BFH, Urteil vom 12.10.2011, I R 33 / 10

 

Tatbestand

I.
Streitpunkt ist, ob der Inhaber im Betriebsvermögen gehaltener sog.
einbringungsgeborener Anteile an einer Kapitalgesellschaft einen Entnahmegewinn
versteuern muss, wenn er die Anteile unentgeltlich auf Dritte überträgt.

Die
Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr
2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war ursprünglich
Alleingesellschafter der S-GmbH. Die GmbH-Anteile sind in den 1970er Jahren
gegen Einbringung des vormaligen Einzelunternehmens des Klägers zu Buchwerten
entstanden. Außerdem ist der Kläger Eigentümer eines Grundstücks, das er an die
S-GmbH verpachtet hat; es liegt eine Betriebsaufspaltung vor.

Im
Mai 2002 übertrug der Kläger der Klägerin unentgeltlich 15 % der Anteile an der
S-GmbH; dem leitenden Mitarbeiter D übertrug er weitere 2,5 % der Anteile.

Der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) unterwarf im Rahmen eines Änderungsbescheids
zur Einkommensteuer für das Streitjahr die Differenz zwischen dem Teilwert und
dem Buchwert der übertragenen Anteile (719.794 €) der Besteuerung als
Entnahmegewinn des Klägers und bezog sich dafür auf das Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 1998 (BStBl I 1998, 268, Tz.
21.12). Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) Düsseldorf
hat den Änderungsbescheid aufgehoben. Sein Urteil vom 11. November 2009 15
K 4209/08 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 458
abgedruckt.

Gegen
das FG-Urteil richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte
Revision des FA.

Das
FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die
Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.
Die Revision ist im Ergebnis begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr.
2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung. Die Vorinstanz hat zwar zu Recht angenommen, dass durch die
unentgeltliche Übertragung von Geschäftsanteilen der S-GmbH auf die Klägerin
kein steuerbarer Entnahmegewinn des Klägers entstanden ist. Im Hinblick auf die
Übertragung auf D bedarf es jedoch weiterer tatrichterlicher Feststellungen
dazu, ob es sich um eine schenkweise Übertragung oder um die Leistung von
Arbeitslohn gehandelt hat.

1.
Die Anteilsübertragung auf die Klägerin führt nicht zur Besteuerung eines
Entnahmegewinns des Klägers.

a)
Allerdings befanden sich die an die Klägerin übertragenen Geschäftsanteile vor
der Übertragung im Betriebsvermögen des Klägers, der im Rahmen der
Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmer fungierte. Das ist zwischen den
Beteiligten nicht im Streit und bedarf keiner weiteren Erörterung.

b)
Des Weiteren stellt die schenkweise Übertragung der Geschäftsanteile auf die Klägerin
begrifflich eine Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) dar. Denn dadurch hat der Kläger die Geschäftsanteile
aus dem bisherigen betrieblichen Zusammenhang gelöst und in das Privatvermögen
der Klägerin überführt.

c)
Jedoch bewirkt die Entnahme nicht, dass der Kläger nach Maßgabe von § 4 Abs. 1
i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 den Differenzbetrag zwischen den
Anschaffungskosten der Geschäftsanteile und deren Teilwert zum
Entnahmezeitpunkt als Entnahmegewinn zu versteuern hätte; vielmehr bleibt es
bei dem Ansatz mit den Anschaffungskosten. Denn die Entnahmeregeln des
Einkommensteuergesetzes sind auf die Geschäftsanteile der S-GmbH nicht
anzuwenden, weil es sich bei diesen um einbringungsgeborene Anteile i.S. von §
21 Abs. 1 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 2002) handelt, für die
die besonderen Gewinnrealisierungsregeln des § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002
gelten.

aa)
Gemäß der Legaldefinition des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 sind
einbringungsgeborene Anteile solche Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die
der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Rechtsvorgänger durch eine
Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 bis 4 UmwStG 2002) unter dem Teilwert
erworben hat. Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden und von den
Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des FG hatte der Kläger
die Anteile an der S-GmbH durch eine Sacheinlage gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1
UmwStG 2002 erworben. Die Anteile unterliegen folglich –was die Besteuerung
des Anteilseigners betrifft– dem Regime des § 21 UmwStG 2002.

bb)
Wie auch das FA nicht in Abrede stellt, unterfällt die Entnahme aus dem
Betriebsvermögen keinem der in § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002 geregelten
Realisierungstatbestände. Insbesondere ist die schenkweise Übertragung der
einbringungsgeborenen Anteile auf Dritte keine „Veräußerung“ i.S. von
§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002; denn diese setzt eine entgeltliche Übertragung
voraus (allg. Auffassung, z.B. Senatsurteil vom 8. April 1992 I R 128/88, BFHE
167, 424, BStBl II 1992, 761; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht,
Anhang 15, § 21 UmwStG 1995 Rz 178). Nach dem gesetzlichen Konzept wird die
Besteuerung der in den einbringungsgeborenen Anteilen enthaltenen stillen
Reserven im Falle des unentgeltlichen Erwerbs vielmehr dadurch gesichert, dass
gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 die Anteile auch in der Hand des Erwerbers
noch dem Regime des § 21 UmwStG 2002 unterliegen und damit –unabhängig davon,
ob sie in einem Betriebsvermögen oder im Privatvermögen gehalten werden–
jedenfalls steuerverhaftet bleiben.

cc)
Die Entstrickungstatbestände für einbringungsgeborene Anteile sind in § 21
UmwStG 2002 abschließend geregelt (vgl. Senatsurteil vom 21. August 1996 I R
75/95, BFH/NV 1997, 314). Es ist daneben kein Raum für die Anwendung des
allgemeinen Realisationstatbestands der Entnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1
EStG 2002 (ebenso Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 16. Juni 1978,
BStBl I 1978, 235, Tz. 57; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., Anhang 15, § 21
UmwStG 1995 Rz 524 ff.; Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, §
21 UmwStG [vor SEStEG] Rz 90; Haritz in Haritz/ Menner,
Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., Anh. § 21 aF Rz 78 ff.; Rabback in Rödder/Herlinghaus/van
Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 27 Rz 98; Merkert in Bordewin/Brandt,
Einkommensteuergesetz, § 21 UmwStG Rz 71; Knepel, Einbringungsgeborene Anteile
nach Inkrafttreten des SEStEG, 2010, S. 180 ff.; Dehmer,
Umwandlungssteuererlass 1998, S. 453 f.). Das gilt jedenfalls insoweit, als –wie
im Streitfall– der Buchwert der Anteile zum Entnahmezeitpunkt die nach Maßgabe
von § 20 Abs. 4 UmwStG 2002 anzusetzenden Anschaffungskosten nicht
unterschreitet.

Soweit
die Finanzverwaltung demgegenüber mittlerweile annimmt, die Entnahme
einbringungsgeborener Anteile aus dem Betriebsvermögen führe trotz weiter
bestehender Steuerverstrickung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zu einer
zwischenzeitlichen Aufdeckung der stillen Reserven gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz
1 EStG 2002 (BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. 21.12; zustimmend Wacker,
Betriebs-Berater 1998, Beilage Nr. 8, S. 9 f.; Nitzschke in Blümich,
Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 21
UmwStG 1995 Rz 32), folgt der Senat dem nicht.

aaa)
Nach dem Konzept des § 21 UmwStG 2002 wird der Gefahr des Verlusts des
Steuerzugriffs auf die im eingebrachten Betriebsvermögen ruhenden stillen
Reserven nach einer Sacheinlage dadurch entgegengewirkt, dass diese stillen
Reserven nunmehr auf die für die Einlage erhaltenen Geschäftsanteile verlagert
werden, indem diese unabhängig davon steuerverstrickt sind, ob sie dem
Privatvermögen oder einem Betriebsvermögen des Anteilsinhabers zuzuordnen sind.
Die Steuerverstrickung wirkt dabei in Abkehr vom einkommensteuerrechtlichen
Steuersubjektprinzip gleichsam „dinglich“, insofern sie gemäß § 21
Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 bei einer unentgeltlichen Übertragung auf einen
Dritten bestehen bleibt und sich bei einer nachfolgenden Veräußerung oder dem
Eintritt eines der Ersatzrealisierungstatbestände des § 21 Abs. 2 UmwStG 2002
steuerlich zu Lasten des Erwerbers auswirkt. Auch insoweit hat der Gesetzgeber
keinen Anlass gesehen, zwischen den Folgen der unentgeltlichen Übertragung in
ein Privatvermögen und der in ein Betriebsvermögen zu unterscheiden. In allen Fällen
soll auf die stillen Reserven erst im Falle eines Umsatzakts bzw. bei Eintritt
eines der gesetzlich festgelegten Ersatzrealisierungstatbestände zugegriffen
werden können.

bbb)
Mit diesem Konzept ist die Annahme nicht zu vereinbaren, auch in der
unentgeltlichen Übertragung von einbringungsgeborenen Anteilen aus einem
Betriebsvermögen sei ein Realisierungsakt zu sehen. Denn in diesem Fall müsste
zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung von stillen Reserven im Fall einer
späteren Veräußerung der Anteile durch den unentgeltlich Erwerbenden entweder
gegen den ausdrücklichen Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 auf einen
(nochmaligen) Steuerzugriff verzichtet werden oder es müsste –wofür sich das
BMF in BStBl I 1998, 268, Tz. 21.12 ausspricht– ebenfalls gegen den Wortlaut
des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht
auf die Differenz des Veräußerungspreises zu den Anschaffungskosten, sondern
auf die Differenz des Veräußerungspreises zu dem Entnahmegewinn des Rechtsvorgängers
abgestellt werden. An der Unvereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut zeigt sich,
dass der von der Finanzverwaltung befürwortete steuerliche Zugriff auf den
infolge einer Entnahme von einbringungsgeborenen Anteilen entstehenden
„Zwischengewinn“ dem in § 21 UmwStG 2002 verankerten Besteuerungsmechanismus
widerspricht.

ccc)
Eine Besteuerung des Entnahmegewinns ist nicht deshalb geboten, weil
andernfalls der Besteuerungszugriff auf die in den Anteilen ruhenden stillen
Reserven gefährdet wäre. Vielmehr sichern die Regeln des § 21 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 UmwStG 2002 den Zugriff auf die stillen Reserven der Anteile spätestens
im Veräußerungsfall, und zwar unabhängig davon, ob die Anteile sich im
Privatvermögen oder in einem Betriebsvermögen befinden.

dd)
Wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der Buchwert der
einbringungsgeborenen Anteile zum Entnahmezeitpunkt nach einer (noch nicht
aufgeholten) Teilwertabschreibung die Anschaffungskosten unterschreitet, bedarf
im Streitfall keiner Entscheidung. Es erscheint indes nicht ausgeschlossen, in
diesem Fall eine Entnahme bis zur Höhe der Anschaffungskosten anzunehmen (so
z.B. Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., Anhang 15, § 21 UmwStG 1995 Rz 529; Patt
in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 21 UmwStG [vor SEStEG] Rz 91), was im
Ergebnis dazu führen würde, dass der durch die Teilwertabschreibung
steuerwirksam gewordene Verlust im Entnahmezeitpunkt rückgängig gemacht würde.
Jedenfalls vermag diese Sonderproblematik eine dem Grundkonzept des Gesetzes
widersprechende generelle Besteuerung des Entnahmegewinns bei der Entnahme
einbringungsgeborener Anteile aus dem Betriebsvermögen nicht zu rechtfertigen.

ee)
Der Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht i.S. des § 11 Abs. 2 FGO von dem
Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. April 1982 IV R 51/79
(BFHE 136, 129, BStBl II 1982, 738) ab. Dort heißt es zwar,
einbringungsgeborene Anteile unterlägen beim Anteilseigner den allgemeinen
bilanzsteuerrechtlichen Rechtsgrundsätzen. Nach diesen bestimme sich
insbesondere, ob die Anteile Betriebsvermögen oder Privatvermögen seien. Seien
die Anteile danach Betriebsvermögen und würden sie entnommen oder veräußert, so
sei ein hierbei entstehender Buchgewinn Teil des Gewinns aus Gewerbebetrieb;
dies gelte jedoch insoweit nicht, als (u.a.) den §§ 20 bis 23 des Gesetzes über
steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1977) etwas
anderes zu entnehmen sei.

Diesen
Ausführungen lässt sich entgegen der Auffassung des FA schon nicht entnehmen,
dass der Gewinn aus der Entnahme einbringungsgeborener Anteile steuerpflichtig
ist. Die Aussage steht vielmehr unter dem Vorbehalt, dass sich aus den
Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes nichts Gegenteiliges ergeben dürfe.
Ob das im Hinblick auf den Entnahmegewinn der Fall ist, bleibt indes offen
(ebenso Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., Anhang 15, § 21 UmwStG 1995 Rz 526),
so dass eine Divergenz nicht vorliegt. Zudem war die Frage im Urteilsfall nicht
entscheidungserheblich. Denn der IV. Senat des BFH hat die dort streitgegenständliche
Gewerbesteuerpflicht des Entnahmegewinns deshalb verneint, weil ein Gewinn aus
der Veräußerung oder Entnahme einbringungsgeborener Anteile schon grundsätzlich
nicht der Gewerbesteuer unterliegt.

2.
Ob die Übertragung von Anteilen an der S-GmbH auf D ebenfalls schenkweise –und
damit für den Kläger steuerneutral– erfolgt ist oder ob sie einen
Realisationstatbestand ausgelöst hat, lässt sich anhand der Feststellungen im
angefochtenen Urteil nicht abschließend beurteilen.

a)
Zwar ist für die Anteilsübertragung auf D keine unmittelbare
Entgeltvereinbarung zwischen diesem und dem Kläger getroffen worden. Jedoch könnte
der daraus vom FG gezogenen Schlussfolgerung, es handele sich ebenfalls um eine
unentgeltliche Übertragung, der Umstand entgegenstehen, dass es sich nach den
Feststellungen des FG bei D um „seinen“ (des Klägers) „leitenden
Mitarbeiter“ gehandelt hat. Dieser Umstand legt es nahe, dass die Übertragung
der Anteile mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis des D –entweder zum Kläger
oder zur S-GmbH, Näheres ist den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen
nicht zu entnehmen– erfolgt ist und im weitesten Sinne als Gegenleistung für
das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des D zu beurteilen ist.

b)
Wäre das der Fall, dann handelte es sich bei der Anteilsübertragung um
Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 (vgl. zur Definition
z.B. BFH-Urteile vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985,
529, und VI R 82/83, BFHE 143, 550, BStBl II 1985, 532). Für die Besteuerung
des Klägers hätte das zur Folge, dass die Übertragung entweder unmittelbar als
Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft des D –und mithin
nicht unentgeltlich– erfolgt wäre und es sich deshalb um eine zur Aufdeckung
der stillen Reserven der Anteile führende Veräußerung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz
1 UmwStG 2002 handelte. Oder der Vorgang wäre aus wirtschaftlicher Sicht in
eine verdeckte Einlage der Anteile durch den Kläger in die S-GmbH und eine
Weiterleitung durch diese an D in Form von Arbeitslohn aufzuspalten. Auch in
diesem Fall wäre ein Realisationstatbestand gegeben; denn gemäß § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 UmwStG 2002 treten die Rechtsfolgen des Abs. 1 (Besteuerung des
Veräußerungsgewinns) auch ohne Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile
ein, wenn der Anteilseigner die Anteile verdeckt in eine Kapitalgesellschaft
einlegt. An die Stelle des Veräußerungspreises tritt dann der gemeine Wert der
Anteile (§ 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2002).

c)
Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen
zu können, ob es sich bei der Anteilsübertragung an D um eine Schenkung des Klägers
oder um die Leistung von Arbeitslohn gehandelt hat. Das angefochtene Urteil ist
deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit ist an das FG zurückzuverweisen, damit
dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
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BFH, Beschluss vom 05.10.2011, II R 9 / 11

Leitsätze

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Im Streitfall geht es um die Fragen,

1. ob die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III verfassungsgemäß ist und

2. ob § 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, weil die §§ 13a und 13b ErbStG es ermöglichen, durch bloße Wahl bestimmter Gestaltungen die Steuerfreiheit des Erwerbs von Vermögen gleich welcher Art und unabhängig von dessen Zusammensetzung und Bedeutung für das Gemeinwohl zu erreichen.

Tatbestand

1
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist zu 1/4 Miterbe des im Januar 2009 verstorbenen Bruders seines Vaters. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Der Wert des auf den Kläger entfallenden Anteils am Nachlass belief sich auf 51.266 EUR. Auf den sich hieraus nach Berücksichtigung des in § 16 Abs. 1 Nr. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 3018) –ErbStG– für Personen der Steuerklasse II vorgesehenen Freibetrags von 20.000 EUR und Abrundung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von 31.200 EUR wandte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) den in § 19 Abs. 1 ErbStG für die Steuerklasse II vorgesehenen Steuersatz von 30 % an, so dass sich eine Erbschaftsteuer von 9.360 EUR ergab.
2
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger eine Herabsetzung der Steuer auf 4.680 EUR begehrte, blieben erfolglos. Der Kläger machte geltend, entgegen § 37 Abs. 1 ErbStG in der Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl I 2009, 3950), der die Anwendung des § 19 Abs. 1 ErbStG in der Fassung dieses Gesetzes (hier: Steuersatz 15 %) nur für steuerpflichtige Erwerbe in der Steuerklasse II, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2009 entsteht, vorsehe, sei auch im Streitfall der Steuersatz von 15 % zugrunde zu legen. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1079 veröffentlichten Urteil die Ansicht, die Anwendung des Steuersatzes von 30 % verstoße weder gegen das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, Personen der Steuerklasse II erbschaftsteuerrechtlich besser zu behandeln als Personen der Steuerklasse III. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei auch, dass die Gleichstellung der Personen der Steuerklasse II und III nur für Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 gelte, während für die Zeit davor und danach die Personen der Steuerklasse II erbschaftsteuerrechtlich besser behandelt würden als die Personen der Steuerklasse III. Der Gesetzgeber habe dadurch seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
3
Der Kläger rügt mit der Revision Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Die Änderung des § 19 Abs. 1 ErbStG durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zugunsten der Personen der Steuerklasse II hätte rückwirkend auf das Jahr 2009 erfolgen müssen.
4
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 17. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Erbschaftsteuer auf 4.680 EUR herabzusetzen.
5
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6
II. Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, weil das vorliegende Revisionsverfahren eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe und eine Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht, nämlich Vorschriften des ErbStG, betrifft.
7
1. Im Revisionsverfahren werden zunächst die vom Kläger aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zu prüfen sein. In der Literatur werden hinsichtlich der auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkten Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III zum Teil verfassungsrechtliche Bedenken erhoben (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 19 Rz 2; Knobel in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 3. Aufl., § 19 ErbStG Rz 5; Geck in Kapp/Ebeling, § 19 ErbStG Rz 1; Wachter, Der Betrieb 2010, 74, 75; Crezelius, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2009, 1, 2; Stahl/Fuhrmann, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 13, 14; für Verfassungsmäßigkeit Längle in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. Aufl., § 19 Rz 8a; Piltz, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2010, 1913, 1922).
8
2. Darüber hinaus wird sich insbesondere die Frage stellen, ob § 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG in der Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes deshalb verfassungswidrig ist, weil es §§ 13a und 13b ErbStG zulassen, Vermögen jeder Art und in jeder Höhe von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden ohne Anfall von Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer zu erwerben, wenn der Erblasser oder Schenker eine geeignete Gestaltung gewählt hat, ohne dass es auf eine Gemeinwohlverpflichtung und Gemeinwohlbindung des erworbenen Vermögens ankommt.
9
a) Bedenken bestehen insoweit im Hinblick auf die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an die Besteuerung, nämlich vor allem die Ausrichtung der Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit, die Gewährung von Steuerentlastungen nur bei Vorliegen entsprechend gewichtiger Gründe des Gemeinwohls, vollständige Verschonung bestimmter Steuergegenstände von der Besteuerung nur im Ausnahmefall, gleichheits- und zweckgerechte Ausgestaltung von Vergünstigungstatbeständen, besondere Schranken für gesetzliche Typisierungen (vgl. insbesondere Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 7. November 2006  1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, und vom 12. Oktober 2010  1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224).
10
b) Eine verfassungsrechtlich problematische Gestaltungsmöglichkeit ergibt sich daraus, dass § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausdrücklich auch den Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in die Vergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG einbezieht. Die Steuervergünstigungen sind somit grundsätzlich auch für den Übergang von Vermögen sogenannter „gewerblich geprägter Personengesellschaften“ (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) zu gewähren. Sind die in § 13a Abs. 8 ErbStG bestimmten Voraussetzungen erfüllt, kann auch in diesem Fall für die Vollverschonung optiert werden (§ 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG).
11
Vermögen, dessen Erwerb im Privatvermögen –wie im Streitfall– der vollen Besteuerung unterläge, kann somit ohne Anfall von Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer übergehen, wenn es in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eingelegt wurde und nicht zum Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG gehört. Vermögen zählt nicht bereits deshalb zum Verwaltungsvermögen in diesem Sinn, weil es einer lediglich vermögensverwaltend tätigen, aber gewerblich geprägten Personengesellschaft gehört. Vielmehr bestimmt § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG im Einzelnen die zum Verwaltungsvermögen zählenden Gegenstände. Danach gehören zwar Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen grundsätzlich zum Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG), während sonstige Forderungen, wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen, Festgeldkonten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Forderungen an verbundene Unternehmen nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. H 32 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts -AEErbSt- vom 25. Juni 2009, BStBl I 2009, 713) kein Verwaltungsvermögen sind. Zählen solche Guthaben bei Kreditinstituten zum Privatvermögen, unterliegen sie in vollem Umfang der Steuer. Sind sie Bestandteil des Betriebsvermögens einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, ist der Erwerb der Beteiligung und damit mittelbar der Erwerb der Guthaben bei Erfüllung der übrigen in §§ 13a und 13b ErbStG bestimmten Voraussetzungen uneingeschränkt begünstigt.
12
Demgemäß kann beispielsweise ein Anteil an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, deren Betriebsvermögen aus 100 Mio. EUR Festgeldguthaben besteht, nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 ErbStG erworben werden, ohne dass Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer anfällt und ohne dass dieses Vermögen einer besonderen Gemeinwohlbindung oder Gemeinwohlverpflichtung unterliegt. Insbesondere spielen die in § 13a Abs. 1 Sätze 2 bis 5 und Abs. 4 ErbStG geregelten Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme in einem solchen Fall keine Rolle, da derartige gewerblich geprägte Personengesellschaften regelmäßig nicht mehr als 20 Beschäftigte haben und somit die Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme nicht zu beachten brauchen (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG).
13
c) Dasselbe Ergebnis kann auch dadurch erreicht werden, dass eine GmbH, an der der Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt ist (vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), als Betriebsvermögen lediglich Geldforderungen hält, die Wertpapieren nicht vergleichbar sind.
14
d) Da Geldforderungen, die Wertpapieren nicht vergleichbar sind, nicht zum Verwaltungsvermögen gehören, können auch Vermögensgegenstände, die nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG an sich zum Verwaltungsvermögen gehören würden, durch eine einfache Gestaltung der Besteuerung entzogen werden.
15
Bringt beispielsweise ein Inländer, der Alleingesellschafter von zwei vermögenslosen GmbH ist, sein aus Grundvermögen, Wertpapieren, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bis zu 25 % und Edelmetallen bestehendes Privatvermögen in die eine GmbH (GmbH 1) ein und verkauft diese das Vermögen zum Steuerwert unter Stundung des Kaufpreises an die andere GmbH (GmbH 2), so kommt der GmbH 2 im Erbfall oder bei einer freigebigen Zuwendung kein Wert zu; denn dem auf sie übertragenen Aktivvermögen steht die gleichwertige Kaufpreisverbindlichkeit gegenüber. Der Erbe oder Bedachte kann für den Erwerb der Beteiligung an der GmbH 1, in deren Vermögen sich lediglich die Kaufpreisforderung befindet, von der Optionsmöglichkeit nach § 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG Gebrauch machen mit der Folge, dass keine Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer anfällt, wenn die Behaltensregelungen des § 13a Abs. 5 i.V.m. Abs. 8 Nr. 2 ErbStG beachtet werden. Die Kaufpreisforderung der GmbH 1 stellt keine einem Wertpapier vergleichbare Forderung i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG dar und ist somit kein Verwaltungsvermögen (vgl. dazu Piltz, DStR 2010, 1913, 1916). Auf die Entwicklung der Lohnsumme in den auf den Erwerb folgenden Jahren kommt es nicht an, weil die GmbH 1, die lediglich die Kaufpreisforderung gegen die GmbH 2 verwaltet, nicht mehr als 20 Beschäftigte benötigt.
16
e) Soweit der Gesetzgeber mit der sogenannten Arbeitsplatzklausel in § 13a Abs. 1 Sätze 2 ff. ErbStG außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele verfolgen will, wird zu prüfen sein, ob die Anknüpfung der vollständigen (100 %) oder weitgehenden (85 %) Steuerverschonung an den Arbeitsplatzerhalt in ausreichendem und dem Gleichheitssatz entsprechendem Umfang gewährleistet ist. Durch entsprechende Gestaltung kann nämlich in vielen Fällen vermieden werden, dass es für die Gewährung der Steuervergünstigungen auf die Entwicklung der Lohnsumme ankommt. Es kann dabei die Regelung genutzt werden, nach der diese Anforderungen nicht anwendbar sind, wenn der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG).
17
Als Gestaltung kommt dabei insbesondere in Betracht, dass ein Betrieb vor der Verwirklichung des Steuertatbestands bei gleichen Beteiligungsverhältnissen in eine Besitzgesellschaft, die nicht mehr als 20 Beschäftigte hat und bei der das Betriebsvermögen konzentriert wird, und eine Betriebsgesellschaft, deren Betriebsvermögen nach Berücksichtigung der Verbindlichkeiten keinen oder nur einen geringen Steuerwert hat und die eine beliebige Zahl von Beschäftigten haben kann, aufgespaltet wird (zu einer solchen Betriebsaufspaltung vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 24. Februar 2000 IV R 62/98, BFHE 191, 295, BStBl II 2000, 417). Die Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme spielen dann bei der Besitzgesellschaft keine Rolle. Die Beschäftigten der Betriebsgesellschaft sind der Besitzgesellschaft nicht zuzurechnen; denn allenfalls die Beschäftigten einer nachgeordneten Gesellschaft können hinsichtlich der Frage, ob die in § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG vorgesehene Grenze von 20 Beschäftigten überschritten ist, der übergeordneten Gesellschaft zugerechnet werden (so Abschn. 8 Abs. 2 Satz 8 AEErbSt; a.A. Philipp in Viskorf/Knobel/ Schuck, a.a.O., § 13a ErbStG Rz 38; Geck, a.a.O., § 13a ErbStG Rz 41; Kirschstein in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 13a ErbStG Rz 29). Bei Schwestergesellschaften ist eine Zusammenrechnung der Beschäftigtenzahlen demgegenüber nicht vorgesehen. Handelt es sich bei der Besitzgesellschaft um eine Personengesellschaft, spielt die Höhe der Beteiligung des Erblassers oder des Schenkers anders als bei Kapitalgesellschaften (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) keine Rolle (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
18
Der Gewährung der Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG hinsichtlich der Besitzgesellschaft steht die Überlassung der in ihrem Eigentum befindlichen Wirtschaftsgüter an die Betriebsgesellschaft zur Nutzung nicht entgegen. Die Nutzungsüberlassung als solche führt nicht zum Vorliegen von Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 ErbStG. Ob Verwaltungsvermögen vorliegt, ist vielmehr für die einzelnen im Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft befindlichen Wirtschaftsgüter gesondert nach den in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG bestimmten Merkmalen zu prüfen. Danach gehören die Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten, die die Besitzgesellschaft der Betriebsgesellschaft zur Nutzung überlässt, nicht zum Verwaltungsvermögen, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt; denn der Erblasser oder Schenker konnte sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen und auch der Erwerber kann allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern in beiden Betrieben einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG). Kein Verwaltungsvermögen bilden beispielsweise auch die Betriebsvorrichtungen, Fahrzeuge und gewerblichen Schutzrechte, die die Besitzgesellschaft der Betriebsgesellschaft zur Nutzung überlässt. Gleiches gilt für Forderungen der Besitzgesellschaft gegen die Betriebsgesellschaft, wie insbesondere die Ansprüche auf das Nutzungsentgelt sowie aus etwaigen Darlehen. Diese Forderungen sind nämlich Wertpapieren nicht vergleichbar und zählen daher nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG nicht zum Verwaltungsvermögen.
19
Soweit die Gesellschafterstruktur eine derartige Betriebsaufspaltung nicht zulässt, wie es insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften mit einer Vielzahl von Aktionären der Fall sein wird, spielt dies im typischen Fall für die Besteuerung keine Rolle; denn bei solchen Gesellschaften werden die Anforderungen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG an die Beteiligungshöhe des Erblassers oder Schenkers im Regelfall ohnehin nicht erfüllt oder der Erblasser/Schenker bedient sich hinsichtlich seiner Beteiligung von bis zu 25 % der oben in Abschn. II.2.d dargestellten einfachen Gestaltungsalternative, die es ihm ermöglicht, ungeachtet des Vorliegens von Verwaltungsvermögen die Steuerverschonung zu erlangen.
20
f) Der BFH hat auf die verfassungsrechtliche Problematik der Möglichkeit, durch bloße Rechtsformwahl Steuervergünstigungen bei der Erbschaftsteuer und der Schenkungsteuer zu erreichen, bereits in den Beschlüssen vom 24. Oktober 2001 II R 61/99 (BFHE 196, 304, BStBl II 2001, 834, unter II.2.d) und vom 22. Mai 2002 II R 61/99 (BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598, unter Teil B.II.4.) hingewiesen. Darauf wird Bezug genommen.
21
Das BVerfG hat die Auswirkungen der Möglichkeit von Gewerbetreibenden, Betriebsvermögen in weitem Umfang zu willküren, also auch nicht unmittelbar dem Betrieb dienende, sondern nur zur objektiven Stärkung des Betriebs geeignete Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen aufzunehmen und so durch bilanzpolitische Maßnahmen auf die Bemessungsgrundlage der Steuer einzuwirken, im Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, unter C.II.1.b und d bb aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch gewürdigt.
22
Diese verfassungsrechtliche Problematik besteht auch nach der Neuregelung fort und hat sich sogar noch verschärft. Die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG knüpfen nach wie vor an das ertragsteuerrechtliche Betriebsvermögen an (§ 12 Abs. 5 ErbStG, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 95, 96 und 97 des Bewertungsgesetzes). Die Möglichkeiten, durch Schaffung gewillkürten Betriebsvermögens und weitere Gestaltungen selbst beim Erwerb größter Vermögen von Todes wegen oder durch freigebige Zuwendung die Höhe der Steuerbelastung zu vermindern oder das Entstehen von Steuer zu vermeiden, sind darüber hinaus gegenüber dem für Steuerentstehungszeitpunkte vor dem 1. Januar 2009 geltenden Recht deutlich erweitert worden. Während nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F. das nach Abzug des Freibetrags von 225.000 EUR verbleibende begünstigte Betriebsvermögen mit 65 % anzusetzen war, beträgt nunmehr bereits der Verschonungsabschlag entweder 85 % des begünstigten Betriebsvermögens (§ 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 4 ErbStG) oder sogar 100 % (§ 13a Abs. 8 ErbStG).
23
3. Das Bundesministerium der Finanzen wird um Mitteilung gebeten, ob und gegebenenfalls welche praktischen Erfahrungen im Besteuerungsverfahren oder bei Anträgen auf verbindliche Auskunft zu den aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten es bisher gibt.
24
4. Sollte die Prüfung der angesprochenen Verfassungsfragen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und/oder Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, müsste der Senat nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG einholen.

