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FG Münster, Urteil vom 28.08.2014, 3 K 743 / 13

Tenor:

 

Unter Abänderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 und 2009, sämtlich zuletzt vom 14.09.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2013 werden für den Feststellungszeitraum 2008 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 118.406,81 Euro und die Einkünfte aus Vermietung Verpachtung auf 0 Euro sowie für den Feststellungszeitraum 2009 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 67.435,87 Euro und die Einkünfte aus Vermietung Verpachtung auf 0 Euro gesondert und einheitlich festgestellt.

 

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

 

Tatbestand

 

Streitig ist, ob die Klägerin auch nach Überführung der Anteile an der Komplementär-GmbH in ihr Gesamthandsvermögen noch gewerblich geprägt im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist.

 

I.

 

Die Klägerin ist eine Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, deren Gegenstand die Vermögensverwaltung sowie die Verwaltung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien, Grundstücken, Gewerbe- und Wohnbauten sowie sonstigen Gewerbeanlagen und deren An- und Verkauf für eigene Rechnung ist (§ 2 des Gesellschaftsvertrages, Blatt 49 der Vertragsakte). Sie wurde mit notarieller Urkunde vom 25.06.2007 (UR-Nr. des Notars O in L) unter der Firma N GmbH & Co. KG gegründet und in das Handelsregister B (HRA ) eingetragen. Persönlich haftende Gesellschafterin war die N Gesellschaft für Beteiligungsmanagement und Geschäftsführung mbH. Alleinige Kommanditistin war die N GmbH mit einem Kommanditanteil in Höhe von 500 Euro.

 

Mit Urkunde UR-Nr. des Notars O vom 29.07.2007 gründeten Frau T 2, Herr T 1 und Frau T 3 die E-GmbH mit Sitz in C.

 

Mit Urkunde UR-Nr. des Notars O vom 29.11.2007 erwarben Frau T 2, Herr T 1 und Frau T 3 die Kommanditanteile an der N -KG mit folgenden Beteiligungsverhältnissen:

 

T 2 69 %

 

T 1 21 %

 

T 3 10 %.

 

Den Geschäftsanteil an der N in Höhe von 25.000 Euro verkaufte die N GmbH an die vorgenannten Personen im gleichen Beteiligungsverhältnis. Der Geschäftsanteil wurde zu diesem Zweck in drei Geschäftsanteile (17.250 Euro, 5.250 Euro und 2.500 Euro) geteilt. Die E-GmbH trat der N-KG mit sofortiger Wirkung ohne festen Kapitalanteil bei. Die N schied mit sofortiger Wirkung aus, jedoch nicht, bevor die E-GmbH in das Handelsregister eingetragen worden war. Dies erfolgte am 05.02.2008.

 

In der gleichen Urkunde wurde eine Gesellschafterversammlung der N N-KG abgehalten. Die Firma der Gesellschaft wurde in U GmbH & Co. KG geändert. Der Sitz der Gesellschaft wurde nach C verlegt. Die Kommanditeinlage wurde unter Aufrechterhaltung der jeweils prozentualen Beteiligungen der Familienangehörigen T auf 1.000 Euro erhöht. Der Gesellschaftsvertrag wurde vollständig neu gefasst und als Anlage zu dieser Urkunde genommen (Blatt 17 ff. der Vertragsakte). Darin heißt es insbesondere:

 

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Geschäftsführung und Vertretung

 

Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist die persönlich haftende Gesellschafterin berechtigt und verpflichtet. Sie selbst ist von den einschränkenden Bestimmungen des § 181 BGB befreit.

 

§ 7

 

Wahrnehmung der Rechte an der Komplementärin

 

(Einheitsgesellschaft)

 

(1) Soweit es um die Wahrnehmung der Rechte aus oder an den der Gesellschaft gehörenden Geschäftsanteilen an der Komplementärin geht, ist die Komplementärin von der Geschäftsführung und Vertretung an sich selbst ausgeschlossen. Anstelle der persönlich haftenden Gesellschafterin sind die Kommanditisten zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaftsrechte an der Komplementärin nach Maßgabe der folgenden Absätze befugt.

