OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.02.2011, 5 U 30 / 10

 

Tatbestand

Die Klägerin zu 1.) und der Kläger zu 2.), der ohne eigenes Rechtsmittel nur als notwendiger Streitgenosse der Klägerin zu 2.) beteiligt ist, waren und sind Stammaktionäre der Beklagten und Teilnehmer der Hauptversammlung vom 8.5.2009. Auch die Streithelfer auf Seiten der Beklagten sind Stammaktionäre, wie inzwischen unstreitig geworden ist. Gegenstand der Hauptversammlung waren die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, behandelt unter TOP 3 und 4, sowie die Aufhebung und Neuschaffung neuen genehmigten Kapitals, und zwar Kapital I unter TOP 7 und Kapital II unter TOP 8.

Die Klägerin zu 1.), die gegen alle Beschlussfassungen Widerspruch erhoben hat, war als Angehörige der Gründerfamilie Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten, bis sie in der Hauptversammlung vom 21.5.2008 wegen der Stimmabgabe der Stiftung nach ihrer verstorbenen Stiefmutter nicht wieder bestellt wurde. Diese Stiftung hält ca. 58% der Stammaktien der Beklagten, wobei die Stimmrechtsausübung bei den drei Testamentsvollstreckern nach der verstorbenen Stiefmutter liegt. Einer von diesen ist der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten, Rechtsanwalt Dr. RA1. Dr. RA 1 ist zugleich Partner einer überörtlichen Anwaltskanzlei, die – nach erstinstanzlicher Vortragslage – pro Jahr etwa für eine Mio. € Mandate durch die Beklagte erhält. Die Beklagte verfuhr dabei so, dass die jeweiligen Einzelmandate erst nach Bezahlung der Honorare dem Gesamtaufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt wurden. Die vom 1.1.2008 bis 30.9.2008 erbrachten Zahlungen auf Mandatsverträge wurden mit Beschluss des Aufsichtsrats vom 4.12.2008 genehmigt. Weitere Genehmigungen erfolgten bis zu den angefochtenen Entlastungsentscheidungen vom 8.5.2009 nicht. Der im Geschäftsbericht enthaltene Corporate Governance Bericht für das Jahr 2008, auf den verweisen wird (Anl. K 2, Bl. 107 d.A.), schilderte, dass der Aufsichtsrat der Mandatierung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden zugestimmt habe. Die Entsprechenserklärung vom 21.5.2008 enthält insoweit keine Besonderheiten.

In der Hauptversammlung vom 8.5.2009 stellten der Kläger zu 2.) und ein Aktionär Dr. A eine Reihe von Fragen, die im Urteil des Landgerichts wiedergegeben sind, und zwar dort beziffert mit 1.) bis 12.). Zu den Einzelheiten der Fragen wird auf diese Wiedergabe Bezug genommen (LGU S. 4 bis 6, Bl. 416 bis 418 d.A.). Die Fragen 1.) bis 5.) und 9.) bis 12.) bezogen sich auf die Entlastungsentscheidungen, die Fragen 6.) bis 8.) auf die genehmigten Kapitalien. Die Beklagte hatte in 2005 und 2008 Kapitalerhöhungen durchgeführt. Auf Grund einer Freigabeentscheidung des erkennenden Senats sind die genehmigten Kapitalien inzwischen eingetragen.

Die Klägerin zu 1.) hat die Entlastung angefochten, weil der im Geschäftsbericht für 2008 enthaltene Corporate-Governance-Bericht hinsichtlich der Zustimmungen zu den Dienstverträgen des Dr. RA1 unrichtig sei. Ein Vorstand, der rechtsgrundlos hohe Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied leiste, verstoße auch gegen seine Pflichten, das Aufsichtsratsmitglied durch deren Entgegennahme.
Auch seien die Fragen zu den Dienstverträgen der Aufsichtsratsmitglieder und früheren Kapitalerhöhungen nicht oder nicht ausreichend beantwortet worden.

