EuGH, Urteil vom 28.06.2012, C – 19 / 11

 

Gründe

1. Das
Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Nr. 1
der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.
Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)
(ABl. L 96, S. 16) und von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie
2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der
Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung
von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation
(ABl. L 339, S. 70).

2. Dieses Ersuchen
ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Geltl und der Daimler AG (im
Folgenden: Daimler) wegen des Schadens, der ihm dadurch entstanden sein soll,
dass Daimler Informationen über das vorzeitige Ausscheiden ihres
Vorstandsvorsitzenden verspätet veröffentlicht habe.

Rechtlicher Rahmen: Unionsrecht,
Richtlinie 2003/6

3. In den Erwägungsgründen
2, 12, 16 und 24 der Richtlinie 2003/6 heißt es:

„(2) Ein integrierter
und effizienter Finanzmarkt setzt Marktintegrität voraus. Das reibungslose
Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die
Märkte sind Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand.
Marktmissbrauch verletzt die Integrität der Finanzmärkte und untergräbt das
Vertrauen der Öffentlichkeit in Wertpapiere und Derivate.

(12) Marktmissbrauch
beinhaltet Insider-Geschäfte und Marktmanipulation. Vorschriften zur Bekämpfung
von Insider-Geschäften haben dasselbe Ziel wie Vorschriften zur Bekämpfung von
Marktmanipulation, nämlich die Integrität der Finanzmärkte der Gemeinschaft
sicherzustellen und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken. …

(16) Insider-Informationen
sind nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die einen oder mehrere
Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente
direkt oder indirekt betreffen. Informationen, die geeignet wären, die
Kursentwicklung und Kursbildung auf einem geregelten Markt als solche erheblich
zu beeinflussen, können als Informationen betrachtet werden, die einen oder
mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere sich darauf
beziehende derivative Finanzinstrumente indirekt betreffen.

(24) Durch unverzügliche
und angemessene öffentliche Bekanntgabe von Informationen wird die Integrität
des Marktes gefördert. Selektive Weitergabe von Informationen durch Emittenten
kann dazu führen, dass das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte
schwindet. …“

4. In Art. 1 Nr. 1
Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 wird der Begriff „Insider-Information“
definiert als „eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt
oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein
oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde,
geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf
beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen“.

5. Art. 2 der
Richtlinie lautet:

„(1) Die
Mitgliedstaaten untersagen Personen im Sinne von Unterabsatz 2, die über eine
Insider-Information verfügen, unter Nutzung derselben für eigene oder fremde
Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Information
bezieht, zu erwerben oder zu veräußern oder dies zu versuchen.

Unterabsatz 1 gilt für
Personen, die

a) als Mitglied eines
Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten,

b) durch ihre
Beteiligung am Kapital des Emittenten oder

c) dadurch, dass sie
aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben Zugang zu der
betreffenden Information haben, oder

d) aufgrund ihrer
kriminellen Aktivitäten

über diese Information
verfügen.

(2) Handelt es sich
bei der in Absatz 1 genannten Person um eine juristische Person, so gilt das
dort niedergelegte Verbot auch für die natürlichen Personen, die an dem
Beschluss beteiligt sind, das Geschäft für Rechnung der betreffenden
juristischen Person zu tätigen.

(3) Dieser Artikel
findet keine Anwendung auf Geschäfte, die getätigt werden, um einer fällig
gewordenen Verpflichtung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten
nachzukommen, wenn diese Verpflichtung auf einer Vereinbarung beruht, die
geschlossen wurde, bevor die betreffende Person die Insider-Information
erhalten hat.“

6. Art. 6 Abs. 1
und 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Die
Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Emittenten von Finanzinstrumenten
Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit
bekannt geben.

(2) Ein Emittent darf
die Bekanntgabe von Insider-Informationen gemäß Absatz 1 auf eigene
Verantwortung aufschieben, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten
Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit
irrezuführen, und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der
Information zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der
Emittent die zuständige Behörde unverzüglich von der Entscheidung, die
Bekanntgabe der Insider-Informationen aufzuschieben, zu unterrichten hat.“

Richtlinie 2003/124

7. Die Erwägungsgründe
1 und 3 der Richtlinie 2003/124 lauten:

„(1) Verständige
Investoren stützen ihre Anlageentscheidungen auf Informationen, die ihnen vorab
zur Verfügung stehen (verfügbare Ex-ante-Informationen). Die Prüfung der Frage,
ob ein verständiger Investor einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes
Ereignis im Rahmen seiner Investitionsentscheidung berücksichtigt hätte, sollte
folglich anhand der ex ante vorliegenden Informationen erfolgen. Eine solche Prüfung
sollte auch die möglichen Auswirkungen der Information in Betracht ziehen,
insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der
Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das
entsprechende Finanzinstrument oder unter den gegebenen Umständen damit
verbundene derivative Finanzinstrument beeinflussen dürften.

(3) Die
Rechtssicherheit für die Marktteilnehmer soll durch eine genauere Bestimmung
von zwei wesentlichen Tatbestandsmerkmalen der Insider-Information erhöht
werden, nämlich die präzise Natur dieser Information und die Frage, ob diese
Information möglicherweise den Kurs der Finanzinstrumente oder den Kurs damit
verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich beeinflussen wird.“

8. Art. 1 („Insider-Informationen“)
der Richtlinie 2003/124 sieht vor:

„(1) Für die Anwendung
von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist eine Information dann als
präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits
existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon
ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das
bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten
wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen
Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses
Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen
derivativen Finanzinstrumenten zulässt.

(2) Für die Anwendung
von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist unter einer ‚Insider-Information,
die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser
Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente
spürbar zu beeinflussen‘ eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger
wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.“

9. Art. 3 Abs. 1
dieser Richtlinie enthält eine nicht erschöpfende Liste von Fallbeispielen, auf
die sich die berechtigten Interessen eines Emittenten im Sinne von Art. 6
Abs. 2 der Richtlinie 2003/6 beziehen können, nämlich laufende
Verhandlungen oder damit verbundene Umstände, wenn das Ergebnis oder der
normale Ablauf dieser Verhandlungen von der Veröffentlichung wahrscheinlich
beeinträchtigt werden würde, sowie vom Geschäftsführungsorgan eines Emittenten
getroffene Entscheidungen oder abgeschlossene Verträge, die der Zustimmung
durch ein anderes Organ des Emittenten bedürfen, um wirksam zu werden, sofern
die Struktur eines solchen Emittenten die Trennung zwischen diesen Organen
vorsieht

Deutsches Recht

10. § 13 Abs. 1
des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) in der Fassung vom 9. September
1998 (BGBl. I S. 2708), geändert durch das Gesetz zur Verbesserung
des Anlegerschutzes vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630), bestimmt:

„Eine
Insiderinformation ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte
Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder
auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen
Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu
beeinflussen. Eine solche Eignung ist gegeben, wenn ein verständiger Anleger
die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Als Umstände
im Sinne des Satzes 1 gelten auch solche, bei denen mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten
werden. …“

11. Art. 6 Abs. 1
und 2 der Richtlinie 2003/6 wurde durch § 15 Abs. 1 und 3 WpHG in
deutsches Recht umgesetzt. Nach § 15 Abs. 6 WpHG ist ein Emittent,
der gegen seine Verpflichtungen aus § 15 Abs. 1 bis 4 verstößt, einem
anderen unter den Voraussetzungen u. a. von § 37b WpHG zum Ersatz des
daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Ausgangsverfahren und
Vorlagefragen

 

12. Wie aus der
Vorlageentscheidung hervorgeht, trug sich Herr Schrempp, der
Vorstandsvorsitzende von Daimler, nach der Hauptversammlung von Daimler vom 6.
April 2005 zunehmend mit dem Gedanken, sein bis 2008 laufendes Amt vorzeitig
niederzulegen. Am 17. Mai 2005 erörterte er seine Absicht mit dem
Aufsichtsratsvorsitzenden dieses Unternehmens, Herrn Kopper. Zwischen dem 1.
Juni und dem 27. Juli 2005 wurden weitere Mitglieder des Aufsichtsrats und des
Vorstands über die Pläne von Herrn Schrempp informiert, das Unternehmen zu
verlassen.