 

(2) Die Kommanditisten üben ihre Gesellschaftsrechte an der Komplementärin aus, indem sie über die jeweilige Maßnahme Beschluss fassen. Die Ausübung des Beschlusses erfolgt durch einen oder mehrere von der Kommanditistenversammlung beauftragte Kommanditisten im Namen der Gesellschaft. Zum Zweck der Ausführung der Beschlüsse der Kommanditistenversammlung wird jedem Kommanditist hiermit Vollmacht zur Vertretung der Gesellschaft erteilt, von der jedoch nur nach Maßgabe des Beschlusses der Kommanditistenversammlung Gebrauch gemacht werden darf. Alle Kommanditisten werden insoweit von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

 

(3) Die Kommanditisten fassen ihre Beschlüsse in der Kommanditistenversammlung. Die Kommanditistenversammlung findet am Sitz der Gesellschaft statt. Für ihre Einberufung, ihre Beschlussfähigkeit, die Vertretung durch Dritte, die Beschlussfassung und die Protokollierung der gefassten Beschlüsse gilt der § 9 „Gesellschafterversammlung“ dieses Gesellschaftsvertrages entsprechend.

 

(4) Beschlüsse der Kommanditisten werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Folgende Beschlüsse bedürfen eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses aller vorhandenen Stimmen:

 

– Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung der Komplementärin, soweit es um die Unternehmensführung der KG geht,

 

– Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern der Komplementärin,

 

– Änderung der Satzung der Komplementärin,

 

– Verfügung über Geschäftsanteile der Komplementärin,

 

– Auflösung der Komplementärin.

 

Die Stimmrechtsverteilung erfolgt abweichend von der kapitalmäßigen Beteiligung der Gesellschafter nach folgendem Verteilungsschlüssel, wonach der Gründungsgesellschafterin T 2 vier Stimmen, dem Gründungsgesellschafter T 1 zwei Stimmen, der Gründungsgesellschafterin T 3 sowie weiteren hinzutretenden Neu-Gesellschaftern jeweils eine Stimme zustehen.

 

(5) Ein Kommanditist hat in der Kommanditistenversammlung kein Stimmrecht, wenn

 

– er entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll,

 

– er ganz oder teilweise vom Wettbewerbsverbot befreit werden soll,

 

– ein Rechtsgeschäft mit ihm vorgenommen oder ein Rechtsstreit gegen ihn eingeleitet oder beendet werden soll,

 

– es um seine Abberufung als Geschäftsführer der Komplementärin geht oder

 

– der Gesellschafter oder dessen Privatgläubiger der Gesellschaft gekündigt hat.

 

(6) Solange Frau T 2 Gesellschafterin der Gesellschaft ist, steht ihr als nicht übertragbares und nicht vererbliches gesellschaftsrechtliches Sonderrecht bei allen Beschlussfassungen der Kommanditistenversammlung das Recht zu, bei Stimmengleichheit („Pattsituation“) mit ihrem Stimmrecht im Wege eines Stichentscheides eine Entscheidung der Kommanditistenversammlung herbeizuführen. Nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft steht dieses Sonderrecht des Stich-Entscheids ihrem Sohn T 1 zu. Nach dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft entfällt das Sonderrecht ersatzlos.

 

§ 9

 

Gesellschafterversammlung

 

 

(8) Zur Wirksamkeit der Beschlüsse ist eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügend …

 

Die Stimmrechtsverteilung erfolgt abweichend von der kapitalmäßigen Beteiligung der Gesellschafter nach folgendem Verteilungsschlüssel, wonach der Gründungsgesellschafterin T 2 vier Stimmen, dem Gründungsgesellschafter T 1 zwei Stimmen, der Gründungsgesellschafterin T 3 zwei Stimmen sowie weiteren hinzutretenden Neu-Gesellschaftern jeweils eine Stimme zustehen.

 

(9) Beschlüsse über nachfolgend aufgeführte Maßnahmen bedürfen eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses:

 

 

(7, richtig: 10) Solange Frau T 2 Gesellschafterin der Gesellschaft ist, steht ihr als nicht übertragbares und nicht vererbliches gesellschaftsrechtliches Sonderrecht bei allen Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung das Recht zu, bei Stimmengleichheit („Pattsituation“) mit ihrem Stimmrecht im Wege eines Stichentscheides eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen. …“

 

Mit der Urkunde UR-Nr. des Notars O vom 29.11.2007 brachten Frau T 2, Herr T 1 und Frau T 3 ihren privaten Grundbesitz in die Klägerin ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag (Blatt 91 ff. der Vertragsakte) Bezug genommen.

