Schenkungsteuergesetz

Eintritt des Besserungsfalls nach Verkauf eines „Besserungsscheins“ zum Verkehrswert ohne schenkungsteuerliche Folgen; Verhältnis von verdeckter Gewinnausschüttung und Schenkungsteuer

Andrea Seemann, Steuerberaterin

  1. Tritt nach dem Verkauf einer Forderung mit Besserungsschein zum Verkehrswert der Besserungsfall ein, verwandelt sich der Verkauf nicht in eine freigebige Zuwendung.
  1. Im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern oder zu den Gesellschaftern einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft gibt es neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine freigebigen  Zuwendungen.

 

Problemstellung

Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterliegen disquotale verdeckte Gewinnausschüttungen der Schenkungsteuerpflicht (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.03.2012, BStBl. I 2012, 331, Abschnitt 2.6.2). Nach dieser Finanzverwaltungsauffassung bergen verdeckte Gewinnausschüttungen neben den ertragsteuerlichen Folgen auch das Risiko einer schenkungsteuerlichen Belastung. So wäre z.B. bei einem überhöhten Geschäftsführergehalt oder dem verbilligten Verkauf von Vermögensgegenständen durch die Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter ein schenkung- steuerlicher Tatbestand erfüllt. Die Finanzverwaltung stützt diese Auffassung auf ein Urteil des BFH aus dem Jahr 2007, in dem das Gericht entschieden hatte, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person eines Gesellschafters keine Schenkung an die nahestehende Person darstellt (BFH Urteil vom 07.11.2007, Az. II R 28/06, DStR 2008, 346). Offen gelassen hatte der BFH aber die Frage, ob eine Schenkung der Kapitalgesellschaft an die nahestehende Person vorliegen kann. Der BFH hatte nun erneut Gelegenheit, sich mit dieser Fragestellung zu beschäftigen und hat diese Gelegenheit genutzt, der vorstehend dargestellten Auffassung der Finanzverwaltung zu widersprechen.

Ausgangsfall

Der Kläger war Mitgesellschafter einer GmbH (A-GmbH), die wiederum alleinige Aktionärin einer AG war. Zudem war er Mitgesellschafter einer weiteren GmbH (B-GmbH). Die B-GmbH erwirtschaftete Verluste. Sie erhielt Darlehen von der AG in Höhe von 2 Mio. `. Sodann wurden die Geschäftsanteile der B-GmbH für einen Kaufpreis von 0,– ` an die AG veräußert. Die AG veräußerte die Geschäftsanteile ihrerseits im folgenden Jahr für 1,– ` an die C-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger war. Kurz nach der Veräußerung sprach die AG im Jahr 2004 zur Vermeidung der bilanziellen Überschuldung der B-GmbH einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein der Gestalt aus, dass die Forderung der AG wieder aufleben sollte, soweit die Erfüllung aus einem künftigen Bilanzgewinn oder Liquidationsüberschuss der B-GmbH möglich sein würde, frühestens aber mit Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2007 und höchstens in Höhe von 1 Mio. ` jährlich. Diesen Besserungsschein verkaufte die AG mit Vertrag v. 15.12.2005 für einen Kaufpreis von 1,– ` an R. 2007 und 2008 trat der Besserungsfall ein und R wurden Beträge in Höhe von insgesamt ca. 2 Mio. ` gutgeschrieben. Das Finanz- amt sah hierin freigebige Zuwendungen der AG an R und unterwarf die Zahlungen der Jahre 2007 und 2008 der Schenkungsteuer. Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts. Mit seiner Revision vor dem Bundesfinanzhof war der Kläger erfolgreich.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellt zunächst für die Beur- teilung, ob eine freigebige Zuwendung vorliegt, auf den Zeitpunkt der Übertragung der Forderung an R ab. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung nicht werthaltig und der Veräußerungspreis in Höhe von 1,– ` angemessen. Der spätere Eintritt des Besserungsfalls ist daher ohne Bedeutung. Insbesondere wurde dadurch die Übertragung nicht rückwirkend in eine freigebige Zuwendung gewandelt. Der BFH führt zudem weiter aus, dass zwischen Kapitalgesellschaften und ihren (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschaftern neben den betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen möglich sind, aber keine freigebigen Zuwendungen i.S.d. §7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Im Ergebnis scheidet eine Schenkungsteuerpflicht für eine verdeckte Gewinnausschüttung damit sowohl zwischen Kapitalgesellschaft und dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter als auch zwischen Kapitalgesellschaft und dem mittelbar beteiligten Gesellschafter (nahe stehende Person) aus.