13. Ab dem 10. Juli
2005 wurde an einer Pressemitteilung, einem externen Statement und einem Brief
an die Mitarbeiter gearbeitet.

14. Am 13. Juli 2005
wurden der Präsidialausschuss des Aufsichtsrats von Daimler (im Folgenden: Präsidialausschuss)
sowie der Aufsichtsrat für den 27. bzw. 28. Juli 2005 einberufen, ohne dass
dabei auf einen möglichen Wechsel in der Person des Vorstandsvorsitzenden
hingewiesen wurde.

15. Am 18. Juli 2005
verständigten sich Herr Schrempp und Herr Kopper darauf, in der
Aufsichtsratssitzung vom 28. Juli 2005 das vorzeitige Ausscheiden von Herrn
Schrempp und die Nominierung von Herrn Zetsche zu seinem Nachfolger
vorzuschlagen.

16. In seiner Sitzung
vom 27. Juli 2005, die um 17 Uhr begann, beschloss der Präsidialausschuss, dem
Aufsichtsrat, der am folgenden Tag zusammenkommen sollte, vorzuschlagen, diesem
Ausscheiden und dieser Nominierung zuzustimmen.

17. Am 28. Juli 2005
beschloss der Aufsichtsrat von Daimler gegen 9.50 Uhr, dass Herr Schrempp zum
Jahresende aus dem Amt ausscheiden und durch Herrn Zetsche ersetzt werden
solle.

18. Dieser Beschluss
wurde an die Geschäftsführungen der Börsen und der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht gesendet und in der Datenbank der Deutschen
Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität veröffentlicht.

19. Im Anschluss an
diese Veröffentlichung stieg der Kurs der Aktien von Daimler, der sich bereits
nach der am selben Morgen erfolgten Veröffentlichung der Ergebnisse des zweiten
Quartals 2005 erhöht hatte, deutlich an.

20. Herr Geltl und
mehrere andere Anleger hatten vor der Veröffentlichung des genannten
Beschlusses Aktien von Daimler verkauft. Sie erhoben beim Landgericht Stuttgart
Klage gegen Daimler und verlangten unter Berufung darauf, dass die Veröffentlichung
verspätet erfolgt sei, Schadensersatz. Das Landgericht bat das
Oberlandesgericht Stuttgart, über mehrere diesen Rechtsstreit betreffende
Fragen im Rahmen eines Musterverfahrens zu entscheiden.

21. In seinem
Musterentscheid vom 22. April 2009 kam das Oberlandesgericht Stuttgart zu dem
Ergebnis, dass nicht festgestellt werden könne, dass am 17. Mai 2005 oder später
eine Insider-Information entstanden sei, wonach Herr Schrempp sein Amt
einseitig, unabhängig von der Zustimmung des Aufsichtsrats von Daimler,
niederlegen werde. Der maßgebende, für den Aktienkurs dieses Unternehmens
relevante Umstand sei der Beschluss des Aufsichtsrats vom 28. Juli 2005. Er sei
hinreichend wahrscheinlich geworden, nachdem der Präsidialausschuss am 27. Juli
2005 nach 17 Uhr entschieden habe, dem Aufsichtsrat diesen Beschluss
vorzuschlagen. Somit sei erst zu diesem Zeitpunkt eine Insider-Information
entstanden. Zwar seien die in § 15 Abs. 3 WpHG vorgesehenen
Voraussetzungen für den Aufschub der Veröffentlichung dieser Information nicht
vollständig erfüllt gewesen, doch wäre der von den Klägern geltend gemachte
Schaden auch dann eingetreten, wenn die Voraussetzungen erfüllt gewesen wären.

22. Das mit der
dagegen eingelegten Beschwerde befasste vorlegende Gericht führt aus, das Oberlandesgericht
Stuttgart habe nicht geprüft, ob die einzelnen Zwischenschritte, die zu dem
Beschluss vom 28. Juli 2005 geführt hätten, geeignet gewesen seien, den Kurs
der Aktien von Daimler zu beeinflussen. Dagegen habe das Oberlandesgericht
Frankfurt am Main im Rahmen eines Bußgeldverfahrens, in dem es um denselben
Sachverhalt gegangen sei wie im Ausgangsverfahren, die Auffassung vertreten,
dass die Verknüpfung mehrerer eigenständiger Umstände zu einer einheitlichen
Gesamtentscheidung dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 WpHG sowie den
Richtlinien 2003/6 und 2003/124 widerspreche, so dass die Pflicht zur Veröffentlichung
bereits entstanden sei, als sich die interne Willensbildung zu einem konkreten
Beschluss verdichtet habe und dieser gegenüber einem Entscheidungsträger des
betreffenden Unternehmens offengelegt worden sei.

23. Der
Bundesgerichtshof hat unter diesen Umständen beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen:

1. Ist bei einem
zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem über mehrere Zwischenschritte ein
bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt
werden soll, für die Anwendung von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6
und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 nur darauf abzustellen, ob
dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information nach
diesen Richtlinienbestimmungen anzusehen ist, und demgemäß zu prüfen, ob man
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser künftige
Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder können bei einem
solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits
existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen
Umstands oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinne der
genannten Richtlinienbestimmungen sein?

2. Verlangt
hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der
Richtlinie 2003/124 eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung mit überwiegender oder
hoher Wahrscheinlichkeit, oder ist unter Umständen, bei denen mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit von ihrer zukünftigen Existenz [ausgegangen werden kann],
oder Ereignissen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten
werden, zu verstehen, dass das Maß der Wahrscheinlichkeit vom Ausmaß der
Auswirkungen auf den Emittenten abhängt und es bei hoher Eignung zur
Kursbeeinflussung genügt, wenn der Eintritt des künftigen Umstands oder
Ereignisses offen, aber nicht unwahrscheinlich ist

Zu den Vorlagefragen

24. Vorab ist darauf
hinzuweisen, dass die Richtlinie 2003/6, um die Integrität der Finanzmärkte der
Europäischen Union sicherzustellen und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte
zu stärken, Insider-Geschäfte unter den in ihrem Art. 2 aufgestellten
Voraussetzungen verbietet und in ihrem Art. 6 Abs. 1 Emittenten von
Finanzinstrumenten verpflichtet, Insider-Informationen, die sie unmittelbar
betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Nach Art. 6
Abs. 2 darf die Bekanntgabe einer solchen Information unter bestimmten
Voraussetzungen aufgeschoben werden, wenn sie den berechtigten Interessen des
Emittenten schaden könnte.

