Schenkungsteuergesetz

Eintritt des Besserungsfalls nach Verkauf eines „Besserungsscheins“ zum Verkehrswert ohne schenkungsteuerliche Folgen; Verhältnis von verdeckter Gewinnausschüttung und Schenkungsteuer

Andrea Seemann, Steuerberaterin

  1. Tritt nach dem Verkauf einer Forderung mit Besserungsschein zum Verkehrswert der Besserungsfall ein, verwandelt sich der Verkauf nicht in eine freigebige Zuwendung.
  1. Im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern oder zu den Gesellschaftern einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft gibt es neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine freigebigen  Zuwendungen.

 

Problemstellung

Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterliegen disquotale verdeckte Gewinnausschüttungen der Schenkungsteuerpflicht (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.03.2012, BStBl. I 2012, 331, Abschnitt 2.6.2). Nach dieser Finanzverwaltungsauffassung bergen verdeckte Gewinnausschüttungen neben den ertragsteuerlichen Folgen auch das Risiko einer schenkungsteuerlichen Belastung. So wäre z.B. bei einem überhöhten Geschäftsführergehalt oder dem verbilligten Verkauf von Vermögensgegenständen durch die Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter ein schenkung- steuerlicher Tatbestand erfüllt. Die Finanzverwaltung stützt diese Auffassung auf ein Urteil des BFH aus dem Jahr 2007, in dem das Gericht entschieden hatte, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person eines Gesellschafters keine Schenkung an die nahestehende Person darstellt (BFH Urteil vom 07.11.2007, Az. II R 28/06, DStR 2008, 346). Offen gelassen hatte der BFH aber die Frage, ob eine Schenkung der Kapitalgesellschaft an die nahestehende Person vorliegen kann. Der BFH hatte nun erneut Gelegenheit, sich mit dieser Fragestellung zu beschäftigen und hat diese Gelegenheit genutzt, der vorstehend dargestellten Auffassung der Finanzverwaltung zu widersprechen.

Ausgangsfall

Der Kläger war Mitgesellschafter einer GmbH (A-GmbH), die wiederum alleinige Aktionärin einer AG war. Zudem war er Mitgesellschafter einer weiteren GmbH (B-GmbH). Die B-GmbH erwirtschaftete Verluste. Sie erhielt Darlehen von der AG in Höhe von 2 Mio. `. Sodann wurden die Geschäftsanteile der B-GmbH für einen Kaufpreis von 0,– ` an die AG veräußert. Die AG veräußerte die Geschäftsanteile ihrerseits im folgenden Jahr für 1,– ` an die C-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger war. Kurz nach der Veräußerung sprach die AG im Jahr 2004 zur Vermeidung der bilanziellen Überschuldung der B-GmbH einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein der Gestalt aus, dass die Forderung der AG wieder aufleben sollte, soweit die Erfüllung aus einem künftigen Bilanzgewinn oder Liquidationsüberschuss der B-GmbH möglich sein würde, frühestens aber mit Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2007 und höchstens in Höhe von 1 Mio. ` jährlich. Diesen Besserungsschein verkaufte die AG mit Vertrag v. 15.12.2005 für einen Kaufpreis von 1,– ` an R. 2007 und 2008 trat der Besserungsfall ein und R wurden Beträge in Höhe von insgesamt ca. 2 Mio. ` gutgeschrieben. Das Finanz- amt sah hierin freigebige Zuwendungen der AG an R und unterwarf die Zahlungen der Jahre 2007 und 2008 der Schenkungsteuer. Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts. Mit seiner Revision vor dem Bundesfinanzhof war der Kläger erfolgreich.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellt zunächst für die Beur- teilung, ob eine freigebige Zuwendung vorliegt, auf den Zeitpunkt der Übertragung der Forderung an R ab. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung nicht werthaltig und der Veräußerungspreis in Höhe von 1,– ` angemessen. Der spätere Eintritt des Besserungsfalls ist daher ohne Bedeutung. Insbesondere wurde dadurch die Übertragung nicht rückwirkend in eine freigebige Zuwendung gewandelt. Der BFH führt zudem weiter aus, dass zwischen Kapitalgesellschaften und ihren (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschaftern neben den betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen möglich sind, aber keine freigebigen Zuwendungen i.S.d. §7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Im Ergebnis scheidet eine Schenkungsteuerpflicht für eine verdeckte Gewinnausschüttung damit sowohl zwischen Kapitalgesellschaft und dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter als auch zwischen Kapitalgesellschaft und dem mittelbar beteiligten Gesellschafter (nahe stehende Person) aus.

Weitere Hinweise

Der BFH hat sich somit sehr deutlich gegen die Auffassung der Finanzverwaltung gestellt und entschieden, dass verdeckte Gewinnausschüttungen an (unmittelbare und mittelbare) Gesellschafter nicht der Schenkungsteuerpflicht unterliegen, sondern lediglich ertragsteuerliche Folgen haben. Der BFH hat lediglich offengelassen, ob dies auch dann gilt, wenn die Zahlung an eine nahe stehende Person geleistet wird, die nicht mittelbar Gesellschafter ist. Ein Grund für eine unterschiedliche Betrachtung ist aber nicht ersichtlich. Eine andere Rechtsfolge kann sich aber durch die mit Wirkung zum 14.12.2011 zwischenzeitlich eingeführte Regelung des § 7 Abs. 8 ErbStG ergeben. Ausnahmsweise können nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG nicht fremdübliche Leitungen zwischen Kapitalgesellschaften mit unterschiedlicher Beteiligungsstruktur der Schenkungsteuer unterliegen.Weiterhin offen bleibt auch das Verhältnis zwischen Ertrag- und Schenkungsteuer in den Fällen, in denen beide Steuerarten zur Anwendung gelangen. Es wäre wünschenswert gewesen, dass sich der BFH auch zu dieser noch offenen Rechtsfrage positioniert. Bisher fehlt es diesbezüglich an einer eindeutigen Rechtsprechung. Teilweise hat der BFH eine Doppelbesteuerung für zulässig erachtet. In einem Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung aus dem Jahr 2011 (BFH, Beschluss vom 12.09.2011, VIII B 70/09, ZEV 2012, 58) zur Besteuerung eines unverzinslichen Darlehens räumte der BFH jedoch der Schenkungsteuer den Vorrang ein und lehnte eine Doppelbelastung mit Schenkung- und Ertragsteuer ab.