Weitere Hinweise

Der BFH hat sich somit sehr deutlich gegen die Auffassung der Finanzverwaltung gestellt und entschieden, dass verdeckte Gewinnausschüttungen an (unmittelbare und mittelbare) Gesellschafter nicht der Schenkungsteuerpflicht unterliegen, sondern lediglich ertragsteuerliche Folgen haben. Der BFH hat lediglich offengelassen, ob dies auch dann gilt, wenn die Zahlung an eine nahe stehende Person geleistet wird, die nicht mittelbar Gesellschafter ist. Ein Grund für eine unterschiedliche Betrachtung ist aber nicht ersichtlich. Eine andere Rechtsfolge kann sich aber durch die mit Wirkung zum 14.12.2011 zwischenzeitlich eingeführte Regelung des § 7 Abs. 8 ErbStG ergeben. Ausnahmsweise können nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG nicht fremdübliche Leitungen zwischen Kapitalgesellschaften mit unterschiedlicher Beteiligungsstruktur der Schenkungsteuer unterliegen.Weiterhin offen bleibt auch das Verhältnis zwischen Ertrag- und Schenkungsteuer in den Fällen, in denen beide Steuerarten zur Anwendung gelangen. Es wäre wünschenswert gewesen, dass sich der BFH auch zu dieser noch offenen Rechtsfrage positioniert. Bisher fehlt es diesbezüglich an einer eindeutigen Rechtsprechung. Teilweise hat der BFH eine Doppelbesteuerung für zulässig erachtet. In einem Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung aus dem Jahr 2011 (BFH, Beschluss vom 12.09.2011, VIII B 70/09, ZEV 2012, 58) zur Besteuerung eines unverzinslichen Darlehens räumte der BFH jedoch der Schenkungsteuer den Vorrang ein und lehnte eine Doppelbelastung mit Schenkung- und Ertragsteuer ab.

Schenkungssteuergesetz

Verzicht auf Mehrstimmrecht keine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung

Friedrich Acker,  Rechtsanwalt, Stuttgart

Verzichtet ein Gesellschafter einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht, liegt darin auch dann keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter der GmbH, wenn sich der Wert von deren Anteilen an der GmbH dadurch erhöht.

I. Problemstellung und deren praktische Bedeutung

In der Vermögens- und Unternehmensnachfolge stellen Mehrstimmrechte ein häufiger genutztes Gestaltungsinstrument dar. Mehrstimmrechte werden z.B. vereinbart, wenn der Übergeber bereit ist Substanz und Erträge von Gesellschaftsanteilen zu übertragen, sich aber den Einfluss auf die Gesellschaft noch vorbehalten möchte. Mehrstimmrechte gewähren einem Gesellschafter, meist dem Übergeber, unabhängig vom Nennbetrag seiner Anteile so viele Stimmen, dass ihm z.B. mindestens 51 % oder ein höheres Stimmquorum und den anderen verbleibenden Gesellschaftern insgesamt 49 % oder ein niedrigeres Stimmquorum zur Verfügung stehen.

Häufig sind Mehrstimmrechte in vermögensverwaltenden Gesellschaften vorzufinden, deren Ziel darin besteht, die Familie aus schenkungsteuerlichen Überlegungen frühzeitig am Vermögen und den Erträgen zu beteiligen, ohne ihr Einfluss auf die Gesellschaft zu gewähren.

Während Mehrstimmrechte in der Aktiengesellschaft verboten sind (§ 12 Abs. 2 AktG), sind diese in der GmbH allgemein anerkannt (Baumbach, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 47 Rn. 68; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 47 Rn. 5.). Das Stimmrecht kann in der Satzung der GmbH für bestimmte Gesellschafter oder Geschäftsanteile ausgeschlossen, beschränkt oder erhöht werden. Das Mehrstimmrecht kann an die Person des Gesellschafters oder an den Geschäftsanteil  geknüpft werden.