 

Mit notarieller Urkunde UR-Nr. vom 29.11.2007 wurden folgende Schenkungen von Teil-Kommanditanteilen an der Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt vereinbart:

 

– Frau T 2 an Herrn T 1: 39 %;

 

– Herr T 1 an T 4 (geboren 00.00.1995): 9 %;

 

– Frau T 3 an T 4: 19 %.

 

Frau T 4 ist die gemeinsame Tochter der Eheleute T 1 und T 3.

 

Neben dem Haftkapital sollten auch sämtliche anderen Gesellschafterkonten in der entsprechenden Quote übertragen werden. Die Schenkungen und entsprechenden Übertragungen sollten mit sofortiger Wirkung erfolgen.

 

In § 3 des Vertrages war der Nießbrauch als Vorbehaltsnießbrauch geregelt. Er sollte lebenslänglich und unentgeltlich sein, mit sofortiger Wirkung und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen gelten. Den Nießbrauchern gebühren die während des Nießbrauchs auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile. Die mit den Beteiligungen verbundenen Mitgliedschaftsrechte, insbesondere die Stimmrechte, stehen den jeweiligen Beschenkten zu. Sie verpflichten sich alles zu unterlassen, was die Beteiligung als solche beeinträchtigen oder vereiteln könnte. Das Nießbrauchrecht sollte aufschiebend bedingt auf den Tod des berechtigten Nießbrauchers inhaltsgleich auch dessen Ehegatten eingeräumt werden.

 

Mit Urkunde UR-Nr. des Notars O vom 29.11.2007 übertrugen Frau T 2, Herr T 1 und Frau T 3 ihre jeweiligen Geschäftsanteile an der E-GmbH im Wege der Sacheinlage auf die Klägerin. Die Übertragung und Abtretung erfolgten mit sofortiger Wirkung, aber nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Zugleich wurde beschlossen, die drei Geschäftsanteile wieder zu einem Geschäftsanteil im Nennwert von 25.000 Euro zusammenzulegen.

 

Am 06.12.2007 führte die U GmbH & Co. KG eine außergewöhnliche Gesellschafterversammlung durch (Blatt 117 f. der Vertragsakte). Hierin wurde beschlossen, dass die Einbringung der Grundstücke A-Straße 1, P, und B-Straße 2, G, gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nicht dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten entsprochen habe. Beide Grundbesitzungen hätten ohne Gegenleistung auf die Gesellschaft als verdeckte Einlage übertragen werden sollen. Dies werde nunmehr korrigiert.

 

Der Ergänzungspfleger erteilte am 11.02.2009 seine Zustimmung zu dem Vertrag UR-Nr. betreffend Frau T 4.

 

Insgesamt beliefen sich die Beteiligungen zum Abschluss der Rechtsveränderungen auf

 

T 2 30 %

 

T 1 41 %

 

T 3 1 %

 

T 4 28 %.

 

II.

 

Für die Streitjahre 2008 und 2009 stellte der Beklagte die Gewinne erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung als gewerbliche Einkünfte gesondert und einheitlich fest.

 

In den Jahren 2011 und 2012 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass ab dem 05.02.2008 bei der Klägerin nicht mehr die Voraussetzungen einer gewerblichen Prägung im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllt seien. Ausdrücklich sei gesellschaftsvertraglich geregelt, dass die Geschäfte der Klägerin auch von ihren Kommanditisten geführt würden. Dies führe mit Wirkung vom 05.02.2008 zu einer Betriebsaufgabe. Entsprechende Aufgabegewinne bezüglich des Immobilienbesitzes seien zu erfassen. Die folgenden Einkünfte seien als solche aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 25.06.2012 (s. Bp-Akte) verwiesen.

 

Der Beklagte schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 21.08.2012, geändert am 14.09.2012 für beide Streitjahre geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

 

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2013 als unbegründet zurückwies. Er vertrat weiterhin die Auffassung, dass mit den Eintragungen im Handelsregister vom 05.02.2008 die gewerbliche Prägung der Klägerin entfallen sei. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung seien nunmehr aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen auch die Kommanditisten zur Geschäftsführung in der KG befugt. Darin liege eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG. Dies ergebe sich aus den Regelungen in §§ 6 und 7 des Gesellschaftsvertrages. Ab diesem Zeitpunkt erziele die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG. Der festgestellte Aufgabegewinn sei der Höhe nach nicht zu beanstanden.