25. Die Definition des
Begriffs „Insider-Information“ in Art. 1 Nr. 1 Unterabs. 1 der
Richtlinie 2003/6 besteht aus vier wesentlichen Tatbestandsmerkmalen. Erstens
handelt es sich um eine präzise Information. Zweitens ist diese Information
nicht öffentlich bekannt. Drittens betrifft sie direkt oder indirekt ein oder
mehrere Finanzinstrumente oder deren Emittenten. Viertens wäre sie, wenn sie öffentlich
bekannt würde, geeignet, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich
darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Das
erste und das vierte Tatbestandsmerkmal werden in den Abs. 1 und 2 von
Art. 1 der Richtlinie 2003/124 genauer definiert.

26. Die vom
vorlegenden Gericht gestellten Fragen zielen auf Erläuterungen zum ersten
dieser Tatbestandsmerkmale, dem Vorliegen einer präzisen Information, ab.

Zur ersten Frage

27. Mit seiner ersten Frage
möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie
2003/6 und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 dahin auszulegen
sind, dass bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem ein bestimmter
Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll,
nicht nur dieser Umstand oder dieses Ereignis präzise Informationen im Sinne
der genannten Bestimmungen sein können, sondern auch die bereits existierenden
oder eingetretenen Zwischenschritte dieses Vorgangs, die mit der Verwirklichung
des Umstands oder Ereignisses verknüpft sind.

28. Nach ihrem dritten
Erwägungsgrund soll die Richtlinie 2003/124 eine genauere Bestimmung des in der
Richtlinie 2003/6 verwendeten Begriffs „präzise Information“ geben, um die
Rechtssicherheit für die Teilnehmer des betreffenden Marktes zu erhöhen.

29. Nach Art. 1
Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 ist eine Information dann als präzise
anzusehen, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss
mit der Information eine Reihe von Umständen gemeint sein, die bereits
existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon
ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das
bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft
eintreten wird. Zum anderen muss sie spezifisch genug sein, dass sie einen
Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses
Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen
derivativen Finanzinstrumenten zulässt.

30. Da die Begriffe „Reihe
von Umständen“ und „Ereignis“ in dieser Richtlinie nicht definiert werden, ist
auf ihren allgemeinen Sinn abzustellen.

31. Ein
Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs kann selbst eine Reihe von
Umständen oder ein Ereignis in dem diesen Begriffen im Allgemeinen
zugeschriebenen Sinn darstellen.

32. Diese Feststellung
wird durch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 bestätigt, der als
Beispiele für Insider-Informationen, deren Bekanntgabe gemäß Art. 6 Abs. 2
der Richtlinie 2003/6 aufgeschoben werden darf, typische Fälle von
Zwischenschritten gradueller Prozesse anführt, nämlich laufende Verhandlungen
sowie vom Geschäftsführungsorgan eines Emittenten getroffene Entscheidungen
oder abgeschlossene Verträge, die der Zustimmung durch ein anderes Organ dieses
Emittenten bedürfen, um wirksam zu werden.

33. Im Übrigen soll
die Richtlinie 2003/6, wie sich vor allem aus ihren Erwägungsgründen 2 und 12
ergibt, die Integrität der Finanzmärkte der Union sicherstellen und das
Vertrauen der Anleger in diese Märkte stärken. Dieses Vertrauen beruht
insbesondere darauf, dass die Anleger einander gleichgestellt und u. a.
vor der unrechtmäßigen Verwendung von Insider-Informationen geschützt werden
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Dezember
2009, Spector Photo Group und Van Raemdonck, C-45/08, Slg. 2009, I-12073,
Randnr. 47, und vom 7. Juli
2011, IMC Securities, C-445/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht,
Randnr. 27).

34. Hierzu heißt es im
ersten Satz des 24. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie, dass durch unverzügliche
und angemessene öffentliche Bekanntgabe von Informationen die Integrität des
Marktes gefördert wird, während eine selektive Weitergabe von Informationen durch
Emittenten dazu führen kann, dass das Vertrauen der Anleger in die Integrität
der Finanzmärkte schwindet.

35. Würden die
Begriffe „Reihe von Umständen“ und „Ereignis“ dahin ausgelegt, dass
Zwischenschritte eines zeitlich gestreckten Vorgangs außer Betracht blieben,
bestünde die Gefahr einer Beeinträchtigung der in den beiden vorhergehenden
Randnummern des vorliegenden Urteils genannten Ziele. Wäre nämlich
ausgeschlossen, dass eine Information, die einen Schritt eines zeitlich
gestreckten Vorgangs betrifft, präziser Natur im Sinne von Art. 1 Nr. 1
der Richtlinie 2003/6 sein kann, würde die in ihrem Art. 6 Abs. 1
Unterabs. 1 vorgesehene Verpflichtung, diese Information der Öffentlichkeit
bekannt zu geben, entfallen, auch wenn sie ganz spezifischen Charakter hätte
und die übrigen in Randnr. 25 des vorliegenden Urteils aufgezählten
Tatbestandsmerkmale einer Insider-Information ebenfalls vorlägen.

36. In einer solchen
Situation könnten sich bestimmte Inhaber dieser Information in einer günstigeren
Position als die anderen Anleger befinden und daraus zum Nachteil derjenigen,
die die Information nicht kennen, Nutzen ziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil
Spector Photo Group und Van Raemdonck, Randnr. 48).

37. Das Risiko, dass
eine solche Situation eintritt, wäre umso höher, als es unter bestimmten Umständen
möglich wäre, das Ergebnis eines konkreten Vorgangs als Zwischenschritt eines
anderen, umfassenderen Vorgangs zu qualifizieren.

38. Folglich kann eine
Information über einen Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs eine
präzise Information darstellen. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Auslegung
nicht nur für Schritte gilt, die bereits existieren oder bereits eingetreten
sind, sondern nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 auch
Schritte betrifft, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon
ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden.

39. Wie aus Randnr. 29
des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist die Einstufung einer Information als
präzise außerdem von der Erfüllung der zweiten in der genannten Bestimmung
aufgestellten Voraussetzung abhängig, die darin besteht, dass die Information
spezifisch genug sein muss, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung
der fraglichen Reihe von Umständen oder des fraglichen Ereignisses auf die
Kurse von Finanzinstrumenten zulässt.

40. Daher ist auf die
erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 und
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 dahin auszulegen sind, dass bei
einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem ein bestimmter Umstand verwirklicht
oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, nicht nur dieser
Umstand oder dieses Ereignis präzise Informationen im Sinne der genannten
Bestimmungen sein können, sondern auch die mit der Verwirklichung des Umstands
oder Ereignisses verknüpften Zwischenschritte dieses Vorgangs.

Zur zweiten Frage

41. Mit seiner zweiten
Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 1 der
Richtlinie 2003/124 dahin auszulegen ist, dass die Wendung „eine Reihe von Umständen
…, … bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann,
dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das … mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird“, nur auf Umstände
oder Ereignisse abzielt, die mit überwiegender oder hoher Wahrscheinlichkeit
eintreten werden, oder ob diese Wendung so zu verstehen ist, dass das Ausmaß
der Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf den Kurs
der betreffenden Finanzinstrumente zu berücksichtigen ist.

42. Zwischen den
verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung besteht eine gewisse Divergenz.
So verwenden einige dieser Fassungen, u. a. die französische, die
italienische und die niederländische Fassung, Worte wie „vernünftigerweise
angenommen werden kann“, während andere, u. a. die dänische, die
griechische, die englische und die schwedische Fassung, Worte wie „vernünftigerweise
erwartet werden kann“ enthalten. In der spanischen Fassung ist die Rede von „einer
Reihe von Umständen, die vernünftigerweise vorhanden sein können“, und in der
portugiesischen Fassung von „einer vernünftigerweise vorhersehbaren Reihe von
Umständen oder einem vernünftigerweise vorhersehbaren Ereignis“. Schließlich
finden sich in der deutschen Fassung die Worte „mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit“.