Die Kläger haben – sinngemäß – beantragt,

die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 8.5.2009 zu TOP 3 (Entlastung des Vorstands), TOP 4 (Entlastung des Aufsichtsrats), TOP 6 (genehmigtes Kapital I) und TOP 7 (genehmigte Kapital II) für nichtig zu erklären.

Die Beklagte und ihre Streithelfer haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, mit der Praxis der nachträglichen Zustimmungen zu den Mandaten und Zahlungen den gesetzlichen Bestimmungen genügt zu haben. Die Aktionäre seien ausreichend informiert worden. Die Mandate an Dr. RA1 seien Standardmandate außerhalb seiner Aufsichtsratstätigkeit gewesen.

Das Landgericht hat der Klage der Klägerin zu 1.) stattgegeben: Die Entlastungsentscheidungen seien gesetzeswidrig, weil die Organe am 21.5.2008 eine unrichtige Entsprechenserklärung abgegeben hätten. Der Aufsichtsrat habe nämlich nicht in seinem Bericht an die Hauptversammlung auf die sich aus der Genehmigungspraxis ergebenden Interessenkonflikte hingewiesen. Auch seien die Fragen nicht in einer Weise beantwortet worden, die eine Abgrenzung genehmigungsfähiger Mandate von solchen ermögliche, die zum organschaftlichen Tätigkeitsbereich gehören. Die Kapitalbeschlüsse seien anfechtbar, weil die Antworten auf die Fragen 6 bis 8 eine Überprüfung früherer Kapitalerhöhungen nicht ermöglicht hätten. Die Klage des Klägers zu 2.) ist abgewiesen worden, weil sie als Anfechtungsklage verfristet erhoben worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 413- 435 d.A.).

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung weiter. Die Fragen seien nicht erforderlich gewesen oder beantwortet worden. Eine unrichtige Entsprechenserklärung sei nicht abgegeben worden. Sie behauptet, etwa zwei Drittel der Mandate, die an die Kanzlei des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. RA1 erteilt worden seien, seien namens der konzernzugehörigen B AG & Co. KGaA erteilt worden. Auf der Aufsichtsratssitzung Ende 2007 sei – wie jährlich üblich – das Budget für Mandate an die Aufsichtsratsmitglieder dem Vorstand gegenüber festgelegt worden. Im vierten Quartal 2008 seien keine Zahlungen auf Mandate an die Kanzlei des Dr. RA1 erfolgt, damit die Genehmigung der Aufsichtsratssitzung vom 4.12.2008 alle Zahlungen des Kalenderjahres 2008 habe erfassen können. Diese Verfahrensweise – Bereitstellung eines Budgets und nachträgliche konkrete Genehmigung unterjähriger Zahlungen am Jahresende – sei praktikabel und auch von einem befragten namhaften Wirtschaftsprüfungsunternehmen gut geheißen worden.

Die Beklagte und die Streithelferin zu 1.) beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil und bestreiten den neuen Vortrag zum Anteil der Mandate der B und zur Genehmigungspraxis in pauschaler Weise.

Die Beklagte hat den Schriftsatz vom 19.1.2011 nachgereicht, mit dem sie geltend macht, nur 6% der von der Konzernrechtsabteilung veranlassten Rechtsanwaltsmandaten an die Kanzlei des Dr. RA1 seien für die Beklagte erteilt worden.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden. Das Rechtsmittel
hat teilweise Erfolg.

Zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat beruht
das angefochtene Urteil des Landgerichts nicht auf einem Rechtsfehler, § 513
Abs.1 ZPO iVm. § 546 ZPO, weil es im Ergebnis richtig ist, wie auch neues
Vorbringen des Berufungsverfahrens entweder nicht zuzulassen ist oder keine
andere Entscheidung zu tragen vermag.