 

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BGH, Beschluss vom 20.09.2011, II ZB 17 / 10

BGB § 161 Abs. 3; GmbHG § 16 Abs. 3, § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1

a) Das Registergericht ist berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt.

b) Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach § 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe sowie die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Juli 2010 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen. Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Rechtsbeschwerdeführer reichte in seiner Eigenschaft als Notar eine Liste der Gesellschafter der K. GmbH zum Handelsregister ein. In einer Spalte „Veränderungen“ war bei dem Gesellschaftsanteil einer der beiden Gesellschafterinnen vermerkt: “aufschiebend bedingt abgetreten“. Der Rechtsbeschwerdeführer bescheinigte zugleich, dass sich die Veränderung aufgrund seiner Urkunde vom 30. März 2010 ergeben habe und die Liste im Übrigen mit der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimme. Das Registergericht hat die Aufnahme der Liste in das Handelsregister abgelehnt, da sie keine bereits eingetretene Veränderung enthalte. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen. Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Rechtsbeschwerdeführer sein Begehren auf Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner weiter.

2

II. Das Beschwerdegericht (OLG Hamburg, ZIP 2010, 2097) hat ausgeführt: Stehe die Abtretung eines Gesellschaftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung, dürfe die Einreichung der bereinigten Gesellschafterliste erst nach Eintritt der Bedingung erfolgen. Im Hinblick auf einen etwaigen gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten gemäß § 161 Abs. 3 BGB, § 16 Abs. 3 GmbHG müsse nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, auf die aufschiebend bedingte Abtretung hinzuweisen. Denn ein gutgläubiger Erwerb durch einen Dritten vor Bedingungseintritt sei nicht möglich.

3

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Auf das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG das seit 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, da der das Verfahren einleitende Antrag – hier Einreichung der Gesellschafterliste – am 30. März 2010, also nach Inkrafttreten der Neuregelung, bei Gericht eingegangen ist.

Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des beteiligten Notars ergibt sich daraus, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts ohne Erfolg geblieben ist.

2. Die Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Notars gegen den angefochtenen Beschluss des Registergerichts zu Recht zurückgewiesen.

7

a) Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Nach dieser Vorschrift findet die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte in „Angelegenheiten nach diesem Gesetz“ statt, also in Angelegenheiten nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Zu diesen Angelegenheiten gehört auch die in § 9 Abs. 1 HRV geregelte Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner; die in der Handelsregisterverordnung ergänzend geregelten Verfahrensvorschriften beruhen auf der Verordnungsermächtigung des § 387 Abs. 2 FamFG.

8

b) Der die Gesellschafterliste einreichende Notar ist auch dazu befugt, die Beschwerde im eigenen Namen einzulegen. Das folgt zwar nicht allein aus § 59 Abs. 2 FamFG. Danach steht die Beschwerde, wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, allein dem Antragsteller zu. In Fällen des § 59 Abs. 2 FamFG müssen immer auch die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG erfüllt sein (BGH, Beschluss vom 1. März 2011 – II ZB 6/10, ZIP 2011, 765 Rn. 9; Beschluss vom 11. April 2011 – II ZB 9/10, ZIP 2011, 1054 Rn. 10; Beschluss vom 27. August 2003 – XII ZB 33/00, FamRZ 2003, 1738, 1740 zu § 20 FGG; Unger in: SchulteBunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl., § 59 Rn. 25). Das ist hier aber der Fall. Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in eigenen Rechten beeinträchtigt ist. Durch die Ablehnung des Registergerichts, die vom Notar gem. § 40 Abs. 2 GmbHG eingereichte Gesellschafterliste in den Registerordner aufzunehmen, wird (auch) der Notar in eigenen Rechten beeinträchtigt (BGH, Beschluss vom 1. März 2011 – II ZB 6/10, ZIP 2011, 765 Rn. 9).

9

3. Das Registergericht hat zu Recht die Aufnahme der Gesellschafterliste vom 30. März 2010 in das Handelsregister abgelehnt, weil in diese keine bereits eingetretene Veränderung im Gesellschafterbestand eingetragen ist, sondern nur auf eine eventuelle Veränderung in der Zukunft hingewiesen wird.

10

a) Das Registergericht darf – obwohl es nur Verwahrstelle ist – die eingereichte Liste jedenfalls darauf prüfen, ob sie den Anforderungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entspricht (vgl. OLG München, ZIP 2009, 1911, 1912; ZIP 2009, 1421; OLG Bamberg, ZIP 2010, 1394; OLG Jena, ZIP 2010, 831, 832 f.; Wachter, BB 2009, 2168, 2169; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, 10. Aufl., Nachtrag MoMiG, § 40 Rn. 36; Henssler/Strohn/Oetker, GmbHG, § 40 Rn. 8; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 40 Rn. 15; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 40 Rn. 75; Wachter in Bork/Schäfer, GmbHG, § 40 Rn. 27; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 40 Rn. 11; Lücke/Simon in Saenger/Inhester, GmbHG, § 40 Rn. 31; Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich, aaO, Anh. § 387 Rn. 5a; Keidel/Krafka/Willer, Registerrecht, 8. Aufl., Rn. 1105; Kölmel in Bunnemann/Zirngibl, Die GmbH in der Praxis, 2. Aufl., § 9 Rn. 180; aA für die vorliegende Fallkonstellation MünchKomm/GmbHG/Heidinger, § 16 Rn. 247). Das Registergericht ist daher berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt. Es steht nicht im Belieben der Beteiligten, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen. Dem steht der auch insoweit geltende Grundsatz der Registerklarheit entgegen (OLG München, ZIP 2009, 1911, 1913; Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403, 407; D. Maier, ZIP 2009, 1037, 1042 f.; Weigl, NZG 2009, 1173, 1175; Wachter, BB 2009, 2168, 2169). Davon ist der Fall zu unterscheiden, dass eine in die Gesellschafterliste aufzunehmende Veränderung im Sinne von § 40 Abs. 1 GmbHG (bereits) eingetreten ist, das Gesetz aber keine zwingende Vorgabe macht, wie diese Ver- änderung in der Gesellschafterliste darzustellen ist. Deshalb kann beispielsweise die Umnummerierung abgetretener Geschäftsanteile unter Kennzeichnung ihrer Herkunft durch Durchstreichen der bisherigen laufenden Nummern und durch Veränderungsnachweise unter den neuen laufenden Nummern nicht beanstandet werden, wenn dadurch eine hinreichend klare Zuordnung der Geschäftsanteile gewährleistet ist (BGH, Beschluss vom 1. März 2011 – II ZB 6/10, ZIP 2011, 765 Rn. 13).

11

b) Nach § 40 Abs. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer verpflichtet, unverzüglich „nach Wirksamwerden jeder Veränderung“ in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine von ihnen unterschriebene Liste zum Handelsregister einzureichen. Hat ein Notar an Veränderungen im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mitgewirkt, hat er unverzüglich „nach deren Wirksamwerden“ ohne Rücksicht auf etwaige später eintretende Unwirksamkeitsgründe die Liste anstelle der Geschäftsführer zu unterschreiben, zum Handelsregister einzureichen und eine Abschrift der geänderten Liste an die Gesellschaft zu übermitteln, § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Steht die Abtretung eines Geschäftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung, setzt die Verpflichtung des Notars, eine aktualisierte Gesellschafterliste einzureichen, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erst mit Wirksamwerden der Veränderung in der Person des Gesellschafters, das heißt mit Bedingungseintritt, ein (Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 896; Kort, GmbHR 2009, 169, 172; Scholz/U. H. Schneider, aaO, Nachtrag MoMiG, § 40 Rn. 47 und § 40 Rn. 39; Henssler/Strohn/Oetker, § 40 Rn. 19; Wachter in Bork/Schäfer, aaO, § 40 Rn. 49; Altmeppen in Roth/Altmeppen, aaO, § 40 Rn. 13; Kölmel in Bunnemann/Zirngibl, aaO, § 9 Rn. 152; Reichert/Weller, in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Rn. 3.34; Wicke, GmbHG, 2. Aufl., § 40 Rn. 15). Die Einreichung einer Gesellschafterliste, in der eine Ver- änderung erst angekündigt wird, sieht das Gesetz nicht vor (ebenso OLG München, ZIP 2009, 1911, 1912; Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403, 407; Omlor, EWiR 2010, 83, 84; Oppermann, DB 2009, 2306, 2307 f.; Osterloh, NZG 2011, 495, 496; Wachter, BB 2009, 2168, 2169; ders. in Bork/Schäfer, aaO, § 40 Rn. 49).

12

Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers und der Entstehungsgeschichte der jetzigen Fassung der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Die zuvor geltende Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG aF, nach der der Notar, der einen Vertrag über die Abtretung eines Geschäftsanteils nach § 15 Abs. 3 GmbHG beurkundet hatte, diese Abtretung unverzüglich dem Registergericht anzuzeigen hatte, wurde unter anderem deshalb für unbefriedigend erachtet, weil danach die Anzeige des Notars an das Registergericht bereits vor dem Wirksamwerden einer Abtretung erfolgt sein konnte, also möglicherweise ins Leere ging, wenn die Abtretung nachträglich am Nichteintritt einer Bedingung oder Ähnlichem noch gescheitert war (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140 S. 44; Scholz/U. H. Schneider, aaO, § 40 Rn. 36).

13

4. Ein Teil des Schrifttums hält es allerdings für zulässig, dass der Notar unmittelbar nach einer aufschiebend bedingten Anteilsabtretung eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen darf, die der dort bisher eingestellten Liste entspricht, jedoch zusätzlich einen Hinweis auf die bedingte Anteilsabtretung enthält (sogenanntes „Zwei-Listen-Modell“, vgl. Herrler, BB 2009, 2272, 2275 f.; ders., ZIP 2011, 615, 616 f.; König/Bormann, ZIP 2009, 1913, 1914 f.; Reymann, NJW 2010, 306; Wicke, DNotZ 2009, 871, 874; ders., DB 2011, 1037, 1039; Zinger/Erber, NZG 2011, 286, 289 f.; MünchKommGmbHG/Heidinger, § 16 Rn. 247 f.). Dahinter steht das Bestreben, dem Ersterwerber nach einer aufschiebend bedingten Abtretung eines GmbHGeschäftsanteils ein Mittel gegen einen gutgläubigen Erwerb dieses Anteils bei erneuter Abtretung durch den Veräußerer (Zweiterwerb) an die Hand zu geben.

14

Es kann dahinstehen, ob ein derartiges praktisches Bedürfnis, wenn es bestünde, eine Auslegung der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG gegen ihren Wortlaut rechtfertigen könnte. Denn ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach § 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden (ebenso neben dem Beschwerdegericht OLG München, ZIP 2009, 1911; ZIP 2011, 612; Begemann/Galla, GmbHR 2009, 1065, 1068; Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403 f.; Link, RNotZ 2009, 193, 220; D. Mayer, ZIP 2009, 1037, 1050; D. Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 791 f.; Preuß, ZGR 2008, 676, 691 f.; Riemenschneider, GmbHR 2009, 1212, 1214; Weigl, MittBayNot 2009, 116, 117 f.; ders., NZG 2009, 1173, 1175; Zessel, GmbHR 2009, 303, 305; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, aaO, § 16 Rn. 29). Der im Schrifttum vertretenen gegenteiligen Auffassung (vgl. Frenzel, NotBZ 2010, 129; ders., NotBZ 2011, 264, 265; MünchKommGmbHG/Heidinger, § 16 Rn. 283 f.; ders. in Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2009, § 13 Rn. 141; ders., GmbHR 2011, 428, 429; Hellfeld, NJW 2010, 411, 412; Herrler, BB 2009, 2272, 2275 f.; ders., ZIP 2011, 615, 616; Kamlah, GmbHR 2009, 841, 843; Klöckner, NZG 2008, 841, 842; Maier-Reimer, FS Graf von Westphalen, 2010, S. 489 ff.; Oppermann, ZIP 2009, 651, 652; Osterloh, NZG 2011, 495, 496 f.; Schneider, NZG 2009, 1167, 1168; Schreinert/Berresheim, DStR 2009, 1265, 1267; Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Wachter, ZNotP 2008, 378, 396 f.; ders., GmbHR 2009, 1216, 1217; Wicke, aaO, § 16 Rn. 20a; ders., NotBZ 2009, 1, 15; ders., DNotZ 2009, 871 f.; ders., DB 2011, 1037, 1038 f.; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009, Rn. 576; Scholz/Seibt, aaO, Nachtrag MoMiG, § 16 Rn. 79; Henssler/Strohn/Verse, § 16 Rn. 64; Bayer in Lutter/Hommelhoff, aaO, § 16 Rn. 63; Pfisterer in Saenger/Inhester, aaO, § 16 Rn. 34; Staudinger/Bork, BGB, Bearbeitung 2010, § 161 Rn. 15) vermag der Senat nicht zu folgen.

15

a) Das in § 161 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Prioritätsprinzip, das bisher den Ersterwerber nach einer bedingten Anteilsabtretung gegen einen Zweiterwerb geschützt hat, wurde durch die Einführung des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach § 16 Abs. 3 GmbHG mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) nicht außer Kraft gesetzt. Die gegenteilige Auffassung beruft sich zu Unrecht auf den Wortlaut des § 161 Abs. 3 BGB. Danach finden die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entsprechende Anwendung. Ob ein Gutglaubenserwerb eines Zweiterwerbers bei aufschiebend bedingter Übertragung eines Gegenstands grundsätzlich möglich ist, bestimmt sich jedoch nicht allein nach § 161 Abs. 3 BGB, sondern vorrangig nach denjenigen Vorschriften, die einen Gutglaubensschutz für den jeweiligen Verfügungsgegenstand vorsehen. Da § 161 Abs. 3 BGB pauschal auf alle „Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten“, verweist, beantwortet sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein gutgläubiger Zweiterwerb möglich ist, nach den für den Zweiterwerb des jeweiligen Verfügungsgegenstands maßgeblichen Vorschriften, für den Erwerb eines GmbH-Geschäftsanteils also nach § 16 Abs. 3 GmbHG (OLG München, ZIP 2011, 612, 613 f.; Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403, 412; D. Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 790; Preuß, ZGR 2008, 676, 692; MünchKommBGB/Westermann, 5. Aufl., § 161 Rn. 19; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 161 Rn. 11; PWW/Brinkmann, 5. Aufl., § 161 Rn. 9).

16

b) Nach § 16 Abs. 3 GmbHG ist die Gesellschafterliste Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils. Die Rechtsscheinwirkungen des § 16 Abs. 3 GmbHG können nur so weit gehen, wie die Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger den für den Rechtsverkehr maßgeblichen Vertrauenstatbestand begründen kann. Die Gesellschafterliste ist aber nicht geeignet, einen Rechtsschein dafür zu setzen, dass der in der Liste eingetragene Inhaber des Geschäftsanteils über diesen nicht bereits aufschiebend bedingt verfügt hat.

17

aa) Der Wortlaut des § 16 Abs. 3 GmbHG spricht dafür, dass die Gesellschafterliste nur eine Aussage über die Gesellschafterstellung trifft, nicht aber über die Belastung des Geschäftsanteils mit einem Anwartschaftsrecht. Der in § 16 Abs. 3 S. 1 Halbsatz 1 GmbHG angesprochene Erwerb vom Nichtberechtigten wird im Halbsatz 2 dieser Vorschrift davon abhängig gemacht, dass der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils eingetragen ist. Danach erfasst die Reichweite des Gutglaubensschutzes der Gesellschafterliste nur den guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft des eingetragenen Gesellschafters. Wer einen Geschäftsanteil erwirbt, soll darauf vertrauen dürfen, dass die in der Gesellschafterliste verzeichnete Person Gesellschafter ist (vgl. OLG München, ZIP 2011, 612, 614; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Bohrer, DStR 2007, 995, 998; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 417 f.; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; D. Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 790; Preuß, ZGR 2008, 676, 688; Zinger/Erber, NZG 2011, 286, 287; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, aaO, § 13 Rn. 136; MünchKommGmbHG/Heidinger, § 16 Rn. 211, 275; Bayer in Lutter/Hommelhoff, aaO, § 16 Rn. 56; Lücke/Simon in Saenger/Inhester, aaO, § 40 Rn. 10). Auch nach der Gesetzesbegründung soll durch § 16 Abs. 3 GmbHG der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen nur insoweit ermöglicht werden, als der Erwerber darauf soll vertrauen dürfen, dass die in der Gesellschafterliste verzeichnete Person auch wirklich Gesellschafter ist (vgl. Regierungsentwurf zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 38).

18

bb) Die Gesellschafterliste begründet dagegen keinen Vertrauenstatbestand für die Freiheit des Geschäftsanteils von Belastungen oder dafür, dass der Gesellschafter in seiner Verfügungsmacht über den Geschäftsanteil nicht durch den Gesellschaftsvertrag beschränkt ist. Für die Beschränkung der Verfügungsmacht nach § 161 Abs. 1 BGB gilt nichts anderes.

19

Es entspricht der überwiegenden Auffassung, dass § 16 Abs. 3 GmbHG keinen gutgläubigen lastenfreien Erwerb in Bezug auf Pfandrechte oder Nieß- brauchrechte an Geschäftsanteilen ermöglicht (OLG München, ZIP 2011, 612, 614; Bohrer, DStR 2010, 1892, 1894; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Heidinger, GmbHR 2011, 428, 429; Herrler, ZIP 2011, 615; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Lieder, AcP 210 [2010], 857, 900; Preuß, ZGR 2008, 676, 688; Schuller, MittBayNot 2011, 328; Wicke, DB 2011, 1037, 1038; Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 16 Rn. 132; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, aaO, § 40 Rn. 27; Scholz/Seibt, aaO, Nachtrag MoMiG, § 16 Rn. 73; Bayer in Lutter/Hommelhoff, aaO, § 16 Rn. 60; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, aaO, § 16 Rn. 26; Stephan Brandes in Bork/Schäfer, aaO, § 16 Rn. 38; Pfisterer in Saenger/Inhester, aaO, § 16 Rn. 2 und 27; Lücke/Simon in Saenger/Inhester, aaO, § 40 Rn. 10 alle m.w.N.). Diese Fallgestaltungen unterscheiden sich von der hier zu beurteilenden zwar dadurch, dass Verfügungsbeschränkungen, die sich im Zusammenhang mit einem gutgläubig bedingungsfreien Zweiterwerb ergeben, anders als dingliche Belastungen nicht den Geschäftsanteil als solchen betreffen, sondern lediglich die Verfügungsmacht des Veräußerers. Es besteht aber im Wesentlichen auch Einigkeit darüber, dass unter anderem der gute Glaube an die freie Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen nicht geschützt ist. Die bei der GmbH häufig anzutreffende Vinkulierung von Geschäftsanteilen nach § 15 Abs. 5 GmbHG kann nicht mit Hilfe der Gesellschafterliste, aus der diese Verfügungsbeschränkung nicht ersichtlich ist, überwunden werden (OLG München, ZIP 2011, 612, 615; Bohrer, DStR 2007, 995, 1003; Hamann, NZG 2007, 492, 494; MünchKommGmbHG/Heidinger, § 16 Rn. 276; ders., GmbHR 2011, 428, 429; Herrler, ZIP 2011, 615; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Rodewald, GmbHR 2009, 196, 197; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; D. Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 786, 790; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1844; Schuller, MittBayNot 2011, 328; Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, aaO, § 16 Rn. 134; Scholz/Seibt, aaO, Nachtrag MoMiG, § 16 Rn. 76; Henssler/Strohn/Verse, aaO, § 16 Rn. 63; Bayer in Lutter/Hommelhoff, aaO, § 16 Rn. 62; Altmeppen, in Roth/Altmeppen, aaO, § 16 Rn. 57; Pfisterer in Saenger/Inhester, aaO, § 16 Rn. 27).

20

cc) Aus der Praxis im Grundbuchrecht, die die Eintragung von Verfü- gungsbeschränkungen, auch der durch § 161 Abs. 1 BGB bewirkten, zulässt, denen gegenüber gutgläubiger Erwerb nach § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB möglich ist (vgl. dazu BayObLG, NJW-RR 1986, 697; Preuß, ZGR 2008, 676, 692; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, aaO, § 16 Rn. 29; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 2008, § 892 Rn. 243; MünchKommBGB/Westermann, aaO, § 161 Rn. 21; Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 892 Rn. 17), ergibt sich nichts anderes. Eine § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechende Regelung, nach der eine Verfügungsbeschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam ist, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich oder dem Erwerber bekannt ist, wurde in § 16 Abs. 3 GmbHG gerade nicht übernommen (vgl. D. Mayer, ZIP 2009, 1037, 1050; D. Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 792). Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs lehnt sich § 16 Abs. 3 GmbHG nur teilweise an § 892 BGB an (BT-Drucks. 16/6140 S. 38; vgl. Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403, 412), wie unter anderem auch daraus deutlich wird, dass in § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG teilweise das Veranlasserprinzip verankert ist, in § 892 BGB aber nicht. Einen vollständigen Gleichlauf von § 892 BGB und § 16 Abs. 3 GmbHG hat der Gesetzgeber nicht gewollt und für die Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, den an der Abtretung eines Geschäftsanteils beteiligten Personen die Mühen, Kosten und Unsicherheiten der mitunter sehr langen Abtretungskette seit Gründung der Gesellschaft zu ersparen, auch als nicht erforderlich erachtet (vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 38). Hiervon abgesehen erstreckt sich der den gutgläubigen Erwerb rechtfertigende Rechtsschein des Grundbuchs nach herrschender Meinung auch nur auf eintragungsfähige Rechte und Verfügungsbeschränkungen (vgl. Lieder, AcP 210 [2010], 857, 881; MünchKommBGB/Kohler, 5. Aufl., § 892 Rn. 3 und 12).

21

dd) Soweit die Gegenmeinung für ihre Ansicht anführt, nach dem der Regelung des § 161 Abs. 3 BGB zugrunde liegenden Grundgedanken könne es nicht sein, dass der gutgläubige Erwerber eines GmbH-Geschäftsanteils bei einem Erwerb vom (noch) Berechtigten weniger geschützt sei als beim Erwerb vom (gänzlich) Nichtberechtigten oder dass ein nicht in die Gesellschafterliste eingetragener aufschiebend bedingter Erwerber besser gegen den gutgläubigen Verlust seiner Rechtsstellung geschützt sei als der nicht eingetragene Vollrechtsinhaber, wird dem oben bereits dargelegten Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, dass der gute Glaube auch bei § 161 Abs. 3 BGB nur in dem von den gesetzlichen Vorschriften gezogenen Rahmen geschützt ist, die über § 161 Abs. 3 BGB zur Anwendung kommen. Hierzu gehört, dass ein geeigneter Rechtsscheinträger vorhanden sein muss, der den für den Rechtsverkehr maßgeblichen Vertrauenstatbestand begründet. Das Anwartschaftsrecht des Ersterwerbers (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. März 1996 – III ZR 106/95, BGHZ 132, 218, 222) ist stärker geschützt als sein Vollrecht, weil die Gesellschafterliste über § 161 Abs. 3 BGB den durch § 161 Abs. 1 BGB vermittelten Schutz bei aufschiebend bedingten Verfügungen nicht relativiert (so zu Recht D. Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 791).