43. Nach ständiger
Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des
Unionsrechts verwendete Formulierung zum einen nicht als alleinige Grundlage für
die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen oder ihr insoweit Vorrang vor den
anderen Sprachfassungen eingeräumt werden. Zum anderen müssen die verschiedenen
Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts einheitlich ausgelegt werden;
falls sie voneinander abweichen, muss die fragliche Vorschrift daher anhand der
allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie
gehört (vgl. Urteil vom 28. Juli 2011, Pacific World und FDD International, C-215/10,
noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48 und die dort
angeführte Rechtsprechung).

44. Mit Ausnahme der
deutschen Fassung greifen alle anderen zum Zeitpunkt des Erlasses der
Richtlinie 2003/124 existierenden Sprachfassungen ihres Art. 1 Abs. 1
auf ein Adverb wie „vernünftigerweise“ zurück. Durch die Verwendung eines
derartigen Begriffs hat der Unionsgesetzgeber zur Klärung der Frage, ob künftige
Umstände und Ereignisse in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, ein
auf Regeln der allgemeinen Erfahrung beruhendes Kriterium eingeführt.

45. Um zu klären, ob
vernünftigerweise anzunehmen ist, dass in der Zukunft eine Reihe von Umständen
existieren oder ein Ereignis eintreten wird, ist im jeweiligen Einzelfall eine
umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte vorzunehmen.

46. Daher kann die
Verwendung der Worte „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ in Art. 1 Abs. 1
der Richtlinie 2003/124 nicht so verstanden werden, dass der Nachweis einer
hohen Wahrscheinlichkeit der in Rede stehenden Umstände oder Ereignisse
erforderlich wäre.

47. Eine Beschränkung
des Anwendungsbereichs von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 und
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 auf künftige Umstände und
Ereignisse mit einem solchen Wahrscheinlichkeitsgrad würde die in Randnr. 33
des vorliegenden Urteils genannten Ziele – die Integrität der Finanzmärkte der
Union sicherzustellen und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken –
beeinträchtigen. In einem solchen Fall wären Insider nämlich in der Lage, in
unrechtmäßiger Weise Nutzen aus bestimmten Informationen zu ziehen, die
aufgrund einer solchen restriktiven Auslegung nicht als präzise Informationen
eingestuft wurden, und zwar zulasten Dritter, die von diesen Informationen
keine Kenntnis haben.

48. Damit die im
dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/124 angesprochene Rechtssicherheit für
die Marktteilnehmer, zu denen auch die Emittenten zählen, gewährleistet ist, können
jedoch Informationen über Umstände und Ereignisse, deren Eintritt nicht
wahrscheinlich ist, nicht als präzise Informationen eingestuft werden.
Andernfalls könnten die Emittenten nämlich meinen, zur Bekanntgabe von
Informationen verpflichtet zu sein, denen es an Konkretheit mangelt oder die
nicht geeignet sind, den Kurs ihrer Finanzinstrumente zu beeinflussen.

49. Daraus folgt, dass
in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 durch den Gebrauch der Worte
„mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ auf künftige Umstände und Ereignisse
abgestellt wird, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren
Anhaltspunkte ergibt, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in
Zukunft existieren oder eintreten werden.

50. Die Frage, ob die
erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Reihe von Umständen oder
eines Ereignisses je nach dem Ausmaß der Auswirkung dieser Reihe von Umständen
oder dieses Ereignisses auf den Kurs von Finanzinstrumenten variieren kann, ist
zu verneinen.

51. Erstens ergibt
sich eine solche Auslegung des Sinns der Worte „mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit“ aus keiner der in Randnr. 42 des vorliegenden Urteils angeführten
Sprachfassungen.

52. Zweitens würde
eine Auslegung, wonach mit zunehmendem Ausmaß der möglichen Auswirkung eines künftigen
Ereignisses auf den Kurs von Finanzinstrumenten der zur Einstufung einer
Information über dieses Ereignis als präzise Information erforderliche Grad der
Wahrscheinlichkeit seines Eintritts umso geringer würde, voraussetzen, dass
jedes der beiden in den Abs. 1 und 2 von Art. 1 der Richtlinie
2003/124 genannten Tatbestandsmerkmale einer Insider-Information, nämlich das
Vorliegen einer präzisen Information und deren Eignung, den Kurs von
Finanzinstrumenten spürbar zu beeinflussen, von dem anderen Merkmal abhängt.

53. Die in diesen
beiden Absätzen konkretisierten Kriterien stellen Mindestvoraussetzungen dar,
von denen jede erfüllt sein muss, damit eine Information als „Insider-Information“
im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 angesehen werden
kann.

54. Wie die Regierung
des Vereinigten Königreichs in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen
ausgeführt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Information über
ein Ereignis, dessen Eintritt wenig wahrscheinlich ist, den Kurs der Titel des
betreffenden Emittenten spürbar beeinflusst, da die Folgen dieses Ereignisses für
ihn besonders weitreichend wären. Daraus kann aber vernünftigerweise nicht
abgeleitet werden, dass dieses Ereignis eintreten wird.

55. Wie dem ersten Erwägungsgrund
der Richtlinie 2003/124 zu entnehmen ist, stützen zwar verständige Investoren
ihre Anlageentscheidungen auf alle verfügbaren Ex- ante-Informationen. Sie müssen
somit nicht nur die „möglichen Auswirkungen“ eines Ereignisses auf den
Emittenten in Betracht ziehen, sondern auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des
Eintritts dieses Ereignisses. Anhand solcher Erwägungen lässt sich jedoch
ermitteln, ob eine Information geeignet ist, den Kurs der Finanzinstrumente des
Emittenten spürbar zu beeinflussen.

56. Nach alledem ist
auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie
2003/124 dahin auszulegen ist, dass die Wendung „eine Reihe von Umständen …, …
bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass
sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das … mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird“, auf künftige Umstände oder
Ereignisse abzielt, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren
Anhaltspunkte ergibt, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in
Zukunft existieren oder eintreten werden. Dagegen ist diese Wendung nicht dahin
auszulegen, dass das Ausmaß der Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder
dieses Ereignisses auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente berücksichtigt
werden muss.

Kosten

57. Für die Parteien
des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
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BGH, Urteil vom 23.04.2012, II ZR 163 / 10

Tatbestand

1 Der im März 1947 geborene Kläger war medizinischer Geschäftsführer der beklagten GmbH, die im Raum K. stationäre Krankenhausdienstleistungen anbietet. Einzige Gesellschafterin der Beklagten ist die Stadt K. . Die Beklagte hat einen fakultativen Aufsichtsrat. Diesem obliegen nach der Satzung der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung der Anstellungsverträge mit den Geschäftsführern. Die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer erfolgt durch die Gesellschafterversammlung aufgrund einer Empfehlung des Aufsichtsrats.

2 Der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers vom 23. Juli 2004 hatte eine – nach der Satzung der Beklagten auf fünf Jahre beschränkte – Laufzeit bis zum 31. August 2009. Vereinbarungsgemäß hatten die Vertragspartner spätestens ein Jahr vor dem Ende der Laufzeit zu erklären, ob sie zu einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses bereit seien. Für den Fall übereinstimmender Erklärungen, am Vertragsverhältnis festhalten zu wollen, hatten sich die Vertragsparteien verpflichtet, Verhandlungen über die Verlängerung des Vertragsverhältnisses aufzunehmen.