Bei einem Einsatz von Mehrstimmrechten sind zum einen die damit verbundenen psychologischen Auswirkungen auf die betroffenen Gesellschafter zu berücksichtigen, die in der Gesellschaft letztlich keinen nachhaltigen Einfluss ausüben können. Demgemäß ist zu empfehlen, von Mehrstimmrechten nur sehr zurückhaltend und sorgsam Gebrauch zu machen.

Das hier dargestellte Urteil zeigt aber auch, dass die mit dem Mehrstimmrecht verbundenen steuerlichen Konsequenzen im Auge behalten werden müssen.

II. Zum Sachverhalt

Der Vater der Kläger (V) gründete gemeinsam mit einem Dritten (D) im Jahre 1984 eine GmbH an der er mit 97 % beteiligt war. Im Jahre 1993 wurde im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Gesellschaftsvertrag der GmbH dahingehend geändert, dass die von V gehaltenen Geschäftsanteile an der GmbH, unabhängig von ihrem Nennbetrag, so viele Stimmen gewähren, dass ihm mindesten 51 % der Stimmen zustehen, während den anderen Gesellschaftern die restlichen 49 % zustehen. Diese Regelung sollte solange gelten, wie V Gesellschafter der GmbH ist. Im Jahre 1994 übertrug V seinen drei Söhnen (Kläger) je 24 % seiner Geschäftsanteile, sodass er noch mit 25 % an der GmbH beteiligt war. Da die geschenkten Anteile keinen Einfluss auf die Geschäftsführung vermittelten, wurde bei der Festsetzung der Schenkungsteuer, der nach den damals gültigen Erbschaftsteuerrichtlinien ermittelte gemeine Wert der Anteile um einen Abschlag von 10 % gekürzt. Im Oktober 2000 erwarben die Kläger je 1 % Geschäftsanteile von den Erben des D, sodass sie, wie V, mit je 25 % an der Gesellschaft beteiligt waren. Im Dezember 2000 wurde das Stamm- kapital der GmbH erhöht. Zugleich entfiel im Rahmen der Änderung der Satzung das Mehrheitsstimmrecht des V.

Das beklagte Finanzamt (FA) sah im Verzicht auf das Mehrstimmrecht eine steuerpflichtige Zuwendung des V an seine Söhne (Kläger). Der Wert der Anteile der Söhne habe sich dadurch erhöht, dass kein Abschlag wegen fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung mehr vorzunehmen sei. Das FA setzte demgemäß gegen die Söhne (Kläger) Schenkungsteuer fest, weil es im Verzicht des V auf das Mehrstimmrecht eine freigebige Zuwendung des V an die Klägerin sah. Die Einsprüche der Kläger gegen die Schenkungsteuerbescheide blieben erfolglos. Das Finanzgericht Baden Württemberg (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, es läge keine freigebige Zuwendung vor. Die Revision beim BFH hat die Auffassung des FG bestätigt.

III. Entscheidungsgründe

In der Urteilsbegründung legt der BFH zunächst dar, dass der Schenkungsteuer als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unterliegt, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Erforderlich ist demgemäß:

  1. Eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf Seiten des Schenkers, vorliegend V, und eine Vermögensmehrung auf Seiten der Beschenkten, vorliegend der Kläger.
  1. Die Vermögensverschiebung muss sich auf die Vermögenssubstanz beziehen, nämlich auf den Zugang aktiver Wirtschaftsgüter oder Wegfall negativer Vermögenswerte, wie z.B.

Eine bloße Werterhöhung des Vermögens bei den Klägern würde ebensowenig wie die bloße Wertminderung des Vermögens des V zu einem Schenkungsteuertatbestand  führen.

Der BFH weist darauf hin, dass sich auch aus dem Institut der mittelbaren Schenkung nichts anderes ergibt. Auch dort wird eine Vermögensverschiebung zwischen Schenker und Beschenktem gefordert, wobei der Entreicherungsgegenstand und der Bereicherungsgegenstand nicht identisch sein müssen. Wendet z.B. der Schenker einen Geldbetrag mit der Auflage an den Beschenkten zu, eine bestimmte Immobilie zu erwerben, ist mittelbar die Immobilie geschenkt. Der Entreicherungsgegenstand beim Schenker ist der hingegebene Geldbetrag, der Bereicherungsgegenstand beim Beschenkten ist die Immobilie.