22

ee) Aus den dargelegten Gründen greift auch der Einwand nicht durch, bei einer Ablehnung des gutgläubigen bedingungsfreien Zweiterwerbs werde das gesetzgeberische Ziel, die bei der Abtretung gebotenen Prüfungen zu vereinfachen und die damit verbundenen Kosten zu senken, verfehlt. Angesichts der aufgezeigten Grenzen der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste hinsichtlich dinglicher Belastungen und im Gesellschaftsvertrag angeordneter Verfügungsbeschränkungen kann dieses Ziel ohnehin nur eingeschränkt erreicht werden. Diese Beschränkung hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Trotz intensiver Diskussion im Gesetzgebungsverfahren wurde der gutgläubige Erwerb in Bezug auf Pfandrechte oder Nießbrauchrechte an Geschäftsanteilen nicht in den Regelungsbereich des § 16 Abs. 3 GmbHG aufgenommen (vgl. die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2007, 211, 215 Rn. 37; hierzu D. Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 794; Scholz/Seibt, aaO, Nachtrag MoMiG, § 16 Rn. 73 f.; Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, aaO, § 16 Rn. 124 und 132).

Vorinstanzen: AG Hamburg, Entscheidung vom 23.06.2010 – 66 HRB 106071 – OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.07.2010 – 11 W 51/10 –

 

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BFH, Beschluss vom 31.08.2011, II B 14 / 11

 

Gründe

Die
Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der
Revision wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der
Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht erfüllt.

1.
Eine die einheitliche Rechtsprechung gefährdende Divergenz liegt vor, wenn das
Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer
entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes
Gericht (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs –​BFH-​- vom 28. Februar 2011
XI B 86/10, BFH/NV 2011, 997). Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden
abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden
Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt
(vgl. BFH-​Beschluss
vom 30. Oktober 2009 III B 6/08, BFH/NV 2010, 176, m.w.N.).

2.
Die vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt –​FA-​-) gerügten Abweichungen
liegen nicht vor.

a)
Das angefochtene Urteil weicht nicht von dem BFH-​Urteil vom 28.
November 1984 II R 133/83 (BFHE 142, 511, BStBl II 1985, 159) ab. Das Urteil
des FG beruht nicht auf einem –​dem vorgenannten BFH-​Urteil
widersprechenden-​-
allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, „eine zwischen den Ehegatten im
Innenverhältnis bestehende Einigkeit über die Verwendung des zu beurteilenden
Geldes reiche aus und lasse für eine unentgeltliche Zuwendung keinen
Raum“.

Das
FG hat ausgehend von der Rechtsprechung zur Schenkungsteuer (vgl. BFH-​Urteil vom 22. August
2007 II R 33/06, BFHE 218, 403, BStBl II 2008, 28) entschieden, dass der Kläger
und Beschwerdegegner (Kläger) im Verhältnis zu seiner Ehefrau tatsächlich und
rechtlich nicht frei über die in seinen Vermögensbereich übergegangenen
Geldbeträge habe verfügen können und deshalb eine schenkungsteuerpflichtige
Zuwendung an den Kläger nicht gegeben sei. Den Sachverhalt hat es nach einer
durchgeführten Beweisaufnahme dahin gewürdigt, dass die Eheleute bezüglich der
Verwendung des von der Ehefrau erzielten Veräußerungserlöses feste gemeinsame
Vorstellungen gehabt hätten, die in der Folgezeit auch umgesetzt worden seien.
Der Veräußerungserlös sei zum Erwerb eines Hauses durch die Ehefrau des Klägers
und zur Begleichung der wegen des Veräußerungserlöses anfallenden
Einkommensteuer bestimmt gewesen. Diese Umstände seien den Eheleuten trotz
fehlender ausdrücklicher Absprachen bzw. schriftlicher Vereinbarungen bewusst
gewesen. Maßgebend für die Entscheidung des FG waren danach die besonderen Umstände
des Streitfalls und nicht der vom FA bezeichnete allgemeine Rechtssatz.
Lediglich die Frage, ob der Kläger das Geld treuhänderisch für seine Ehefrau
verwaltet habe, hat das FG deshalb nicht als entscheidungserheblich angesehen,
weil sich die Eheleute über die Verwendung der aus dem Veräußerungserlös
stammenden Geldmittel (für Zwecke der Ehefrau) einig gewesen seien. Daraus kann
nicht entnommen werden, das FG habe den allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, bei
einer Einigung von Eheleuten im Innenverhältnis über die Verwendung von
Geldmitteln könne eine unentgeltliche Zuwendung nicht angenommen werden.

Im
Übrigen widerspräche ein solcher Rechtssatz auch nicht dem BFH-​Urteil in BFHE 142,
511, BStBl II 1985, 159. Der BFH hat dort ausgeführt, dass es einer
Geldschenkung nicht entgegen stünde, wenn die Zuwendung eines Geldbetrags
lediglich mit Empfehlungen oder Wünschen für die Verwendung oder mit der
Auflage erfolgt sei, aus dem Wert des Zugewandten ein Grundstück zu erwerben.
Dies betrifft die vom Schenker empfohlene oder bestimmte Verwendung des
zugewendeten Geldbetrags, nicht aber eine Übertragung von Geldmitteln zwischen
Eheleuten, wenn die Geldmittel nach der gemeinsamen Vorstellung der Eheleute
weiterhin für Zwecke des übertragenden Ehegatten eingesetzt werden sollen, und
es damit an einer Bereicherung des Empfängers fehlt.

b)
Nicht zutreffend ist die Rüge, das FG sei von dem BFH-​Beschluss vom 18.
November 2004 II B 176/03 (BFH/NV 2005, 355) abgewichen, weil es seiner
Entscheidung den abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt habe, unbenannte
Zuwendungen zwischen Ehegatten seien im Falle verplanter Geldmittel auch ohne
glaubhaft gemachtes Treuhandverhältnis oder vergleichbare schriftliche
Vereinbarungen über die Verwendung des Geldes keine Schenkung. Das FG hat –​wie bereits ausgeführt-​- das Bestehen eines
Treuhandverhältnisses nicht für entscheidungserheblich gehalten. Soweit das FA
darin sinngemäß eine fehlerhafte Umsetzung der vom BFH entwickelten
Rechtsprechung sieht, führt dies nicht zur Zulassung der Revision (vgl. BFH-​Beschluss vom 29. März
2011 VIII B 170/10, BFH/NV 2011, 1169).

c)
Soweit das FA vorträgt, das FG setze eine erklärte Einigkeit über die
Unentgeltlichkeit der Zuwendung voraus und stehe damit im Widerspruch zu dem
BFH-​Urteil
vom 2. März 1994 II R 59/92 (BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366), kann eine
solche Voraussetzung nicht den Ausführungen im angefochtenen Urteil entnommen
werden.

d)
Eine Abweichung des FG-​Urteils
von dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. November 1991 IV ZR 164/90
(BGHZ 116, 167) ist ebenfalls nicht gegeben. Die Entscheidungen betreffen
unterschiedliche Rechtsfragen. Das FG hat eine Schenkung i.S. des § 7 Abs. 1
Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes im Ergebnis wegen der
fehlenden Bereicherung des Klägers verneint, weil die übertragenen Geldmittel für
Zwecke seiner Ehefrau verwendet werden sollten. Demgegenüber ging es in der
Entscheidung des BGH um die Frage, ob unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten im
Erbrecht als Schenkung zu behandeln sind oder ob eine Schenkung wegen
ehebedingter Gegenleistungen des Empfängers ausscheidet.

e)
Die voneinander abweichende Entscheidung der Frage, ob eine unentgeltliche Zuwendung
an den Kläger vorliegt, in dem angefochtenen Urteil einerseits und in dem zur
Inanspruchnahme des Klägers nach § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)
ergangenen Urteil des FG vom 23. November 2007 7 K 4409/04 E
andererseits, rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen Divergenz.

Das
angefochtene Urteil ist –​wie
oben bereits ausgeführt-​-
nicht auf der Grundlage des vom FA genannten allgemeinen Rechtssatzes ergangen.
Zudem sind die unterschiedlichen Entscheidungen auch darauf zurückzuführen,
dass der konkrete Sachverhalt jeweils in anderer Weise gewürdigt wurde. Dabei
hat das FG in der zu § 278 Abs. 2 AO ergangenen Entscheidung das Bestehen eines
Treuhandverhältnisses für eine Zurechnung der Wertpapiere bei der Ehefrau des
Klägers für erforderlich gehalten und mangels hinreichender Darstellung bzw.
eines Nachweises des Treuhandverhältnisses eine unentgeltliche Zuwendung von
Geldmitteln durch die Ehefrau des Klägers bejaht. Dagegen war in der
angefochtenen Entscheidung das Bestehen eines Treuhandverhältnisses wegen der
Umstände des Streitfalls nicht (mehr) von Bedeutung. Eine Divergenz in der Würdigung
von Tatsachen oder eine fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen
auf die Besonderheiten des Einzelfalles bzw. schlichte Subsumtionsfehler des FG
reichen indes für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2.
Alternative FGO nicht aus (vgl. BFH-​Beschluss vom 19.
Februar 2008 VIII B 49/07, BFH/NV 2008, 1158). Denn nicht die Unrichtigkeit des
angefochtenen Urteils im Einzelfall, sondern nur die Abweichung im Grundsätzlichen
rechtfertigt eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl. BFH-​Beschluss vom 14.
Dezember 2010 X B 120/10, BFH/NV 2011, 446).
Quicklink: uw120603

Einkommensteuergesetz

Teilentgeltlichkeit bei Erwerb durch Vermächtnis

Prof. Dr. Rainer Lorz, LL.M, Rechtsanwalt

Problemstellung und praktische Bedeutung

Der Erwerb von Vermögen aufgrund eines erbrechtlichen Vermächtnisses ist zwar regelmäßig ein unentgeltlicher Vorgang. Anders ist dies jedoch in der Gestaltungsvariante des sog. Kaufrechtsvermächtnisses. Hierbei wird dem Vermächtnisnehmer das Recht eingeräumt, einen bestimmten Gegenstand des Nachlasse zu einem bestimmten Kaufpreis zu erwerben. Familienunternehmen Konkret wird ihm also ein Übernahmerecht eingeräumt. Bereits in einer älteren Entscheidung hatte der BFH festgestellt, dass ein solches Kaufrechtsvermächtnis zu einem ertragsteuerlich in vollem Umfang entgeltlichen Vorgang führt, wenn für den Erwerb des vermachten Gegenstands eine Gegenleistung zu erbringen ist, die dem Wert des betreffenden Gegenstands entspricht (vgl. BFH vom 13.11.2002, ZEV 2003, 255 m. Anm.Buciek). Nunmehr hat der IX. Senat
des BFH entschieden, dass ein Kaufrechtsvermächtnis auch zu einem teilentgeltlichen Vorgang führen kann, wenn der bei Übernahme zu zahlende Kaufpreis den Wert des übernommenen Wirtschaftsguts nicht ausgleicht. In diesem Fall ist der Erwerbsvorgang also in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Entscheidungsgründe und weitere Hinweise In dem vom BFH zu entscheidenden Fall hatte die Mutter ihre zwei Töchter jeweils zur Hälfte als Erbinnen eingesetzt und der späteren Klägerin zugleich das Recht eingeräumt, den gesamten Grundbesitz (Grundstück mit Wohnhaus und Landwirtschaftsflächen) zu übernehmen. Hierfür sollte sie an ihre Schwester 25 % des
auf den Tod der Erblasserin festzustellenden Verkehrswerts des Grundbesitzes bezahlen. Nachdem die Klägerin das Übernahmerecht ausgeübt und ihrer Schwester den Betrag von 59.700,–`(= 25 % des geschätzten Verkehrswerts von 238.800,–`) für den Grundbesitz bezahlt hatte, veräußerte sie diesen ein Jahr später zu einem Preis von 240.000,–`. Dies führte insoweit zu einer steuerpflichtigen Veräußerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, als die Klägerin das Grundstück entgeltlich erworben hatte. Hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Anteils war ihr hingegen die Besitzzeit der Rechtsvorgängerin
zuzurechnen, sodass der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäfts nicht erfüllt war (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). Problematisch war nun die Ermittlung der Höhe des Veräußerungsgewinns. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin die nicht auf ihren eigenen Erbanteil entfallende Grundstückshälfte entgeltlich von ihrer Schwester erworben hatte und ermittelte den zu besteuernden Gewinn in der Weise, dass es vom erzielten Grundstücksveräußerungspreis 120.000,–` der Grundstückhälfte der Schwester zurechnete und hiervon die Anschaffungskosten von 59.700,–` abzog.
Diese Sichtweise, der auch das Finanzamt Baden-Württemberg als Vorinstanz gefolgt war, wurde vom BFH verworfen. Das Gericht stufte das testamentarisch angeordnete Übernahmerecht zutreffend als Vorausver-81 FuSs 2/2012 Rechtsprechung mächtnis (§ 2150 BGB) ein, aufgrund dessen die Klägerin eine Forderung gegen die Erbengemeinschaft auf Übertragung des Grundstücks gegen Zahlung des von der Erblasserin festgelegten Preises erwarb. Da der Wert der Zuwendung nicht voll auszugleichen war, handelte es sich nach dem BFH um ein teilentgeltliches Erwerbsgeschäft, das in einen entgeltlichen und
einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen war. Nur im Verhältnis des nach dem Testament bestimmten Kaufpreises zum Verkehrswert des Grundstücks, also in Höhe von einem Viertel, war vorliegend ein entgeltlicher Erwerb gegeben, während der Erwerb des restlichen Teils des Grundbesitzes unentgeltlich erfolgte. Damit war den Anschaffungskosten von 59.700,–`ein anteiliger Veräußerungspreis von 60.000,–` gegenzustellen, so dass sich unter Berücksichtigung der geltend gemachten Veräußerungskosten kein Gewinn nach § 23 Abs. 3 EStG ergab. Das Urteil schafft weitere Rechtssicherheit zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kaufrechtsvermächtnissen (zur erbschaftsteuerlichen Behandlung vgl.Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rdnr. 181). Aus Sicht der mit dem Kaufrechtsvermächtnis beschwerten Erben ist zu beachten, dass die Vermächtniserfüllung einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn auslösen kann. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn ein solches Vermächtnis Betriebsvermögen betrifft oder Immobilien zu übertragen sind, für die die Zehn-Jahres-Frist des § 23 EStG noch nicht abgelaufen ist. Finden die Rechtsgrundsätze des teilentgeltlichen Erwerbs hier Anwendung, weil der zu bezahlende Kaufpreis den Wert der zu übernehmenden Wirtschaftsgüter nicht ausgleicht, können diesem Kaufpreis auch nur die anteiligen Anschaffungskosten bzw. die anteiligen Buchwerte gegenüber gestellt werden.

BFH, Urteil vom 29.06.2011, IX R 63 / 10

 

Tatbestand

I.
Die Beteiligten streiten um die Steuerbarkeit der Veräußerung eines von Todes
wegen erworbenen Grundstücks. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind
zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute.

Die
Klägerin und ihre Schwester sind aufgrund notariellen Testaments die alleinigen
Erbinnen zu gleichen Teilen ihrer verstorbenen Mutter (Erblasserin). In § 3 des
Testaments räumte die Erblasserin der Klägerin das Recht ein, nach ihrem Tod
ihren gesamten Grundbesitz (Grundstück mit Wohnhaus und Landwirtschaftsflächen)
zu übernehmen. Hierfür sollte die Klägerin an ihre Schwester einen Betrag von
25 % des auf den Tod der Erblasserin festzustellenden Verkehrswerts des
Grundbesitzes bezahlen.

Nach
dem Tod der Erblasserin am 5. Mai 2002, die keine weiteren Vermögenswerte
hinterließ, nahm die Klägerin das Übernahmerecht mit Schreiben vom 12. Februar
2003 wahr und bot ihrer Schwester mit notariellem Angebot vom 16. April 2003
den Abschluss eines Grundstücksübertragungsvertrags an. Hierin war u.a.
bestimmt, dass die Klägerin 25 % des geschätzten Verkehrswertes von 238.800 €
an ihre Schwester bezahlen sollte, was „einem Übernahmepreis von 50 % des
Verkehrswerts bei hiermit erfolgter sofortiger Aufteilung unter den beiden
Erben im Wege der Teilerbauseinandersetzung entspricht“ (§ 1 Nr. 5 des
Grundstücksübertragungsvertrags). Die Schwester der Klägerin nahm das Angebot
an und die Klägerin leistete vereinbarungsgemäß 59.700 € an ihre Schwester.

Mit
notariellem Vertrag vom 7. April des Streitjahres (2004) veräußerte die Klägerin
den Grundbesitz zu einem Preis von insgesamt 240.000 €. In ihrer
Einkommensteuererklärung erfasste die Klägerin den Veräußerungsvorgang nicht.

Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) ging –veranlasst durch
eine Veräußerungsmitteilung– davon aus, dass die Klägerin die nicht auf ihren
eigenen Erbanteil entfallende Grundstückshälfte entgeltlich von ihrer Schwester
erworben habe und sah in der Weiterveräußerung ein privates Veräußerungsgeschäft.
Den Gewinn ermittelte er, indem er vom erzielten Grundstücksveräußerungspreis
120.000 € der Grundstückshälfte der Schwester zurechnete und hiervon die
Anschaffungskosten von 59.700 € abzog. Den Differenzbetrag, vermindert um die
Veräußerungskosten (2.642 €), unterwarf das FA in Höhe von 57.658 € als Veräußerungsgewinn
der Besteuerung.

Mit
dem dagegen eingelegten Einspruch begehrte die Klägerin, lediglich einen Veräußerungsgewinn
von 300 € anzusetzen, weil sie das Grundstück lediglich zu einem Viertel
entgeltlich erworben habe. Sie habe ein Viertel des Grundstücks durch die Ausgleichszahlung
angeschafft.

Einspruch
und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 706 veröffentlichten Urteil zur Begründung
aus, im Streitfall sei ein Vorausvermächtnis (§ 2150 des Bürgerlichen
Gesetzbuches –BGB–) und keine Erbauseinandersetzung anzunehmen. Es handele
sich um ein Kaufrechtsvermächtnis, dessen Gegenstand das Übernahmerecht als
solches sei. Das Grundstück werde zur Hälfte (nämlich die Hälfte der Schwester)
entgeltlich erworben. Soweit einem Wirtschaftgut Anschaffungskosten zugeordnet
würden, werde es angeschafft.

Hiergegen
richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts
(§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres
–EStG–) stützen. Es müsste das Verhältnis der Ausgleichsleistung zum übernommenen
Vermögen angesetzt werden. Es komme darauf an, ob das Kaufrechtsvermächtnis
einkommensteuerrechtlich im Rahmen der Erbauseinandersetzung wie eine
Ausgleichszahlung behandelt werde oder ob außerhalb der Erbauseinandersetzung
ein eigener Tatbestand vorliege. Die Erfüllung von Erbfallschulden stelle
normalerweise keinen Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang dar.

Die
Kläger beantragen sinngemäß,

das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr vom 23. März 2010 insoweit zu ändern, als keine Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Das
FA beantragt,

die
Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und
Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin hätte die Hälfte des
Grundstücks entgeltlich erworben, und verletzt damit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG.

1.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
sind Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken steuerbar,
bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn
Jahre beträgt. Im Streitfall hatte die Klägerin das Grundstück nur zu einem
Viertel entgeltlich erworben und deshalb keinen Veräußerungsgewinn realisiert. Ist
der Klägerin für den unentgeltlichen Erwerb zu drei Viertel nämlich die –außerhalb
der Veräußerungsfrist gelegene– Anschaffung der Rechtsvorgängerin zuzuordnen,
steht den Anschaffungskosten für den entgeltlich erworbenen Grundstücksteil von
59.700 € lediglich ein Veräußerungspreis von 60.000 € gegenüber, so dass sich
nach Abzug der Veräußerungskosten kein Gewinn ergibt.

Die
Klägerin hat das Grundstück aufgrund des testamentarisch eingeräumten Vermächtnisses
zu drei Viertel unentgeltlich –und damit nur zu einem Viertel entgeltlich–
erworben.

a)
Der Senat pflichtet dem FG und den Beteiligten dahin bei, dass Rechtsgrundlage
für den Erwerb des Grundstücks das testamentarisch eingeräumte Übernahmerecht
ist.

Wenn
die Erblasserin in § 3 des notariellen Testaments der Klägerin das Recht einräumt,
das Grundstück zu übernehmen, so ordnet sie ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB)
an. Aufgrund dessen erwirbt die bedachte Klägerin mit dem Tod der Erblasserin
eine aufschiebend bedingte Forderung gemäß § 2174 BGB gegen den Beschwerten
(hier die Erbengemeinschaft) auf Übertragung des Grundstücks gegen Zahlung des
von der Erblasserin festgelegten Preises (vgl. zu Kaufrechtsvermächtnissen
eingehend die Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13. August 2008 II R
7/07, BFHE 222, 71, BStBl II 2008, 982, und vom 8. Oktober 2008 II R 15/07,
BFHE 222, 93, BStBl II 2009, 245). Da die Erblasserin der Klägerin als begünstigter
Miterbin über ihren Erbteil hinaus etwas zuwenden will (nämlich das gesamte
Grundstück zu einem Preis, der unter dem Verkehrswert der Kaufsache liegt; vgl.
dazu BFH-Urteil vom 6. Juni 2001 II R 76/99, BFHE 195, 415, BStBl II 2001,
605), erschöpft sich die Regelung nicht in einer Verteilung der Nachlassgegenstände
im Rahmen der Erbteile (hier zu je 1/2) und es handelt sich damit nicht um eine
Teilungsanordnung (§ 2048 BGB), sondern um ein Vermächtnis (vgl. zur Abgrenzung
BFH-Urteil vom 15. März 1994 IX R 84/89, BFH/NV 1994, 847).

b)
Der Erwerb von Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses ist zwar regelmäßig ein
unentgeltlicher Vorgang. Etwas anderes gilt indes dann, wenn der Vermächtnisnehmer
für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss
(BFH-Urteil vom 13. November 2002 I R 110/00, BFH/NV 2003, 820; Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 14. März 2006, BStBl I 2006, 253, Tz 63;
aus dem Schrifttum vgl. z.B. Reiß in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 16 Rz 92). So
liegt ein in vollem Umfang entgeltliches Geschäft vor, wenn der Vermächtnisnehmer
für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss,
deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung annähernd ausgleicht (so BFH-Urteil
in BFH/NV 2003, 820). Ist das aber nicht der Fall, muss also der Vermächtnisnehmer
den Wert der Zuwendung nicht voll ausgleichen, handelt es sich um ein
teilentgeltliches Erwerbsgeschäft, das in einen entgeltlichen und in einen
unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2000 IX R 50,
51/97, BFH/NV 2000, 1396; vgl. dazu die h.M. im Schrifttum, z.B. Musil in
Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 23 EStG Rz 236; Schmidt/Weber-Grellet, EStG,
30. Aufl., § 23 Rz 43; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 98, jeweils m.w.N.).

c)
Nur in Bezug auf den entgeltlichen Teil des Erwerbs liegt ein Anschaffungsvorgang
vor und erfüllt die bedachte Klägerin mithin die Voraussetzungen eines
steuerbaren Veräußerungsgeschäfts. Soweit sie unentgeltlich erworben hat, ist
ihr nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger
zuzurechnen. Da der Vermächtnisnehmer nicht Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger
des Erblassers ist (BFH-Urteil vom 6. März 1975 IV R 213/71, BFHE 116, 254,
BStBl II 1975, 739), ist er Einzelrechtsnachfolger der Erbengemeinschaft, die
ihrerseits den Nachlass unentgeltlich erworben und damit nicht angeschafft hat
(vgl. dazu BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II
1990, 837; BFH-Beschluss vom 28. Januar 1998 VIII B 9/97, BFH/NV 1998, 959).
Selbst wenn die Anschaffung durch den Erblasser gegen die Erbengemeinschaft
wirkt (vgl. dazu Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 81;
HHR/Musil, § 23 EStG Rz 236) und die Klägerin nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG in
diese Position eintritt, ist für eine Veräußerung in laufender Veräußerungsfrist
nichts ersichtlich.

2.
Da das angefochtene Urteil den dargelegten Maßstäben nicht entspricht, ist es
aufzuheben.

a)
Das FG geht unzutreffend davon aus, die Klägerin hätte Anschaffungskosten für
die zusätzlich zu ihrem Erbteil erworbene Grundstückshälfte der Schwester
getragen. Die Klägerin erwarb aber nicht nur –wie das FG ausführt– in Höhe
ihres eigenen Anteils am Grundstückswert unentgeltlich. Vielmehr erwarb die Klägerin
durch den Erbfall zunächst nur einen Anteil an der Erbengemeinschaft und eben
nicht einen Anteil am Grundbesitz. Hinterlässt ein Erblasser mehrere Erben, so
geht sein Vermögen mit seinem Tode im Ganzen auf die Erben über und wird bei
ihnen zu gemeinschaftlichem Vermögen (§ 1922 Abs. 1, § 2032 Abs. 1 BGB). Das
Grundstück, um das es hier geht, ging also auf die Erbengemeinschaft über. Von
dieser erwarb es schließlich die Klägerin, und zwar –wie dargelegt– zu drei
Viertel unentgeltlich. Rechtsgrundlage für diesen Erwerb ist das Vorausvermächtnis,
mit dem die Erblasserin die Klägerin bedachte und mit dem sie die
Erbengemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrer Schwester, belastete.
In Erfüllung dieses Vermächtnisses gemäß § 2174 BGB kam sodann der Grundstücksübertragungsvertrag
vom 17. April 2003 zustande, mit dem die Erbengemeinschaft der Klägerin –in
einer mit „Teilerbauseinandersetzung“ (§ 2 des Vertrags) überschriebenen
Klausel– das Grundstück übertrug.

b)
Die Klägerin hat mit der Veräußerung des Grundstücks für 240.000 € ein nach §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbares Veräußerungsgeschäft nur insoweit
verwirklicht, als sie das Grundstück aufgrund des Grundstücksübertragungsvertrags
in Erfüllung des Vermächtnisses entgeltlich erworben hatte. Dies geschah hier
in Höhe von 25 %. Denn die Klägerin musste lediglich einen Betrag von 25 % des
Verkehrswerts an die Miterbin zahlen. Damit ist den Anschaffungskosten von
59.700 € ein anteiliger Veräußerungspreis von 60.000 € gegenüberzustellen, so
dass sich unter Berücksichtigung von unstreitigen Veräußerungskosten kein Gewinn
nach § 23 Abs. 3 EStG ergibt.

3.
Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Die Klägerin hat nach den
tatsächlichen Feststellungen des FG keinen Veräußerungsgewinn erzielt.