3 Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 4. August 2008 die Bereitschaft zur Vertragsverlängerung. Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss in seiner Sitzung vom 15. Oktober 2008 mit neun Ja- und drei Nein-Stimmen, den Anstellungsvertrag nicht zu verlängern. Statt dessen wurde ein 41-jähriger Mitbewerber des Klägers zum neuen medizinischen Geschäftsführer bestellt.

4 Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe mit der Ablehnung seiner Weiterbeschäftigung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Er begehrt deshalb die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der nicht erfolgten Anstellung und der nicht erfolgten Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten entstanden seien und noch entstehen würden. Weiter hat er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung für seinen Nichtvermögensschaden, mindestens in Höhe von 110.000 €, beantragt.

5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags und im Umfang von 36.600 € auch hinsichtlich des Zahlungsantrags stattgegeben und den weitergehenden Zahlungsantrag abgewiesen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen.

Gründe

6 Die Revision der Beklagten ist insoweit erfolglos, als dem Zahlungsantrag stattgegeben worden ist. Im Übrigen haben beide Rechtsmittel Erfolg und führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7 I.

Das Berufungsgericht (OLG Köln, DB 2010, 1878) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

 

8 Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sei eröffnet. Das ergebe sich aus § 6 Abs. 3 , § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG . Danach würden die Schutzbestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch für Geschäftsführer gelten, soweit die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit und der berufliche Aufstieg betroffen seien. Hier gehe es um den erneuten Zugang des Klägers zu dem Geschäftsführeramt.

9 Der Kläger sei aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe im Verhältnis zu dem 41-jährigen Mitbewerber benachteiligt worden, nämlich wegen seines Alters. Das sei gemäß § 22 AGG zu vermuten. Der Kläger habe in Form des Inhalts der entscheidenden Aufsichtsratssitzung und der Berichterstattung in der Presse ausreichende Indizien für eine Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG vorgebracht. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die gegen sie sprechende Vermutung zu widerlegen.

10 Die Altersdiskriminierung des Klägers sei nicht nach § 10 AGG zulässig. Es fehle schon an einem legitimen Ziel im Sinne dieser Vorschrift. Zwar kämen dafür außer reinen Gemeinwohlbelangen auch anerkennenswerte betriebs- und unternehmensbezogene Interessen in Betracht. Der Hinweis der Beklagten auf die Umbruchsituation des Gesundheitsmarktes und der Wunsch nach langfristiger Bindung und Kontinuität reiche dafür aber nicht aus, ebenso wenig die von der Stadt K. angestrebte Altersgrenze von 65 Jahren für Mitarbeiter auf der Leitungsebene städtischer Gesellschaften. Im Übrigen hätte dieses Ziel durch eine Neubestellung des Klägers für drei Jahre erreicht werden können. Auch wenn man berücksichtige, dass bei Organmitgliedern ein großzügigerer Beurteilungsmaßstab in Betracht komme, reiche der Vortrag der Beklagten nicht aus.

11 Das Verschulden werde gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG vermutet. Die zweimonatige Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG für die Geltendmachung der Ersatzansprüche sei eingehalten. Eine Bezifferung des Anspruchs innerhalb dieser Frist sei nicht erforderlich.

12 Damit bestehe eine Pflicht zum Ersatz des materiellen Schadens des Klägers nach § 15 Abs. 1 AGG . Dafür reiche aus, dass die Beklagte den Entscheidungsprozess ihres Aufsichtsrats nicht offengelegt habe, so dass nicht ersichtlich sei, ob der Kläger ohne die Berücksichigung seines Alters ebenfalls nicht weiterbeschäftigt worden wäre.

13 Zum Ausgleich seiner mit der Altersdiskriminierung verbundenen immateriellen Schäden stehe dem Kläger nach § 15 Abs. 2 AGG nur ein Anspruch in Höhe von zwei Monatsgehältern, nämlich 36.600 €, zu. Das Gericht habe insoweit ein weites Ermessen. Die Entschädigung dürfe nicht nur geringfügigsymbolisch, aber auch nicht überzogenausufernd sein. Präventions- und Sanktionsgesichtspunkte spielten eine Rolle, ebenso der Umstand, dass neben dem Anspruch auf immaterielle Entschädigung auch noch ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden geltend gemacht werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Diskriminierung nicht besonders schwer wiege, weil der Kläger nicht wegen seines Alters als leistungsschwach bezeichnet worden sei. Im Übrigen hätten Teile des Aufsichtsrats auch Bedenken gegen die fachliche Eignung des Klägers gehabt, so dass die Entscheidung letztlich aufgrund eines Motivbündels getroffen worden sei. Dabei könne offen bleiben, ob die Zweifel berechtigt gewesen seien.

14 II.

 

Diese Ausführungen beruhen in einzelnen Punkten auf Rechtsfehlern.

 

15 1.

Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht seine Annahme, die Beklagte sei zum Ersatz des Vermögensschadens verpflichtet, der dem Kläger durch die nicht erfolgte erneute Anstellung und Bestellung zum Geschäftsführer entstanden sei. Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger wegen seines Alters unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz benachteiligt worden ist. Es hat aber nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger ohne diese Benachteiligung erneut beschäftigt worden wäre.

 

16 a)

Der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist – wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat – eröffnet.

 

17 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist schon nach § 6 Abs. 3 AGG auf den Kläger anwendbar. Danach gelten die Vorschriften des zweiten Abschnitts des Gesetzes für Geschäftsführer entsprechend, soweit es u.a. die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit betrifft. Damit kann offen bleiben, ob ein Fremdgeschäftsführer, der nicht an der GmbH beteiligt ist – wie hier der Kläger -, im Wege der Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG als Beschäftigter, insbesondere als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift, angesehen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2010 – C-232/09, ABl. EU 2011, Nr. C 13, 11 = ZIP 2010, 2414 [EuGH 11.11.2010 – Rs. C-232/09] – Danosa).

18 b)

Der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist ebenfalls eröffnet, weil der Zugang zur Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG betroffen ist.

 

19 aa)

 

Unter das Merkmal des Zugangs zur Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG fallen sowohl der Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrages als auch die Bestellung zum Geschäftsführer nach §§ 6 , 35 ff. GmbHG (Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 328; Wilsing/Meyer, DB 2010, 341, 342; Krause, AG 2007, 392, 394; Lutter, BB 2007, 725, 726; Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf Organmitglieder, 2011, S. 34; aA Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 997 f.; Schrader/Schubert in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 6 Rn. 30; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281, 283 f.). Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 AGG , der darauf gerichtet ist, den Schutz vor Benachteiligungen aus den in § 1 AGG genannten Gründen u.a. auf Geschäftsführer auszudehnen (s. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 16/1780, S. 34). Zwar werden die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, insbesondere seine Vergütungsansprüche, regelmäßig in dem Anstellungsvertrag geregelt. Ohne Bestellung zum Geschäftsführer kann der Anstellungsvertrag aber nicht durchgeführt werden. Der dennoch bestehende Vergütungsanspruch nach § 615 BGB kann die in der Nichtbestellung zum Geschäftsführer liegende Diskriminierung nicht in vollem Umfang ausgleichen. Jedenfalls können immaterielle Schäden entstehen, wenn die Bestellung zum Geschäftsführer entgegen dem Anstellungsvertrag unterbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2010 – II ZR 266/08 , ZIP 2011, 122 Rn. 10).

