Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

Zulässigkeit von Auslandsbeurkundungen bei der Abtretung von Gmbh-Geschäftsanteilen

Dr. Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt

Die Abtretung eines GmbH- Geschäftsanteils kann im Ausland beurkundet werden, wenn die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist. Hieran hat sich nach Auffassung des OLG Düsseldorf auch durch die Aufwertung der Gesellschaftsliste durch das am 01.11.2008 in Kraft getretene MoMiG und die in diesem Zusammenhang neu geschaffene Pflicht des Notars, bei von ihm beurkundeten Anteilsabtretungen eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, nichts geändert.

Ein ausländischer Notar kann bei einer von ihm hiernach wirksam beurkundeten Abtretung eine diese Änderung der Geschäftsanteile berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen. Er genügt dabei der nach § 12 Abs. 2 HGB erforderlichen elektronischen Form, wenn er sich zur Einreichung der Liste eines deutschen Notars als Boten bedient.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Zur Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen bedarf es nach § 15 Abs. 3 GmbHG eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. Die dabei von einem deutschen Notar zu erhebenden Gebühren können – abhängig vom Geschäftswert –  bis zu 52.274,– € betragen. Demgegenüber können die Notariatsgebühren bei Beurkundung in der Schweiz verhandelt werden bzw. sind der Höhe nach auf einen deutlich geringeren Betrag begrenzt (bspw. auf 5.000,– SFR bei einer Beurkundung in Zürich). Auch vor diesem Hintergrund hatte sich in der Vergangenheit – insbesondere bei größeren Transaktionen – ein florierender „Beurkundungstourismus“ in der Schweiz entwickelt.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf befasst sich mit der Frage, inwieweit das Beurkundungserfordernis bei der Abtretung von GmbH-Gesellschaftsanteilen auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) durch Beurkundungen von ausländischen, insbesondere in der Schweiz ansässigen Notaren, noch erfüllt werden kann. Der Entscheidung lag eine Beschwerde gegen die Weigerung des Registergerichts in Düsseldorf zugrunde, eine von einem schweizerischen Notar angefertigte und durch einen deutschen Notar als Boten eingereichte Gesellschafterliste in das Handelsregister aufzunehmen.

Das Registergericht begründete die Ablehnung damit, dass die der eingereichten Liste zugrundeliegende Anteilsabtretung wegen der Beurkundung durch einen schweizerischen Notar nach neuem Recht formunwirksam sei. Nach Neufassung des GmbHG durch das MoMiG, könne eine gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG zu beurkundende Abtretung eines Geschäftsanteils nur von einem deutschen Notar erfolgen. Die Pflicht des an einer Abtretung beteiligten Notars, gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, stelle eine öffentlich-rechtliche Amtspflicht dar, deren Adressat nur ein inländischer Notar sein könne. Beurkundungen im Ausland habe der Gesetzgeber wegen der erhöhten Bedeutung der Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG ausschließen wollen.

Das OLG Düsseldorf folgt dieser Argumentation nicht. Vielmehr gab es der Beschwerde statt.

Entscheidungsgründe

Das OLG Düsseldorf erinnert zunächst daran, dass nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ein Rechtsgeschäft dann formgültig ist, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (sog. Geschäftsform oder Wirkungsstatut), oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (sog. Ortsform). Nach bisher ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Beurkundungsform des deutschen Rechts durch eine Auslandsbeurkundung dann erfüllt werden, wenn die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist (grundlegend BGH, NJW 1981, 1160). Von einer Gleichwertigkeit ist auszugehen, wenn die ausländische  Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten ist, welches den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Nach diesen Maßstäben sind Beurkundungen von Notaren in der Schweiz jedenfalls in Zürich-Altstadt (BGH, NJW 1991, 1160) und in Basel (OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764) den Beurkundungen, die von deutschen Notaren vorgenommen werden,  gleichwertig.

Das Gericht stellt zudem fest, dass sich die Unwirksamkeit der Auslandsbeurkundung nicht aus den durch das MoMiG eingeführten Änderungen des GmbHG herleiten lässt.

Durch das MoMiG wurde unter anderem § 16 GmbHG völlig neu gefasst. Nach Abs. 1 der Vorschrift gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter nur, „wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen  ist“.  Ferner  wurde  die  Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Gesellschaftsanteilen unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GmbHG geschaffen. Danach gilt der in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste drei Jahre unwidersprochen unrichtig als Gesellschafter Eingetragene gegenüber dem Erwerber als tatsächlicher Inhaber des Geschäftsanteils, sofern dem Erwerber eine mangelnde Berechtigung des Veräußerers weder bekannt noch in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Durch diese Änderungen wurde die Gesellschafterliste in ihrer Bedeutung erheblich aufgewertet. Zugleich wurde § 40 GmbHG neu geregelt. Nach Abs. 1 sind grundsätzlich die Geschäftsführer der Gesellschaft bei einem Wechsel im Gesellschafterkreis zur Einreichung einer aktualisierten Liste verpflichtet. Hat aber ein Notar an der Veränderung der Gesellschafterstellung mitgewirkt, so obliegt die Einreichung der Liste nicht der Geschäftsführung, sondern dem mitwirkenden Notar, § 40 Abs. 2 GmbHG.