Ob,
wie die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung vorträgt, darüber hinaus ein
Verlust entstanden ist, kann offenbleiben, weil sie explizit den Antrag
gestellt hat, keine Einkünfte zu berücksichtigen. Der BFH darf nach § 96 Abs. 1
Satz 2 i.V.m. § 121 FGO nicht über diesen Antrag hinausgehen.
Quicklink: uw120401

BFH, Urteil vom 25.05.2011, I R 60 / 10

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine
gemeinnützige Stiftung. Im Streitjahr 2006 erzielte sie als Kommanditistin
Einkünfte aus Beteiligungen an drei gewerblich geprägten Personengesellschaften
in Höhe von insgesamt 3.125.719,17 EUR. Die Personengesellschaften, an denen
die Klägerin beteiligt ist, üben vermögensverwaltende Tätigkeiten aus. In dem
jeweiligen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung der
Personengesellschaften sind die Einkünfte der Gesellschaften und aus den
Beteiligungen aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) als gewerbliche Einkünfte festgestellt
worden.

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr
erklärte die Klägerin diese Beteiligungserträge als Einkünfte aus steuerfreier
Vermögensverwaltung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–)
erfasste demgegenüber die Einkünfte im Körperschaftsteuerbescheid des
Streitjahrs, weil er davon ausging, die Klägerin unterhalte insoweit wirtschaftliche
Geschäftsbetriebe i.S. des § 14 der Abgabenordnung (AO).

Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Finanzgericht
(FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 23 veröffentlichtem
Urteil vom 23. Juni 2010 4 K 2258/09
statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen
Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht angenommen, die Klägerin unterhalte mit ihren streitgegenständlichen Beteiligungen an den gewerblich geprägten Personengesellschaften keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO.

1. a) Die Klägerin ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) von der Körperschaftsteuer befreit. Soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG 2002). Abweichendes gilt, wenn ein Zweckbetrieb vorliegt (§ 64 Abs. 1 AO), was vorliegend unstreitig ausscheidet.

b) Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach der Legaldefinition in § 14 AO eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 AO). Ebenso wenig muss eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegen. Aus der gesetzlichen Definition ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb –insoweit als Oberbegriff (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; Senatsurteil vom 27. Juli 1988 I R 113/84, BFHE 146, 500, BStBl II 1989, 134)– in der Regel durch die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG 2002 begründet wird. Denn dabei ist begrifflich auch der Rahmen einer Vermögensverwaltung i.S. des § 14 Satz 3 AO überschritten (Senatsurteil vom 27. März 2001 I R 78/99, BFHE 195, 239, BStBl II 2001, 449).

c) Für die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist, gilt nichts anderes (Senatsurteile vom 9. Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726; in BFHE 146, 500, BStBl II 1989, 134; vom 22. Januar 1992 I R 61/90, BFHE 167, 144, BStBl II 1992, 628; in BFHE 195, 239, BStBl II 2001, 449, m.w.N.). Denn auch die daraus bezogenen Gewinnanteile stellen Einkünfte des Gesellschafters aus Gewerbebetrieb dar (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002). Dies folgt aus dem System der Besteuerung von Mitunternehmerschaften, das die einzelnen Mitunternehmer –unabhängig von ihrer Rechtsform– als Gewerbetreibende und Steuersubjekte behandelt, und gilt gleichermaßen für Kommanditbeteiligungen und Beteiligungen an Publikumspersonengesellschaften (a.A. Pezzer, Finanz-Rundschau 2001, 837; Scholtz in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 14 Rz 16). Ist eine Körperschaft an mehreren Personengesellschaften beteiligt, werden diese Beteiligungen gemäß § 64 Abs. 2 AO als ein (einheitlicher) wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb behandelt.

2. Wie das FG zutreffend entschieden hat, gilt dies jedoch dann nicht, wenn es sich –wie im Streitfall– um eine Kommanditbeteiligung an einer vermögensverwaltenden, aber gewerblich geprägten Personengesellschaft handelt (gl.A. Scholtz, ebenda; Schulz/Werz, Steuer-Journal 2006, Heft 4, S. 35; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, S. 382; Arnold, Deutsches Steuerrecht 2005, 581, 583 f.; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., S. 318; anders Wallenhorst in Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 6. Aufl., S. 360; Herbert, Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des gemeinnützigen Vereins, S. 85 f.; Buchna/ Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 10. Aufl., S. 300).

a) Nach dem Wortlaut des § 14 AO liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur vor, wenn die Betätigung über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Gesellschafter –und damit auch eine als Mitunternehmerin beteiligte steuerbefreite Körperschaft– erzielen zwar bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit gewerbliche Einkünfte. Mit der Feststellung gewerblicher Einkünfte steht auch für den Regelfall fest, dass die Vermögensverwaltung überschritten ist; denn Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung schließen einander im Grundsatz aus (BFH-Beschlüsse vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617; vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 427, BStBl II 1984, 751, 762). In materiell-rechtlicher Hinsicht erzielen gewerblich geprägte Personengesellschaften aber konstitutiv nur aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Sache nach gehen die Gesellschafter hingegen einer vermögensverwaltenden und nicht einer gewerblichen Tätigkeit nach; es ist gerade eines der Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002, dass tatsächlich keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 ausgeübt wird. Diese Fiktion gewerblicher Einkünfte des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 wird in § 14 AO für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb indes nicht aufgegriffen; § 14 AO verknüpft das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auch nicht mit der Erzielung gewerblicher Einkünfte. Da es sich bei dem Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht um einen ertragsteuerlichen, sondern um einen eigenständigen abgabenrechtlichen Begriff handelt, wäre für einen Gleichlauf mit § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002, um den rechtsstaatlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts zu genügen, deshalb eine entsprechende Fiktion oder ein Verweis auf die Einkünfte i.S. des § 15 EStG 2002 erforderlich.

b) Auch der Zweck der Besteuerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe gebietet keine Besteuerung gewerblich geprägter Einkünfte. Die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben werden aus Gründen der Wettbewerbsneutralität von der Steuerbefreiung ausgenommen. Den vermögensverwaltenden Tätigkeiten misst der Gesetzgeber demgegenüber, wie aus § 14 AO ersichtlich, keine erhebliche Wettbewerbsrelevanz zu (Senatsurteil vom 25. August 2010 I R 97/09, BFH/NV 2011, 312). Vor dem Hintergrund dieses Ziels bedürfen Einkünfte aus an sich vermögensverwaltenden Tätigkeiten, die sich nur aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 in gewerbliche Einkünfte wandeln, keiner Besteuerung. Mit § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 sollte die vormalige sog. Geprägerechtsprechung des BFH festgeschrieben und eine Gleichbehandlung mit Kapitalgesellschaften gewährleistet werden (BTDrucks 10/3663, S. 6). Es ist nicht erkennbar, dass die gewerbliche Fiktion vermögensverwaltender Tätigkeiten in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 dem Wettbewerbsschutz dient.

c) Die Beteiligungen der Klägerin an den gewerblich geprägten Personengesellschaften begründen danach keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Sie sind vielmehr von der Steuerfreiheit des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG 2002 umfasst.

d) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass in den Bescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung die Beteiligungserträge der Klägerin als gewerbliche Einkünfte festgestellt worden sind.
Die vorliegend für die Gewinnfeststellung der Beteiligungs-Kommanditgesellschaften zuständigen Finanzämter haben zwar gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO mit bindender Wirkung (§ 182 Abs. 1 AO) festgestellt, dass diese Gesellschaften gewerblich tätig waren, die Klägerin daran als Mitunternehmerin beteiligt war und sie aus diesen Beteiligungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat (BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, 427, BStBl II 1984, 751, 762). Ob diese gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen, ist damit aber nicht zugleich entschieden, weil gewerbliche Einkünfte zwar in der Regel, aber nicht notwendigerweise mit Einkünften aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben i.S. des § 14 AO deckungsgleich sind. Nach dem BFH-Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02 (BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679) werden nur solche Merkmale in die Gewinnfeststellung einbezogen, die von den Gesellschaftern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit gemeinschaftlich verwirklicht werden. Darüber, ob die gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin steuerfrei oder als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu beurteilen sind, ist außerhalb des Feststellungsverfahrens allein bei der Klägerin zu entscheiden. Soweit den Senatsurteilen in BFHE 146, 500, BStBl II 1989, 134 und in BFHE 195, 239, BStBl II 2001, 449 eine abweichende Auffassung entnommen werden könnte, hält der Senat hieran nicht länger fest.

3. Ob vorstehende Grundsätze auch für Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 2002 gelten, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Jedoch müssen beide Varianten des § 15 Abs. 3 EStG 2002 nicht notwendig einheitlich entschieden werden. Denn –anders als im Streitfall– üben im Fall des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 2002 die Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit jedenfalls auch eine originäre gewerbliche Tätigkeit aus. Diese begründet damit auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der als Mitunternehmerin beteiligten steuerbefreiten Körperschaft, der möglicherweise auch die (gewerblich gefärbten) Einkünfte, die bei isolierter Betrachtung als Vermögensverwaltung zu beurteilen wären, zuzuordnen sind.
Quicklink: uw111005

BFH, Urteil vom 04.05.2011, II R 51 / 09

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte in den
Streitjahren (1994 bis 1996) seinen Wohnsitz in der Schweiz. Im Inland hatte er
weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Der Kläger war in diesen Jahren als Kommanditist zu 99,75 %
am Gesellschaftsvermögen einer GmbH & Co. KG (KG) mit Sitz in K beteiligt.
Die restliche Beteiligung hielt die Komplementär-GmbH (GmbH), der auch die
Geschäftsführung oblag. Die KG verwaltete Beteiligungen an Personen- und
Kapitalgesellschaften, u.a. an einer AG, und war zudem zur Buchführung für eine
GbR verpflichtet, an der sie nicht beteiligt war. Diese Verpflichtung ließ sie
für das von der GbR an sie bezahlte Entgelt (12.000 DM jährlich) von der AG
wahrnehmen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–)
stellte für die KG auf den 1. Januar der Jahre 1994 bis 1997 Einheitswerte des
Betriebsvermögens fest und rechnete dem Kläger jeweils einen Anteil am
Einheitswert zu. Die Einsprüche, mit denen sich der Kläger gegen die Zurechnung
von Anteilen an den festgestellten Einheitswerten wandte, blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch das in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1819 veröffentlichte Urteil mit der
Begründung statt, die Anteilszurechnungen hätten für die Besteuerung des
beschränkt vermögensteuerpflichtigen Klägers keine Bedeutung i.S. des § 19 Abs.
4 des Bewertungsgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (BewG). Die
Anteile unterlägen nämlich nicht der inländischen Vermögensteuer. Sie hätten
zwar zu dem der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliegenden inländischen Betriebsvermögen
gehört. Das Besteuerungsrecht für die Anteile stehe aber nach dem Abkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen vom 11. August 1971 –DBA-Schweiz– (BGBl II 1972, 1021, BStBl
I 1972, 518) der Schweiz zu.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des Art. 3 Abs. 1
Buchst. f, Abs. 2 DBA-Schweiz i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 19 BewG. Zum einen entspreche die
Zurechnung von Anteilen an denEinheitswerten des Betriebsvermögens der KG auf
den Kläger schon deshalb den Anforderungen des § 19 Abs. 4 BewG, weil die
inländische Vermögensteuerpflicht nicht offensichtlich auszuschließen sei. Über
die Frage, ob das Besteuerungsrecht der Schweiz oder der Bundesrepublik
Deutschland (Bundesrepublik) zustehe, sei daher nicht im
Feststellungsverfahren, sondern im Besteuerungsverfahren zu entscheiden. Zum
anderen unterlägen die Anteile des Klägers an den Einheitswerten des Betriebsvermögens
der KG der Besteuerung durch die Bundesrepublik. Der Begriff Betrieb eines
Unternehmens i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Schweiz setze keine aktive
Tätigkeit des Unternehmens am Markt voraus, sondern umfasse auch gewerblich
geprägte Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. as FA nahm die
Revision hinsichtlich des Bewertungsstichtags 1. Januar 1997 wieder zurück,
weil seit dem Jahr 1997 keine Vermögensteuer mehr erhoben wird.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie
die Bewertungsstichtage 1. Januar 1994 bis 1. Januar 1996 betrifft, und die
Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das gemäß § 122
Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Verfahren beigetreten ist,
teilt die Auffassung des FA, dass das Besteuerungsrecht für die Anteile des
Klägers an den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG der Bundesrepublik
zustehe. Auch gewerblich geprägte Personengesellschaften seien Unternehmen im
abkommensrechtlichen Sinn. Soweit sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs
(BFH) vom 28. April 2010 I R 81/09 (BFHE 229, 252) etwas anderes ergebe, könne
dem nicht gefolgt werden. Der BFH habe sich lediglich der überwiegend in der
Literatur vertretenen Auffassung angeschlossen, ohne sich vertieft mit der
Problematik auseinander zu setzen. Zudem sei in dem entschiedenen Fall die
Frage der gewerblichen Prägung letztlich nicht entscheidend gewesen.

Gründe

II. Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Der Zurechnung von Anteilen an den auf den 1. Januar der Jahre 1994 bis 1996
festgestellten Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG auf den Kläger steht
§ 19 Abs. 4 BewG entgegen, weil sie für die Besteuerung des Klägers nicht von
Bedeutung ist. Das Besteuerungsrecht steht nicht der Bundesrepublik, sondern
der Schweiz zu.

1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass über die Frage, ob
der Kläger mit den Anteilen an den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG
der inländischen Vermögensteuer unterliegt, im Rahmen der Prüfung der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide zu entscheiden ist.

a) Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG werden für inländische
Gewerbebetriebe (§ 95 BewG) Einheitswerte festgestellt (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 der
Abgabenordnung –AO–). In dem Feststellungsbescheid (§ 179 AO) sind gemäß § 19
Abs. 3 Nr. 2 BewG auch Feststellungenzu treffen über die Zurechnung der
wirtschaftlichen Einheit und bei mehreren Beteiligten über die Höhe ihrer
Anteile. Feststellungen nach § 19 Abs. 1 bis 3 BewG erfolgen gemäß § 19 Abs. 4
BewG nur, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. § 19 Abs.
4 BewG ist eine Ausprägung des für alle gesonderten Feststellungen von
Besteuerungsgrundlagen geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass diese nur
getroffen werden dürfen, wenn sie für eine Besteuerung von Bedeutung sind (BFH-Beschluss
vom 30. November 1993 II B 183/92, BFHE 172, 530, BStBl II 1994, 150). Wie der
BFH in dieser Entscheidung weiter ausgeführt hat, ist die Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen jedoch nur dann unzulässig, wenn es unzweifelhaft ist,
dass ihr keine steuerliche Bedeutung mehr zukommt. Solange Zweifel an der
steuerrechtlichen Relevanz der gesonderten Feststellung bestünden, sei die
Feststellung geboten und rechtmäßig. Zweifel in diesem Sinne seien nicht nur
solche über die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Steuerbefreiung, sondern
auch solche über reine Rechtsfragen. Bei einem anderen Verständnis käme es zu
einer unzulässigen Verlagerung von Fragen der Steuerfestsetzung in das Verfahren
über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

b) Diese Grundsätze stehen der Entscheidung, dass die dem
Kläger zugerechneten Anteile an den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG
nicht der inländischen Vermögensteuerpflicht unterliegen und dass ihm deshalb
in den angefochtenen Feststellungsbescheiden die Anteile nicht zugerechnet
werden durften, nicht entgegen. Die Rechtslage ist nämlich eindeutig (vgl.
unten 2.). Allein daraus, dass die Beteiligten dazu unterschiedliche
Auffassungen vertreten, lassen sich Zweifel an der Rechtslage nicht herleiten.

2. Die in den angefochtenen Feststellungsbescheiden
vorgenommene Zurechnung von Anteilen an den Einheitswerten des
Betriebsvermögens der KG auf den Kläger ist übereinstimmend mit der Ansicht des
FG rechtswidrig. Das Besteuerungsrecht für die Anteile steht nicht der
Bundesrepublik, sondern der Schweiz zu.

a) Nach innerstaatlichem Recht unterliegen die Anteile der
Vermögensteuer. Der Kläger ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des
Vermögensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (VStG)
beschränkt steuerpflichtig, weil er in diesen Jahren im Inland weder einen Wohnsitz
noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die beschränkte Steuerpflicht
erstreckt sich nach § 2 Abs. 2 VStG nur auf Vermögen der in § 121 BewG
genannten Art, das auf das Inland entfällt.

Zum Inlandsvermögen gehört nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG das
inländische Betriebsvermögen. Als solches gilt das Vermögen, das einem im
Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte
unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. Zum
Betriebsvermögen zählt dabei auch das Vermögen von Gesellschaften, die, wie die
KG, nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt sind (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr.
5 Satz 1 BewG).

Die gewerbliche Prägung der KG ergibt sich daraus, dass sie
keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübte und
ausschließlich die GmbH persönlich haftende Gesellschafterin und zur
Geschäftsführung befugt war. Die bloßeVermögensverwaltung ist keine gewerbliche
Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG (BFH-Urteile vom
9. Dezember 2002 VIII R 40/01, BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294, und vom 4.
Februar 2009 II R 41/07, BFHE 225, 85, BStBl II 2009, 600).

Die von der KG übernommenen Buchführungsaufgaben hatten auch
nicht dazu geführt, dass die Tätigkeit der KG gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als
Gewerbebetrieb in vollem Umfang galt. Zum einen hatte die KG insoweit nicht mit
der für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit erforderlichen Absicht,
Gewinn zu erzielen, gehandelt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG); denn sie hatte die AG
mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragt und dieser dafür das volle von
ihr selbst vereinnahmte Honorar bezahlt.

Zum anderen greift nach Maßgabe des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei einem äußerst geringen Anteil der originär
gewerblichen Tätigkeit die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
nicht ein (BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II
2000, 229). Zwischen den Beteiligten besteht demgemäß zu Recht Einigkeit, dass
die Beurteilung der KG als Gewerbebetrieb ausschließlich auf § 15 Abs. 3 Nr. 2
EStG, nicht aber auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 oder Abs. 3 Nr. 1
EStG beruht.

b) Das Besteuerungsrecht für die dem Kläger in den
angefochtenen Bescheiden zugerechneten Anteile an den Einheitswerten des
Betriebsvermögens der KG steht nicht der Bundesrepublik, sondern der Schweiz
zu.

aa) Der Kläger fällt für die Streitjahre unter das
DBA-Schweiz, weil er in der Schweiz ansässig war (Art. 1 DBA-Schweiz).

bb) Das DBA-Schweiz gilt u.a. für die in der Bundesrepublik
erhobene Vermögensteuer (Art. 2 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c DBA-Schweiz) und die in
der Schweiz erhobenen Steuern vom Vermögen (Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b
DBA-Schweiz).

cc) Die Zuweisung des Besteuerungsrechts für die
Vermögensteuer ist in Art. 22 DBA-Schweiz geregelt. Vermögenswerte, für die
Art. 22 Abs. 1 bis 5 DBA-Schweiz keine Regelung enthält, können nach Art. 22
Abs. 6 DBA-Schweiz nur in dem Staat besteuert werden, in dem die Person
ansässig ist, der die Vermögenswerte zuzurechnen sind.

dd) Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik für die
Beteiligung einer in der Schweiz ansässigen Person an einer inländischen
gewerblich geprägten Personengesellschaft kann entgegen der Ansicht des FA und
des BMF nicht aus Art. 22 Abs. 2 DBA-Schweiz abgeleitet werden.

aaa) Nach dieser Vorschrift kann bewegliches Vermögen, das
Betriebsvermögen einer Betriebsstätte eines Unternehmens darstellt oder das zu
einer der Ausübung eines freien Berufes dienenden festen Einrichtung gehört, in
dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich die Betriebsstätte oder die
feste Einrichtung befindet. Der Begriff „Unternehmen“ im Sinne dieser
Vorschrift ist im DBA-Schweiz nicht definiert, insbesondere auch nicht indessen
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, und daher nach Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz für Zwecke der
deutschen Besteuerung in der Bedeutung zu verwenden, die ihm nach dem Recht der
Bundesrepublik über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des DBA-Schweiz
sind, soweit der Zusammenhang des DBA-Schweiz nichts anderes erfordert. Der
Rückgriff auf das deutsche Vermögensteuerrecht führt indes nicht weiter; denn weder
das VStG noch §§ 95, 97 und 121 BewG oder andere Vorschriften des VStG oder des
BewG definieren den Begriff „Unternehmen“.

bbb) Der Begriff ist danach aus dem Zusammenhang des
DBA-Schweiz heraus auszulegen. Diese Auslegung ergibt, dass eine
vermögensverwaltende Personengesellschaft auch dann kein
„Unternehmen“ i.S. des Art. 22 Abs. 2 DBA-Schweiz ist oder hat, wenn
sie i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt ist. Die gewerbliche
Prägung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft spielt
abkommensrechtlich keine Rolle. Wie der BFH im Urteil in BFHE 229, 252 mit
überzeugender Begründung ausgeführt hat, setzt das Vorliegen von „Gewinnen
eines Unternehmens“ im abkommensrechtlichen Sinn (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 des
Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen) bzw. von „gewerblichen Gewinnen eines
Unternehmens“ i.S. des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf
dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer
Steuern vom 29. August 1989 –DBAUSA 1989 a.F.– (BGBl II 1991, 355, BStBl I
1991, 95) eine ihrer Art nach „unternehmerische“ Tätigkeit voraus
(ebenso BFH-Beschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II
2011, 156, unter II.3.b bb, zu Art. 13 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 5. Dezember
1966, BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 I R
49/09, BFHE 232, 145, unter B.I.2.b, zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom
26. November 1964, BGBl II 1966, 359, in der Fassung des Revisionsprotokolls
vom 23. März 1970, BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 140). Es möge zwar der
Anweisung in Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 1989 a.F. (entspricht im Wesentlichen Art. 3
Abs. 2 DBA-Schweiz) entsprechen, für Zwecke der deutschen Besteuerung an die
Definition der „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ in § 15 Abs. 2 EStG
anzuknüpfen. Der abkommensrechtliche Begriff „gewerbliche Gewinne eines Unternehmens“
umfasse aber nicht Einkünfte aus einer inhaltlich zum Bereich der Vermögensverwaltung
gehörenden und im innerstaatlichen Recht nur im Wege einer Fiktion gemäß § 15
Abs. 3 Nr. 2 EStG dem Bereich der Gewerblichkeit zugewiesenen Tätigkeit. Die
abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungshoheit richte sich in erster
Linie an der Art der Einkunftserzielung aus und weise der systematischen Einordnung
der Einkünfte im nationalen Recht insoweit nur eine Hilfsfunktion zu. Ein
anderes Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr fördern, dass Doppelbesteuerungsabkommen
in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt würden, und damit
der im Grundsatz angestrebten Entscheidungsharmonieentgegenwirken. Die Fiktion
des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sei daher für die abkommensrechtliche Qualifizierung
von Einkünften ohne Bedeutung. 30 Entgegen der Ansicht des BMF war diese
Auslegung des DBA-USA 1989 a.F. durch den BFH im Urteil in BFHE 229, 252
entscheidungserheblich. Wären die von der gewerblich geprägten
US-amerikanischen Personengesellschaft erzielten Zinseinkünfte als gewerbliche
Gewinne eines Unternehmens i.S. von Art. 7 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. zu
beurteilen gewesen, hätten sie der USamerikanischen Besteuerung unterlegen. Der
angefochtene Feststellungsbescheid, der vom Besteuerungsrecht der
Bundesrepublik ausgegangen war, wäre dann aufzuheben gewesen.

Der erkennende Senat schließt sich der in Einklang mit der
überwiegend in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur
vertretenen Auffassung (Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 229, 252 ) stehenden
Ansicht des I. Senats des BFH auch für die Vermögensteuer an. Der abweichenden
Auffassung des BMF (Schreiben vom 16. April 2010, BStBl I 2010, 354 Tz. 2.2.1)
kann übereinstimmend mit der Rechtsprechung des I. Senats des BFH nicht gefolgt
werden. Eine vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft, deren Einkünfte
lediglich aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb gelten, ist oder hat danach kein Unternehmen i.S. des Art. 22
Abs. 2 DBA-Schweiz. Das Recht, die Beteiligung einer natürlichen Person an
einer solchen Gesellschaft der Vermögensteuer zu unterwerfen, kann demgemäß
nicht aus dieser Vorschrift abgeleitet werden. Es steht vielmehr gemäß Art. 22
Abs. 6 DBA-Schweiz dem Ansässigkeitsstaat zu, soweit sich nicht aus den übrigen
Einzelvorschriften des Art. 22 DBA-Schweiz etwas anderes ergibt.

ee) Das Recht, Vermögensteuer für die Anteile des Klägers an
den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG festzusetzen, steht mithin nach
der Grundregel des Art. 22 Abs. 6 DBA-Schweiz der Schweiz als dem Staat zu, in
dem der Kläger in den Streitjahren ansässig war. Ein Besteuerungsrecht der
Bundesrepublik lässt sich weder aus Art. 22 Abs. 2 DBASchweiz noch einer
anderen abkommensrechtlichen Vorschrift ableiten.
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BFH, Urteil vom 23.03.2011, X R 45 / 09

Tatbestand

I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 2001 mit seiner damaligen Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Er hielt 71,18 % des Grundkapitals einer AG und war zugleich Vorsitzender des Vorstands dieser AG.

Die AG ist durch Umwandlung einer GmbH entstanden und börsennotiert. Der Vorstand bestand im Streitjahr zunächst aus drei, ab dem 27. November 2001 dann noch aus zwei Mitgliedern. Der Kläger war einzelvertretungsberechtigt. Die anderen Vorstandsmitglieder waren jeweils nur gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen vertretungsberechtigt. Gemäß § 6 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Vorstands in der Fassung vom 15. März 2001 (GO-V) sollten Vorstandsbeschlüsse „nach Möglichkeit“ einstimmig gefasst werden. Konnte Einstimmigkeit nicht erzielt werden, entschied die einfache Stimmenmehrheit, wobei die Stimme des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit den Ausschlag gab (§ 6 Abs. 7 GO-V). Über Beschlüsse gegen die Stimme des Vorstandsvorsitzenden war der Aufsichtsrat zu unterrichten. Über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung und Tragweite für die Gesellschaft hatte der Gesamtvorstand zu beschließen (§ 8 Abs. 1 GO-V). Bestimmte Rechtsgeschäfte durften gemäß § 8 Abs. 2 GO-V nur mit vorheriger ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats getätigt werden. Diese Klausel bezog sich auch auf den Abschluss von Mietverträgen, bei denen der Barwert der fest vereinbarten Zahlungen sich im Jahr auf mehr als 2 Mio. € zuzüglich Umsatzsteuer belief.

Der Aufsichtsrat bestand im Streitjahr 2001 ebenfalls aus drei Mitgliedern. Im Gesamtkonzern waren … Arbeitnehmer beschäftigt; keines der Aufsichtsratsmitglieder war von der Arbeitnehmerseite bestimmt worden.