Der Verzicht auf das Mehrstimmrecht durch V stellt demnach nach Auffassung des Gerichts keine freigebige Zuwendung dar, weil es an einer substanziellen Vermögensverschiebung zwischen V und dem Kläger fehlt. Das Mehrstimmrecht des V stellt demnach keinen  Vermögensgegenstand dar, sondern lediglich eine an die Person des V gebundene unselbstständige Ausgestaltung des Stimmrechts von V in der Gesellschafterversammlung der GmbH ohne Bezug auf das Vermögen des V. Dadurch, so der BFH, unterscheidet sich das Mehrstimmrecht von selbstständigen Rechtspositionen wie etwa Geldforderungen, Nießbrauchrechten etc. Dem Mehrstimmrecht des V komme jedenfalls kein Vermögensbezug zu, sodass es an einer Vermögensverschiebung fehle. Denn das früher dem V zustehende Mehrstimmrecht erhöhte nach Auffassung des BFH den Wert seiner Beteiligung nicht.

In diesem Zusammenhang verweist der BFH in der Urteilsbegründung auf die Vorschriften zur Ermittlung des Verkehrswerts in § 9 Abs. 2 BewG. Nach § 9 Abs. 2 S. 2 dürfen bei der Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht berücksichtigt werden. Da es sich bei dem Mehrstimmrecht des V um einen persönlichen Umstand handelt, darf sich dieser nach der genannten Vorschrift nicht auf den Wert der Beteiligung auswirken. Die Folge daraus ist, dass sich der Verkehrswert oder gemeine Wert des Vermögens des V durch den Verzicht auf das Mehrstimmrecht steuerlich nicht auswirkt. Damit wäre nach Auffassung des Gerichts auch für den Fall keine Schenkung anzunehmen, dass eine bloße Änderung des Werts des Vermögens des Schenkers und des Bedachten zu einer steuerpflichtigen Schenkung führen würde.

IV. Weitere Hinweise

Die Entscheidung des BFH bezog sich auf ein Mehrstimmrecht, das an die Person von V geknüpft war. Wäre das Mehrstimmrecht sachlich an einen Geschäftsanteil geknüpft gewesen, läge jedenfalls anders als bei der Anknüpfung an die Person des V ein sachlicher Bezug zum Vermögen des V vor. Dennoch dürfte es aber gleichwohl an dem vom BFH für eine schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendung geforderten Zugang aktiver Wirtschaftsgüter fehlen, da das Mehrstimmrecht keinen gesonderten Vermögensgegenstand darstellt. Die Entscheidung des BFH erfolgte nach alter Rechtslage. Der BFH hatte daher den durch Gesetz vom 07.12.2011 eingeführten § 7 Abs. 8 ErbStG bei seiner Entscheidung nicht zu berücksichtigen, da dieser gemäß § 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG nur auf Erwerbe Anwendung findet, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht.

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesell- schaft, die eine an der Kapitalge- sellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erhält. Demgemäß ist die Frage aufzuwerfen, ob der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht als eine Schenkung i.S. des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG gilt. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG setzt die Leistung an die Gesellschaft voraus, die zu einer Werterhöhung der Anteile natürlicher Gesellschafter oder Stiftungen führt.

Die Aufgabe eines Mehrstimmrechts stellt von vornherein keine Leistung an die Gesellschaft dar, sodass bereits insoweit § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG nicht erfüllt ist. Das Gesellschaftsvermögen wird durch die Gesellschaftervereinbarung nicht berührt.

Vielmehr ist das Stimmrecht nach dem hier dargestellten Urteil des BFH ein unselbstständiger Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters, über das nicht getrennt verfügt werden kann (Siehe hierzu auch die Anmerkungen von Wach- ter zum BFH Urteil vom 30.01.2013, ZEV 2013, 349 (352)). Demgemäß ist davon auszugehen, dass der Verzicht auf ein persönliches Mehrstimmrecht auch nicht gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG der Schenkungsbesteuerung unterliegt.

