Nichtabziehbare Aufwendungen

Wegfall der Verlustvorträge im Sinne von § 8c KStG bei An- teilsübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge

Andrea Seemann, Steuerberaterin

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Werden Anteile an einer verlustbehafteten Kapitalgesellschaft übertragen, die steuerliche Verlustvorträge hat, gehen die steuerlichen Verlustvorträge gemäß § 8c KStG, § 10a GewStG bei einer Übertragung von mehr als 25 % der Anteile auf einen Erwerber bzw. auf eine Erwerbergruppe anteilig und bei Übertragung von mehr als 50 % der Anteile an einen Erwerber bzw. an eine Erwerbergruppe vollständig unter. Für die Frage, ob eine Übertragung von mehr als 25 % bzw. mehr als 50 % der Anteile vorliegt, werden die Übertragungen innerhalb von fünf Jahren zusammengerechnet. Ausnahmen gel- ten, wenn die Gesellschaft im Inland steuerpflichtige stille Reserven hat oder es sich um eine Übertragung im Konzernverbund handelt. Keine Ausnahme enthält die Regelung hingegen für unentgeltliche Übertragungen, z.B. für eine Schenkung von Anteilen an Abkömmlinge. Lediglich aufgrund eines Erlasses der Finanzverwaltung werden die unentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, die Erbfolge selbst sowie die Übertragung im Rahmen einer Erbauseinandersetzung vom Anwendungsbereich des § 8c KStG, § 10a GewStG ausgenommen (vgl. BMF-Schreiben vom 4.7.2008, Tz. 4, BStBl. I 2008, 736). Im Rahmen der Nachfolgeplanung ist damit auch zu beachten, ob die Übertragung von Anteilen zu einem teilweisen bzw. vollständigen Untergang steuerlicher Verlustvorträge führt. Über diese Fragestellung hatte das Finanzgericht Münster zu entscheiden.

II. Sachverhalt

An der Klägerin, einer im Jahr 1972 gegründeten GmbH, waren V zu 2/3 und S1, einer der Söhne von V zu 1/3 beteiligt. Mit notarieller Urkunde vom 17. Dezember 2008 schenkte V seinem Sohn S1 einen weiteren Geschäftsanteil an der Klägerin in Höhe von ca. 55,2 %. S1 musste die Zuwendung im Rahmen der Erbauseinandersetzung nicht gemäß § 2050, 2052 BGB zur Ausgleichung bringen. Eine Anrechnung auf den Pflichtteil von S1 wurde vereinbart. Die Klägerin hatte körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge. Das Finanzamt setzte daraufhin die steuerlichen Verlustvorträge mit Hinweis auf § 8c KStG, § 10a Satz 10 GewStG mit 0,– EUR mit der Begründung fest, dass es sich bei der vorstehend beschriebenen Übertragung nicht um eine Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge handelte, weil es an einer Ausgleichsverpflichtung gemäß § 2050, 2052 BGB fehlte. Einen Antrag der Klägerin, von einer Anwendung des § 8c KStG aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO abzusehen, lehnte das Finanzamt ab. Gegen die Anwendung von § 8c KStG, § 10a GewStG und damit gegen den Untergang der Verlustvorträge richtete sich die Klage der Klägerin.

III. Entscheidungsgründe

Das Finanzgericht hatte zum einen zu entscheiden, ob § 8c KStG, § 10a GewStG auch für eine Übertragung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge Anwendung findet und zum anderen, ob die Klägerin Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 163 AO hat. Nach Ansicht des Finanzgerichts unterfallen alle rechtsgeschäftlichen entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragungen der Regelung des § 8c KStG und damit auch der Erwerb im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge. Auch für eine Billigkeitsregelung ist nach Ansicht des Gerichts kein Raum, da es an einer sachlichen Unbilligkeit fehle. Der im Rechtsstaatprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Vorbehalt des Gesetzes verbiete es zudem, dass die Finanzverwaltung eine allgemeine Billigkeitsmaßnahme für solche Fallgestaltungen erlasse, in denen die Besteuerung der Gesetzeslage ent- spreche und in denen es an einer sachlichen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Härte fehle. Vielmehr seien solche Härten nur durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben. Selbst wenn die Regelung im BMF-Schreiben zu § 8c KStG im Einklang mit dem Vor- behalt des Gesetzes stünde, also grundsätzlich rechtlich zulässig wäre, ist die im vorliegenden Fall von dem Finanzamt vertretene Auffassung, dass eine vorweggenommene Erbfolge nur dann vorliege, wenn im Schenkungsvertrag eine Anrechnungspflicht auf die spätere Erbschaft gemäß § 2050 BGB aufgenommen ist, vertretbar. Die Klage wurde folglich als unbegründet abgewiesen. Das Finanzgericht hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen.

IV. Praktische Bedeutung

Es gibt viele Beispiele, in denen die Finanzverwaltung im Rahmen einer allgemeinen  Billigkeitsregelung vom Wortlaut des Gesetzes abweicht, beispielsweise im Umwandlungssteuererlass zu § 22 Abs. 3 UmwStG bzw. im BMF-Schreiben zu § 50i EStG. Vorstehendes Urteil macht deutlich, dass es nicht genügt, wenn die Finanzverwaltung missglückte Gesetzesregelungen durch Billigkeitsregelungen im Erlasswege heilt. Vielmehr bedarf es einer gesetzlichen Korrektur zur Schaffung einer Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen. Bei Übertragung von verlustbehafteten Gesellschaften gilt, dass das Vorliegen einer vorweggenommenen Erbfolge und damit das Fortbestehen der Verlustvorträge nach dem Erlass der Finanzverwaltung durch eine verbindliche Auskunft abgesichert werden muss.