Seit Sommer 2000 verhandelte der Kläger mit der AG über die Anmietung von Räumen in einem Gebäude, das er seinerzeit auf einem ihm gehörenden Grundstück errichten ließ. In dem –nicht unterschriebenen– Entwurf eines „Letter of Intent“, den der Vorstand am 25. Oktober 2000 dem Aufsichtsrat vorlegte, verpflichtete der Kläger sich, mit der AG nach Fertigstellung des Gebäudes einen Mietvertrag über Büroflächen (zu 37,50 DM/qm monatlich) und Stellplätze abzuschließen. Der Vertrag sollte eine Laufzeit von zehn Jahren haben und mit einer Verlängerungsoption versehen sein.

Am 27. August 2001 schlug der Vorstand dem Aufsichtsrat die Anmietung vor. Die Monatsmiete sollte nunmehr im ersten Jahr 20 DM/qm und danach 41 DM/qm betragen. Der Aufsichtsrat fasste am 31. August 2001 einen entsprechenden Beschluss. In der folgenden Aufsichtsratssitzung vom 25. Oktober 2001 wurde dieser Beschluss auf Vorschlag des Klägers (Punkt 10 des Protokolls: “ proposed an amendment …“) dahingehend geändert, dass die Festmietzeit auf drei Jahre verkürzt und eine Änderung hinsichtlich der Behandlung der Einbauten vorgenommen wurde. Am 29. Oktober 2001 wurde der entsprechende Mietvertrag unterzeichnet (monatliche Nettomiete im ersten Mietjahr 133.213 DM, ab dem zweiten Mietjahr 227.296 DM); die in § 8 Abs. 2 GO-V genannte Grenze von 2 Mio. € Netto-Jahresmiete wurde damit nicht überschritten. Das Mietverhältnis begann am 16. November 2001. Der AG, die in dem neuen, repräsentativen Gebäude ihre bisher auf mehrere Standorte verteilten Mitarbeiter zusammenführen konnte, standen nach Ablauf der dreijährigen Festmietzeit zwei Verlängerungsoptionen von jeweils fünf Jahren zu.

Der Kläger erklärte aus der Grundstücksvermietung zunächst negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Auffassung, zwischen dem Kläger und der AG habe seit dem 16. November 2001 eine Betriebsaufspaltung bestanden. Im angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheid vom 18. Oktober 2006 setzte das FA entsprechende Einkünfte aus Gewerbebetrieb an, die wegen der Einkünfteermittlung nach Bilanzierungsgrundsätzen zu einer höheren Steuerfestsetzung führten. Zugleich erließ das FA einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer, der trotz positiver Einkommensteuer-Festsetzung aufgrund der im Streitjahr 2001 geltenden Regelungen des § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderlich war.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FA in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 11. September 2009 die angefochtenen Bescheide für vorläufig im Hinblick auf das seinerzeit beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Normenkontrollverfahren zu den Regelungen des § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG erklärt.

Das FG wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 140). Es führte aus, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 28. Januar 1982 IV R 100/78, BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479) könne auch eine AG Betriebsunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sein. Für die erforderliche personelle Verflechtung genüge es, dass der Mehrheitsaktionär die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und damit mittelbar auch die Besetzung des Vorstands bestimmen könne. Dadurch könne sich in der AG auf Dauer nur ein solcher geschäftlicher Wille entfalten, der vom Vertrauen des Mehrheitsaktionärs getragen sei. Die Auffassung des Klägers, nach den Regelungen des Aktiengesetzes (AktG) sei es ausgeschlossen, dass eine AG beherrscht werde, treffe nicht zu. Vielmehr werde in § 17 Abs. 2 AktG sogar eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, wonach ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen beherrscht werde.

Die vom Kläger angeführten Besonderheiten der AG im Vergleich zur GmbH –zu der die weitaus meisten höchstrichterlichen Entscheidungen zur Betriebsaufspaltung ergangen seien– rechtfertigten keine andere Beurteilung. So sei der Minderheitenschutz für den Fall der Vornahme von Geschäften, die der Gesellschaft nachteilig seien, bei der GmbH nicht schwächer ausgestaltet als bei der AG. Auch die Eigenverantwortlichkeit der Organe der AG und ihre Pflicht, ihr Handeln am Wohle der Gesellschaft auszurichten, begründeten keinen wesentlichen Strukturunterschied zum Recht der GmbH. Denn auch der Geschäftsführer einer GmbH habe die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu wahren und sei bei Pflichtverletzungen schadensersatzpflichtig. Der Umstand, dass die AG bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern zwingend durch den Aufsichtsrat vertreten werde, stehe der Annahme einer personellen Verflechtung ebenfalls nicht entgegen. Denn der Kläger habe wiederum maßgebenden Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrats.

Auf die zusätzliche Stellung des Klägers als Vorsitzender des Vorstands der AG und die Frage, inwieweit der Vorstandsvorsitzende den Vorstand angesichts des dort geltenden Kollegialprinzips beherrschen könne, komme es nicht an. Denn die für die Annahme einer personellen Verflechtung erforderliche beherrschende Stellung werde nicht durch die Position als Vorstandsvorsitzender, sondern durch diejenige als Mehrheitsaktionär begründet.

Auch der Umstand, dass eine börsennotierte AG nach dem Vorbringen des Klägers unter der besonderen Beobachtung des Kapitalmarkts stehe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Anmietung einer wesentlichen Betriebsgrundlage vom Mehrheitsaktionär werde sich in aller Regel im Rahmen des weiten kaufmännischen Ermessensspielraums der Organe der AG bewegen. Im Übrigen sei gerade bei der GmbH mit ihrer zumeist geringeren Zahl an Gesellschaftern, die zudem üblicherweise in engerem persönlichen Kontakt als die Aktionäre einer AG stünden, die Transparenz des geschäftlichen Handelns und damit der Minderheitenschutz in besonderer Weise verwirklicht.

Mit seiner Revision macht der Kläger –unter Bezugnahme auf im Laufe des Verfahrens eingereichte Stellungnahmen einer Anwaltskanzlei und eines Hochschullehrers– geltend, bereits gegen das von der Rechtsprechung geschaffene Institut der Betriebsaufspaltung als solches bestünden wegen des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Zumindest sei aber die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH zu beachten, wonach für die Feststellung einer personellen Verflechtung „strenge Anforderungen“ gelten müssten (Beschluss vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, unter V.4.). Diese Prämisse sei sowohl vom IV. Senat des BFH in seiner zur AG ergangenen Leitentscheidung in BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479 als auch vom FG im angefochtenen Urteil verlassen worden.

Die Annahme, eine AG könne mittelbar durch die Möglichkeit, die personelle Zusammensetzung ihrer Organe zu bestimmen, beherrscht werden, sei nicht haltbar. Denn Aufsichtsratsmitglieder seien allein dem Interesse des Unternehmens, nicht aber dem Mehrheitsaktionär verpflichtet. Die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, die dem Mehrheitsaktionär „hörig“ seien, würde eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht darstellen. Jedenfalls bei einer börsennotierten AG würde zumindest die Auswechslung des Aufsichtsratsvorsitzenden die Veröffentlichungspflicht nach § 15 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) auslösen. Aktionäre, die über 10 % des Grundkapitals verfügten, hätten dann schon nach den im Streitjahr 2001 geltenden Regelungen die Möglichkeit gehabt, eine Sonderprüfung durchzusetzen (§ 142 Abs. 2 AktG). Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats sei durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998 (BGBl I 1998, 786) und das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) vom 19. Juli 2002 (BGBl I 2002, 2681) deutlich gestärkt worden. Seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25. Mai 2009 (BGBl I 2009, 1102) bestünden auch Berichtspflichten über die vertraglichen Beziehungen mit dem Mehrheitsaktionär (§ 285 Nr. 21 des Handelsgesetzbuchs –HGB–). Da der IV. Senat des BFH angedeutet habe, dass zu einer AG, die der paritätischen Arbeitnehmer-Mitbestimmung unterliege, keine personelle Verflechtung bestehen könne, müsse dies auch für eine kapitalmarktorientierte AG gelten. Hinzu komme, dass vorliegend nach zwei Mandatsniederlegungen im Aufsichtsrat die beiden neuen Aufsichtsratsmitglieder im Jahr 2001 zunächst durch das Amtsgericht bestellt und erst im Jahr 2002 durch die Hauptversammlung bestätigt worden seien.

Die vom FG herangezogene Vorschrift des § 17 AktG sei im Streitfall von vornherein nicht anwendbar. Denn eine Beherrschung könne nur durch ein „Unternehmen“ erfolgen, nicht aber durch eine rein vermögensverwaltend tätige Person. In einem solchen Fall bestehe keine Gefahr, dass der vermögensverwaltende Mehrheitsaktionär Geschäftschancen zu Lasten der AG wahrnehme. Im Übrigen diene § 17 AktG dem Minderheiten- und Gläubigerschutz; dieser Vorschrift liege eine ganz andere Interessenlage zugrunde als dem Institut der Betriebsaufspaltung. Selbst ein herrschendes Unternehmen im Sinne des Konzernrechts sei aber nur nach dem zusätzlichen Abschluss eines Beherrschungsvertrages (§ 291 AktG) berechtigt, dem Vorstand des beherrschten Unternehmens Weisungen zu erteilen. Daran fehle es hier.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müsse sich die Beherrschungssituation gerade auch auf das Nutzungsverhältnis über die wesentliche Betriebsgrundlage erstrecken. Dieses Nutzungsverhältnis dürfe nicht gegen den Willen des Besitzunternehmers aufgelöst werden können. Daran fehle es vorliegend. Denn die dem Kläger lediglich zustehende Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung verschaffe ihm keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäfte des täglichen Lebens und insbesondere auf das Mietverhältnis. Im Gegensatz zur GmbH, wo die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer Einzelweisungen erteilen könne, stünden der Hauptversammlung einer AG keinerlei Weisungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand zu. Auch könne nicht der Kläger, sondern allein der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder berufen und abberufen.

Der I. Senat des BFH schränke den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei der AG im Vergleich zur GmbH ein. Da es auch bei der vGA um ein Beherrschungsverhältnis gehe, müsse diese Einschränkung gleichermaßen für die Betriebsaufspaltung gelten. Eine personelle Verflechtung dürfe danach nur angenommen werden, wenn festgestellt werden könne, dass sich die Organmitglieder dem Willen des Mehrheitsaktionärs gebeugt hätten. Hierfür bestehe vorliegend aber kein Anhaltspunkt.

Die personelle Verflechtung könne auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt einer „faktischen Beherrschung“ aufgrund der Stellung des Klägers als Vorstandsvorsitzender bejaht werden. Denn die AG werde bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern nicht durch den Vorstand, sondern durch den Aufsichtsrat vertreten (§ 112 AktG). Diese Regelung sei nicht abdingbar (§ 23 Abs. 5 AktG), während das für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich geltende Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–) und das Stimmverbot in der Gesellschafterversammlung (§ 47 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung –GmbHG–) ausgeschlossen werden könne, wovon regelmäßig Gebrauch gemacht werde. Auch sei das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG nur einschlägig, wenn der Nutzungsvertrag durch die Gesellschafterversammlung selbst abgeschlossen werde, nicht aber, wenn der Vertragsschluss –wie im Regelfall– durch die Geschäftsführung vorgenommen werde. Bei der GmbH könne selbst ein nicht vertraglich abbedungenes Selbstkontrahierungsverbot dadurch unterlaufen werden, dass der Gesellschafter einen weiteren Geschäftsführer bestelle, der dann weisungsgemäß den Vertragsschluss vornehme. All dies sei bei der AG rechtlich ausgeschlossen. Im Übrigen hätte der Aufsichtsrat den Kläger jederzeit auch gegen dessen Willen aus dem Vorstand abberufen oder zumindest seine Einzelvertretungsbefugnis beenden können. Sowohl die aktienrechtlichen Regelungen als auch die im Streitfall anzuwendende GO-V ließen ein System von „checks and balances“ erkennen, das gerade nicht die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung typische Beherrschungssituation widerspiegele.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil, die geänderten Bescheide über Einkommensteuer 2001 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001, jeweils vom 18. Oktober 2006 und 11. September 2009, sowie die Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2008 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Gründe

4.
Die weiteren vom Kläger angeführten und nicht bereits vom IV. Senat des BFH sowie oben unter 3.a ausdrücklich gewürdigten zivilrechtlichen Strukturunterschiede zwischen der GmbH und der AG sind nicht so gravierend, als dass sie zu einer anderen Beurteilung Anlass geben könnten.
a)
Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass bei der GmbH sowohl das Stimmverbot der Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten (§ 47 Abs. 4 GmbHG) als auch das Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 BGB) abdingbar ist. Demgegenüber ist das entsprechende Stimmverbot in der AG (§ 136 AktG) nicht abdingbar (§ 23 Abs. 5 AktG). Das Selbstkontrahierungsverbot wird in der AG organisationsrechtlich dadurch flankiert, dass die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern nicht durch den Vorstand, sondern zwingend durch den Aufsichtsrat vertreten wird (§ 112 AktG). Diese aktienrechtlichen Besonderheiten –die im Übrigen bei Ergehen der Entscheidung des IV. Senats des BFH bereits in gleicher Weise bestanden haben– können indes nichts daran ändern, dass sich aufgrund der gesellschaftsrechtlich abgesicherten Möglichkeit des Mehrheitsaktionärs, mittelbar die personelle Zusammensetzung des Geschäftsführungsorgans zu bestimmen, in der AG auf Dauer nur ein solcher geschäftlicher Betätigungswille entfalten kann, der vom Vertrauen des Mehrheitsaktionärs getragen ist. Die gegenteiligen Behauptungen des Klägers –die er in keinem Stadium des Verfahrens durch entsprechende empirische Feststellungen untermauert hat– verkennen die sich aus der Wirtschaftsordnung und der Lebenserfahrung ergebenden Realitäten.
b)
Soweit der Kläger auf die Möglichkeit einer Aktionärsminderheit verweist, Sonderprüfungen durchzusetzen (§ 142 AktG), hat sich der Senat mit der Bedeutung vergleichbarer Minderheitenrechte für die Annahme einer personellen Verflechtung bereits befasst und sie für nicht rechtserheblich befunden (vgl. Senatsurteil in BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415, unter II.1.b cc). Denn für die Frage der Beherrschung ist auf den typischen Regelfall abzustellen. Hinzu kommt, dass das vom Kläger hervorgehobene Minderheitsrecht, Sonderprüfungen zu erzwingen, nur besteht, wenn Tatsachen den Verdacht rechtfertigen, bei dem Vorgang seien Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen (§ 142 Abs. 2 Satz 1 AktG). Um einen solchen Sachverhalt geht es vorliegend auf der Grundlage der Feststellungen des FG und des Vorbringens der Beteiligten indes nicht.
Im Übrigen vermag der Senat dem Kläger in der Einschätzung des tatsächlichen Gewichts der zu einem zentralen Bestandteil seiner Argumentation gemachten Minderheitenrechte nicht zu folgen. Dies zeigt bereits der Streitfall, in dem der Kläger selbst mitgeteilt hat, dass während der Verhandlungen über den Mietvertrag –wenn auch aus Gründen, die dem Senat im Einzelnen nicht bekannt sind und die nicht unbedingt in sachlichem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen müssen– zwei der drei Vorstandsmitglieder und zwei der drei Aufsichtsratsmitglieder ihr Mandat niedergelegt haben. Trotz Erfüllung der vom Kläger angeführten Mitteilungspflichten nach § 15 WpHG hat dies offensichtlich keine Berufung der Minderheitsaktionäre auf ihre gesetzlichen Rechte, insbesondere die Erzwingung einer Sonderprüfung, nach sich gezogen.
c)
Die für den Mehrheitsaktionär geltende gesellschaftsrechtliche Treuepflicht steht der Annahme einer Betriebsaufspaltung schon deshalb nicht entgegen, weil sich aus der Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage typischerweise keine Nachteile für die Gesellschaft ergeben (siehe bereits oben unter 3.d).
Hinzu kommt, dass sich die tatsächliche aktienrechtliche Lage im Vergleich zu den Ausführungen des Klägers genau gegenteilig darstellt: Das Bestehen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht schließt die gesetzlichen Möglichkeiten des Mehrheitsaktionärs zur Beherrschung der AG nicht aus. Vielmehr hat der BGH die Übertragung des –zunächst nur für die GmbH entwickelten– Treuepflichtgedankens auf die AG gerade damit begründet, dass der Mehrheitsaktionär die Möglichkeit habe, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen. Deshalb sei nicht allein bei der GmbH, sondern auch bei der AG als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht zu fordern, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen (BGH-Urteil in BGHZ 103, 184, unter 4.a – Linotype).
Der Verweis des Klägers auf den Beschluss des Kammergerichts (KG) vom 3. Dezember 2002 1 W 363/02 (Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht –NZG– 2003, 441) führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach dieser Entscheidung kann ein mit den Stimmen des Mehrheitsaktionärs gefasster Hauptversammlungsbeschluss über die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds und die Bestellung eines neuen –dem Mehrheitsaktionär stärker gewogenen– Aufsichtsratsmitglieds gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen, wenn diese personelle Änderung dazu dient, in der Gesellschaft Entscheidungen durchzusetzen, die die Existenz der Gesellschaft gefährden würden. Von einer solchen –sehr speziell gelagerten– Konstellation kann in den typischen Fällen der Betriebsaufspaltung indes keine Rede sein.
5.
Auch die Änderungen im Aktienrecht seit Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479 bis einschließlich 2001 haben diejenigen Strukturmerkmale der AG, die für die Bejahung der grundsätzlichen Möglichkeit einer Beherrschung einer AG durch ihren Mehrheitsaktionär tragend sind, unberührt gelassen.
a)
Der Kläger verweist insoweit auf die Änderungen des AktG durch das KonTraG. Er führt hierzu an, seither müsse der Aufsichtsrat in jedem Kalenderhalbjahr mindestens ein Mal (bei börsennotierten Gesellschaften sogar zwei Mal) zusammentreten (§ 110 Abs. 3 AktG in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung). Auch sei der Auftrag an den Abschlussprüfer nunmehr zwingend durch den Aufsichtsrat zu erteilen (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG).
Indes ist für den Senat nicht ersichtlich, was diese –geringfügigen– gesetzlichen Änderungen hinsichtlich der Aufgaben des Aufsichtsrats an der grundsätzlichen Fähigkeit des Mehrheitsaktionärs geändert haben sollten, kraft seiner Hauptversammlungsmehrheit die Mitglieder des Aufsichtsrats und damit mittelbar die personelle Zusammensetzung des Vorstands bestimmen zu können. Soweit der Kläger im Kern meint, der Gesetzgeber habe die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder entscheidend stärken wollen, ist dem entgegenzuhalten, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder kraft Hauptversammlungsmehrheit nicht geändert worden sind.
b)
Die weiteren vom Kläger angeführten Änderungen des AktG bzw. HGB durch das TransPuG und das BilMoG sind erst nach Ablauf des Streitjahres 2001 vorgenommen worden und damit für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht erheblich. Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) ist erstmals im Jahr 2002 veröffentlicht worden.
c)
Da zwischen den Beteiligten noch ruhende Einspruchsverfahren schweben, die die Folgejahre betreffen, weist der Senat aus Gründen der Verfahrensökonomie –ohne rechtliche Bindungswirkung– darauf hin, dass auch die weiteren vom Kläger angesprochenen Gesetzesänderungen die Struktur der AG nicht in einer solchen Weise geändert haben, dass nunmehr eine Neubeurteilung im Hinblick auf die Anwendung der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung bei einer AG geboten wäre.
Denn weder das TransPuG noch das BilMoG noch die –rechtlich unverbindlichen– „Empfehlungen“ (§ 161 AktG) des DCGK haben Änderungen an dem für die AG rechtsformprägenden Grundsatz mit sich gebracht, wonach Beschlüsse in der Hauptversammlung nach Maßgabe der nach Aktiennennbeträgen oder Aktienstückzahlen (§ 134 Abs. 1 Satz 1 AktG) zu ermittelnden einfachen Mehrheit zu fassen sind. Die Regelungen über die Befugnis der Hauptversammlung, die Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, sowie die Befugnis des Aufsichtsrats, die Vorstandsmitglieder zu bestellen und abzuberufen, waren nicht Gegenstand durchgreifender gesetzlicher Änderungen.
Ergänzend verweist der Senat darauf, dass die durch das BilMoG angefügte und vom Kläger hervorgehobene Vorschrift des § 285 Nr. 21 HGB lediglich eine Veröffentlichungspflicht hinsichtlich der nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen wesentlichen Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen anordnet. Damit weist dieser handelsrechtliche Tatbestand zwar Parallelen zu dem der vGA auf, nicht aber zur Betriebsaufspaltung, die nicht an eine gegebene oder fehlende Marktüblichkeit der Bedingungen anknüpft.
6.
Zu Recht haben sowohl der IV. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479 als auch die Vorinstanz an die Vorschrift des § 17 Abs. 2 AktG angeknüpft. Danach wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Aus dieser Norm folgt zwanglos die gesetzgeberische Einschätzung, auch eine AG werde durch den Inhaber der Anteils- bzw. Stimmenmehrheit im Regelfall beherrscht. Die Angriffe der Revision gegen die Heranziehung des Rechtsgedankens des § 17 Abs. 2 AktG können keinen Erfolg haben.
a)
Die Revision verkennt zunächst, dass weder die Vorinstanz noch der IV. Senat die Vorschrift des § 17 AktG auf den jeweiligen Streitfall „angewendet“ oder ihre Tatbestandsvoraussetzungen für das Verhältnis zwischen den jeweiligen Mehrheitsaktionären und der AG bejaht haben. Darauf kommt es für die Feststellung der Voraussetzungen einer steuerrechtlichen Betriebsaufspaltung auch gar nicht an. Vielmehr liegt die Bedeutung des § 17 AktG im hier interessierenden Zusammenhang darin, dass schon durch die bloße Existenz dieser Vorschrift die Grundthese des Klägers widerlegt wird, eine AG könne angesichts der vielfältigen von ihm aufgezeigten gesetzlichen und satzungsmäßigen „checks and balances“ ihrem Wesen nach nicht beherrscht werden, was der Annahme einer personellen Verflechtung zwischen einer AG und ihrem Mehrheitsaktionär bereits im Grundsatz entgegenstehe.
b)
Ungeachtet dessen –und ohne dass es für die Entscheidung des Streitfalls nach dem Vorstehenden darauf ankäme– sprechen aber überwiegende Gründe dafür, dass der Kläger aufgrund der Vermietung des Gebäudes an die AG als „Unternehmer“ i.S. des § 17 AktG anzusehen ist.
aa)
In seiner grundlegenden Entscheidung zum Begriff des „Unternehmens“ i.S. des § 17 Abs. 2 AktG hat der BGH entscheidend darauf abgestellt, ob der Großaktionär auch außerhalb seiner reinen Beteiligung an der AG wirtschaftliche Interessen verfolgt. Sei dies der Fall, bestehe typischerweise die Gefahr, dass er das Wohl der Gesellschaft seinen individuellen Interessen opfere und diese besondere Konfliktlage auch besondere gesetzliche Vorkehrungen erfordere. Hingegen werde ein Großaktionär, dessen Betätigung sich auf die Beteiligung an der AG beschränke, im Regelfall das Interesse dieses Unternehmens als sein eigenes Interesse betrachten und jedenfalls keine diesem Unternehmensinteresse zuwider laufenden Sonderinteressen verfolgen; hier habe der Gesetzgeber zur Abwehr eventueller Gefahren den allgemeinen Minderheitenschutz für ausreichend erachten können (BGH-Urteil in BGHZ 69, 334, unter II.2. – VEBA). Damit lehnt der BGH zwar die Anwendung des Konzernrechts auf Großaktionäre ohne anderweitige wirtschaftliche Interessen ab, erkennt aber zugleich an, dass jeder Großaktionär seine Interessen in der AG durchsetzen kann; der tatsächliche Befund eines Beherrschungsverhältnisses bleibt daher auch bei solchen Großaktionären unberührt, die nicht anderweitig als Unternehmer tätig sind (siehe bereits oben 3.e; vgl. auch BGH-Urteil vom 18. Juni 2001 II ZR 212/99, BGHZ 148, 123, unter 1.b).
Ein Gesellschafter ist –ohne Rücksicht auf seine Rechtsform– dann „Unternehmer“ im konzernrechtlichen Sinne, wenn er neben seiner Beteiligung an der AG anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen hat, die nach Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindungen seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die AG zu deren Nachteil ausüben (BGH-Beschluss in BGHZ 135, 107, unter IV.3. – VW). Als Gegenbegriff zum „Unternehmen“ stellt der BGH auf den „gewöhnlichen Privataktionär“ ab, dessen Interesse an der Gesellschaft sich typischerweise auf die Gewinnerzielung beschränken wird (BGH-Urteil in BGHZ 69, 334, unter II.2. – VEBA). Der Kläger, der als Vorstandsvorsitzender mit einem entsprechend dotierten Anstellungsvertrag sowie –vor allem– als Vermieter der wesentlichen Betriebsgrundlage mit der AG neben seiner gesellschaftsrechtlichen Beziehung zusätzlich schuldrechtliche Beziehungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung unterhält, ist indes kein „gewöhnlicher Privataktionär“. Der BGH weist hier ausdrücklich darauf hin, dass auch natürliche Personen, die nicht Einzelkaufleute sind, mit Rücksicht auf sonstige unternehmerische Interessen in sich selbst jenen Interessenkonflikt verkörpern, vor dessen Gefahren das Gesetz die abhängige Gesellschaft und deren Minderheitsgesellschafter zu schützen sucht, und deshalb die Eigenschaft eines herrschenden „Unternehmens“ haben. Aus diesem Grunde ist der Verweis des Klägers auf das –zu einer ganz anderen Rechtsfrage ergangene– BGH-Urteil vom 19. Februar 1990 II ZR 42/89 (Der Betrieb 1990, 982, unter 2.a), wonach eine GbR, die sich im Rahmen einer steuerlichen Betriebsaufspaltung auf die Verpachtung des Betriebs oder einzelner Vermögensgegenstände beschränkt, kein Handelsgewerbe i.S. des § 1 HGB betreibe, für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens ohne Belang.
Im Gegenteil hat der BGH auch für andere Fallgruppen, in denen der Mehrheitsaktionär außerhalb der Gesellschaft lediglich eine Tätigkeit entfaltet, die sich zunächst als vermögensverwaltend darstellt, den Begriff des „Unternehmens“ i.S. des § 17 AktG bejaht. So genügt es bereits, wenn der Mehrheitsaktionär auch an einer anderen Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist, und somit die Möglichkeit besteht, dass er sich unter Ausübung von Leitungsmacht auch dort unternehmerisch betätigt (BGH-Urteil in BGHZ 135, 107, unter IV.3. – VW). Die bloße Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stellt aber steuerrechtlich –ebenso wie die Vermietung von Wirtschaftsgütern– zunächst eine vermögensverwaltende Tätigkeit dar. Zur Qualifizierung als gewerbliche Tätigkeit im ertragsteuerrechtlichen Sinne wird sie nur durch das Hinzutreten weiterer Umstände (im Fall der Betriebsaufspaltung aufgrund einer personellen und sachlichen Verflechtung; im Fall der Beteiligung an mehreren Kapitalgesellschaften durch die Inanspruchnahme von Leitungsmacht; vgl. hierzu BFH-Urteil vom 30. Juni 1971 I R 57/70, BFHE 103, 56, BStBl II 1971, 753, betr. wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb). Weil Differenzierungskriterium der BGH-Rechtsprechung nicht die „kaufmännische Tätigkeit“ des Großaktionärs ist, sondern dessen wirtschaftliche Betätigung außerhalb seiner bloßen Beteiligung an der AG, fällt beispielsweise auch eine Gebietskörperschaft unter den Begriff des „Unternehmens“ (BGH-Urteil in BGHZ 69, 334, unter II.3. – VEBA).
bb)
Vor dem Hintergrund dieser Zivilrechtsprechung ist nicht ersichtlich, weshalb die Vermietung der wesentlichen Betriebsgrundlage im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nicht als „anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung“ außerhalb der reinen Beteiligung an der AG anzusehen sein und damit die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 AktG begründen sollte. Entsprechend vertritt auch die ganz überwiegende aktienrechtliche Kommentarliteratur die Auffassung, dass die Betriebsaufspaltung unter § 17 Abs. 2 AktG fällt (vgl. MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl., § 15 Rz 45; Vetter in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 15 Rz 48; Spindler/Stilz/Schall, AktG, 2. Aufl., § 15 Rz 23; jedenfalls für die echte Betriebsaufspaltung auch Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 15 Rz 53). Zumindest für die sog. „echte“ Betriebsaufspaltung (Aufspaltung eines zuvor einheitlichen Unternehmens) ist dies auch bereits mehrfach durch die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung entschieden worden (vgl. BGH-Urteil vom 9. Oktober 1986 II ZR 58/86, NJW 1987, 1080; Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 1998 3 AZR 185/97, NJW 1999, 2612; Urteil des KG vom 1. August 2000 14 U 9216/98, NZG 2001, 80).
7.
In Bezug auf die Anwendung der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung besteht auch kein entscheidungserheblicher Unterschied zwischen einer börsennotierten AG, deren Aktien sich mehrheitlich in der Hand eines einzigen Großaktionärs befinden, und einer nicht börsennotierten AG, wie sie Gegenstand des BFH-Urteils in BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479 war.
Die aktienrechtlichen Grundsätze über die Beschlussfassung in der Hauptversammlung nach Maßgabe der Kapital- bzw. Aktienmehrheit sowie die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern, die für die Annahme einer personellen Verflechtung entscheidend sind (oben 3.), gelten uneingeschränkt auch in börsennotierten Gesellschaften. Der wesentliche Unterschied zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften liegt im hier interessierenden Zusammenhang darin, dass Erstere besonderen Mitteilungspflichten unterliegen, die zu einer erhöhten Transparenz beitragen sollen. Eine gegenüber dem gesetzlichen Regelfall erhöhte –letztlich aber formalisiert bleibende– Transparenz allein schließt aber ersichtlich nicht den Befund aus, dass sich in der Gesellschaft langfristig nur ein solcher geschäftlicher Betätigungswille wird entfalten können, der vom Vertrauen des Mehrheitsaktionärs getragen wird. Dies ist tragend für die Annahme einer Betriebsaufspaltung.
Insbesondere kann die Rechtsstellung und Binnenstruktur einer börsennotierten AG –anders als der Kläger meint– nicht mit derjenigen einer der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden AG verglichen werden. Während in der börsennotierten AG uneingeschränkt das Mehrheitsprinzip für die Besetzung sämtlicher Aufsichtsratsmandate gilt –was den Einfluss des Mehrheitsaktionärs sichert–, kann die Hauptversammlung einer der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden AG lediglich die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder wählen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 des Mitbestimmungsgesetzes –MitbestG–). Dadurch wird der Einfluss eines Mehrheitsaktionärs abgeschwächt. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer Entscheidung der Frage, ob diese Abschwächung des Einflusses angesichts der rechtlichen Regelungen, wonach der Aufsichtsratsvorsitzende, sofern für dessen Wahl im Aufsichtsrat keine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichbar ist, allein von der Anteilseignerseite gewählt wird (§ 27 Abs. 1, 2 MitbestG), und bei späteren Beschlussfassungen im Aufsichtsrat im Falle der Stimmengleichheit zwei Stimmen hat (§ 29 Abs. 2 MitbestG), der Annahme einer personellen Verflechtung zwingend entgegen stehen müsste.
Entsprechend geht auch das BVerfG in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit von Demonstrationen in den Gebäuden des Frankfurter Flughafens ohne Weiteres davon aus, dass die –börsennotierte– Flughafenbetreiberin Fraport AG allein aufgrund des Beteiligungsanteils diverser Gebietskörperschaften von zunächst 70 % (später noch 52 %) von der öffentlichen Hand „beherrscht“ werde (BVerfG-Urteil vom 22. Februar 2011 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201, unter B.I.). Eine Unterscheidung zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften hat das BVerfG dabei nicht vorgenommen.
Auch der Gesetzgeber hat die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG nicht auf solche Gesellschaften beschränkt, die nicht börsennotiert sind.
8.
Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es nicht auf die umfangreichen Ausführungen des Klägers zu der Frage an, ob angesichts dessen, dass er zusätzlich die Stellung des Vorstandsvorsitzenden bekleidet, auch die Voraussetzungen einer „faktischen Beherrschung“ im Sinne der hierzu entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Januar 1997 XI R 23/96, BFHE 182, 216, BStBl II 1997, 437) erfüllt wären.
Denn das FG hat für die Annahme einer personellen Verflechtung zu Recht bereits die Mehrheitsbeteiligung des Klägers und die Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlage ausreichen lassen, ohne aber die zusätzlichen Einflussnahmemöglichkeiten, die sich aus der Position des Vorstandsvorsitzenden ergeben, heranzuziehen. Die vom Kläger problematisierte Frage einer faktischen Beherrschung der Betriebs-Kapitalgesellschaft wird nur dann entscheidungserheblich, wenn der Inhaber des Besitzunternehmens die Betriebsgesellschaft im jeweiligen Einzelfall allein mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts noch nicht beherrschen kann. Vorliegend ist jedoch bereits die gesellschaftsrechtliche Beherrschung kraft Stimmenmehrheit zu bejahen; einer zusätzlichen Mitgliedschaft des Besitzunternehmers im Geschäftsführungsorgan der Betriebsgesellschaft bedarf es für die Annahme einer personellen Verflechtung in derartigen Fällen nicht (vgl. auch hierzu BFH-Urteil in BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479, unter 3.).
Quicklink: uw111202