 

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Anerkennung der gewerblichen Prägung vor Gericht. Sie wiederholt und vertieft ihr außergerichtliches Vorbringen: Es seien nicht die zur Geschäftsführung befugten Gesellschafter im Handelsregister eingetragen worden, sondern die E-GmbH. Nur diese könne im Außenverhältnis alle Angelegenheiten für die Klägerin regeln. Darauf allein komme es nach Sinn und Zweck der Regelung an. Nach einhelliger gesellschaftsrechtlicher Meinung sei bei der Einheits-GmbH & Co. KG zu beachten, dass die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Gesellschafterrechte der GmbH & Co. KG in der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG nicht wirksam ausüben könnten. § 7 des Gesellschaftsvertrages regele somit etwas, was ohnehin schon selbstverständlich sei. Die gewählte Formulierung entspreche gängiger Praxis der Vertragsgestaltung. Auch die Finanzverwaltung gehe von diesen Grundsätzen aus (R 15.8 Abs. 6 Satz 5 EStR). Es sei aber nur ein Aufgabegewinn in Höhe von X Euro statt der von der Finanzverwaltung angesetzten X Euro zu berücksichtigen, wenn man der Auffassung des Beklagten folgen wolle. Dies folge aus der unterschiedlichen Bewertung des fraglichen Grundbesitzes.

 

Die Klägerin beantragt,

 

 

unter Abänderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 und 2009, sämtlich zuletzt vom 14.09.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2013 für den Feststellungszeitraum 2008 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 118.406,81 Euro und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf 0 Euro sowie für den Feststellungszeitraum 2009 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 67.435,87 Euro und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf 0 Euro gesondert und einheitlich festzustellen,

 

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

 

die Klage abzuweisen,

 

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

 

Er verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Insbesondere macht er geltend, Rechtsfolge der Beteiligung von Kommanditisten an der Geschäftsführung der Personengesellschaft sei in jedem Fall, dass die gewerbliche Prägung entfalle.

 

Der Senat hat am 28.08.2014 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig und begründet.

 

Die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte ist zu Unrecht vom Wegfall einer gewerblichen Prägung der Klägerin mit Wirkung ab 05.02.2008 mit der Folge einer Betriebsaufgabe ausgegangen.

 

1. Es ist zwischen den Beteiligten außer Streit, dass die Klägerin keine originär gewerblichen Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG erzielt. Ihr Gesellschaftszweck erschöpft sich in der Vermögensverwaltung.

 

2. Die Klägerin ist eine gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Danach gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind.

 

Die Einkünfteerzielungsabsicht ist ersichtlich und zu Recht zwischen den Beteiligten außer Streit. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist ausweislich der Vertragswerke in Übereinstimmung mit den Handelsregistereintragungen die E-GmbH, mithin eine Kapitalgesellschaft.

 

Nur diese ist auch zur Geschäftsführung befugt. Dies ergibt sich aus § 6 des Gesellschaftsvertrages. Danach ist zur Vertretung und zur Geschäftsführung der Klägerin die persönlich haftende Gesellschafterin berechtigt und verpflichtet, d. h. die E-GmbH.

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann bzgl. der Geschäftsführung nicht auf das Außenverhältnis abgestellt werden. Insoweit ist immer die E-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin zur Vertretung berechtigt und verpflichtet. Die Geschäftsführungsbefugnis i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG richtet den Blick vielmehr auf das Innenverhältnis. So können abweichend vom Regelstatut Kommanditisten Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt werden (vgl. Reiß in Kirchhof, EStG, 2014, § 15 Rz 141 mit weiteren Nachweisen). Diese Regelung des Gesellschaftsvertrages führt zur Annahme einer organschaftlichen Befugnis zur Geschäftsführung, was nicht zu beanstanden ist (BFH, Urteil vom 23.02.2011 I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354).