 

20 bb)

 

Von dem Begriff des Zugangs zur Erwerbstätigkeit wird auch der Fall erfasst, dass die Bestellung eines Geschäftsführers aufgrund einer Befristung endet und die Stelle neu besetzt werden soll. Wenn sich der bisherige, infolge Fristablaufs aus seinem Anstellungsverhältnis und seinem Amt ausgeschiedene Geschäftsführer – wie hier der Kläger – wiederum um die Stelle des Geschäftsführers bewirbt, erstrebt er damit einen – neuen – Zugang zu dieser Tätigkeit (vgl. BVerwG, NZA-RR 2011, 233 Rn. 26; MünchKommBGB/Thüsing, 6. Aufl., AGG § 2 Rn. 7; Horstmeier, GmbHR 2007, 125, 126; Schrader/Schubert in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 6 Rn. 31b ff.; Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597, 603; aA Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 329; Lutter, BB 2007, 725, 728 f.).

 

21 Indem § 6 Abs. 3 AGG die Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bezüglich der Organmitglieder auf den Zugang beschränkt und die Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG davon ausnimmt, bezweckt die Vorschrift, den für die Entscheidung über Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen zuständigen Gesellschaftsorganen eine weitgehend freie, nur am Unternehmenswohl orientierte und allein an der Grenze der Sittenwidrigkeit und des Verstoßes gegen Treu und Glauben zu messende Entscheidung zu ermöglichen. Wollen die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers der Gesellschaft durch Entlassung beenden und seine Bestellung zum Geschäftsführer widerrufen, sollen sie dabei nicht eine Abwägung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vornehmen müssen. Um eine solche Entlassungs- und Widerrufsentscheidung geht es hier jedoch nicht. Das Vertragsverhältnis des Klägers und seine Amtsstellung sind infolge des Ablaufs der Befristung beendet. Zu überprüfen ist nicht die Zulässigkeit dieser Befristung, sondern die Zulässigkeit der Entscheidung, den Kläger nicht erneut zum Geschäftsführer zu berufen und mit ihm kein neues Vertragsverhältnis zu begründen. W ollen die zuständigen Gesellschaftsorgane die Stelle eines abberufenen oder sonst aus dem Amt geschiedenen Geschäftsführers nicht unbesetzt lassen, sondern wieder neu besetzen, müssen sie bei der Auswahl des neuen Geschäftsführers die Grenzen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beachten. Bewirbt sich der ausscheidende Geschäftsführer erneut um das Geschäftsführeramt, kommt ihm damit derselbe Schutz durch die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zugute wie jedem anderen Bewerber auch.

22 Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten scheitert die Berücksichtigung des bisherigen Geschäftsführers bei der Abwägung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht daran, dass er mit den neuen Bewerbern nicht vergleichbar wäre. Zwar können die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat die Eignung des bisherigen Geschäftsführers aus eigener Anschauung beurteilen, während sie hinsichtlich der Beurteilung der übrigen Bewerber auf andere Erkenntnisquellen, wie etwa Zeugnisse oder Referenzen, angewiesen sind. Das rechtfertigt aber keine Ausnahme des bisherigen Geschäftsführers von einer diskriminierungsfreien Auswahlentscheidung.

23 Dieser Gesetzesauslegung kann nicht entgegengehalten werden, aus der Geltung des Diskriminierungsverbots bei der Entscheidung über die Wiederbeschäftigung des bisherigen Geschäftsführers und einer Nichtgeltung bei der Entscheidung über die Beendigung seiner Tätigkeit ergebe sich ein „widersinniges Hin und Her“, weil der wiederbestellte Geschäftsführer sogleich wieder abberufen werden könne (so Lutter, BB 2007, 725, 728). Zum einen könnte es auch bei einer erstmaligen Bestellung eines Bewerbers zum Geschäftsführer dazu kommen, dass er sogleich wieder abberufen wird, um den an sich gewünschten, aber wegen des Diskriminierungsverbots nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zunächst nicht berücksichtigten Kandidaten zum Geschäftsführer zu bestellen. Zum anderen wäre das eine missbräuchliche Rechtsausübung, die jedenfalls gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen würde (vgl. Oetker, Festschrift Otto, 2008, S. 362, 374 f.).

24 c)

Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass der Kläger durch den Nichtabschluss eines neuen Anstellungsvertrages und die Nichtwiederbestellung zum Geschäftsführer altersbedingt im Sinne der § 7 Abs. 1 , § 3 Abs. 1 , § 1 AGG benachteiligt worden ist.

 

25 aa)

 

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Kläger die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach § 22 AGG zugute kommt. Nach dieser Vorschrift hat die Anstellungskörperschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen im Sinne des § 1 AGG vorgelegen hat, wenn die andere Partei Indizien vorträgt und erforderlichenfalls beweist, die eine solche Benachteiligung vermuten lassen.

 

26 (1)

Die Vorschrift des § 22 AGG ist auf die Bestellung eines Geschäftsführers anwendbar. Sie steht zwar nicht im zweiten Abschnitt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes , wie es § 6 Abs. 3 AGG seinem Wortlaut nach für die Anwendbarkeit von Vorschriften auf Organmitglieder voraussetzt. Dennoch kommt sie auch auf Organmitglieder zur Anwendung (MünchKomm-GmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 268; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl., § 6 Rn. 37; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 997 u. 1001; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281, 285; aA Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 325 f.).

 

27 Das ergibt eine Auslegung der Norm anhand ihres Schutzzwecks. Durch § 22 AGG , der im vierten Abschnitt „Rechtsschutz“ des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes steht, soll sichergestellt werden, dass die Schutzregeln, die u.a. im zweiten Abschnitt des Gesetzes aufgeführt sind, im Prozesswege durchsetzbar sind. Der Gesetzgeber hat diese Frage nicht der Rechtsprechung überlassen wollen, sondern sie durch Anordnung einer bedingten Beweislastumkehr selbst geregelt. Ein Grund, diese Regel nur auf Beschäftigte im Sinne des § 6 Abs. 1 AGG zu beziehen und nicht auch auf Organmitglieder im Sinne des § 6 Abs. 3 AGG , besteht nicht. Beide Gruppen sind für die Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche typischerweise gleichermaßen auf Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast angewiesen. Es sind demgemäß auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bewusst die Nichtanwendbarkeit des § 22 AGG auf Organmitglieder angeordnet hätte.

28 (2)

Der Kläger hat, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, ausreichende – unstreitige – Indizien dargelegt, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen.

 

29 So hat das Berufungsgericht festgestellt, dass in der Sitzung des Aufsichtsrats vom 15. Oktober 2008 allein über das Alter des Klägers, nicht auch über etwaige Leistungsdefizite gesprochen worden ist, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats in der Sitzung gesagt hat, die von der Stadt K. angestrebte Altersgrenze für Führungskräfte städtischer Betriebe sei zu beachten, dass er auf die anstehenden Umbrüche auf dem Gesundheitsmarkt und die damit verbundene Notwendigkeit einer langfristigen Kontinuität in der medizinischen Geschäftsführung hingewiesen hat, die einer Verlängerung des Vertrages mit dem Kläger entgegenstehe, und dass über diese Äußerungen auch in der K. Lokalpresse berichtet worden ist.