Die Entlastungsbeschlüsse betreffend Vorstand und
Aufsichtsrat (TOP 3 und 4) sind nach § 248 Abs.1 AktG für nichtig zu erklären.
Nach Art. 9 Abs.1 c, ii SE-VO ist die aktienrechtliche Beschlussanfechtung auf
Beschlüsse der SE anzuwenden.

Die formellen Voraussetzungen einer Anfechtung sind
gegeben, namentlich ist die Klägerin anfechtungsbefugt iSd. § 245 AktG: Sie war
vor Bekanntmachung der Tagesordnung Aktionärin, in der Hauptversammlung
erschienen und legte Widerspruch gegen alle Beschlussfassungen ein
(Klageschrift S. 21). Die Anfechtungsfrist (§ 246 Abs.1 AktG) ist durch die
Klägerin zu 1.) gewahrt worden. Die Klage ist im Anschluss an die
Hauptversammlung vom 8.5.2008 allerdings erst am 29.6.2009 zugestellt worden.
Die Zustellung an den bestellten Prozessbevollmächtigten war jedoch demnächst
iSd. § 167 ZPO. Sie erfolgte mit Verfügung vom 19.6.2009, datiert auf den
22.6.2009, ohne dass ein schuldhaftes Verzögern durch die Klägerin zu 1.)
vorgelegen hat.

Ein Anfechtungsgrund liegt zu den
Entlastungsbeschlüssen vor (§ 243 Abs.1 ZPO), weil diese gegen § 120 Abs.2 Satz
1 AktG verstießen. Sie billigten nämlich die Verwaltung durch die Organe
außerhalb eines der Hauptversammlung zustehenden Ermessensspielraums, weil die
Billigung erklärt wurde, obwohl ein schwerer und eindeutiger Gesetzesverstoß
vorlag.

Die vom Vorstand der Beklagten im Entlastungszeitraum,
dem Kalenderjahr 2008, veranlassten hohen Zahlungen an die
Rechtsanwaltsgesellschaft, bei der der stellvertretende
Aufsichtsratsvorsitzende Dr. RA1 Mitgesellschafter war und ist, verstießen
gegen § 114 Abs.1 AktG, wobei zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden
kann, dass – von der Klägerin sinngemäß mit Nichtwissen bestritten (Schriftsatz
vom 29.9.2009, S.7, Bl. 252 d.A.) – tatsächlich nur Aufträge außerhalb der
Aufsichtsratstätigkeit des Dr. RA1 erteilt worden waren.

§ 114 Abs.1 AktG ist nicht nur eine als
verfügungswirksame Bestimmung zu verstehen, sondern als Verhaltensnorm
auszulegen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich ein Verbot, ohne wirksamen
(Dritt-) Vertrag Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied zu leisten (wie hier
MüKo/Semler, AktG, 2. Aufl., 2004, § 114 Rz.103).

Der Wortlaut des § 114 Abs.1, 2 AktG, von dem die
Gesetzesauslegung auszugehen hat, legt freilich nahe, dass nur die Wirksamkeit
der Drittverträge und die Abwicklung bei Unwirksamkeit geregelt sein könnten.
Dem widerspricht aber das Regelungssystem des Aktienrechts: In § 93 Abs.3 Nr.7
AktG ist geregelt, das sich der Vorstand schadensersatzpflichtig macht, wenn er
entgegen dem Aktiengesetz Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt.
Daraus folgt, dass die rechtsgrundlose Zahlung – sei sie auch praktikabel –
durch den Vorstand nicht als kaufmännisch vertretbares Geschäftsleiterverhalten
erlaubt oder hinzunehmen ist, sondern ein rechtswidriges, weil
schadenersatzbegründendes Verhalten darstellt. Für die Kreditgewährung des
Vorstands an den Aufsichtsrat ist die Verhaltensanforderung ausdrücklich in §
115 Abs.1 AktG geregelt („darf nur gewähren“) und in § 93 Abs.3 Nr.8
AktG als schadensersatzstiftend behandelt, wiewohl auch dort eine Rückzahlung
des Darlehens bei nachträglicher Genehmigung entfällt (§ 115 Abs.4 AktG). In
der Fachliteratur ist ohnehin anerkannt, dass die Zahlung sofort
zurückzugewähren ist, auch wenn es u.U. später noch zu einer Genehmigung kommen
könnte (Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 114 Rz.8; ebenso GK/Hopt/Roth; AktG,
Stand 1.10.2005, § 114 Rz.56; Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Rz.20 zu § 114).