 

Es bedarf aber nicht derartiger Konstruktionen, wie sie die Klägerin diskutiert hat, da entgegen der Auffassung des Beklagten § 7 des Gesellschaftsvertrages an der grundsätzlichen Geschäftsführungsbefugnis der E-GmbH innerhalb der Klägerin nichts ändert. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Überschrift und Inhalt trifft § 7 des Gesellschaftsvertrages nur Sonderregelungen für den Fall, der insbesondere wegen der § 47 Abs. 4 und § 46 Nr. 5 des GmbH-Gesetzes gerade bei der Einheitsgesellschaft problematisch ist, nämlich der Wahrnehmung der Rechte an der Komplementärin, wie sein Abs. 1 auch klar zum Ausdruck bringt.

 

Erfasst sind von dieser Klausel allein die Beschlüsse, die die Geschäftsführung in der GmbH betreffen. § 7 des Gesellschaftsvertrages hat nach Auffassung des Senats allein die Funktion, die Willensbildung in der GmbH auch in dem für eine Einheits-GmbH & Co. KG typischen Konfliktfall zu organisieren und einen ordentlichen Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Diese Willensbildung führt nicht zur Geschäftsführung der Kommanditisten in der KG – diese bleibt weiterhin bei der E-GmbH -, vielmehr setzt die GmbH den nach § 7 des Gesellschaftsvertrages gebildeten Willen in der KG geschäftsführend um. Werden solche Regelungen nicht getroffen, könnte die GmbH & Co. KG handlungsunfähig werden oder die gerichtliche Durchsetzung von Beschlüssen notwendig werden, die zu nicht mehr kalkulierbaren Situationen für die Gesellschaft führen können (vgl. BFH, Urteil vom 16.07.2007 II ZR 109/06, DB 2007, 1916 mit Anmerkungen von Gehrlein, BB 2007, 1515 [BVerfG 30.05.2007 – 1 BvR 390/04]; Kort, EWiR 2007, 689 [BGH 16.07.2007 – II ZR 109/06]; Werner, GmbHR 2007, 1035; s. auch Carlé, GmbHR 2001, 100; Werner, DStR 2006, 706; Karsten Schmidt, Festschrift Westermann, 2008, S. 1425). Die Ersatzzuständigkeit der Kommanditisten verhindert also für eine Einheits-GmbH & Co. KG im Ergebnis nicht hinnehmbare Komplikationen.

 

Hier bestehen Parallelen zu einem ebenfalls denkbaren gesonderten, aber personenidentischen Gesellschafterausschuss der Kommanditisten. § 7 des Gesellschaftsvertrages kann auch als in das KG-Vertragswerk hineingezogene Satzungsbestimmung der Komplementärin verstanden werden. Diese Regelung ist nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf die Klägerin übertragbar. Für diese bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 6 des Gesellschaftsvertrages. Die von dem Beklagten aufgeworfenen Probleme stellen sich nach Überzeugung und Auslegung des Senats nicht. Der Senat kann sich für diese Sach- und Rechtslage nicht der Auffassung des Beklagten anschließen, dass als angemessen und rechtlich einwandfrei lediglich eine gesellschaftsvertragliche Vollmachtserteilung an die Kommanditisten angesehen werden könnte. § 9 des Gesellschaftsvertrages führt zu keiner anderen Beurteilung.

 

3. Daraus folgt, dass eine Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG nicht vorliegt und in der Folgezeit weiterhin gewerbliche Einkünfte anfallen. Diese sind entsprechend dem Antrag der Klägerin, der mangels anderweitiger materieller Feststellungen des Betriebsprüfers zutreffend auf die Wiederherstellung der Bescheidlage vor der Betriebsprüfung hinausläuft, gesondert und einheitlich festzustellen. Die Zuweisung der Gewinne auf die Feststellungsbeteiligten ist nicht streitig.

 

Eine Bewertungsfrage bzgl. des Immobilienbesitzes stellt sich bei dieser Sach- und Rechtslage nicht.

 

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

 

Die Revision ist im Hinblick auf die Anwendung des § 15 Abs. 3 Satz 2 EStG auf gesellschaftsvertragliche Regelungen der vorliegenden Art unter besonderer Berücksichtigung der Besonderheiten einer Einheitsgesellschaft gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Rechtsfortbildung zuzulassen.

 

28.08.2014, 3 K 743 / 13
Fundstelle
FuS Ausgabe 4 / 2015, S. 155

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