30 (a)

Zu Unrecht wehrt sich die Revision der Beklagten gegen die Berücksichtigung der Presseberichterstattung durch das Berufungsgericht.

 

31 Abgesehen davon, dass schon die unstreitigen Äußerungen in der Aufsichtsratssitzung für die Annahme einer Vermutung im Sinne des § 22 AGG ausreichen, konnte das Berufungsgericht die Presseberichterstattung berücksichtigen. Es war sich dabei der Tatsache bewusst, dass Presseberichterstattungen fehlerhaft sein können, ohne dass die davon Betroffenen das verhindern können. Es hat aber zutreffend darauf abgestellt, dass die in der Presse wiedergegebenen Äußerungen „aus dem Aufsichtsrat“ gekommen sind. So heißt es in dem Artikel des K. Stadt-Anzeigers vom 16. Oktober 2008 nach der Angabe, die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende G. (CDU) habe die guten wirtschaftlichen Ergebnisse der Beklagten erwähnt:

32 Das weiß auch Aufsichtsratsvorsitzender M. P. (SPD): „Im Moment sind die Kliniken gut aufgestellt.“ Der Sozialdemokrat führte formale Gründe für die beschlossene Trennung an. Der Vertrag mit L. endet im August 2009. Eine Verlängerung hätte sich nicht über die üblichen fünf Jahre erstrecken können. Aufgrund der für die Spitzenmanager städtischer Unternehmen geltenden Altersgrenze von 65 Jahren hätte der medizinische Leiter die Kliniken bereits 2012 verlassen müssen. „Der Gesundheitsmarkt befindet sich im Umbruch“, so P. . „Wir brauchen jemanden, der die Kliniken auch langfristig in den Wind stellen kann.“

33 Die Beklagte ist diesem Artikel nicht entgegengetreten. Damit ist die Würdigung des Berufungsgerichts, klarer könne man „einen bestimmenden Einfluss des Altersfaktors nicht umschreiben“, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

34 Dabei spielt keine Rolle, ob die Indizien im Sinne des § 22 AGG die Benachteiligung nur plausibel oder nach allgemeiner Lebenserfahrung überwiegend wahrscheinlich (so BAG, NZA 2011, 93 Rn. 65 und NZA 2010, 383 Rn. 19 [BAG 17.12.2009 – 8 AZR 670/08] ) erscheinen lassen müssen. Denn letzteres ist hier jedenfalls anzunehmen.

35 (b)

 

Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, bei der Feststellung, ob eine Gremienentscheidung – wie hier die des Aufsichtsrats der Beklagten – eine diskriminierende Wirkung habe, sei allein auf den Beschluss oder die nach außen erkennbare kollektive Willensbildung des Aufsichtsrats abzustellen, die hier keine diskriminierenden Motive erkennen ließen.

 

36 Da ein Gremium als solches keinen eigenen Willen hat, sondern sich seine Entscheidungen aus dem Willen seiner Mitglieder ergeben, kommt es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG allein darauf an, ob Indizien feststehen, aus denen sich ergibt, dass die einzelnen Mitglieder des Gremiums bei der Abstimmung den Bewerber aus unzulässigen Gründen benachteiligt haben. Dabei kann offen bleiben, ob diese Motivation bei der für die Beschlussfassung erforderlichen Mehrheit der Mitglieder (so Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl., § 7 Rn. 16; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 1001; Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 642; Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl., § 3 Rn. 66; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 7 Rn. 15; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl., § 7 Rn. 19; Krause, AG 2007, 392, 396) oder bei nur einem Mitglied (so Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 327) vorhanden sein muss. Denn jedenfalls reicht es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG aus, dass der Vorsitzende des Gremiums – wie hier – die Gründe, aus denen die Entscheidung getroffen worden ist, unwidersprochen vor der Presse wiedergibt. Er repräsentiert dabei das gesamte Gremium.

37 (c)

 

Der Einwand der Revision der Beklagten, eine Benachteiligung liege nicht schon dann vor, wenn das Alter lediglich im Rahmen eines „Motivbündels“ eine Rolle gespielt habe, es müsse vielmehr conditio sine qua non für die Personalentscheidung gewesen sein (ebenso Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 642 f.), bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zum einen würde auch dann die Äußerung des Aufsichtsratsvorsitzenden reichen, um eine derartige Benachteiligung vermuten zu lassen. Zum anderen muss der diskriminierende Umstand gerade nicht die nicht hinweg zu denkende Ursache für die Entscheidung gewesen sein. Es genügt vielmehr, wenn sie lediglich als Teil eines Motivbündels die Entscheidung beeinflusst hat (BAG, NZA 2009, 945 Rn. 37 [BAG 22.01.2009 – 8 AZR 906/07] ; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 1000 f.; ebenso für § 611a BGB aF BVerfG, NZA 1994, 745, 746 [BVerfG 16.11.1993 – 1 BvR 258/96] ).

 

38 bb)

Die damit nach § 22 AGG begründete Vermutung, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, ist von der Beklagten nicht entkräftet worden.

 

39 Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 15. Oktober 2008 allein über das Alter des Klägers und die dadurch zweifelhaft gewordene Kontinuität der Amtsführung gesprochen worden sei. Die Beklagte habe dagegen nicht dargelegt, dass die angeblich zuvor gerügten Mängel der Amtsführung des Klägers derart gewichtig gewesen seien, dass der Aspekt des Alters dahinter zurückgetreten sei. Um das darzulegen, hätte die Beklagte den vorangegangenen Kommunikationsprozess offen legen müssen, was sie nicht in ausreichendem Maße getan habe.

40 Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Unzutreffend ist dagegen der Einwand der Revision der Beklagten, eine umfassende Dokumentations- und Offenlegungspflicht des Inhalts der Beratungen in den Aufsichtsratssitzungen und sogar der Gespräche im Vorfeld verstoße gegen die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht aus § 116 Satz 2 AktG und ersticke jede Möglichkeit der Erörterung von Personalfragen im Aufsichtsrat. Von der Verschwiegenheitspflicht des § 116 Satz 2 AktG kann sich der Aufsichtsrat als Organ in gewissen Grenzen selbst befreien (MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl., § 116 Rn. 62; Hopt/M. Roth in GroßKommAktG, 4. Aufl. § 116 Rn. 240; zur Funktion des Beratungsgeheimnisses s. Priester, ZIP 2011, 2081, 2083 f.), was bei der vorliegenden Fallgestaltung jedenfalls als zulässig anzusehen wäre; und soweit eine freie Erörterung im Aufsichtsrat durch die Vermutungswirkung des § 22 AGG behindert wird, entspricht dies gerade dem Zweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes .

41 d)

Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Benachteiligung des Klägers nicht nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist.

 

42 aa)

 

Nach § 8 Abs. 1 AGG wäre die Auswahlentscheidung der Beklagten dann nicht zu beanstanden, wenn das dabei vorausgesetzte Alter wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellte, der Zweck der Ungleichbehandlung rechtmäßig und die Anforderung angemessen wäre. Dabei ist zu beachten, dass der dieser Ausnahmevorschrift zugrunde liegende Art. 4 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen ist (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 – C-447/09 , ABl. EU 2011, Nr. C 319, 4 = ZIP 2011, 1882 Rn. 72 – Prigge/Deutsche Lufthansa; Urteil vom 12. Januar 2011 – C-229/08, Slg. 2010, I-1 = NVwZ 2010, 244 Rn. 35 ff. [EuGH 12.01.2010 – Rs. C-229/08] – Wolf; BVerwG, NJW 2012, 1018 Rn. 19 ff. [BVerwG 01.02.2012 – BVerwG 8 C 24.11] ).