Die Annahme einer an den Vorstand und den Aufsichtsrat
gerichteten Verhaltensregelung in § 114 Abs.1 AktG deckt sich mit dem
erkennbaren Regelungszweck, der darin besteht (BGH vom 3.7.2006, II ZR 151/04 –
BGHZ 168, 188 – Rz.9 bei juris; BGH vom 4.7.1994, II ZR 197/93 – BGHZ 126, 340,
Rz. 12 bei juris, Hüffer, wie vor, Rz.1), eine unsachliche Beeinflussung
einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand zu verhindern, also eine
Abhängigkeit des überwachenden Organs vom überwachten Organ zu verhindern. Die
Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds erfolgt aber nicht nur durch eine
Zahlung auf einen wirksamen Dienstvertrag, sondern auch durch eine Zahlung ohne
Rechtsgrund. Die Abhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds ist gar größer, wenn
das Aufsichtsratsmitglied damit rechnen muss, auf Rückzahlung in Anspruch
genommen zu werden, je nach dem, wann der Vorstand den Vertrag und die Zahlung
dem Gesamtaufsichtsrat zur Genehmigung vorlegt. Es geht in erster Linie um die
Funktionsfähigkeit der innerkörperschaftlichen Kontrolle und nur mittelbar um
den Schutz der Gesellschaft vor rechtsgrundlosen Zahlungen an Dritte. Dass die
ungebilligten Zahlungen an die Kanzlei des Dr. RA1 gegebenenfalls hätten
problemlos zurückerlangt werden können, steht für den Senat ohnehin außer
Zweifel.

Die Deutung des § 114 Abs.1 AktG als Verhaltensnorm
entspricht im Übrigen auch dem Willen des Gesetzgebers bei Einfügung des § 114
AktG in das AktG 1965: Sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen und eine
unsachliche Beeinflussung eines Aufsichtsratsmitglieds durch den Vorstand
sollten verhindert werden (vgl. Kropf, Textausgabe des AktG vom 6.9.1965, 1965,
S.158).

Die Zahlungen des Vorstands an das
Aufsichtsratsmitglied Dr. RA1 des Jahres 2008 verstießen gegen § 114 Abs.1
AktG, weil sie erfolgten, ohne dass der Gesamtaufsichtsrat ihnen zugestimmt
hätte. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
erstmals geltend gemachte Zuteilung eines Jahresbudgets durch den Aufsichtsrat
zugunsten des Vorstands für derartige Mandate, pauschal bestritten, ist
unerheblich, weil § 114 Abs.1 AktG die Zustimmung im Einzelfall verlangt,
sodass es insoweit nicht auf eine Zurückweisung des neuen Vortrags nach § 531
Abs.2 ZPO ankommt.

Dass der Aufsichtsrat am 4.12.2008 alle Zahlungen des
Jahres 2008 genehmigt hatte, weil im vierten Quartal regelmäßig keine
Auszahlungen mehr erfolgten, ist freilich im Berufungsverfahren nach § 531
Abs.2 Ziff.1 ZPO zu berücksichtigen, denn die sich dazu verhaltende unklare
Ausführung im Beklagtenschriftsatz vom 28.8.2009 (S.7, Bl. 132 d.A.) war
ohnehin aufklärungsbedürftig. Der Senat glaubt dem Vorstand Dr. C auch die
entsprechende, wenngleich bestrittene Darstellung, denn sein Vortrag in der
mündlichen Verhandlung war in sich stimmig und erkennbar von dem Bemühen
getragen, die umfangreichen Mandate an den Aufsichtsrat Dr. RA1 in praktikabler
Weise mit der gesetzlichen Regelung noch in Einklang zu bringen (§ 286 Abs.1
ZPO).

