Schenkung

Pflichtteilsrecht und Schenkungsvollzug bei atypischer Unterbeteiligung

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt, und Dr. Anton Ederle, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Das in §§ 2303 ff. BGB geregelte Pflichtteilsrecht gewährt engeren Familienangehörigen einen Anspruch auf eine Mindestteilhabe am Nachlass und beschränkt damit als Ausdruck der durch Art. 6 GG geschützten Familiensolidarität die Testierfreiheit des Erblassers. Weil Pflichtteilsansprüche am Verkehrswert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls ohne Rücksicht auf dessen tatsächliche Liquidität anknüpfen und mit dem Erbfall sofort und in bar zu erfüllen sind, stellen sie eine große Gefahr für den Erhalt illiquiden Vermögens dar. Für Familienunternehmen, die mit ihrem Verkehrswert regelmäßig den Großteil des gebundenen Nachlassvermögens ausmachen, kann ein Pflichtteilsanspruch die Zerschlagung bedeuten. Aber auch für die Erben von Wertpapieren oder anderen Anlagen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch werthaltig waren, nach dem Erbfall aber plötzlich an Wert verloren haben, können Pflichtteilsansprüche ruinös sein, denn die Wertentwicklung, die das Vermögen nach dem Erbfall durchlaufen hat, wird bei der Höhe des Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt. Eine Möglichkeit, diese Gefahr zu umgehen oder jedenfalls zu begrenzen, ist die Zuwendung größerer Vermögenswerte bereits unter Lebenden im Wege der vorweggenommen Erbfolge. Denn der Pflichtteilsanspruch errechnet sich ausschließlich anhand des Nachlassvermögens, also des Vermögens, das im Zeitpunkt des Erbfalls noch dem Erblasser zugeordnet war. Ist ein Gegenstand bereits zu Lebzeiten aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden, bleibt er bei der Berechnung des Pflichtteils außer Betracht. Dann drohen zwar Pflichtteilsergänzungsansprüche zum Ausgleich lebzeitiger Vermögensübertragungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall, doch sieht das Gesetz hier für Todesfälle ab dem 01.01.2010 ein Abschmelzungsmodell vor, nach welchem pro Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Erbfall liegt, 10 % vom Wert der Schenkung abgezogen werden. Während eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall also voll in die Berechnung einbezogen wird, wird sie im siebten Jahr nur noch zu 4/10 berücksichtigt. Frühzeitige Vermögensübertragungen sind damit ein gangbarer Weg zur Vermeidung oder Reduzierung von Ansprüchen weichender Erben. Voraussetzung ist aber, dass die Schenkung auch zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen wurde. Denn nur, wenn der Gegenstand bereits zu Lebzeiten aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden ist, fällt er nicht in den Nachlass (§ 2301 Abs. 2 BGB). Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Schenkung vollzogen wurde, ist damit insbesondere bei Zuwendungen bedeutsam, die aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt des Todes vorgenommen wurden. In der hier zu besprechenden Entscheidung ging es um eine solche Schenkung von Todes wegen.

Zum Sachverhalt

Der im Oktober 2002 verstorbene Verleger Dr. Siegfried Unseld hatte ein Jahr vor seinem Tod die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung als seine Alleinerbin eingesetzt. Der Erblasser war mehrheitlich u.a. an der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG, der Insel Verlag GmbH & Co. KG sowie an der Suhrkamp Verlagsleitung GmbH beteiligt. Einer weiteren Stiftung, der gemeinnützigen Siegfried Unseld- Stiftung, räumte Unseld bereits im Oktober 2001 unentgeltlich Unterbeteiligungen in Höhe von jeweils 30 % seiner Gesellschaftsbeteiligungen ein. Der gemeinnützigen Stiftung wurden dabei neben dem schuldrechtlichen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn der Hauptgesellschaften und einem Abfindungsanspruch auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte innerhalb der durch die Unterbeteiligungen begründeten bürgerlich-rechtlichen Innengesellschaften zwischen dem Erblasser als Hauptbeteiligten und der Stiftung als Unterbeteiligten eingeräumt. Zwischen Unselds zweiter Ehefrau und Unselds Sohn aus erster Ehe entstand nach dem Tode Siegfried Unselds Streit über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs des übergangenen Sohnes. Der BGH hatte nun in dritter und letzter Instanz zu entscheiden, ob die Unterbeteiligungen an den Verlagsgesellschaften bereits mit Abschluss der darauf gerichteten Verträge im Oktober 2001 der Siegfried Unseld-Stiftung rechtswirksam eingeräumt waren, die Schenkung also schon zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen wurde und die Unterbeteiligungen damit bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs außen vor zu lassen waren.