FG Nürnberg, Urteil vom 17.03.2011, 4 K 582 / 2009

 

Tatbestand

Streitig
ist die steuerliche Berücksichtigung von Notarkosten anlässlich der Übertragung
eines Kommanditanteils als Betriebsausgaben der Gesellschaft.

Die
Klägerin legt ihrer Gewinnermittlung ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde,
den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni. Zu Beginn des Wirtschaftsjahres
2002/2003 war die A GmbH (GmbH) Komplementärin der Klägerin ohne eigene
Kapitalbeteiligung und B Kommanditist mit einem Festkapital von 100.000 DM. Mit
Wirkung zum 09.12.2002 trat B von seiner Beteiligung einen Anteil in Höhe von 40.000 DM an
seine Ehefrau C
ab. Alle Gesellschafter der Klägerin stimmten dieser Abtretung zu. Mit
notarieller Urkunde (Urkundenrollennummer 0950/2002) vom 19.12.2002 überließ B seine
restliche Beteiligung an der Klägerin zum 30.12.2002 an seinen Sohn S. In
derselben Urkunde überließ B an S weiterhin das Grundstück mit der Flurstück-Nr. 126 in der
Gemarkung Z,
Postanschrift V,
mit einer Fläche von 0,2761 ha. Ausweislich der notariellen Urkunde ist dieses
Grundstück an die Klägerin vermietet. Als Gegenleistung verpflichtete sich S, ein im
Sonderbetriebsvermögen seines Vaters gehaltenes Darlehen in Höhe von ca. 5.700
DM zu übernehmen und an diesen einen monatlichen Geldbetrag in Höhe von 5.000 €
bis zu dessen Tod zu zahlen. Der Vertrag bestimmt ausdrücklich, dass die Kosten
für die Beurkundung, für erforderliche Genehmigungen und den Vollzug des
Vertrages der Erwerber trage.

Der
beurkundende Notar stellte mit Datum vom 19.12.02 unter der
Kostenregisternummer 950/02 vom 19.12.02 eine Rechnung in Höhe von 10.939,61 €
(enthaltene Mehrwertsteuer 1.508,91 €) an S.

Mit
Wirkung zum 20.01.2003 übertrug C ihre Kommanditanteile in Gänze auf ihren
Sohn.

Mit
Bescheid vom 22.04.2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 2003 folgte das Finanzamt den Angaben der Klägerin
(Abweichung laut Erläuterungstext bezüglich Spenden ohne erkennbare
Gewinnauswirkung) und veranlagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit
Bescheid vom 12.01.2005 änderte das Finanzamt den Bescheid antragsgemäß
hinsichtlich der anzurechnenden Kapitalertragsteuer.

Im
Jahr 2005 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfungsbericht
vom 21.06.2005 führt neben einer Vielzahl anderer Feststellungen eine Entnahme
im Wirtschaftsjahr 2002/2003 hinsichtlich Notarkosten wegen der Überlassung und
Übertragung des Kommanditanteils von B an S in Höhe von 9.430,70 € zuzüglich
1.508,91 € Umsatzsteuer auf.

Daraufhin
änderte das Finanzamt mit Bescheid vom 25.08.05 den Bescheid für 2003 über die
gesonderte und einheitliche Feststellung und erhöhte die Einkünfte aus
Gewerbebetrieb auf 200.821,85 € (entspricht der vollständigen Gewinnerhöhung
lt. BP-Bericht) sowie entsprechend die Gewinnanteile der Beteiligten.

Das
fristgerecht durchgeführte Einspruchsverfahren, bei dem das Finanzamt B als
Einspruchsführer behandelte, blieb ohne Erfolg. Zum dem Verfahren zog das
Finanzamt die Klägerin und C hinzu.

Mit
ihrer Klage beantragt die Klägerin, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung
vom 24.03.2009 den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung
von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2003 vom 25.08.2005 dahin zu ändern,
dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um die Beurkundungskosten i.H.v. insgesamt
10.939,61 € und der dem Beigeladenen zuzurechnende Gewinnanteil als
Sonderbetriebsausgabe um denselben Betrag gemindert wird. Weiter beantragt sie
für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung. Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Beratungs-
und Notarkosten im Zusammenhang mit vorweggenommenen Erbfolgeregelungen besäßen
einen relevanten Bezug zur Einkunftsquelle, da die nach erfolgter Beratung
umgesetzte Gestaltung bewirke, dass dem Betroffenen Einkünfte zuflössen. In der
Literatur sei anerkannt, dass Gründungskosten grundsätzlich abzugsfähige
Betriebsausgaben darstellten. Hierzu gehörten alle Kosten, die aufgewendet würden,
um ein Unternehmen oder eine Gesellschaft ins Leben zu rufen, insbesondere
solche für Behörden und Notare. Auch bei der Schenkung einer Kapitalbeteiligung
an einen einzelnen Gesellschafter könnten diese Kosten betrieblich bedingt
sein, so z.B. im Falle des Bestrebens, Führungsnachwuchs heranzuziehen. Im
Falle der Klägerin seien die Anteile übertragen worden, um den zuvor bereits
als Geschäftsführer tätigen S auch kapitalmäßig ins Unternehmen einzubinden. Zum damaligen
Zeitpunkt sei erkennbar gewesen, dass die Marktsituation eine weitgehende
Umstellung der Produktion der Klägerin erfordere, welche zu leisten das zum
damaligen Zeitpunkt bereits betagte Gründerehepaar nicht mehr in der Lage
gewesen sei. Ohne eine kapitalmäßige Einbindung des Sohnes sei zu befürchten
gewesen, dass dieser seine Arbeitskraft einer anderen zukunftsträchtigeren
Branche zur Verfügung stelle. Maßgeblich sei auch nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs allein die Veranlassung durch den Betrieb. Daher habe dieser
auch Aufwendungen als Betriebsausgaben anerkannt, welche die Vermögenssphäre
beträfen. Werde eine langfristige Sicherung des Unternehmens beabsichtigt, genüge
dies bereits für den Abzug als Betriebsausgabe. Nur wenn die Verwaltung
nachweisen könne, dass die Notarkosten ausschließlich dem privaten Bereich
zuzuordnen seien, käme eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs in Betracht.
Dass bei Gewerbeeinkünften im Unterschied zu Überschusseinkünften die Vermögenssphäre
nicht von der Einkommenssphäre zu trennen sei, führe zum Betriebsabgabenauszug
von Notarkosten im Zusammenhang mit vorweggenommenen Erbfolgeregelungen. Die
aufgewendeten Beurkundungskosten seien bei S abzugsfähige Sonderbetriebsausgaben.

Das
Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen und begründet dies im Wesentlichen
wie folgt:

Die
Klage sei zwar zulässig, da die Klägerin zum Einspruchsverfahren des B hinzugezogen
worden sei. Die Klage sei aber unbegründet. Eine Versagung des
Betriebsausgabenabzugs nur dann anzuerkennen, wenn ausschließlich private Gründe
für die vorweggenommene Erbfolgeregelung maßgeblich seien, widerspreche der
Regelung des § 12 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG.) Dort sei
normiert, dass Ausgaben vom Betriebsausgabenabzug bereits dann ausgeschlossen
seien, wenn lediglich eine private Mitveranlassung gegeben sei. Die Klägerin
habe erstmals in der Klagebegründung vorgetragen, dass die Übertragung der
Kommanditanteile der Einbindung des S in das Unternehmen gedient habe. Diese
Einbindung könne sowohl privat als auch betrieblich veranlaßt gewesen sein.

Das
Gericht hat S
durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2011 zum Klageverfahren
beigeladen; der Prozessvertreter der Klägerin hat hierzu erklärt, auch S persönlich
steuerlich zu vertreten.

Gründe

Die
Klage hat keinen Erfolg.

Der
Änderungsbescheid des Finanzamts vom 25.08.05 erfasst zu Recht die Notarkosten
als gemäß § 4 Abs. 1 EStG gewinnerhöhende Entnahme. Der notarielle Überlassungsvertrag
vom 19.12.2002 war privat und nicht betrieblich veranlasst. Die Begleichung der
Notarrechnung durch die Klägerin führte deswegen zu einer gewinnerhöhend zu berücksichtigenden
Entnahme gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG.

1.
Aufwendungen einer Personengesellschaft sind als Entnahme zu beurteilen, wenn
sie nicht weitaus überwiegend durch den Betrieb der Personengesellschaft,
sondern in nicht bloß untergeordneter Weise durch die private Lebensführung
eines oder mehrerer Gesellschafter oder diesen nahestehenden Personen veranlaßt
sind (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1991 VIII R 148/85, BStBl II 1992, 647). Eine
betriebliche Veranlassung erfordert, dass die Aufwendungen objektiv mit dem
Betrieb wirtschaftlich zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen
bestimmt sind (vgl z.B. BFH-Urteil vom 17.06.1999 III R 37/98, BStBl II 1999,
600). Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die
-wertende- Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen „auslösenden
Moments“, zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich
relevanten Erwerbssphäre (vgl. BFH- Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, BStBl II
2010, 672).

2.
Eine betriebliche Veranlassung auf der Ebene der Gesellschaft hat die Klägerin
nicht nachgewiesen. Aus betrieblicher Sicht sind Aufwendungen in Folge einer
bestimmten Unternehmensnachfolge grundsätzlich nicht betrieblich veranlasst, da
der Betrieb kein eigenes Interesse daran hat, dass die Nachkommen des jetzigen
Betriebsinhabers den Betrieb übernehmen. Das von der Klägerin vorgetragene
betriebliche Interesse an der Aufnahme des Sohnes in die Gesellschaft ist kein
betriebliches, sondern ein privates. Ein betriebliches Interesse an der Person
des Betriebsinhabers ist nur in Fällen denkbar, in denen eine Person über
besondere, singuläre Eigenschaften verfügt, die sie für den Betrieb quasi
unersetzlich machen. Eine solche Ausnahmestellung des S wurde nicht behauptet und ergibt sich
auch nicht aus den Akten. Allein aus dem Vortrag, S habe das Unternehmen durch eine
schwierige Anpassungsphase steuern sollen, ergibt sich noch nicht ein
besonderer Wert desselben, der ihn für den Betrieb wertvoller erscheinen ließe
als einen außenstehenden, fremden Geschäftsführer.

Zudem
widerspricht die Übergabe der Mehrheitsanteile an der Klägerin dem
vorgetragenen Zweck der Aufnahme in die Gesellschaft, einen befähigten Geschäftsführer
für das Unternehmen zu gewinnen. Während die Einräumung einer
Minderheitsbeteiligung als Anreiz für die Gewinnung von Führungskräften denkbar
ist, kann dies bei der Übergabe einer Mehrheitsbeteiligung nicht mehr
angenommen werden. Es widerspricht vielmehr der Lebenserfahrung, dass zum
Zwecke der Personalgewinnung die Mehrheitsbeteiligung an dem zu führenden
Unternehmen auf den zu Beschäftigenden übertragen wird. In solchen Fällen geht
es tatsächlich um den Generationenübergang privaten Vermögens und nicht bloß um
die „Stabübergabe“ in der Unternehmensführung.

3.
Auch auf der Ebene des Gesellschafters S sind die streitigen Kosten nicht
betrieblich veranlasst. Hier überlagert der dem privaten Bereich zuzuordnende
Aspekt der Vorwegnahme der Erbschaft andere eventuell vorhandene betriebliche
Veranlassungszusammenhänge vollständig.

a)
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Erbfall stets dem privaten, d.h.
dem außerbetrieblichen Bereich des Erben zuzuordnen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
17.06.1999 III R 37/98, BStBl II 1999, 600). Deswegen hat es der BFH auch
abgelehnt, Prozesskosten im Zusammenhang mit der Feststellung des richtigen
Erben steuerlich zu berücksichtigen. Solche Rechtsstreitigkeiten dienten in
erster Linie dem Zweck, den Übergang des Vermögens des Erblassers auf den Kläger
zu erreichen, nicht der Erzielung von Einkünften aus (einem in die Erbmasse
fallenden) Gewerbebetrieb. In einem solchen Fall stehe nicht die Absicht der
Einkunftserzielung, sondern die Beeinträchtigung der ertragsteuerrechtlich
nicht relevanten privaten Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen im Vordergrund
(vgl. BFH-Urteil vom 17.06.1999 III R 37/98 BStBl II 1999, 600).

Da
der Erbfall in einkommensteuerrechtlicher Sicht notwendig ein privater (außerbetrieblicher)
Vorgang und damit der Erwerb durch Erbfall ein privater Erwerb ist, müssen
notwendig auch die Nebenkosten des Erwerbes privater Natur sein (vgl. zur
analogen Frage der Charakterisierung von Erbfallschulden BFH-Urteil vom
02.03.1993 VIII R 47/90, BStBl II 1994, 619; zur steuerlichen Irrelevanz der
Unkosten eines Erbfalls schon BFH-Urteil vom 06.10.1959 I 115/59 U, BStBl III
1960, 2).

b)
Zweck einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung ist, den durch den Erbfall
erwarteten privaten Vermögensübergang vorwegzunehmen.

Steuerlich
wird diese Vermögensübertragung als unentgeltlicher Erwerb gewertet, auch wenn
der Übernehmer sich zur Zahlung von Versorgungsleistungen verpflichtet. Wegen §
6 Abs. 3 EStG führt auch die Übernahme betrieblicher Verbindlichkeiten im Zuge
der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen (gegen
Versorgungsleistungen) nicht zu einem entgeltlichen Erwerb (vgl. BFH-Urteil vom
05.07.1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847). Die Leistungen des Übernehmers
stehen deshalb in keinen Zusammenhang mit Einkünften aus einem übernommen Betrieb;
der Übernehmer hat keine eigenen Anschaffungskosten, sondern führt die
Buchwerte seines Rechtsvorgängers fort, § 6 Abs. 3 EStG.

Die
B von
S
versprochenen monatlichen Zahlungen stellen Versorgungsleistungen für jenen
dar; die gleichzeitig übernommene Darlehensschuld befand sich unstreitig im
Sonderbetriebsvermögen des B, war also eine betriebliche Schuld.

Aus
der steuerlichen Wertung als unentgeltlicher Erwerb folgt die ertragliche
Unbeachtlichkeit der Erwerbsnebenkosten. Erwerbsnebenkosten zählen gemäß § 255
Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch zu den Anschaffungskosten und sind
als solche zu aktivieren. Im Falle einer vorweggenommenen Erbfolge mangelt es
bereits an einem die Bilanzierung ermöglichenden entgeltlichen Erwerbsvorgang.
Zudem können die Erwerbsnebenaufwendungen des Übernehmers eines
Gesellschaftsanteils schon deshalb in keinem ertraglich relevanten Zusammenhang
zu den Einkünften aus dem übernommenen Anteil stehen, da dies mit der
Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 3 EStG unvereinbar ist. Die
steuerliche Wertung, die Versorgungsleistungen des Übernehmers nicht als Kosten
eines Anschaffungsvorganges zu erfassen, erstreckt sich zwingend auch auf die
Nebenkosten dieses Erwerbs.

c)
Ein Ansatz der Notarkosten scheidet auch deshalb aus, weil ausschlaggebend für
die steuerliche Berücksichtigung von Ausgaben allein der
Veranlassungszusammenhang zu steuerbaren Einkünften ist. Im Fall der Vermögensübertragung
im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist der Veranlassungszusammenhang identisch
mit der Vermögensübernahme infolge eines Erbfalls; das diese Konstellationen
unterscheidende zeitliche Moment ist kein Kriterium für die Zuordnung einer
Aufwendung zum betrieblichen oder zum privaten Bereich. Auch die
vorweggenommene Erbfolge dient nicht der Erzielung von Einkünften, sondern der Übergabe
von privatem Vermögen.

d)
Gestützt wird das Ergebnis durch folgende Überlegung: Vor der
Einkunftserzielungsabsicht des Erben liegt zwingend der rein private Vorgang
des Erbens. Die Absicht, das (vorweggenommene) Erbe zur Erzielung von Einkünften
einzusetzen, auf die Vermögensübernahme durch die (vorweggenommene) Erbfolge zu
erstrecken, ist auch deshalb nicht möglich, weil zu erben man in
rechtskonformer Weise nur wünschen, aber nicht veranlassen kann. Die
Aufwendungen, die der Erbe auf dem Weg zum und in Folge des Erbantritts tätigt,
können deswegen nur privat sein; die Annahme eines quasi „erwerbsmäßigen“
Erbens ist mit der Rechtsordnung unvereinbar. Das Gleiche muss für die mit
gleicher Zielrichtung unternommene Vorwegnahme der Erbschaft durch Schenkung
gelten.

4.
Aus den genannten Gründen schließt sich der Senat nicht der vom Kläger angeführten
Auffassung von Götz (Deutsches Steuerrecht 2006, 545ff) an, dass Beratungs- und
Notarkosten im Zusammenhang mit einer vorweggenommenen Erbfolge stets voll
abzugsfähig wären. Der Verweis auf die Ausführungen im Urteil des FG Köln vom
17.11.2004 13 K 3695/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 433) können für
die Streitsache nichts beitragen, da auch vom FG Köln der für den Abzug als
Betriebsausgabe notwendige Veranlassungszusammenhang betont wurde.

5.
Auch in den übrigen Punkten ist der Änderungsbescheid ordnungsgemäß. Zweifel
gegen die Rechtmäßigkeit der weiteren Gewinnkorrekturen wurden weder vorgetragen,
noch ergeben sich solche aus den Akten.

Die
Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die
Streitsache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1
Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Anerkennung von Betriebsausgaben.

Die
Kostenentscheidung ergeht nach §§135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO) Den
Beigeladenen treffen keine Kosten, er hat auch keinen Klageantrag gestellt (§
135 Abs. 3 FGO). Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht
erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 FGO), er hat das Verfahren nicht weiter gefördert.
Quicklink: uw120402

Oberste Finanzbehörde, Erlass vom 14.03.2011, Gleichlautender Ländererlass

 

Tatbestand

1. Überblick

1.1.

Führt ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Wege
einer offenen oder verdeckten Einlage einen Vermögenswert zu und erhöht sich
infolge dieses Vermögenszugangs der gemeine Wert sämtlicher Anteile an der
Kapitalgesellschaft, stellt die Werterhöhung der Beteiligungsrechte der anderen
Gesellschafter grundsätzlich keine nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbare
Zuwendung an diese dar (→ BFH vom 9. 12. 2009, BStBl. 2010 II S. 566, und vom
25. 10. 1995, BStBl. 1996 II S. 160).

Zahlt eine Kapitalgesellschaft auf Veranlassung eines
Gesellschafters einer diesem nahe stehenden Person überhöhte Vergütungen, liegt
regelmäßig keine freigebige Zuwendung des Gesellschafters an die nahe stehende
Person vor, sondern eine gemischte freigebige Zuwendung im Verhältnis der
Kapitalgesellschaft zur nahe stehenden Person (→ BFH v. 7. 11. 2007, BStBl.
2008 II S. 258).

1.2.

Die vorstehenden Grundsätze der BFH-Rechtsprechung gelten
fort, werden aber durch die Regelungen in § 7 Abs. 8 und § 15 Abs. 4 ErbStG in
der Fassung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. 12. 2011
(BGBl. I S. 2592) ergänzt. Diese gelten für Erwerbe, für die die Steuer nach
dem 13. 12. 2011 entsteht (§ 37 Abs. 7 ErbStG).

1.3.

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG kann auch die bloße
Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft schenkungsteuerbar sein.
§ 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG stellt zu der BFH-Rechtsprechung klar, dass verdeckte
Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen zwischen verbundenen Körperschaften
grundsätzlich keine freigebigen Zuwendungen sind; diese Klarstellung betrifft
auch Erwerbe, für die die Steuer vor dem 14. 12. 2011 entstanden ist. Nach § 7
Abs. 8 Satz 3 ErbStG gelten die Sätze 1 und 2 auch für Genossenschaften. Nach §
15 Abs. 4 ErbStG ist bei einer Schenkung durch eine Kapitalgesellschaft oder
Genossenschaft der Besteuerung das persönliche Verhältnis des Erwerbers zu
demjenigen unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschafter zugrunde zu
legen, durch den sie veranlasst ist; dies ist z. B. für die Bestimmung der
Steuerklasse oder die Anwendung des § 14 ErbStG von Bedeutung.

1.4.

Wenn ein Erwerb zugleich die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1
Nr. 1 ErbStG mit der dazu ergangenen Rechtsprechung als auch des § 7 Abs. 8
Satz 1 ErbStG erfüllt, ist ausschließlich § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG anzuwenden.
Erfüllt ein Erwerb sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 ErbStG als auch
des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, ist ausschließlich § 7 Abs. 7 ErbStG als
speziellere Norm anzuwenden.

2. Allgemeine Grundsätze zur Schenkung bei Einlagen und Gewinnausschüttungen

Den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung entsprechend gilt das
Folgende:

2.1. Offene oder verdeckte Einlage

2.1.1.