Die Genehmigungspraxis lässt jedoch die
Pflichtwidrigkeit der Zahlungen nicht nachträglich entfallen, weil die
Rückwirkungsfiktion des § 184 Abs.1 BGB ein tatsächliches Fehlverhalten nicht
ungeschehen machen kann, wie sie auch mit dem Gesetzeszweck, also der Ratio des
§ 114 Abs.1 AktG, nicht zu vereinbaren ist. Eine entstandene Abhängigkeit des
Aufsichtsratsmitglieds in der Vergangenheit kann bereits während des
Schwebezustands zu Beeinflussungen geführt haben. In diesem Sinn stellt § 114
Abs.1 AktG einen abstrakten Gefährdungstatbestand dar. Würde man die Praxis der
Beklagten billigen, führte dies dazu, dass das Aufsichtsratsmitglied Dr. RA1
nahezu immerzu unberechtigte Mandatsvorteile nutzen könnte, nur einmal jährlich
durch eine Genehmigung unterbrochen. Die hohe Anzahl der an die Kanzlei des
Aufsichtsratsmitglieds erteilten Mandate rechtfertigt eine abweichende
Auslegung des § 114 Abs.1 AktG naheliegend nicht, wie aber die Beklagte meint.

Die Zahlungen sind nicht wegen Bedeutungslosigkeit
unbeachtlich. Dabei geht der Senat von einer jährlichen Honorarsumme von 1 Mio.
€ aus, die zugunsten der Kanzlei des Dr. RA1 ausgegeben wird. Der neue Vortrag
in der Berufungsverhandlung, zwei Drittel der Mandate seien namens einer im
Konzern verbundenen Gesellschaft erteilt worden, ist nach § 531 Abs.2 ZPO nicht
mehr zuzulassen. Er ist bestritten und Zulassungsumstände sind dazu nicht
vorgetragen oder ersichtlich. Die Mandate der Beklagten an Dr. RA1 waren von
Anfang des Rechtsstreits an zentrales Thema. Der nachgereichte Schriftsatz der
Klägerin vom 19.1.2011, der den Anteil an Mandaten anderer
Konzerngesellschaften noch weiter steigert, nämlich nun auf 94%, rechtfertigt
keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 Abs.1 und 2 ZPO). Dem
Antrag der Beklagten um Erklärungsfrist nach § 139 Abs.5 ZPO war nicht zu
entsprechen, weil der Senat mit der Darstellung seiner vorläufigen Auffassung
in der Sitzung förmliche Hinweise nach § 139 Abs.1 ZPO nicht gegeben hat.