Entscheidungsgründe

Eine Unterbeteiligung ist das Pendant zur stillen Gesellschaft, unterscheidet sich aber dadurch, dass Vertragsbeziehungen des Unterbeteiligten nicht mit dem Träger des Unternehmens als solchem bestehen, sondern mit einem der Gesellschafter der unternehmenstragenden Gesellschaft. Die Unterbeteiligung ist also eine stille Beteiligung nicht an einer Gesellschaft, sondern an einem Gesellschaftsanteil (so treffend K. Schmidt, in: Münche- ner Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 230 Rdnr. 192). Das Verhältnis zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten ist rechtlich als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) in der Sonderform der Innengesellschaft zu qualifizieren. Typischerweise wird dem Unterbeteiligten nur eine schuldrechtliche Teilhabe an den Vermögensrechten des Gesellschaftsanteils des Hauptbeteiligten eingeräumt, ohne dass er eine dingliche Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft selbst erwirbt. Der BGH nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass die unentgeltliche Zuwendung einer solch typischen Unterbeteiligung wie auch die Zuwendung einer typisch stillen Gesellschaftsbeteiligung aus Rechtsgründen nicht vollziehbar ist. Denn hier werde ein bloß schuldrechtlicher Anspruch zugewendet, worin keine Leistungsbewirkung, sondern lediglich der Austausch einer schuldrechtlichen Verpflichtung durch eine andere zu sehen sei. Vorliegend hat der Erblasser der gemeinnützigen Stiftung über die rein schuldrechtliche Position hinaus aber auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft eingeräumt, nämlich Unterrichtungs-, Anhörungs- und Zustimmungsrechte. Laut BGH ist darin eine Leistungshandlung zu sehen, die die Annahme rechtfertige, die Einräumung einer solch atypischen Unterbeteiligung sei mit dem Abschluss des Beteiligungsvertrages vollzogen. Die Unterbeteiligungen sind damit nicht in den Nachlass Siegfried Unselds gefallen und bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Beklagten folglich außen vor zu lassen.

Praxishinweise

Die Entscheidung zeigt, dass lebzeitige Vermögensübertragungen ein möglicher Weg sind, Risiken des Pflichtteilsrechts zu minimieren, dies allerdings nur, wenn sie frühzeitig erfolgen. Bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des weichenden Erben Joachim Unseld konnte die Einbeziehung der Unterbeteiligungen durch die gewählte Nachfolgegestaltung zwar umgangen werden, nicht aber der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB. Der dürfte die Alleinerbin hier nicht weniger hart treffen, ist der Erbfall doch vor der Reform des Pflichtteilsrechts – und innerhalb von zehn Jahren nach Vollzug der Schenkung eingetreten– und die Schenkung daher in vollem Umfang in Ansatz zu bringen. Eine notariell beurkundete Pflichtteilsverzichtserklärung des weichenden Erben gegen Abfindung (bspw. lebzeitige Einräumung einer stillen Beteiligung) hätte retrospektiv für mehr Sicherheit gesorgt. Bedeutung erlangt die Entscheidung über die bloße Pflichtteilsproblematik hinaus auch für die Frage, in welcher Form ein Unterbeteiligungs- bzw. stiller Gesellschaftsvertrag zu schließen ist. Ein Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Wirksamkeit grds. notarieller Beurkundung. Nimmt man an, die Schenkung der Beteiligung wird wie im vorliegenden Fall bereits mit Vertragsschluss vollzogen, so wird der Formmangel sogleich geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB). Auch wenn damit auf eine notarielle Beurkundung atypischer, also mitgliedschaftliche Rechte vermittelnder, stiller Beteiligungsverträge an sich verzichtet werden könnte (entgegen BGH, WM 1967, 685), ist bis zu einer gerichtlichen Klärung auch weiterhin zu einer notariellen Beurkundung zu raten. Der BGH folgt mit seiner Entscheidung einem Urteil des BFH (NJW- RR 2008, 986), nach welchem die schenkweise Einräumung einer atypischen Unterbeteiligung gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig ist, im Falle einer typischen Unterbeteiligung hingegen erst die laufenden Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen. Ob die bisherige Rechtsprechung, wonach eine unentgeltliche Zuwendung typisch stiller Beteiligungen aus Rechtsgründen nicht vollziehbar ist, grds. zu überdenken ist, ließ der BGH ausdrücklich offen. Das wäre schon aus steuerlicher Sicht zu begrüßen, denn nach jetzigem Stand ist die Schenkungsteuer bei der typischen Unterbeteiligung laufend auf die schon gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Einkommensteuer unterliegenden Gewinnanteile zu veranlagen.