Einkommensteuer

Betriebsaufspaltung zwischen Mehrheitsaktionär und Aktiengesellschaft

Dr. Bertram Layer, Steuerberater

Die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung ist auch im Verhältnis zwischen einer Aktiengesellschaft und ihrem Mehrheitsaktionär grundsätzlich zu bejahen (Anschluss an das BFH-Urteil vom 28.01.1982, IV R 100/78, BFHE 135,330, BStBl II 1982, 479). Diese Grundsätze sind durch die zwischenzeitlichen Änderungen im Aktienrecht nicht überholt; sie sind auch auf börsennotierte Aktiengesellschaften anwendbar.

Problemstellung und praktische Bedeutung

Eine Betriebsaufspaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass eine ihrer Art nach nicht gewerbliche Betätigung in Gestalt einer Vermietung/Verpachtung von Wirtschaftsgütern durch eine sachliche und personelle Verflechtung zwischen dem Vermieter bzw. Verpächter (Besitzunternehmen) und einer gewerblichen Betriebsgesellschaft  (Betriebsunternehmen) zu einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 2 Abs. 1 GewStG wird.

Mit der Gewerblichkeit des Besitzunternehmens ist nicht nur eine Belastung mit Gewerbesteuer verbunden. Vielmehr sind damit auch die im Besitzunternehmen anwachsenden stillen Reserven im Falle einer Entnahme oder Veräußerung von Wirtschaftsgütern steuerverhaftet. Darüber hinaus führen die Vorschriften zur steuerlichen Gewinnermittlung zu einer gegenüber der Einnahmen- Überschussrechnung bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abweichenden Steuerfestsetzung. Als eine Folge der Betriebsaufspaltung werden die Anteile an der Betriebsgesellschaft dem Sonderbetriebsvermögen der Besitzgesellschaft zugeordnet, so dass bei einer isolierten Übertragung der Anteile, z.B. im Rahmen einer Schenkung, eine Aufdeckung stiller Reserven drohen kann. Andererseits können für das Besitzunternehmen grundsätzlich erbschaftsteuerliche Begünstigungen für Betriebsvermögen in Anspruch genommen werden.

Die sogenannte sachliche Verflechtung ist erfüllt, wenn das Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft eine ihrer wesentlichen Betriebsgrundlagen überlässt. Gebäude bzw. Gebäudeteile sind i.d.R. solche wesentlichen Betriebsgrundlagen. Auch Büro- und/ oder Verwaltungsgebäude sind nach der jüngeren BFH-Rechtsprechung wesentliche Betriebsgrundlagen, wenn sie für die Bedürfnisse der Betriebsgesellschaft hergerichtet oder gestaltet worden sind.

Im Rahmen der personellen Verflechtung als weitere Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung ist zu prüfen, ob die Betriebsgesellschaft und das Besitzunternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen werden. Am deutlichsten ist dies bei einer Beteiligungsidentität zwischen Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen. Aber auch dann, wenn eine Person oder Personengruppe sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen beherrschen kann, wird von einer solchen personellen Verflechtung ausgegangen.

Da bei einer Aktiengesellschaft der Vorstand für bestimmte Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, stellt sich die Frage, ob bei dieser Rechtsform überhaupt die zuvor beschriebene personelle Verflechtung in Gestalt eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens vorliegen kann. Zu dieser Frage hat der BFH mit diesem Urteil nun eindeutig Stellung genommen und seine frühere Rechtsprechung auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich geänderten aktienrechtlichen Bestimmungen bestätigt. Die Entscheidung ist von praktischer Relevanz für alle in der Rechtsform der AG geführten Familienunternehmen, aber auch für GmbH’s mit einem nach aktienrechtlichen Vorschriften gebildeten Beirat.

Zum Sachverhalt

Der Kläger hielt 71,18 % des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft und war zugleich Vorstandsvorsitzender. Der Vorstand bestand im Streitjahr zunächst aus 3, am Ende des Jahres dann nur noch aus 2 Mitgliedern. Der Kläger war einzelvertretungsberechtigt. Die anderen Vorstandsmitglieder waren jeweils nur gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen vertretungsberechtigt. Vorstandsbeschlüsse sollten nach Möglichkeit einstimmig gefasst werden. Konnte Einstimmigkeit nicht erzielt werden, entschied die einfache Stimmenmehrheit, wobei die Stimme des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit den Ausschlag gab. Bestimmte Rechtsgeschäfte bedurften nach der Geschäftsordnung für den Vorstand nur mit vorheriger ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats getätigt werden. Diese Klausel bezog sich auch auf den Abschluss eines Mietvertrages, wie er seit dem Sommer 2000 mit dem Kläger verhandelt wurde.