Auf dieser Grundlage können die Zahlbeträge an Dr. RA1
nicht als unbedeutend unberücksichtigt bleiben. Ein Interessenkonflikt besteht
allerdings nicht, wenn es sich um mittelbare Zahlungen in einem zur
Aufsichtsratsvergütung zu vernachlässigenden Umfang handelte. Mittelbare
Zahlungen, wie auch diejenigen an eine teilrechtsfähige Anwaltsgesellschaft,
stehen unmittelbaren Zahlungen gleich, soweit sie dem Organmitglied zugute
kommen (BGH vom 2.4.2007, II ZR 325/05 – BB 2007, 1185, Rz.11 bei juris). Dabei
sind nur „ganz geringfügige Zuwendungen“ ohne Belang (BGH, wie vor) bzw.
Zuwendungen in „vernachlässigungsfähigem Umfang“ (BGH vom 20.11.2006, II ZR
279/05 – BGHZ 170, 60). Die Beklagte hat dazu vorgetragen, dass auf Dr. RA1 als
einem von 98 Partnern der beauftragten RA-Gesellschaft ein „Gewinnanteil von
rund 10.000,00 €“ pro Jahr aus dem Gesamthonorar der Kanzlei entfalle, das auf
Zahlungen der Beklagten beruhte (Bl. 379, BB S. 4, Bl. 487 d.A.).
Einzelaufträge und Einzelbeträge sind nicht genannt worden. Diese Behauptung
ist jedoch bestritten (Bl. 279 d.A: prozentual wesentlich höheren Anteil“)
und nicht weiter konkretisiert worden, wie es aber nötig wäre. Denn aus der
Gesamtpartnerzahl und dem Gesamtmandatsumsatz der Kanzlei mit der Beklagten
ergibt sich für ein Einzelinteresse des Dr. RA1 wenig. Die Behauptung –
10.000,00 € als Umsatzanteil p.a. – ist aber auch unerheblich. Eine Ausnahme
von der Konfliktregelung in § 114 AktG setzt nämlich voraus, dass eine
Gefährdung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds wegen der geringen
Höhe der zusätzlichen Vergütung ausgeschlossen ist. Hier bestimmt die hohe
Gesamtzahlung an die Kanzlei – 1 Mio. € pro Jahr – das Interesse des
Aufsichtsratsmitglieds. Denn er ist es, der den für die Sozietät lukrativen
Mandanten „an der Hand hat“. Seine Stellung in der Partnerschaft oder
auch nur sein dortiges Ansehen werden durch diesen Umstand naheliegend
beeinflusst. Ohnedies sind 10.000,00 € weder absolut noch im Verhältnis zu der
Gesamtvergütung des Dr. RA1 – einschließlich Tantiemen 149.000,00 € –
unbedeutend.

Ein Interessenkonflikt ist auch nicht wegen der
bereits erhaltenen Aufsichtsratsvergütung oder gar der sonstigen guten
Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Dr. RA1 ausgeschlossen. Einen Satz
der Lebenserfahrung, dass das Interesse an zusätzlichen Einkünften mit der Höhe
der bereits erzielten Einkünfte erlischt, gibt es nicht.

Der Gesetzesverstoß war schwerwiegend, denn die
unvoreingenommene Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat hat hohe
Bedeutung und betrifft eine Grundstruktur der Aktiengesellschaft, bei der eine
andere laufende Überwachung des geschäftsführenden Organs fehlt. Der Verstoß
war auch eindeutig, denn er betraf eine klare gesetzliche Regelung in § 114
Abs.1 AktG. Dass der Vorstand – beraten durch ein
Wirtschaftsprüfungsunternehmen – in einem Rechtsirrtum über die Verfahrensweise
handelte, ist unbeachtlich. Für den der Entlastung schädlichen Verstoß gegen
Gesetz oder Satzung kommt es auf ein Verschulden des Organs nicht an.

Die Zahlungen an die Kanzlei des Dr. RA1 entgegen der
aktiengesetzlichen Zustimmungspflicht waren auch für den Aufsichtsrat Dr. RA1
pflichtwidrig und damit schwere und eindeutige Gesetzesverstöße, die zur
Versagung der (Gesamt-) Entlastung nach § 120 Abs.1 AktG führen mussten, denn
einen Anspruch auf diese Zahlungen hatte die Anwaltspartnerschaft nicht, wie
aus § 114 Abs.1 AktG folgt. Da die Organe jeweils gesamtentlastet wurden, kommt
es nicht darauf an, dass nur einzelne Organmitglieder, etwa der Aufsichtsrat
Dr. RA1 als einziger Aufsichtsrat, pflichtwidrig handelten.

Im Übrigen ist die Klage, bezogen auf die
Beschlussfassungen zum genehmigten Kapital (TOP 6 und TOP 7), unbegründet.

