teilabzugsverbots nach § 3c Abs. 2 EStG angenommen. Übertragen auf die eingangs aufgeführten Beispiele 2 und 3 heißt dies, dass nicht nur die Teilwertabschreibung auf die eigentliche Kapitalbeteiligung an der X-GmbH, sondern daneben auch die Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderung aus Sicht der Finanzverwaltung dem Teilabzugsverbot unterliegt. Dasselbe gilt im Beispiel 3 Buchstabe c) auch für die Grundstücksaufwendungen, soweit sie auf den künftig unentgeltlich überlassenen Anteil entfallen. Die Finanzverwaltung geht insoweit von einer Fremdunüblichkeit aus und unterstellt damit die gesellschaftsrechtliche Veranlassung. Dies ist nach den Grundsätzen des BMF-Schrei- bens vom 08.11.2010, a.a.O., für den typischen Anwendungsfall zu unterstellen, wenn das Entgelt (hier: Zins bzw. Miete) unter die Marktüblichkeit abgesenkt wird, obwohl es sich nicht um Aufwendungen zur Erzielung von Beteiligungserträgen sondern, isoliert betrachtet, um die Überlassung einer Darlehenssumme und die hieraus resultierenden Zinserträge bzw. um das Nutzungsentgelt eines überlassenen Wirtschaftsguts handelt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist jedoch der nur mittelbare Veranlassungszusammenhang für die Anwendung des Teilabzugsverbots nach § 3c Abs. 2 EStG mit den Beteiligungserträgen ausreichend.

Zu erwartende Reaktion auf die neue BFH-Rechtsprechung

Aus der Erfahrung in der Vergangenheit hinsichtlich der Frage der Anerkennung von Liquidationsverlusten aus privaten Kapitalbeteiligungen nach § 17 EStG bei einnahmelosen Engagements, bei der es als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung für Veranlagungszeiträume seit 2011 zu einer gesetzlichen Ergänzung des § 3c Abs. 2 EStG um einen neuen Satz 2 kam, reagiert die Praxis auf Seiten der beratenden Berufe nunmehr erwartungsgemäß sehr skeptisch. Wird die Verwaltung die neuen Rechtsprechungsgrundsätze akzeptieren und damit uneingeschränkt anwenden oder erfolgt erneut eine Gesetzesergänzung – nur mit Wirkung für die Zukunft – in § 3c Abs. 2 EStG? Der X. Senat hat in einem weiteren noch anhängigen Revisionsverfahren (Az. X R 17/11) zur Frage der Kürzung der Betriebsausgaben bei verbilligter Überlassung von Grundbesitz vom Besitzunternehmen an die Betriebskapitalgesellschaft Gelegenheit sich zu äußern. Daneben sind zwei weitere Revisionsverfahren beim IV. Senat des BFH anhängig (Az. IV R 4/11 und IV R 49/11), in denen es ebenfalls um die Frage der etwaigen Kürzung der Aufwendungen im Besitzunternehmen für den Fall der teil- bzw. unentgeltlichen Nutzungsüberlassung an die Betriebskapitalgesellschaft geht. In beiden beim IV. Senat anhängigen Verfahren handelt es sich im Gegensatz zu den Entscheidungen vom 18.04.2012 nicht um substanzbezogene Wertminderungen.

Fazit

Die Finanzverwaltung sollte m.E. die aktuellen BFH-Entscheidungen im Bundessteuerblatt veröffentlichen und zeitgleich die betroffenen Abschnitte des BMF-Schreibens vom 08.11.2010 (a.a.O.) aufheben, sodass das Halb- bzw. Teilabzugsverbot nach 3c Abs. 2 EStG in allen noch offenen Fällen auf Substanzverluste von im Betriebsvermögen gehaltenen Gesellschafterdarlehen nicht mehr zur Anwendung kommen würde. Dies würde jedenfalls der Sache insoweit gerecht werden als eine Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG bislang lediglich über einen mittelbaren Zusammenhang mit entsprechenden Beteiligungserträgen hergestellt werden konnte. Allerdings bleibt damit immer noch die Frage zu klären, ob für die Fälle der fremdunüblichen Darlehensgewährung eine entsprechende Gesetzesregelung mit Wirkung für die Zukunft in 3c Abs. 2 EStG aufgenommen wird. Insoweit finden bereits erste Erörterungen auf Bund-Länder-Ebene statt, die sich – was m. E. auch absolut naheliegend ist – an die Regelung des § 8b Abs. 3 Sätze 4–7 KStG anlehnen. Es dürfte der Sache jedoch nicht dienlich sein, mit einer Entscheidung über das weitere Vorgehen zuzuwarten, bis der BFH in den Fällen der unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Nutzungsüberlassung im Rahmen der Betriebsaufspaltungsfälle entscheiden wird. Dies vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass auch insoweit mit einer Entscheidung gegen das Halb- bzw. Teilabzugsverbot zu rechnen ist. Für die Praxis wäre es vielmehr wünschenswert, eine einheitliche Linie zu vertreten. Dies hätte zur Folge, dass sich der Gesetzgeber für künftige Fälle das heißt frühestens ab dem Veranlagungszeitraum 2013 über eine klare gesetzliche Regelung generell für einen mittelbaren Zusammenhang für den Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG aussprechen würde.