Einkommensteuergesetz

Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

Ringweise Anteilsveräußerungen und Anteilserwerbe zur Verlustnutzung im Gesellschafterkreis grundsätzlich kein Gestaltungsmissbrauch

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Die verlustbringende Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG an einen Mitgesellschafter ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO, weil der Veräußerer in engem zeitlichen Zusammenhang mit einem anderen Mitgesellschafter dessen in gleicher Höhe bestehenden Gesellschaftsanteil an derselben Gesellschaft erwirbt.

Problemstellung und praktische Bedeutung

In der Beratungspraxis stellt sich immer wieder das Problem, dass bei wesentlich beteiligten Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft Wertverluste bei den von ihnen gehalten Anteilen eintreten, z.B. auf Grund eines nachhaltigen oder aber einmaligen Verlusts auf Ebene der Kapitalgesellschaft. Dieser Verlust führt auf Ebene der Kapitalgesellschaft zwar zu einem Verlustvortrag, der grds. mit zukünftigen Erträgen verrechnet werden kann. Auf Gesellschafterebene spiegelt sich dieser Verlust in einem Wertverlust der Anteile wider. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie dieser Anteilswertverlust bei den wesentlich beteiligten Gesellschaftern steuerlich realisiert werden kann. Dabei ist anzumerken, dass eine wesentliche Beteiligung eines Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft einkommensteuerrechtlich bereits dann besteht, wenn der Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % an dieser Kapitalgesellschaft beteiligt ist.

Zum Sachverhalt

In dem Urteilssachverhalt hatten sich sechs Gesellschafter, die alle zu über 10 % beteiligt waren, im Jahr 2000 zu einer GmbH zusammengeschlossen. Diese GmbH hatte in den Jahren 2000 und 2001 fast ausschließlich in Aktien am Neuen Markt investiert. Auf Grund der negativen Börsenentwicklung wurden aus diesen Anlagen erhebliche Verluste erwirtschaftet. Vor diesem Hintergrund veräußerten die Gesellschafter der GmbH Ende 2001 ihre jeweiligen Beteiligungen reihum jeweils an ihre Mitgesellschafter zum Verkehrswert und erwarben ihrerseits wiederum zeitgleich von ihren Mitgesellschaftern Beteiligungen in der gleichen Höhe. Im Ergebnis der Transaktion waren alle Gesellschafter wieder im ursprünglichen Umfang an der GmbH beteiligt. Steuerlich betrachtet wurde von den Gesellschaftern ein später zu erwartender Veräußerungsverlust oder aber ein Verlust aus der Liquidation der Gesellschaft mit diesem Verkaufsvorgang vorgezogen.

Das Finanzamt hatte nach Abschluss der Betriebsprüfung den von den Gesellschaftern jeweils erklärten Veräußerungsverlust unter Hinweis auf einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO nicht anerkannt. Der Einspruch der Kläger sowie deren Klage beim Finanzgericht hatten keinen Erfolg. Das als Vorinstanz zuständige Finanzgericht Rheinland- Pfalz folgte mit seinem Urteil vom 05.02.2009, Az. 4 K 1078/05,  veröffentlicht in EFG 2010, S. 99 der Auffassung des Finanzamts. Der BFH hatte nun wie folgt entschieden:

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist die Veräußerung der Geschäftsanteile an der GmbH kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 42 S. 1 AO.

Nach der Auffassung des Gerichts stand es dem Kläger frei, ob, wann und an wen er seine Anteile an der GmbH veräußert. Dies gilt auch dann, wenn die Veräußerung, wie im Streitfall, zu einem Verlust geführt hat.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs war der gewählte Weg des Anteilsverkaufs zur Verlustnutzung und Berücksichtigung der vorhandenen steuerlichen Normen auch nicht ungewöhnlicher war als etwa der Weg einer Liquidation. Auch die Liquidation hätte nach § 17 Abs. 4 EStG zu einem solchen Verlust geführt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wirtschaftlich seine Anteile überhaupt nicht veräußern wollte oder durch die Anteilsveräußerung nur formal ein Rechtsträgerwechsel eintreten sollte, wurden nicht festgestellt. Auch der vom Kläger in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an der GmbH durchgeführte Erwerb von Anteilen im gleichen Umfang von einem Mitgesellschafter ist nicht rechtsmissbräuchlich. Der BFH weist darauf hin, dass es im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte, wenn Beteiligte zivilrechtlich mögliche (und damit steuerrechtlich grundsätzlich zulässige) Gestaltungen durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene tatsächlich und wirtschaftlich konterkarieren. Ein solcher Fall liegt aber nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht vor.

Ergänzende Hinweise

Der BFH hat in jüngster Zeit mehr- fach entschieden, dass eine gezielte steuerliche Realisierung wirtschaftlich entstandener Verluste kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. §42 AO ist. Hinzuweisen ist beispielsweise auf die Entscheidung im Urteil vom 25.08.2009 – IX R 60/07, BStBl 2009 Teil II, 999, siehe auch die Nachweise bei Korn/Strahl, KÖSDI 2010 S. 17193, 17194. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt wurden Wertpapiere, die innerhalb der damals noch gültigen Spekulationsfrist für Wertpapiere von einem Jahr mit Verlust veräußert wurden, am selben Tage in gleicher Art und Anzahl, aber zu unterschiedlichem Kurs wieder gekauft.

Im Falle eines solchen Hin- und Her- Verkaufs von Anteilen ist aber auch zu berücksichtigen, dass ein auf Ebene der Kapitalgesellschaft vorhandener Verlustvortrag nach den Bestimmungen des § 8c KStG (sogenannte Mantelkaufregelungen) ganz oder teilweise verloren gehen. Ob und in welcher Höhe ein solcher Verlustvortrag wegfällt ist davon abhängig, in welchem Umfang Beteiligungen untereinander verkauft werden. Die Tatsache, dass Anteile nur im bestehenden Gesellschafterkreis verkauft werden, ändert nichts an der Tatsache, dass der Verlustvortrag auf Ebene der Kapitalgesellschaft entfallen kann. Für einen schädlichen Beteiligungserwerb nach § 8c Abs. 1 KStG ist es vielmehr entscheidend, dass ein mehr als 25%iger bzw. mehr als 50%iger Anteilserwerb durch einen Erwerber, eine diesem nahestehende Person oder durch Personen, die einem sog. Erwerberkreis angehören, erfolgt. Im vorliegenden Fall ist von einem solchen Erwerberkreis auszugehen, da gleichgerichtete Interessen im Hinblick auf die Verwertung der Anteilswertverluste vorliegen. Ggf. gilt es zu prüfen, ob andere Ausnahmen vom Wegfall des Verlustvortrags greifen, z.B. die Konzernklausel oder aber eine Verschonungsregelung bei vorhandenen stillen Reserven. Auf Grund der Entscheidung der EU-Kommission ist allerdings die mit dem Bürgerentlastungsgesetz eingeführte allgemeine Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a EStG als unzulässige Beihilfe eingestuft worden und darf daher nicht mehr angewendet werden.