Die geltend gemachten Verfahrensfehler gemäß § 243
Abs.1 und 4 AktG aus der Nichtbeantwortung der Fragen 6 bis 8 liegen nicht vor,
weil die Beklagte insoweit nicht gegen § 131 Abs.1 Satz 1 AktG verstoßen hat.

Zu Frage 6 fehlt die Erforderlichkeit iSd. § 131 Abs.
Satz 1 AktG für die Beurteilung der dem Vorstand zu erteilenden Ermächtigung
zur Kapitalerhöhung. Die Frage nach der im Jahr 2005 durchgeführten
Kapitalerhöhung 2005 war schon nicht erforderlich, weil diese Kapitalerhöhung
nicht mehr in einem zeitlichen Zusammenhang mit der in 2009 erstrebten
Beschlussfassung stand (vgl. OLG München WM 2009, 265, Rz.41 bei juris).

Aber auch zur Beurteilung der Ausnutzung des
genehmigten Kapitals in 2008 war Frage 6 nicht erforderlich. Denn sie zielte
nicht darauf ab, ob von der dem Vorstand eingeräumten Ermächtigung rechtmäßig
und zweckmäßig Gebrauch gemacht worden war, sondern auf die Durchführung der
Kapitalerhöhung, die sich aber nicht unterscheidet von einer Kapitalerhöhung
durch Satzungsbeschluss. Ob eine Kapitalerhöhung als solche gesetzmäßig
durchgeführt wurde, durfte jedoch nur dann hinterfragt werden, wenn
Anhaltspunkte für eine Unregelmäßigkeit bestanden. Diese trägt die Klägerin
nicht vor.

Ohnehin war Frage 6 zu den Provisionen beantwortet,
weil man die Antwort (Klageerwiderung S. 30, Bl. 155) dahin verstehen musste,
dass ansonsten keine anderen Zahlungen erfolgt waren.

Auch für Frage 7 gilt, wie vor, dass die Auskunft
nicht erforderlich war, § 131 Abs.1 AktG. Die Frage betraf nicht das besondere
Risiko, das aus einem genehmigten Kapital entsteht, sondern die Durchführung
einer Kapitalerhöhung schlechthin. Insoweit fehlt ebenfalls ein Anlass für
einen erhöhten Detaillierungsgrad einer Auskunft, sodass der Hinweis auf die
institutionellen Anleger und den Gesamtbruttoerlös genügt hat.

Zu Frage 8, welche Unterlagen dem Aufsichtsrat bei der
Beschlussfassung über die Zustimmung zum genehmigten Kapital vorgelegen haben
sollen, ist geantwortet worden, dass es am 18.6.2008 eine
Informationsveranstaltung für den Aufsichtsrat gegeben habe mit einer
Präsentation und Aushändigung einer umfangreichen Beschlussvorlage sowie
mündliche Informationen in der Aufsichtsratssitzung vom 3.7.2008. Ob der
Hinweis auf eine „Beschlussvorlage“ eine Antwort darauf war, welche Unterlagen
vorlagen, kann dahin stehen. Die Erforderlichkeit der Frage ist nämlich nicht
ersichtlich, namentlich nicht, was aus dem Vorliegen oder Nichtvorliegen
konkreter Unterlagen und welcher zu folgern gewesen wäre. Es ist auch nicht
klar, weshalb es auf schriftliche Unterlagen ankommt und mündliche
Erläuterungen in der Aufsichtsratssitzung als ungeeignet angesehen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO iVm. §
101 Abs.2, 69 ZPO. Der Streithelfer zu 2.) ist nicht an den Gerichtskosten
zweiter Instanz beteiligt (§ 100 Abs.2 ZPO). Die Vollstreckbarkeitsentscheidungen
beruhen auf § 708 Nr.10 und 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die
Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO fehlen.

Auch die nachgereichten Schriftsätze der Klägerin zu 1.) vom 2.2.2011
und 11.02.2011 veranlassen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§
156 Abs.1 und 2 ZPO).
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