Führt ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Wege
einer offenen oder verdeckten Einlage einen Vermögenswert zu und erhöht sich
infolge dieses Vermögenszugangs der gemeine Wert sämtlicher Anteile an der
Kapitalgesellschaft, stellt die Werterhöhung der Beteiligungsrechte der anderen
Gesellschafter grundsätzlich keine steuerbare Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr.
1 ErbStG an diese dar (→ BFH vom 9. 12. 2009, BStBl. 2010 II S. 566, und vom
25. 10. 1995, BStBl. 1996 II S. 160).

Für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13. 12. 2011
entsteht, ist § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu prüfen, s. Abschnitt 3.

Erfolgt in zeitlichem Zusammenhang mit einer Einlage eine
offene oder verdeckte Ausschüttung, ist regelmäßig der an die anderen
Gesellschafter ausgeschüttete Betrag Gegenstand einer Zuwendung des Einlegenden
an die Ausschüttungsbegünstigten im Sinne einer Weiterleitung des eingelegten
Vermögens an den jeweiligen Beschenkten (→ BFH vom 19. 6. 1996, BStBl. II S.
616).

2.1.2.

Wird eine Kapitalgesellschaft neu gegründet und erbringt ein
Gesellschafter seine Stammeinlage, ohne dafür eine gleichwertige
Kapitalbeteiligung zu erhalten, bilden die Vereinbarungen ein einheitliches
Rechtsgeschäft mit der Folge, dass die Mitgesellschafter ihren Geschäftsanteil
an der Kapitalgesellschaft mit dem gemeinen Wert nach der Einbringung des
Unternehmens in die Kapitalgesellschaft vom einbringenden Gesellschafter
geschenkt erhalten (→ BFH vom 12. 7. 2005, BStBl. II S. 845). Die vom
jeweiligen Beschenkten geleistete Einlage stellt Erwerbsaufwand dar und ist von
dem gemeinen Wert der gewährten Anteile abzuziehen.

2.1.3.

Erwirbt ein Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung
neue Anteile an einer Kapitalgesellschaft gegen eine Einlage, die den Wert der
Anteile übersteigt, kommt regelmäßig die Annahme einer steuerbaren Zuwendung i.
S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die übrigen Gesellschafter nicht in Betracht
(→ BFH vom 9. 12. 2009, BStBl. 2010 II S. 566).

Für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13. 12. 2011
entsteht, ist § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu prüfen, s. Abschnitt 3.

2.1.4.

Erwirbt ein Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung
neue Anteile an einer Kapitalgesellschaft gegen eine nach Maßgabe der
Wertverhältnisse zu geringe Einlage und ohne weitere Verpflichtungen eingehen
zu müssen, ist er mit der Eintragung im Handelsregister auf Kosten der
Altgesellschafter bereichert. Hierbei ist der gemeine Wert der Anteile
maßgebend. Die Leistung der Einlage stellt Erwerbsaufwand dar und ist von dem
gemeinen Wert der gewährten Anteile abzuziehen (→ BFH vom 20. 12. 2000, BStBl.
2001 II S. 454).

2.1.5.

Übernimmt ein Gesellschafter freigebig eine
Einlageverpflichtung eines Mitgesellschafters, unterliegt dies als Zuwendung
des Gesellschafters an den Mitgesellschafter mit dem gemeinen Wert der
Einlageverpflichtung der Schenkungsteuer.

2.1.6.

Verzichtet eine einem Gesellschafter nahe stehende Person
auf eine Forderung gegen die Kapitalgesellschaft, liegt darin eine steuerbare
Zuwendung der nahe stehenden Person an die Kapitalgesellschaft (→ vgl. BFH vom
7. 11. 2007, BStBl. 2008 II S. 258). Entsprechendes gilt, wenn in einem gegenseitigen
Vertrag zwischen einer einem Gesellschafter nahe stehenden Person und der
Kapitalgesellschaft Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig sind.
Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands s. Abschnitt 2.6.1.

Für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13. 12. 2011
entsteht, ist § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu prüfen, s. dazu Abschnitt 3. Zielt
die Zuwendung auf eine originäre Bereicherung der Kapitalgesellschaft, ist
alternativ § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu prüfen.

2.1.7.

Ein Vermächtnis zugunsten einer Kapitalgesellschaft, deren
(mittelbarer) Alleingesellschafter der Erblasser war, unterliegt der
Erbschaftsteuer auch dann, wenn auf den mit dem Vermächtnis belasteten
Alleinerben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch die (mittelbare)
Alleingesellschafterstellung des Erblassers übergegangen ist (→ BFH vom 17. 4.
1996, BStBl. II S. 454).

2.2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften

2.2.1.

Wird bei einer Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf
eine andere Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern der übertragenden
Gesellschaft von der übernehmenden Gesellschaft eine den Wert der übertragenden
Gesellschaft übersteigende Beteiligung gewährt, liegt eine steuerbare Zuwendung
der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft an die Gesellschafter der
übertragenden Gesellschaft in Höhe des übersteigenden Wertes vor.

2.2.2.

Unterschreitet die gewährte Beteiligung den Wert der
übertragenden Gesellschaft und erhalten die begünstigten Gesellschafter der
übernehmenden Gesellschaft bereits vorab als Gesellschafter keine zusätzlichen
Anteile, liegen keine freigebigen Zuwendungen i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
vor (s. Abschnitt 2.1.1).

Für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13. 12. 2011
entsteht, ist § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu prüfen, s. Abschnitt 3.

2.3. Verzicht auf ein Bezugsrecht

2.3.1.

Nimmt ein Gesellschafter an einer Kapitalerhöhung nicht im
vollen Umfang des ihm zustehenden Bezugsrechts teil und lässt er dieses
Bezugsrecht insoweit verfallen, kann dieser Verzicht als steuerbare Zuwendung
i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den an der Kapitalerhöhung Teilnehmenden zu
qualifizieren sein, wenn diesem durch die Kapitalerhöhung eine Wertsteigerung
zufließt, die den Wert einer von ihm zu erbringenden Einlage übersteigt
(Kapitalerhöhung gegen zu geringes Aufgeld).

2.3.2.

Erfolgt die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und
nicht durch Erhöhung des Nennbetrags der Alt-Anteile („Aufstockung“, vgl. § 57
h GmbHG), erwerben die Gesellschafter die neuen Anteile zwingend im Verhältnis
ihrer bisherigen Geschäftsanteile (§ 57 j GmbHG, § 212 AktG). Der „Verzicht“
eines Gesellschafters auf dieses Bezugsrecht bedeutet deshalb eine Zuwendung i.
S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der neu entstandenen Anteile an die anderen
Gesellschafter.

2.4. Übergang des Anteils eines Gesellschafters auf die
Gesellschaft (Erwerb eigener Anteile)

2.4.1.

Bleibt die zu leistende Abfindung oder das Entgelt hinter
dem gemeinen Wert der Anteile zurück, ergibt sich eine Bereicherung der
Gesellschaft, die nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG steuerpflichtig ist.

Beispiel:

A und S (Sohn des A) sind Gesellschafter einer GmbH. Beide
halten je einen Geschäftsanteil in Höhe von 50 000 EUR (nominal). Im
Gesellschaftsvermögen sind erhebliche stille Reserven gebunden. A veräußert
seinen Anteil an die GmbH zum Nennwert.

Der gemeine Wert des Anteils liegt deutlich über der von der
GmbH erbrachten Gegenleistung. Da A durch die Anteilsveräußerung aus der
Gesellschaft ausscheidet, liegt eine Schenkung an die Gesellschaft selbst vor.
In diesem Fall richtet sich die Besteuerung nach dem Steuerwert des
übertragenen Anteils abzüglich der Abfindungsleistung.

2.4.2.

Übersteigt die zu leistende Abfindung oder das Entgelt den
gemeinen Wert der Anteile, unterliegt dies nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als
freigebige Zuwendung der Gesellschaft an den ausscheidenden Gesellschafter der
Schenkungsteuer.

Zur Anwendung des § 15 Abs. 4 ErbStG auf Erwerbe, für die
die Steuer nach dem 13. 12. 2011 entsteht, s. Abschnitt 6.

2.5. Einziehung eines Anteils (§ 34 GmbHG)

Wird ein Anteil eingezogen, geht er durch die Einziehung
unter; der Gesellschafter scheidet durch die Einziehung aus der Gesellschaft
aus. Erfolgt die Einziehung gegen eine den gemeinen Wert des Anteils nicht
deckende Abfindung, erhöht die Differenz zwischen dem Wert des untergehenden
Anteils und der Abfindung den Wert der verbleibenden Anteile und gilt als
Zuwendung des ausscheidenden Gesellschafters an die verbleibenden
Gesellschafter (§ 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG).

Beispiel:

A und B sind mit Geschäftsanteilen im Betrag von je 50 000
EUR Gesellschafter einer GmbH. Der Gesellschaftsvertrag lässt die Einziehung
der Geschäftsanteile zu. Die Gesellschafterversammlung beschließt, dass der
Anteil des B ohne Abfindung (oder alternativ: gegen eine Abfindung in Höhe des
anteiligen Buchwerts des Betriebsvermögens) eingezogen wird. B stimmt der
Einziehung zu.

Folge der Einziehung des Anteils ist, dass das
Gesellschaftsvermögen in den nach der Einziehung verbleibenden
Geschäftsanteilen verkörpert ist. Deren Wert erhöht sich deshalb, sofern die
Abfindung nicht dem gemeinen Wert des auf den eingezogenen Anteil entfallenden
Gesellschaftsvermögens entspricht.

2.6. Zuwendungen an Gesellschafter oder an nahe stehende
Personen

2.6.1.

Zahlt eine Kapitalgesellschaft auf Veranlassung eines
Gesellschafters einer diesem nahe stehenden Person, die nicht Gesellschafter
ist, überhöhte Vergütungen, liegt regelmäßig keine freigebige Zuwendung des
Gesellschafters an die nahestehende Person vor, sondern eine gemischte
freigebige Zuwendung im Verhältnis der Kapitalgesellschaft zur nahe stehenden
Person (→ BFH vom 7. 11. 2007, BStBl. 2008 II S. 258). Hinsichtlich des
subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung reicht bei Unausgewogenheit
gegenseitiger Verträge regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten
Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus; dabei kommt es auf das
Bewusstsein der für die Kapitalgesellschaft Handelnden an. Es ist nicht
erforderlich, dass den Vertragspartnern das genaue Ausmaß des Wertunterschieds
bekannt ist (→ BFH vom 12. 7. 2005, BStBl. II S. 845). Etwaige Ersatzansprüche
der Gesellschaft gegen die handelnden Organe oder den veranlassenden
Gesellschafter schließen eine Freigebigkeit nicht aus. Entsprechendes gilt z.
B., wenn eine Kapitalgesellschaft auf eine Forderung gegenüber einer einem
Gesellschafter nahe stehenden Person verzichtet.

Zur Anwendung des § 15 Abs. 4 ErbStG auf Erwerbe, für die
die Steuer nach dem 13. 12. 2011 entsteht, s. Abschnitt 6.

2.6.2.

Zahlt eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter
überhöhte Vergütungen, führt das über die gesellschaftsrechtliche
Beteiligungsquote hinaus Verteilte zu einer Bereicherung des Gesellschafters
auf Kosten der Gesellschaft. Es liegt eine gemischte freigebige Zuwendung im
Verhältnis der Kapitalgesellschaft zum Gesellschafter vor. Die Auszahlung
erfolgt nicht in Erfüllung eines Gesellschaftszwecks. Entsprechendes gilt z.
B., wenn eine Kapitalgesellschaft auf eine Forderung gegenüber einem Gesellschafter
verzichtet. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands s. Abschnitt 2.6.1.

Beispiel 1:

A und B sind mit Geschäftsanteilen im Betrag von je 25 000
EUR Gesellschafter einer GmbH. A erhält mit Duldung des B von der GmbH einen
PKW zu einem um 100 000 EUR unangemessen zu niedrigen Kaufpreis. In Höhe von
(50 % von 100 000 EUR =) 50 000 EUR liegt eine freigebige Zuwendung der GmbH an
A vor.

Beispiel 2:

Sachverhalt wie in Beispiel 1. Im zeitlichen und sachlichen
Zusammenhang erhält jedoch auch B mit Duldung des A von der GmbH einen PKW zu
einem um 100 000 EUR unangemessen zu niedrigen Kaufpreis. In diesem Fall liegt
weder an A noch an B eine freigebige Zuwendung der GmbH vor.

Beispiel 3:

Sachverhalt wie in Beispiel 2. Der Vorteil für B beträgt
jedoch nur 60 000 EUR. In diesem Fall liegt eine freigebige Zuwendung der GmbH
an A in Höhe von (50 % von (100 000 EUR – 60 000 EUR) =) 20 000 EUR vor.

Zur Anwendung des § 15 Abs. 4 ErbStG auf Erwerbe, für die
die Steuer nach dem 13. 12. 2011 entsteht, s. Abschnitt 6.

2.6.3.

Unter den entsprechenden Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr.
1 ErbStG erlischt die Steuer in den Fällen des Abschnitts 2.6.1 und 2.6.2.

2.6.4.

Verzichtet ein Gesellschafter zugunsten eines
Mitgesellschafters auf einen bereits entstandenen Gewinnanspruch, liegt
regelmäßig eine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG des
Verzichtenden zugunsten des Mitgesellschafters vor. Entsprechendes kann auch in
Fällen einer nicht leistungsbezogen bestimmten disquotalen Gewinnausschüttung
vorliegen.

2.7. Mittelbare Anteilsschenkung

Zur mittelbaren Anteilsschenkung gelten die Grundsätze des R
E 7.3 ErbStR 2011 entsprechend.

2.8. Beteiligungen an Genossenschaften

Die Abschnitte 2.1 bis 2.7 gelten bei Beteiligungen an
Genossenschaften entsprechend.

2.9. Anwendungszeitpunkt

Die vorstehenden Grundsätze sind auf alle Erwerbsfälle
anzuwenden, für die die Steuer nach dem 20. 10. 2010 entsteht. Eine Anwendung
auf Erwerbsfälle, für die die Steuer vor dem 21. 10. 2010 entstanden ist, ist
möglich, soweit R 18 ErbStR 2003, H 18 ErbStH 2003 und die amtlich
veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dem nicht entgegenstanden.

3. Leistungen an eine Kapitalgesellschaft (§ 7 Abs. 8 Satz 1
ErbStG)

3.1. Allgemeines

Für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13. 12. 2011
entsteht, fingiert § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG eine Schenkung zwischen dem an eine
Kapitalgesellschaft Leistenden und der natürlichen Person oder Stiftung, die an
der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, und deren
Anteile an der Gesellschaft durch die Leistung im gemeinen Wert steigen.

Beispiel:

Vater V und Sohn S sind zu je 1/2 an der VS-GmbH beteiligt
und haben bei Gründung der Gesellschaft je 50 000 EUR in die Gesellschaft
eingezahlt. Nun legt V weitere 200 000 EUR in die Gesellschaft ein. Dadurch
erhöht sich der Wert der Beteiligung des S von 1/2 × (50 000 EUR + 50 000 EUR)
= 50 000 EUR auf 1/2 × (50 000 EUR + 50 000 EUR + 200 000 EUR) = 150 000 EUR. S
hat also einen Vermögensvorteil von 100 000 EUR erlangt, der nach der
Rechtsprechung des BFH keine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG darstellt, weil er nicht in einer substanziellen Vermögensverschiebung,
sondern lediglich in der Wertsteigerung der Gesellschaftsanteile besteht.
Demgegenüber wäre eine Direktzuwendung von V an S in Höhe von 100 000 EUR, wie
z. B. auch die Übernahme einer Einlageverpflichtung des S in Höhe von 100 000
EUR, nach Maßgabe der allgemeinen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
schenkungsteuerbar.

Anders als nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und der dazu in
Abschnitt 2 aufgeführten Rechtsprechung kommt es im Rahmen des § 7 Abs. 8 Satz
1 ErbStG weder auf die unmittelbare Zuwendung von Sachsubstanz an den Bedachten
noch auf den Willen zur Unentgeltlichkeit (R E 7.1 ErbStR 2011) an. Deshalb
liegt in dem Beispielsfall eine steuerbare Schenkung des V an den S vor.

3.2. Zuwendender und Bedachter

Mögliche Bedachte (Zuwendungsempfänger) sind nur natürliche
Personen und Stiftungen als die letztendlich Begünstigten.

Der Leistende (Zuwendende) kann eine natürliche Person oder
eine juristische Person, z. B. auch eine Kapitalgesellschaft, sein; Leistungen
einer Personengesellschaft sind den hinter der Personengesellschaft stehenden
Gesellschaftern zuzurechnen (→ BFH vom 15. 7. 1998, BStBl. II S. 630).

Auch Leistungen gesellschaftsfremder Dritter an die
Kapitalgesellschaft können den Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG
erfüllen. Sofern die Leistung auf eine unmittelbare Bereicherung der
Kapitalgesellschaft abzielt, liegt stattdessen eine steuerbare Zuwendung im
Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die Kapitalgesellschaft selbst vor.

3.3. Werterhöhung durch die Leistung dem Grunde nach

3.3.1.

Leistungen i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sind
insbesondere Sacheinlagen und Nutzungseinlagen.

3.3.2.

Eine Leistung von Gesellschaftern oder Dritten an die
Kapitalgesellschaft führt nicht zu einer steuerbaren Werterhöhung, soweit
dieser Leistung eigene Leistungen der (Mit-)Gesellschafter gegenüberstehen.

Beispiel:

In dem Beispiel in Abschnitt 3.1 leistet auch der Sohn S
eine Einlage von 200 000 EUR in die VS-GmbH. Der Wert der GmbH erhöht sich
mithin auf (50 000 EUR + 50 000 EUR + 200 000 EUR + 200 000 EUR) = 500 000 EUR,
der Wert der Anteile des S auf 250 000 EUR. Die Wertsteigerung der Anteile des
S ist hier durch eigene Einlagen erzielt, beruht also insoweit nicht auf einer
nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG steuerbaren Leistung des V.

3.3.3.

Ob eine Leistung i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vorliegt,
ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen. Sofern auch die anderen
Gesellschafter in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang Leistungen an
die Gesellschaft erbringen, die insgesamt zu einer den
Beteiligungsverhältnissen entsprechenden Werterhöhung der Anteile aller
Gesellschafter führen, ist keine steuerbare Leistung i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1
ErbStG gegeben.

3.3.4.

Im Rahmen der Gesamtbetrachtung sind nicht nur Leistungen
der anderen Gesellschafter an die Gesellschaft zu berücksichtigen, sondern auch
Leistungen der Gesellschafter untereinander, durch die die Werterhöhung
ausgeglichen wird. Entsprechendes gilt für den Fall der Leistung fremder
Dritter an die Gesellschaft. In derartigen Fällen fällt im Ergebnis keine
Schenkungsteuer an, weil die Werterhöhung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG durch
eigene Leistungen ausgeglichen wird.

3.3.5.

Leistungen einzelner Gesellschafter führen zu keiner nach §
7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG steuerbaren Werterhöhung der Anteile von
Mitgesellschaftern, soweit der Leistende als Gegenleistung zusätzliche Rechte
in der Gesellschaft erlangt, wie z. B. eine Verbesserung seines Gewinnanteils
(§ 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG), zusätzliche Anteile an der Gesellschaft oder eine
von den Geschäftsanteilen abweichende Verteilung des Vermögens bei späterer
Liquidation.

3.3.6.

Wenn Gesellschafter, z. B. zu Sanierungszwecken, auf
Forderungen gegen die Gesellschaft verzichten wollen, das Verhältnis der
Nennbeträge der Forderungen aber von den Beteiligungsquoten abweicht, bestehen
keine Bedenken gegen einen vorgeschalteten Forderungsverkauf, bei dem der
verzichtende Gläubiger (Gesellschafter oder Dritter) in einem ersten Schritt
einen Teil seiner Forderung zum Verkehrswert an die (Mit–)Gesellschafter
verkauft und die Gesellschafter dann in einem zweiten Schritt
beteiligungsproportional auf ihre Forderungen verzichten.

3.3.7.

Ein Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt bessert als
auflösend bedingter Verzicht die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft
zumindest vorübergehend (und seiner Zwecksetzung nach auch auf Dauer), bewirkt
also eine Werterhöhung der Anteile sowohl des Verzichtenden als auch der
etwaiger Mitgesellschafter. Grundsätzlich fehlt es jedoch an einem steuerbaren
Vorgang, weil der Gläubiger einer wertlosen Forderung nichts aus seinem
Vermögen hergibt, sondern lediglich uneinbringbare Werte gegen
Erwerbsaussichten umschichtet. Es mangelt insoweit an einer
Vermögensverschiebung von dem Verzichtenden an die Mitgesellschafter.

3.4. Höhe der Bereicherung

3.4.1.

Die Bereicherung richtet sich nach der Erhöhung des gemeinen
Werts der Anteile an der Kapitalgesellschaft, nicht nach dem Wert der Leistung
des Zuwendenden. Maßgeblich sind die allgemeinen Regelungen für die Bewertung
nicht notierter Anteile (§ 11 Abs. 2 BewG, ggf. i. V. m. §§ 199 ff. BewG). Die
Werterhöhung kann damit auch durch eine Verbesserung der Ertragsaussichten
bewirkt werden, die durch die Leistung des Zuwendenden verursacht ist. § 200
Abs. 4 BewG ist zu beachten.

3.4.2.

Die Werterhöhung der Anteile muss durch die Leistung kausal
veranlasst sein. Sie kann daher nicht höher sein als der gemeine Wert der
bewirkten Leistung des Zuwendenden.

Beispiel:

An der AB-GmbH sind Vater A zu 40 % und Tochter B zu 60 %
beteiligt. A verkauft der GmbH ein Grundstück für 200 000 EUR, der gemeine Wert
des Grundstücks beträgt 300 000 EUR. Als Folge der günstigen Lage des
Grundstücks erhöht sich der Ertragswert der GmbH um 400 000 EUR.

Die anzusetzende Werterhöhung der Anteile der B kann den
Betrag von (300 000 EUR – 200 000 EUR) × 60 % = 60 000 EUR nicht übersteigen.

3.4.3.

Maßgeblich sind die Erkenntnismöglichkeiten und
Wertvorstellungen der Gesellschafter in dem Zeitpunkt, in dem die Leistung
bewirkt wird. Sind die Parteien bei wechselseitigen Leistungen an die Gesellschaft
in nachvollziehbarer Weise und unter fremdüblichen Bedingungen übereinstimmend
davon ausgegangen, dass die Leistungen insgesamt ausgewogen sind, liegt eine
Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG grundsätzlich auch dann nicht vor,
wenn sich dies anhand später gewonnener besserer Erkenntnisse als unzutreffend
erweist. Die als zutreffend zugrunde gelegten Werte sind dann im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr (vgl. § 9 Abs. 2 BewG) zustande gekommen. Die Ausgewogenheit
der Gesellschafterbeiträge wird aber regelmäßig nicht zu belegen sein, wenn
zwischen den Leistungen ein offensichtliches Missverhältnis besteht. Davon ist
allgemein bei einer Wertdifferenz von mindestens 20 % auszugehen.

3.4.4.

Wenn an eine Kapitalgesellschaft geleistet wird, an der der
Bedachte nur mittelbar über andere Gesellschaften beteiligt ist, kommt es auf
die Werterhöhung der Anteile an der unmittelbar begünstigten
Kapitalgesellschaft an und nicht auf die Werterhöhung der Anteile an der
vermittelnden Kapitalgesellschaft. Maßgeblich ist der Anteil an der unmittelbar
begünstigten Kapitalgesellschaft, der bei Durchrechnung der Beteiligungsquoten
mittelbar auf den Bedachten entfällt. Leistungen an eine Personengesellschaft,
an der eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, sind nach allgemeinen
Grundsätzen als solche an die Gesellschafter zu behandeln (→ BFH vom 14. 9.
1994, BStBl. 1995 II S. 81). Sie sind also i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG in
dem Umfang an die Kapitalgesellschaft erbracht, in dem diese an der
Personengesellschaft beteiligt ist.

3.4.5.

Die Erhöhung des gemeinen Werts der Anteile ist nicht nach §
151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG gesondert festzustellen. Das Betriebsfinanzamt der
Kapitalgesellschaft teilt dem Erbschaftsteuerfinanzamt den im Wege der
Amtshilfe ermittelten Wert mit.

3.5. Steuerbefreiungen

Gegenstand der Steuerbefreiung nach §§ 13 a, § 13 b Abs. 1
Nr. 3 ErbStG ist der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften, nicht aber
die Werterhöhung solcher Anteile, die sie aufgrund von Leistungen an die
Kapitalgesellschaft i. S. d. § 7 Abs. 8 ErbStG erfahren. Daher ist die
Steuerbefreiung nach § 13 a ErbStG in den Fällen des § 7 Abs. 8 ErbStG nicht zu
gewähren.

4. Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften (§ 7 Abs. 8
Satz 2 ErbStG)

4.1.

§ 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG stellt im Verhältnis zu der in
Abschnitt 2 aufgeführten Rechtsprechung klar, dass verdeckte
Gewinnausschüttungen im Konzern nur in definierten Ausnahmefällen als Schenkung
behandelt werden können.

Beispiel 1:

Die M-AG ist zu 100 % Gesellschafterin der T1-GmbH und der
T2-GmbH. Die M veranlasst die T1, der T2 ein Grundstück zu einem Preis deutlich
unter dem Verkehrswert zu verkaufen.

Der Vorgang ist nach ertragsteuerlichen Grundsätzen als
verdeckte Gewinnausschüttung der T1 an die M (sowie als verdeckte Einlage der M
in die T2) zu werten. Er unterliegt schon deshalb nicht der Schenkungsteuer
nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, weil die
Beteiligungsverhältnisse an beiden Gesellschaften gleich sind.

Beispiel 2:

Vater V ist zu 100 % Gesellschafter der T1-GmbH und zu 40 %
Gesellschafter der T2-GmbH; die weiteren 60 % der T2 gehören dem Sohn S. V
veranlasst die T1, der T2 verbilligt ein Grundstück zu verkaufen.

Der Vorgang ist schenkungsteuerbar im Verhältnis zwischen T1
und S (vgl. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG), wenn er von dem Willen des V veranlasst
ist, den S zu bereichern (§ 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG). Hierfür gelten die
Grundsätze des R E 7.1 Abs. 3 ErbStR 2011. Zuwendungsgegenstand ist die durch
die Vermögenszuwendung im Umfang von 60 % des Vermögensvorteils bewirkte
Werterhöhung der Anteile des S. Für die Berechnung der Steuer ist der Vorgang
so zu behandeln, als sei der V Schenker (vgl. § 15 Abs. 4 ErbStG). Wenn der
veranlassende und der begünstigte Gesellschafter Angehörige im Sinne des § 15
AO sind, ist bei disquotalen Leistungen regelmäßig von einer privaten
freigebigen Veranlassung auszugehen.

4.2.