Die Verhandlungen des Klägers mit der AG betrafen die Anmietung von Büroflächen und Stellplätzen in einem Gebäude, das er auf einem ihm gehörenden Grundstück errichten ließ. Der Aufsichtsrat stimmte der Anmietung am 31.08.2001 mit einer Festmietzeit von drei Jahren bei einer monatlichen Nettomiete von zunächst 133.213,– DM, ab dem zweiten Jahr von 297.296,– DM sowie mit zwei Verlängerungsoptionen von fünf Jahren zu.

Seitens des Klägers wurden aus der Grundstücksvermietung zunächst negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Das Finanzamt ging hingegen von einer Betriebsaufspaltung zwischen dem Kläger und der AG aus und setzte im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung Einkünfte aus Gewerbetrieb an, die wegen der Einkünfteermittlung nach Bilanzierungsgrundsätzen zu einer höheren Steuerfestsetzung  führten.

Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Nach Auffassung des BFH sind bei dem vorstehend geschilderten Sachverhalt nicht nur die Voraussetzungen für die sachliche Verflechtung in Gestalt der Überlassung des Gebäudes, in dem sich die Hauptverwaltung der AG befindet, erfüllt. Vielmehr sind laut BFH, entgegen der Auffassung des Klägers, auch die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung erfüllt.

Zunächst bestätigt der Bundesfinanzhof in dem Urteil, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Betriebsaufspaltung verfassungsgemäß sind und begründet dies mit einer zulässigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Hinblick auf das für die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb im Besitzunternehmen erforderliche Merkmal der  „Beteiligung  am  allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“. Sodann bekräftigt der BFH die bereits in einem Urteil im Jahre 1982 dargelegte Rechtsauffassung, dass die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung „grundsätzlich in gleicher Weise für Betriebsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH wie der AG“ erfüllt ist, wenn diejenige Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrsche, auch über die Stimmenmehrheit bei der Betriebsgesellschaft verfüge. Nach Auffassung des BFH kann der Mehrheitsaktionär mittelbar über die personelle Zusammensetzung des Vorstands und damit über die Grundlinien der Geschäftspolitik der AG entscheiden. Der BFH weist darauf hin, dass in seinen früheren Entscheidungen eine personelle Verflechtung selbst dann bejaht wurde, wenn der Mehrheitsgesellschafter einer Betriebskapitalgesellschaft in allen Angelegenheiten, die das Grundstück und dessen Vermietung betreffen, der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung eines Minderheitsgesellschafters bedarf. Auch die Einbindung eines Aufsichtsrats in die Entscheidungsfindung ändert an dieser Beurteilung nichts, da die personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrats durch den Kläger kraft seiner Hauptversammlungsmehrheit bestimmt werden konnte. Der BFH befasst sich in dem Urteil auch mit den zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen im Aktienrecht, die nach seiner Auffassung an der grundsätzlichen Möglichkeit einer Beherrschung einer AG durch den Mehrheitsaktionär nichts verändert haben. Des Weiteren führt der BFH aus, dass es für die Annahme einer personellen Verflechtung auch keinen Unterschied darstellt, ob es sich um eine börsennotierte oder nicht börsennotierte Aktiengesellschaft handelt. Offen bleibt allerdings die Frage, ob diese Grundsätze auch bei einer der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden Aktiengesellschaft Anwendung finden können.

Auch wenn dieses Urteil die bereits im Jahre 1982 ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigt, so bringt sie doch im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen im Aktienrecht Rechtssicherheit bezüglich einer möglichen Annahme einer Betriebsaufspaltung zwischen einem Mehrheitsaktionär und einer Aktiengesellschaft. Mehr Rechtssicherheit dürfte mit dieser Entscheidung auch für den Fall geschaffen worden sein, dass das Betriebsunternehmen in der Rechtsform der GmbH geführt wird und bei der GmbH ein starker Beirat im Sinne der aktienrechtlichen Vorschriften eingerichtet wird.