Allerdings verdeutlicht die Entscheidung auch die Bedeutung des § 9 Abs. 2 BewG, der verfassungsrechtlich als nicht unproblematisch angesehen wird (So zutreffend der Hinweis von Wachter in den o.g. Anmerkungen zu dem hier diskutierten BFH-Ur- teil, ZEV 2013, 349 (352)). Denn es entspricht keinesfalls der Bewertungspraxis, dass Anteile mit oder ohne Stimmrechtsbeschränkungen oder mit Mehrstimmrechten nicht in ihrem Wert tangiert werden. Man betrachte nur den Bewertungsunterschied zwischen Stamm- und Vorzugsaktien. Für Familienunternehmen hat die Bewertungsvorschrift des § 9 Abs. 2 BewG auch noch an anderer Stelle Bedeutung, wenn es beispielsweise um die Berücksichtigung von Verfügungsbeschränkungen oder aber um Abfindungsbeschränkungen bei der Wertermittlung für Anteile geht. Auch diese Einschränkungen dürfen bei der Bewertung der Anteile für Zwecke der Schenkungsteuer nicht berücksichtigt werden, was unter dem Aspekt der vom BVerfG geforderten realitätsnahen Bewertung kritisch zu sehen ist.

Kündigungsschutzgesetz

Kleinbetriebsklausel – Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern

Dr.  Wolfram Sitzenfrei, Rechtsanwalt

Bei der Bestimmung der Betriebsgröße i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf  beruht.

I. Problemstellung und praktische Bedeutung

Da § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf die „in der Regel“ im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abstellt, kommt es für die Betriebsgröße nicht auf die zufällige tatsächliche Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Maßgebend ist die Beschäftigungslage, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es deshalb eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung; Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen.

Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hängt unter anderem von der Betriebsgröße ab. Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zieht einige zu beachtende Aspekte nach sich. Insbesondere ist für eine Kündigung eine soziale Rechtfertigung erforderlich.

Hinsichtlich der Bestimmung der Betriebsgröße gibt es einige Streitfragen. Einer der wesentlichen, bisher streitigen Fragen ist es, ob bei der Bestimmung der Betriebsgröße Leiharbeitnehmer Berücksichtigung finden.

Es hat bisher sowohl in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung, als auch im Schrifttum der deutlich überwiegenden Auffassung entsprochen, dass Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße nicht zu berücksichtigen sind. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass Leiharbeitnehmer nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen. Darüber hinaus werden Leiharbeitnehmer beim Verleihunternehmen, zu dem ein Arbeitsverhältnis besteht, zur Bestimmung der Betriebsgröße berücksichtigt.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der genannten Entscheidung gegen die instanzgerichtliche Rechtsprechung und gegen die überwiegende Auffassung des Schrifttums gestellt und entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße hinzuzuzählen sind.

II. Zum Sachverhalt

Der Kläger war als Hilfskraft bei der Beklagten beschäftigt; das Arbeitsverhältnis wurde nach etwas mehr als dreijähriger Dauer von der Beklagten ordentlich gekündigt. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hat der Kläger vorgebracht, dass die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Hierzu hat er insbesondere auf die bei der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer verwiesen, die nach seiner Auffassung wie eigene Arbeitnehmer im Betrieb eingesetzt würden. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass ohne die Leiharbeitnehmer weniger als zehn Mitarbeiter im Betrieb tätig seien. Für die Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kam es daher darauf an, ob Leiharbeitnehmer für die Bestimmung der Betriebsgröße hinzuzurechnen sind.