§ 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG stellt im Gegensatz zu Satz 1 der
Vorschrift auf den Willen zur Unentgeltlichkeit ab. Die Vorschrift begründet
keine gesonderte, über § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG
hinausgehende Steuerbarkeit (vgl. in den Beispielen in Abschnitt 4.1 etwa im
Verhältnis zwischen der T1-GmbH und der T2-GmbH). Sie bringt vielmehr zum
Ausdruck, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bei Leistungen zwischen
Kapitalgesellschaften anwendbar ist, wenn dadurch die Anteile von
Gesellschaftern im Wert steigen und die Wertverschiebung durch den Willen zur
Unentgeltlichkeit, z. B. eines Mitgesellschafters, veranlasst ist. In Abschnitt
4.1 Beispiel 2 liegt zudem nicht etwa eine Schenkung im Verhältnis zwischen
T1-GmbH und V vor. Zwar steigt der Wert seiner Anteile an der T2-GmbH als Folge
der Leistung im Wert, dafür sinkt allerdings der Wert seiner Anteile an T1-GmbH
in einem mindestens gleichen (hier sogar höheren) Umfang.

4.3.

Nach § 7 Abs. 8 Satz 2 Hs. 2 ErbStG können verdeckte
Gewinnausschüttungen und Einlagen zwischen Kapitalgesellschaften nicht der
Schenkungsteuer unterliegen, soweit an der leistenden und der begünstigten
Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar dieselben natürlichen Personen
oder Stiftungen im gleichen Beteiligungsverhältnis beteiligt sind.

5. Entsprechende Anwendung bei Genossenschaften (§ 7 Abs. 8
Satz 3 ErbStG)

5.1.

§ 7 Abs. 8 Satz 1 und 2 ErbStG ist auf Genossenschaften
anzuwenden (§ 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG). Auch bei diesen Gesellschaften sind
Vermögensverschiebungen zwischen den Gesellschaftern
(Genossenschaftsmitgliedern) durch Einlagen möglich. § 15 Abs. 4 ErbStG ist ebenfalls
auf Zuwendungen durch Genossenschaften anwendbar (vgl. Abschnitt 6).

5.2.

Die Förderung der Genossenschaftsmitglieder (z. B. durch
genossenschaftliche Rückvergütungen) entsprechend dem allgemeinen Förderzweck
der Genossenschaft (§ 1 GenG) unter Beachtung des genossenschaftlichen
Gleichbehandlungsgebots ist nicht schenkungsteuerbar. Entsprechendes gilt für
Leistungen einer Kapitalgesellschaft an die Mitglieder einer Genossenschaft,
die alle Anteile an der Kapitalgesellschaft hält.

5.3.

Für Personengesellschaften sowie für Vereine gelten die vom
BFH entwickelten Grundsätze fort: Zu Personengesellschaften insbesondere BFH
vom 15. 7. 1998, BStBl. II S. 630, und vom 14. 9. 1994, BStBl. 1995 II S. 81;
zu Vereinen BFH vom 15. 3. 2007, BStBl. II S. 472, und vom 6. 6. 2007, BStBl.
2008 II S. 46.

6. Leistungen von Kapitalgesellschaften oder
Genossenschaften (§ 15 Abs. 4 ErbStG)

6.1.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung an eine einem
Gesellschafter nahe stehende Person gilt als freigebige Zuwendung der
Kapitalgesellschaft an die nahe stehende Person (vgl. Abschnitt 2.6.1). Der
Erwerber fällt im Verhältnis zur Kapitalgesellschaft in die Steuerklasse III (§
15 Abs. 1 ErbStG), auch wenn auf eine Direktzuwendung des veranlassenden
Gesellschafters an den Erwerber die Steuerklasse I oder II anwendbar wäre.
Entsprechendes gilt auch, wenn der Bedachte Gesellschafter der
Kapitalgesellschaft ist (vgl. Abschnitt 2.6.2).

6.2.

Nach § 15 Abs. 4 ErbStG richtet sich die Besteuerung für
Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13. 12. 2011 entsteht, nach dem
persönlichen Verhältnis des Erwerbers zu derjenigen unmittelbar oder mittelbar
an der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligten natürlichen Person
oder Stiftung, durch die sie veranlasst ist. Diese Regelung betrifft nur die
Rechtsfolgen der Steuerermittlung. Die Kapitalgesellschaft bzw. Genossenschaft
bleibt Zuwendende.

6.3.

Bei der Zusammenrechnung mit früheren Erwerben nach § 14
ErbStG ist ebenfalls auf die Verhältnisse zu dem veranlassenden Gesellschafter
abzustellen. Die Zuwendung der Kapitalgesellschaft ist ebenso bei späteren
Schenkungen des veranlassenden Gesellschafters, der Kapitalgesellschaft oder
Genossenschaft oder anderer Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften, an der
der veranlassende Gesellschafter beteiligt ist, nach § 14 ErbStG zu
berücksichtigen.

6.4.

Kommen mehrere Gesellschafter als Veranlassende in Betracht
(z. B. Vater und Onkel des Begünstigten), kann eine quotale Mitveranlassung
aller Beteiligten angenommen werden. Es kann jedoch konkret dargelegt werden,
welche Person die Zuwendung veranlasst hat.

Beispiel:

Die VO-GmbH zahlt dem S auf Veranlassung der beiden Gesellschafter
ein um 1 000 000 EUR überhöhtes Gehalt. V ist der Vater und an der VO-GmbH mit
60 % beteiligt, O ist der Onkel des S und an der VO-GmbH mit 40 % beteiligt. S
legt keine andere Veranlassung dar. Nach § 15 Abs. 4 ErbStG ist die auf die
Zuwendung der VO-GmbH entfallende Steuer auf die Summe der Steuerbeträge
begrenzt, die sich bei einer Schenkung des V in Höhe von 600 000 EUR und einer
Schenkung des O in Höhe von 400 000 EUR ergeben hätte.

6.5.

Das für die Besteuerung der Zuwendung einer Kapitalgesellschaft
oder Genossenschaft zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt hat sich für Zwecke der
Anwendung des § 15 Abs. 4 ErbStG mit dem Erbschaftsteuerfinanzamt in Verbindung
zu setzen, das für die Besteuerung einer Direktzuwendung des veranlassenden
Gesellschafters nach § 35 ErbStG zuständig wäre. Das letztgenannte Finanzamt
teilt dem für die Besteuerung zuständigen Finanzamt die Vorschenkungen und die
für die Zusammenrechnung notwendigen Informationen mit und ist in ein etwaiges
Rechtsbehelfsverfahren, soweit es um die Anwendung des § 15 Abs. 4 ErbStG geht,
von dem zuständigen Finanzamt im Wege der Amtshilfe einzubinden. Zum Zweck der
künftigen zutreffenden Zusammenrechnung aller Vorerwerbe i. S. d. § 14 ErbStG
sind die Erkenntnisse bei dem Finanzamt zusammenzuführen, das für eine
Direktzuwendung des veranlassenden Gesellschafters zuständig wäre. Das für die
Besteuerung der Zuwendung der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft
zuständige Finanzamt teilt diesem daher die insoweit benötigten
Veranlagungsdaten mit. Zudem haben alle beteiligten Finanzämter einander
zeitnah über eventuell später eintretende Änderungen zu unterrichten, die
Auswirkungen im Rahmen des § 14 ErbStG haben können.

6.6.

§ 15 Abs. 4 ErbStG ist sowohl in Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG als auch in Fällen des § 7 Abs. 8 ErbStG anwendbar. Leistungen einer
Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft können nur schenkungsteuerbar sein,
soweit sie über die Beteiligungsquote des Bedachten an der Gesellschaft
hinausgehen; im Übrigen sind sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.

7. Aufhebung von Erlassen

Die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der
Länder vom 20. 10. 2010 (BStBl. I S. 1207) werden aufgehoben.
Quicklink: uw120804

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.03.2011, I – 3 Wx 236 / 10

 

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) wurde durch Gesellschaftervertrag vom
11.01.2010 mit Sitz in Montabaur gegründet.

Am 09.03.2010 übertrug ihr Gründungsgesellschafter durch
notarielle Urkunde des Schweizer Notars Dr. P. W., Basel, seine
Geschäftsanteile an den Schweizer Staatsbürger P. G.. Die von dem Schweizer
Notar unterzeichnete Gesellschafterliste nahm das Registergericht Montabaur zum
Register an. Durch Gesellschafterbeschluss vom 12.05.2010 wurde die
Sitzverlegung von Montabaur nach Düsseldorf beschlossen.

Mit Schreiben vom 12.08.2010 übermittelte der Notar H. U.,
Dillenburg, auf elektronischem Wege als Bote des oben genannten Schweizer
Notars die von diesem unterzeichnete Liste der Gesellschafter der Beteiligten
zu 1) vom 27.07.2010. Danach ist neuer alleiniger Gesellschafter der
Beteiligten zu 1) der Beteiligte zu 2), ein in Basel wohnender deutscher
Staatsangehöriger.

Die Liste enthält die Bescheinigung des Schweizer Notars,
dass die geänderten Eintragungen in der vorstehenden Liste den Veränderungen
entsprechen, die sich aus den Erklärungen der Urkundsbeteiligten zu seiner
Urkunde vom 27.07.2010 (Allg. Reg. 2010/79) ergeben und die übrigen
Eintragungen mit dem Inhalt der letzten von ihm eingereichten und in das
Handelsregister aufgenommenen Liste vom 09.03.2010 (Allg. Reg. 2010/Nr. 33)
übereinstimmen.

Das Registergericht hat mit Verfügung vom 19.08.2010 darauf
hingewiesen, eine Aufnahme der Liste in das Handelsregister komme nicht in
Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom
20.09.2010.

Durch Beschluss vom 22.09.2010 hat das Registergericht der
Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur
Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 382 Abs. 4 Satz 2; 374 Nr. 1
FamFG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Das Registergericht hat die Aufnahme der Gesellschafterliste
mit der Begründung abgelehnt, die Abtretung sei unwirksam. Nach der Neufassung
des GmbHG durch das MoMiG könne eine gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG zu beurkundende
Abtretung eines Geschäftsanteils nur vor einem deutschen Notar erfolgen. Die zu
beurkundende Abtretung könne nicht von einem ausländischen Notar vollzogen
werden. § 40 Abs. 2 GmbHG stelle nun eine öffentlich-rechtliche Amtspflicht
dar, deren Adressat nur ein inländischer Notar sein könne. Beurkundungen im
Ausland habe der Gesetzgeber wegen der erhöhten Bedeutung der
Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG ausschließen wollen.

a)

Die gegen die Rechtswirksamkeit der vor einem Schweizer
Notar in Basel beurkundete Abtretung der Geschäftsanteile an den Beteiligten zu
2) vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch.

aa)

Nach Art. 11 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft dann formgültig,
wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand
bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Art. 11 Abs. 1, 1. Alt. EGBGB, sog.
Geschäftsform oder Wirkungsstatut), oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem
es vorgenommen wird (Art. 11 Abs. 1, 2. Alt. EGBGB, sog. Ortsform).

Nach deutschem GmbH-Gesellschaftsrecht bedarf es gemäß § 15
Abs. 3 GmbHG zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter eines in
notarieller Form geschlossenen Vertrags. Durch diese Förmlichkeit soll in
erster Linie im Interesse des Anlegerschutzes der leichte und spekulative
Handel mit Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH ausgeschlossen und der
Nachweis der Rechtsübertragung erleichtert werden (Hueck/Fastrich in
Baumbach/Hueck, GmbHG, § 15, Rdnr. 21; Peters, DB 2010, 97).

Nach bisheriger ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung
kann die Beurkundungsform des deutschen Rechts durch eine Auslandsbeurkundung
dann erfüllt werden, wenn die ausländische Beurkundung der deutschen
gleichwertig ist (grundlegend BGH, NJW 1981, 1160 ff.; bestätigend BGH, NJW-RR
1989, 1259 ff.; Senat BJW 1990, 2200 ff.; OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764 ff.;
zustimmend MünchKomm/Spellenberg, BGB, 5. Aufl., Art. 11 EGBGB, Rdnr. 87 ff.;
Palandt/Thorn, BGB, Art. 11 EGBGB, Rdnr. 10).

Von einer Gleichwertigkeit ist auszugehen, wenn die
ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der
Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die
Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, welches den
tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht (BGH NJW
1981, 1160 für die Beurkundung eines Züricher Notars; Senat, a.a.O.; OLG
Frankfurt, a.a.O. für einen Baseler Notar).

Nach diesen Grundsätzen sind Beurkundungen von Notaren in
der Schweiz jedenfalls im Kanton Basel den Beurkundungen, die von deutschen
Notaren vorgenommen werden, gleichwertig (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG München DB
1998, 125 f.).

So stimmen Beurkundungsbegriff und Zweck der notariellen
Form in der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen überein.
Auch im Schweizer Recht bedeutet die öffentliche Beurkundung „das Herstellen
eines Schriftstücks, das den Vertrag enthält, durch eine vom Staat mit dieser
Aufgabe betraute Person, in der vom Staate geforderten Form und in dem von ihm
vorgeschriebenen Verfahren“ (Schweizerisches Bundesgericht, BGE 90 II, 274 S.
281, Erwägung 6). Ist nach Schweizer Bundesrecht die öffentliche Beurkundung
eines Vertrages erforderlich, so wird damit der Zweck verfolgt, „die
Vertragsparteien vor unüberlegten Entschlüssen zu bewahren und dafür zu sorgen,
dass sie die Tragweite ihrer Verpflichtungen erkennen und dass ihr Wille klar
und vollständig zum Ausdruck kommt“ (BGE a.a.O.).

Auch das Beurkundungsverfahren selbst ist dem deutschen
Beurkundungsverfahren vergleichbar (BGH NJW-RR 1989, 1259; OLG Frankfurt,
a.a.O). Im Kanton Basel besteht das freiberufliche Notariat, das heißt, es handelt
sich um Notare, die ihren Zugang zum Beruf in der Regel über einen
Universitätsabschluss erlangt und während durchschnittlich 1 ½ Jahre ein
Praktikum absolviert haben (OLG Frankfurt, a.a.O.).

bb)

Das Schweizer Obligationenrecht wurde zum 01.02.2008
reformiert. Nach Art. 785 Abs. 1 OR n.F. ist nunmehr die Beurkundung der
Abtretung von Stammanteilen an einer Schweizer GmbH nicht mehr zwingend
erforderlich, sondern die Schriftform ausreichend. Allerdings besteht für die
Parteien nach wie vor die Möglichkeit, die Form der notariellen Beurkundung auf
freiwilliger Basis zu wählen. Da Änderungen des Schweizer Notars- und
Beurkundungsrechts seit der Entscheidung des BGH über die Gleichwertigkeit
nicht erfolgt sind, können die Anforderungen an eine Substitution erfüllt
werden, wenn die Parteien den Weg der notariellen Beurkundung wählen (OLG
Frankfurt, a.a.O.; Peters, a.a.O.; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., 2009, § 15,
Rdnr. 88; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rdnr.
22).

cc)

Die Unwirksamkeit der Auslandsbeurkundung lässt sich nicht
aus den durch das zum 01.11.2009 in Kraft getretene MoMiG eingeführten
Änderungen des GmbHG herleiten (Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., 2009, § 15,
Rdnr. 88; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rdnr.
22¸ Peters, a.a.O.; Hasselmann, ZIP 2010, 2486, 2487).

(1)

Durch das MoMiG wurde unter anderem § 16 GmbHG völlig neu
gefasst. Nach § 16 Abs. 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter
nur, „wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen
Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist“. Ferner wurde die Möglichkeit eines
gutgläubigen Erwerbs von Gesellschaftsanteilen unter den Voraussetzungen des §
16 Abs. 3 GmbHG geschaffen. Danach gilt der in der zum Handelsregister
eingereichten Gesellschafterliste drei Jahre unwidersprochen unrichtig als
Gesellschafter Eingetragene gegenüber dem Erwerber als tatsächlicher Inhaber
des Geschäftsanteils, sofern dem Erwerber eine mangelnde Berechtigung des
Veräußerers weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt und die
Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Durch diese Änderungen
wurde die Gesellschafterliste in ihrer Bedeutung erheblich aufgewertet.

Zugleich wurde § 40 GmbHG neu geregelt. Nach § 40 Abs. 1
GmbHG sind grundsätzlich die Geschäftsführer der Gesellschaft bei einem Wechsel
im Gesellschafterkreis zur Einreichung einer aktualisierten Liste verpflichtet.
Hat aber ein Notar an der Veränderung der Gesellschafterstellung mitgewirkt, so
obliegt die Einreichung der Liste nicht der Geschäftsführung, sondern dem
mitwirkenden Notar, § 40 Abs. 2 GmbHG.

(2)

Das Registergericht hat die Zurückweisung der Listen
maßgeblich mit der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt in vom 07.10.2009
(NJW 2010, 683) begründet, das in einem obiter dictum ausgeführt hat, unter der
Geltung des § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. dürfte eine Auslandsbeurkundung
wahrscheinlich nicht mehr zulässig sein, da ein Baseler Notar der in der
vorgenannten Vorschrift dem an der Änderung mitwirkenden Notar auferlegten
Verpflichtung wegen des „Fehlens von Amtsbefugnissen in Deutschland“ nicht
nachkommen könnte. Zudem hat es sich auf entsprechende Ausführungen in der
Literatur (Wachter, ZNotP 2008, 378 ff.; Bayer, DNotZ 2009, 887; Braun, DNotZ
2009, 585 ff.) berufen.

Ergänzend hat das Registergericht auf die
Gesetzgebungsbegründung zu § 16 GmbHG verwiesen, in der es heißt:

„Die Bestimmungen zur Gesellschafterliste sind bereits durch
das Handelsrechtsreformgesetz vom 22.06.1998 … nachgebessert und verschärft
worden. Es bestehen jedoch weiterhin Lücken, z.B. bei der Auslandsbeurkundung,
die nunmehr geschlossen werden.“

Entgegen der Ansicht des Registergerichts (so auch z.B.
Braun, DNotZ 2009, 585, 592) sprechen weder die Gesetzesänderungen durch das
MoMiG noch die angeführte Stelle der Gesetzesbegründung dafür, dass nunmehr
zwingend die Einschaltung eines deutschen Notars zu verlangen sei.

(3)

Soweit zur Unterstützung der These, dass eine
Auslandsbeurkundung nicht mehr zulässig sei, auf die Neufassung des § 40 Abs. 2
GmbHG verwiesen wird, überzeugt dieser Ansatz aus Gründen der
Gesetzessystematik nicht. Aus § 40 Abs. 2 GmbHG ergibt sich nicht, dass eine
Beurkundung des ausländischen Notars unwirksam ist. Denn § 40 Abs. 2 GmbHG
betrifft nur die Mitteilungspflicht. Die Regelung zur Zuständigkeit für die
Einreichung der Liste ist von der eigentlichen Beurkundung streng zu trennen
(Peters, a.a.O., Hasselmann, a.a.O.; Mankowski, NZG 2010, 201, 203). Dass ein
ausländischer Notar nicht mitteilungspflichtig ist, ändert nichts daran, dass
er wirksam beurkunden kann.

Auch wenn der Gesellschafterliste auf Grund des § 16 Abs. 3
GmbHG n.F. eine gesteigerte Bedeutung zukommt, kann hieraus nicht auf eine
besondere Richtigkeitsgewähr geschlossen werden, die nur durch Einschaltung
eines deutschen Notars zu erreichen sei.

Die in § 40 Abs. 2 GmbHG dem mitwirkenden Notar auferlegte
Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Liste erfolgte im
Wesentlichen aus pragmatischen Gesichtspunkten, um das Verfahren zu
vereinfachen. Gegen eine besondere – nur durch die Einschaltung eines deutschen
Notars zu gewährleistenden Richtigkeitskontrolle – spricht, dass den Notar nur
eine begrenzte Prüfungspflicht trifft (OLG München, NJW-RR 2009, 972 f.
m.w.N.). Der Notar hat zwar die Veränderungen, an denen er mitgewirkt hat, in der
Gesellschafterliste zutreffend abzubilden. Darüber hinaus hat er keine
Prüfungspflicht, ob die Gesellschafterliste inhaltlich zutreffend ist. Er hat
insbesondere die zuvor eingereichte Liste nicht inhaltlich auf rechtliche
Wirksamkeit hin zu überprüfen (OLG München, a.a.O.).

Im Übrigen knüpft der in § 16 Abs. 3 GmbHG normierte
Gutglaubensschutz allein an die Liste an, ungeachtet, ob diese im Fall des § 40
Abs. 2 GmbHG durch einen Notar oder aber in den Fällen des § 40 Abs. 1 GmbHG
von dem Geschäftsführer erstellt worden ist. Bei einer Änderung der
Geschäftsanteile bei Erbfällen, Anwachsung oder Einziehung haben die –
regelmäßig gesellschaftsrechtlich nicht geschulten – Geschäftsführer in eigener
Kompetenz zu prüfen, ob eine neue Liste einzureichen ist. Die
Gesellschafterliste unterliegt auch in diesem Fall keiner inhaltlichen Prüfung
durch das Registergericht, sondern wird – sofern die Formalien eingehalten sind
– von diesem lediglich entgegengenommen und verwahrt. Vor dem Hintergrund
dieser gesetzlichen Wertung kann die gleiche Beurteilung durch einen in der
Regel mit dem deutschen Gesellschaftsrecht deutlich vertrauteren
schweizerischen Notar nicht zum Wegfall der Gleichwertigkeit der dortigen
Beurkundung führen (Peters, a.a.O.).

Aus dem vom Registergericht angeführten Zitat aus der
Gesetzgebungsbegründung lässt sich zwar entnehmen, dass der Gesetzgeber Lücken
bei der Auslandsbeurkundung schließen wollte, ohne diese konkret zu benennen,
nicht aber, dass die Abschaffung der Auslandsbeurkundung als solche bezweckt
gewesen wäre. Vielmehr hat der Gesetzgeber trotz der gefestigten
höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung
keinen Handlungsbedarf zur Änderung des § 15 Abs. 3 GmbHG gesehen, was nur den
Schluss zulässt, dass die Auslandsbeurkundung nicht schlechthin unzulässig sein
sollte (vgl. Peters, a.a.O.).

Allerdings haben die Gesellschafter nach der Neufassung des
§ 16 GmbHG im Hinblick auf die Legitimationsvoraussetzungen gegenüber der
Gesellschaft, § 16 Abs. 1 GmbHG, und die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs,
§ 16 Abs. 3 GmbHG, ein gesteigertes Interesse an der Einreichung einer
aktuellen Liste. Soweit in der Gesetzgebungsbegründung von einer zu
schließenden Lücke bei der Auslandsbeurkundung die Rede ist, mag der
Gesetzgeber die Situation vor Augen gehabt haben, dass zwar bereits nach § 40
Abs. 1 Satz 1 GmbHG a.F. ein Notar, der einen Vertrag über die Abtretung eines
Gesellschaftsanteils nach § 15 Abs. 3 GmbHG beurkundet hat, diese Abtretung dem
Registergericht unverzüglich anzuzeigen hatte, diese Anzeigepflicht aber bei
einer Auslandsbeurkundung oft ins Leere lief (vgl. Hasselmann, a.a.O.). Durch
das nunmehr bestehende erhebliche Eigeninteresse der Gesellschafter an einer
Aktualisierung der Liste mag dies ein probates Mittel sein, Lücken in Bezug auf
die erwünschte Transparenz der Anteilseignerstruktur bei einer
Auslandsbeurkundung zu schließen (Hasselmann, a.a.O.).

Ziel des MoMiG war die Stärkung der Rechtsform der GmbH im
internationalen Wettbewerb (vgl. Mankowski, a.a.O., S. 205, Peters, a.a.O., S.
100). Die angestrebte internationale Offenheit zeigt sich etwa auch darin, dass
nach Änderung des § 4 a GmbHG eine GmbH ihren Verwaltungssitz ins Ausland
verlegen kann.

Das durch das MoMiG angestrebte Ziel spricht aber dafür,
dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung nicht
einschränken wollte. Dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, die Attraktivität
der deutschen GmbH gegenüber vergleichbaren Gesellschaftsformen durch die
GmbH-Reform zu steigern, würde es zuwiderlaufen, wenn künftig eine Beurkundung
in der Schweiz nicht mehr möglich wäre. Insbesondere der damit verbundene
Kostenvorteil – in der Schweiz sind die Notarkosten frei verhandelbar – war und
ist auch bei ausländischen Investoren ein gewichtiges Argument für eine
Beurkundung in der Schweiz anstatt vor einem deutschen Notar (Peters, a.a.O.,
S. 100).

dd)

Die am 17.12.2009 in Kraft getretene Rom I-VO (VO-EG Nr.
593/2008, ABlEU 2008, Nr. L 177/6) ist nicht einschlägig. Sie hat Geltung für
die ab dem 17.12.2009 abgeschlossenen schuldrechtlichen Verträge, nicht aber
für dingliche Rechtsgeschäfte wie etwa die Abtretung und Verpfändung von
Gesellschaftsanteilen an einer deutschen GmbH.

Nach alledem ist die vor dem Schweizer Notar beurkundete
Abtretung wirksam

b)

Ein ausländischer Notar kann bei einer von ihm wirksam
beurkundeten Abtretung eine diese Änderung der Geschäftsanteile
berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen.

Allerdings stellt die in § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. normierte
Verpflichtung des Notars zur Einreichung der Liste kraft seines Amtes eine
öffentlich-rechtliche Pflicht des Notars dar. Diese Pflicht kann einem
ausländischen Notar durch deutsche Gesetze nicht auferlegt werden. In Fällen
einer Auslandsbeurkundung trifft daher die Pflicht zur Einreichung der
Gesellschaftsliste grundsätzlich die Gesellschafter (Roth/Altmeppen, a.a.O., §
40, Rdnr. 14; Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 40, Rdnr. 40, 69.
Peters, a.a.O., S. 99).

Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung ergeben
sich indes Hinweise für die vom Registergericht vertretende Auffassung (so auch
Hasselmann, a.a.O., S. 289; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, a.a.O.), dass der
ausländische an der Beurkundung mitwirkende Notar zur Einreichung der Liste
nicht berechtigt ist (Peters, a.a.O., S. 99 m.w.N.).

In den Fällen, in denen das deutsche Recht eine Beurkundung
durch den ausländischen Notar als der Beurkundung durch einen deutschen Notar
gleichwertig anerkennt, sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen eine
Eignung des ausländischen Notars zur Einreichung der Liste sprechen könnten.
Ein Notar ist daher jedenfalls dann als zur Einreichung der Liste berechtigt
anzusehen, wenn eine von ihm vorgenommene Beurkundung wirksam, weil
gleichwertig im zuvor erörterten Sinne ist (Vossius, DB 2007, Mayer, DNotZ
2008, 411; Schneider, GmbHR 2009, 393, 396; Meyer).

Gegen eine Einreichungsberechtigung kann auch nicht
angeführt werden, dass nach § 12 Abs. 2 HGB Dokumente in elektronischer Form
einzureichen sind. Im vorliegenden Fall hat sich der ausländische Notar eines
deutschen Notars als Boten bedient, der wiederum das Dokument in der nach § 12
HGB vorgesehenen Form übermittelt hat, so dass das Dokument in der
erforderlichen Form vorliegt und ohne weiteres auf dieses Zugriff genommen
werden kann.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Quicklink: uw111003