Die Düsseldorfer Richter zeigen auf, dass – entgegen der vom Registergericht und von Teilen der Literatur (Wachter, ZNotP 2008, 378; Bayer, DNotZ 2009, 887; Braun, DNotZ 2009, 585) vertretenen und vom LG Frankfurt a.M. (NJW 2010, 683) in einem obiter dictum angedeuteten Auffassung – § 40 Abs. 2 GmbHG schon aus Gründen der Gesetzessystematik keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Beurkundung haben kann: § 40 Abs. 2 GmbHG betreffe nur die Mitteilungspflicht. Die Regelung zur Zuständigkeit für die Einreichung der Gesellschafterliste sei von der eigentlichen Beurkundung streng zu trennen. Dass ein ausländischer Notar nicht mitteilungspflichtig ist, ändere nichts dran, dass er wirksam beurkunden kann. Auch aus der gesteigerten Bedeutung der Gesellschafterliste könne nicht auf eine besondere Richtigkeitsgewähr geschlossen werden, die nur durch Einschaltung eines deutschen Notars zu erreichen ist. Die in § 40 Abs. 2 GmbHG dem mitwirkenden Notar auferlegte Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Liste sei im Wesentlichen aus pragmatischen Gesichtspunkten erfolgt, um das Verfahren zu vereinfachen. Gegen eine besondere – nur durch die Einschaltung eines deutschen Notars – zu gewährleistende Richtigkeitskontrolle spreche, dass den Notar nur eine begrenzte Prüfungspflicht trifft: Der Notar habe zwar die Veränderungen, an denen er mitgewirkt hat, in der Gesellschafterliste zutreffend abzubilden. Darüber hinaus habe er keine Prüfungspflicht, ob die Gesellschafterliste inhaltlich zutreffend ist. Er habe insbesondere die zuvor eingereichte Liste nicht inhaltlich auf rechtliche Wirksamkeit hin zu überprüfen. Im Übrigen knüpfe der in § 16 Abs. 3 GmbHG normierte Gutglaubensschutz allein an die Liste an, ungeachtet, ob diese im Fall des § 40 Abs. 2 GmbHG durch einen Notar oder aber in den Fällen des § 40 Abs. 1 GmbHG von einem Geschäftsführer erstellt worden ist. Bei einer Änderung der Geschäftsanteile bei Erbfällen, Anwachsung oder Einziehung hätten die – regelmäßig gesellschaftsrechtlich nicht geschulten – Geschäftsführer in eigener Kompetenz zu prüfen, ob eine neue Liste einzureichen ist. Die Gesellschafterliste unterliege auch in diesem Fall keiner inhaltlichen Prüfung durch das Registergericht, sondern werde – sofern die Formalien eingehalten sind – von diesem lediglich entgegengenommen und verwahrt. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Wertung könne die gleiche Beurteilung durch einen i.d.R. mit dem deutschen Gesellschaftsrecht deutlich vertrauteren schweizerischen Notar nicht zum Wegfall der Gleichwertigkeit der dortigen Beurkundung führen.

Schließlich sei Ziel des MoMiG die Stärkung der Rechtsform der GmbH im internationalen Wettbewerb gewesen. Die angestrebte internationale Offenheit zeige sich etwa auch darin, dass nach Änderung des § 4a GmbHG eine GmbH ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen kann. Dass durch das MoMiG angestrebte Ziel spreche aber dafür, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung nicht einschränken wollte. An dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, die Attraktivität der deutschen GmbH gegenüber vergleichbaren ausländischen Rechtsformen durch die GmbH-Reform zu steigern, würde es zuwiderlaufen, wenn künftig eine Beurkundung in der Schweiz nicht mehr möglich wäre. Insbesondere der damit verbundene Kostenvorteil sei auch bei ausländischen Investoren ein gewichtiges Argument für eine Beurkundung in der Schweiz anstatt vor einem deutschen Notar.

Schließlich stellt das OLG Düsseldorf fest, dass ein ausländischer Notar bei einer von ihm wirksam beurkundeten Abtretung eine diese Änderung der Geschäftsanteile berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen kann. Das Gericht räumt zwar ein, dass die in § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. normierte Verpflichtung des Notars zur Einreichung der Liste kraft Amtes eine öffentlich- rechtliche Pflicht des Notars darstellt. Diese Pflicht könne einem ausländischen Notar durch deutsche Gesetze nicht auferlegt werden. Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung würden sich indes Hinweise für die vom Registergericht vertretene Auffassung ergeben, dass der ausländische an der Beurkundung mitwirkende Notar zur Einreichung der Gesellschafterliste nicht berechtigt ist. In den Fällen, in denen das deutsche Recht eine ausländische Beurkundung als gleichwertig und damit wirksam anerkennt, könne dem betreffenden Notar nicht die Eignung zur Einreichung der Gesellschafterliste abgesprochen werden. Gegen eine Einreichungsberechtigung könne auch nicht angeführt werden, dass die betreffenden Dokumente nach § 12 Abs. 2 HGB in elektronischer Form einzureichen sind. Es sei nicht zu beanstanden, wenn sich der ausländische Notar eines deutschen Notars als Boten bedient, der wiederum das Dokument in elektronischer Form übermittelt. Denn dann liege das Dokument in der erforderlichen Form vor und könne ohne Weiteres in Zugriff genommen werden.

Weitere Hinweise

Die mit Inkrafttreten des MoMiG und insbesondere seit dem obiter dictum des LG Frankfurt bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Auslandsbeurkundungen ist durch den Beschluss des OLG Düsseldorf mit überzeugenden Argumenten deutlich reduziert worden. Eine der ständigen Rechtsprechung vor Inkrafttreten des MoMiG entsprechenden Sicherheit dürfte indes erst der BGH schaffen können. Bis dahin ist in der Praxis bei Auslandsbeurkundungen von Geschäftsanteilsabtretungen weiterhin Zurückhaltung geboten.