III. Entscheidungsgründe und weitere Hinweise

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei der Bestimmung der Betriebsgröße die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer mit zu berücksichtigen sind. Weitere Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit von Leiharbeitnehmern ist dabei, dass ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht. Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG keinen eindeutigen Aufschluss darüber gebe, ob für die Berücksichtigungsfähigkeit der Mitarbeiter ein Arbeitsverhältnis erforderlich sei, oder ob Leiharbeitnehmer – bei denen zum Entleihbetrieb kein Arbeitsverhältnis bestehen würde – dennoch mitzuzählen seien. Auch die Gesetzessystematik und der Regelungszusammenhang würden keinen Aufschluss geben, wie die Frage zu entscheiden sei. Ferner lasse die Entstehungsgeschichte zur vorliegenden Frage keine hinreichenden Schlüsse zu. Die aus seiner Sicht zutreffende Lesart nimmt das Bundesarbeitsgericht aus dem Regelungszweck des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG. Die Benachteiligung von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben bedürfe der verfassungsrechtlichen Legitimation. Der Grund für die Privilegierung von Kleinbetrieben soll darin liegen, dass Kleinbetriebe regelmäßig „eine geringere Finanzausstattung aufweisen, die sie häufig außer Stande setzt, Abfindungen bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen oder weniger leistungsfähiges, weniger benötigtes oder auch nur weniger genehmes Personal mitzutragen und dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen belastet“. Diese Argumentation zu Grunde gelegt, mache es keinen Unterschied, ob Arbeitsplätze mit eigenen oder mit Leiharbeitnehmern besetzt sind. Daher seien unter bestimmten Voraussetzungen auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.

Hieraus leitet das Bundesarbeitsgericht eine weitere Differenzierung ab, der zu Folge Leiharbeitnehmer nicht in allen, sondern nur in bestimmten Fällen mit zu berücksichtigen sind. Leiharbeitnehmer sind dann mitzuzählen, wenn ihre Beschäftigung dem „Regelzustand“ des Betriebes entspricht, also wenn dauerhaft bestehende Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzt sind. Leiharbeitnehmer sind dagegen nicht mitzuzählen, wenn sie zur Vertretung von Stammarbeitnehmern beschäftigt sind. Ebenso wenig zählen sie mit, wenn sie zur Bewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich damit gegen die Instanzenrechtsprechung und gegen die überwiegende Auffassung in der Literatur gestellt. Dabei ist es bemerkenswert, dass sich das Bundesarbeitsgericht recht einfach über die Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und Leiharbeitnehmern hinweg setzt. Immerhin zeichnet das Bundesarbeitsgericht ein differenziertes Bild dazu, unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße zu berücksichtigen sind. Es ist damit keineswegs so, dass in jedem Fall Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden müssen; vielmehr muss jeder Arbeitsplatz danach bewertet werden, ob es ein Dauerarbeitsplatz ist, ob nur eine Vertretung erfolgt, oder ob nur ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf besteht. Für Argumentationen im Einzelfall bleibt damit in erheblichem Umfang Raum. Das Bundesarbeitsgericht hat damit einige Aspekte, die ähnlich auch bei anderen Wertungsfällen wie ruhenden Arbeitsverhältnissen, vorübergehenden Arbeitsverhältnissen, befristeten Arbeitsverhältnissen oder Langzeiterkrankten Berücksichtigung finden, aufgenommen.

Darüber hinaus ist die Entscheidung deshalb interessant, weil einige weitere Gesetze ähnliche oder vergleichbare Regelungen aufweisen. Beispielsweise regelt § 1 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz , dass in Unternehmen, die „in der Regel mehr als 2.0 Arbeitnehmer beschäftigen“ die Mitarbeiter ein Mitbestimmungsrecht. Hierzu gibt es regelmäßige Abgrenzungsschwierigkeiten dazu, wie die Unternehmungsgröße zu bestimmen ist. Dies betrifft auch die Frage, ob Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind (vgl. dazu etwa Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Auflage 2013, § 3 MitbestG RZ. 34 ff.). Es ist dabei zweifelhaft, ob die vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes Hinweise dafür geben kann, wie vergleichbare Fragen hinsichtlich anderer Gesetze zu entscheiden sind. Denn das Bundesarbeitsgericht hat sich sehr spezifisch mit dem Sinn und dem Zweck der Kleinbetriebsklausel auseinandergesetzt, und dabei eine grundrechtsorientierte Argumen- tation vorgenommen. Diese Argumentation dürfte kaum auf andere Gesetze übertragbar sein, sodass die Beantwortung dortiger Fragen hinsichtlich der Bestimmung der Betriebs- und Unternehmensgröße originär aus diesen Gesetzen heraus zu erfolgen haben wird.

Einkommensteuergesetz

Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 35 EStG; Nießbrauch an einem Mitunternehmeranteil und Gewerbesteueranrechnung

Andrea Seemann, Steuerberaterin

Seit der Unternehmensteuerreform 2008 ist die Gewerbesteuer nicht mehr als Betriebsausgabe abzugsfähig. Die Möglichkeit der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer gemäß § 35 EStG hat dadurch erheblich an Bedeutung gewonnen.

Praktische Bedeutung

Um die Doppelbelastung von gewerblichen Einkünften mit Gewerbesteuer und Einkommensteuer zumindest abzumildern, kann die Gewerbesteuer gemäß § 35 EStG teilweise auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 war das 1,8-fache des Gewerbesteuer-Messbetrags auf die Einkommensteuer anrechenbar. Dieser Faktor wurde ab dem Veranlagungszeitraum 2008 im Rahmen der Unternehmensteuerreform auf das 3,8-fache angehoben. Die in § 35 EStG normierten Regelungen zur Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer sind aufgrund ihrer Typisierung mit einigen Fallstricken behaftet. So soll u.a.  der Gewerbesteuer- Messbetrag einer Personengesellschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels aufgeteilt werden. Vorabgewinnanteile sind ebenso wenig zu berücksichtigen wie Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben. Dies kann zum überraschenden Ergebnis führen, dass sich ein Großteil des Gewerbesteueranrechnungsvolumens tatsächlich nicht auswirkt. Vermietet bspw. ein nur zu 10 % beteiligter Kommanditist das Betriebsgrundstück an die Personengesellschaft, sind die Vermietungseinkünfte gewerbesteuerpflichtige Sonderbetriebseinnahmen. Die Gewerbesteuer der Gesellschaft, also auch die Gewerbesteuer auf die Mieteinkünfte, kann dieser Kommanditist aber nur nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel, also nur i.H.v. 10 %, auf seine Einkommensteuer anrechnen. Dadurch erhöht sich seine Steuerbelastung auf die Mieteinkünfte erheblich. Der Frage der Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer kommt folglich eine wesentliche Bedeutung zu.

Ist ein Gesellschaftsanteil mit einem Nießbrauch belastet, so z.B. wenn im Rahmen der Nachfolge der Gesellschaftsanteil unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen wurde, sind die Einkünfte regelmäßig auch vom Nießbraucher zu versteuern. Im Hinblick auf die Handhabung der Gewerbesteueranrechnung fehlte es für diesen Fall bisher an einer eindeutigen Regelung. Die Finanzverwaltung hat sich mit BMF-Schreiben vom 18.01.2013 nun zu dieser Frage geäußert.

Regelung des BMF-Schreibens vom 18.01.2013

Ist ein Mitunternehmeranteil mit einem Nießbrauch belastet, ist dies für die Gewerbesteueranrechnung nach Maßgabe des neuen BMF-Schreibens nicht nachteilig. Vielmehr folgt auf einer ersten Stufe die vorab beschriebene Aufteilung des Gewerbesteuer- Messbetrags nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel der Personengesellschaft. Das nach dieser Verteilung dem Gesellschafter zustehende Anrechnungsvolumen ist sodann auf einer zweiten Stufe entsprechend der Verteilung des Gewinns zwischen Gesellschafter und Nießbraucher erneut aufzuteilen. Soweit der Gewinnanteil vom Gesellschafter zu versteuern ist, ist diesem auch quotal der anteilige Gewerbesteuer- Messbetrag zuzurechnen. Soweit der Gewinnanteil vom Nießbraucher zu versteuern ist, ist diesem der anteilige Gewerbesteuer-Messbetrag zuzurechnen.

Ausblick

Der Nießbraucher wird steuerlich einem Gesellschafter gleichgestellt, wenn der Nießbrauch unternehmerisch ausgestaltet ist, also der Nießbraucher zumindest bei den laufenden Geschäften ein Stimmrecht hat. Es ist folglich nur konsequent, dem Nießbraucher die Anrechnung der Gewerbesteuer entsprechend seinem Gewinnanteil zu gewähren. Die Klarstellung dieser Frage seitens der Finanzverwaltung ist daher zu begrüßen. Die Aussage der Finanzverwaltung muss zudem ebenso im Falle einer atypisch stillen Unterbeteiligung  gelten.