 

Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Richtlinie 2000/78/EG auch Geschäftsführer einer GmbH erfasst, sind die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einheitlich richtlinienkonform auszulegen, weil für eine gegebenenfalls gespaltene Auslegung keine Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 – XI ZR 91/99 , BGHZ 150, 248, 260 f. ; Urteil vom 18. Oktober 2004 – II ZR 352/02 , ZIP 2004, 2319, 2322). Danach ist auf die konkrete Tätigkeit als Geschäftsführer eines Unternehmens wie das der Beklagten abzustellen und zu prüfen, ob für diese Tätigkeit das Lebensalter eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.

 

43 Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Revision der Beklagten zeigt auch keinen entsprechenden Vortrag der Beklagten auf.

44 bb)

 

Die Nichtweiterbeschäftigung des Klägers ist auch nicht durch § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG gerechtfertigt.

 

45 Danach ist die Festlegung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand zulässig. Mit dieser Vorschrift soll gewährleistet werden, dass einer im Einzelfall aufwändigen Einarbeitung des Beschäftigten eine sinnvolle Mindestdauer der produktiven Arbeitsleistung gegenüber steht (Annuß/Rupp in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrechtskommentar, 4. Aufl., AGG § 10 Rn. 9).

46 Dieser Gesetzzweck kommt hier ersichtlich nicht zum Tragen. Der Kläger war eingearbeitet und hätte deshalb seine Tätigkeit ohne jede Unterbrechung fortsetzen können.

47 cc)

 

Auch § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG scheidet als Rechtfertigungsgrund aus.

 

48 Von dieser Vorschrift wird die Festsetzung von Altersgrenzen im Zusammenhang mit den Systemen der betrieblichen Altersversorgung erfasst (Meinel/Heyn/Herms, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl., § 10 Rn. 59 ff.).

49 Darum geht es hier nicht. Zu einem System der betrieblichen Altersversorgung, das für den Kläger gelten würde, ist nichts festgestellt.

50 dd)

 

Auch § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht.

 

51 Danach ist eine Vereinbarung zulässig, mit der die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung mit Erreichen des Renteneintrittsalters sichergestellt werden soll.

52 Dafür fehlt es schon an einer entsprechenden Vereinbarung. Im Übrigen bestand für den Kläger im Zeitpunkt der beanstandeten Entscheidung noch keine Möglichkeit, eine Rente wegen Alters zu beantragen.

53 ee)

 

Auch die Voraussetzungen der Generalklausel in § 10 Satz 1 AGG sind nicht erfüllt.

 

54 Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen ist und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Als legitime Ziele im Sinne dieser Vorschrift kommen auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen in Betracht (BAG, NZA 2009, 945 Rn. 53; s. dazu EuGH, RIW 2009, 312 Rn. 46, 61 f. – Age Concern England).

55 Die von der Beklagten angestrebte fünfjährige Bindung des neuen Geschäftsführers wegen des „Umbruchs im Gesundheitsmarkt“ erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Beklagte hat – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – schon nicht erläutert, was darunter im Einzelnen zu verstehen sein soll und warum die Entwicklung auf dem Gesundheitsmarkt eine langfristige Bindung an einen neuen Geschäftsführer notwendig macht. Der Kläger war schon als Geschäftsführer der Beklagten tätig, hätte also ohne Bruch der Kontinuität wiederbeschäftigt werden können. Dass die Beklagte gerade darauf angewiesen war, eine Kontinuität in der Zeit nach August 2009, dem Auslaufen der Bestellung des Klägers, für die nächsten fünf Jahre herzustellen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

56 An der Unzulässigkeit der Auswahlentscheidung ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger bei einer Neubestellung als Geschäftsführer für den bei der Beklagten offenbar üblichen Zeitraum von fünf Jahren schon vor Ablauf dieser Frist das allgemeine Renteneintrittsalter erreicht haben würde. Der bloße Wunsch der Beklagten, die Geschäftsführer auf fünf Jahre zu bestellen, verdient jedenfalls dann keinen Schutz, wenn der Geschäftsführer schon zuvor in diesem Amt tätig war (aA Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 644).

57 Ob es allgemein zulässig ist, in Entsprechung zu Nr. 5.1.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex eine Altersgrenze für Organmitglieder auch unterhalb von 65 Jahren zu bestimmen, braucht entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten nicht entschieden zu werden. Denn die Beklagte hat eine solche Altersgrenze – hier 62 Jahre – weder eingeführt, noch beabsichtigte sie das.

58 e)

Das Verschulden der Aufsichtsratsmitglieder wird gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG vermutet. Die Beklagte muss sich dieses Verschulden ihrer Organmitglieder nach § 31 BGB zurechnen lassen.

 

59 f)

Die Zwei-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG , innerhalb derer die Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend zu machen sind, ist eingehalten, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat.

 

60 g)

Als Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 7 AGG hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Erwerbsvorteile nach § 15 Abs. 1 AGG angenommen. Es hat jedoch die Ursächlichkeit der Benachteiligung des Klägers dafür, dass er nicht erneut als Geschäftsführer angestellt und zum Geschäftsführer bestellt worden ist, nicht fehlerfrei festgestellt.

 

61 aa)

 

Dem Antrag des Klägers festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm den Schaden zu ersetzen, der aus der nicht erfolgten neuen Anstellung und der nicht erfolgten neuen Bestellung zum Geschäftsführer entstanden ist, durfte das Berufungsgericht nur stattgeben, wenn festgestanden hätte, dass der Kläger bei regelgerechtem Vorgehen der Beklagten angestellt und bestellt worden wäre. Eine lediglich hohe Wahrscheinlichkeit reicht dagegen im Rahmen des gestellten Antrags nur insoweit aus, als es darum geht, ob dem Kläger aus der Nichtanstellung und Nichtbestellung ersatzfähige Erwerbsvorteile in irgendeiner Höhe entgangen sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2008 – V ZR 13/07, NJW-RR 2008, 1397 Rn. 10; s. auch BGH, Urteil vom 28. September 1999 – VI ZR 195/98 , NJW 1999, 3774 Rn. 15 ff.)..

 

62 bb)

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Ursächlichkeit der Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters für die Nichtwiederanstellung und die Nichtwiederbestellung zum Geschäftsführer beanstandet die Revision der Beklagten im Ergebnis zu Recht.

 

63 Im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG hat – wie im Grundsatz bei jedem Schadensersatzanspruch – der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Er muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Benachteiligung für die Ablehnung seiner Bewerbung ursächlich geworden ist. Daran ändert auch die Vermutungsregel des § 22 AGG nichts. Sie bezieht sich nur auf den Rechtsgrund der Haftung. Lediglich für den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens aus § 15 Abs. 2 AGG ordnet § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG eine Ausnahme an. Danach darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Diese Regelung kann nicht auf den Fall des Ersatzes von Vermögensschäden nach § 15 Abs. 1 AGG übertragen werden kann (BAG, NZA 2010,1412 Rn. 75 ff. [BAG 19.08.2010 – 8 AZR 530/09] ; Schlachter in Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, 12. Aufl., AGG § 15 Rn. 3; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 1002; Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 645; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 269 aE; Linck in Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl., § 36 Rn. 83; Raif, GWR 2010, 537). Ein immaterieller Schaden kann schon dann eintreten, wenn der Bewerber in diskriminierender Weise behandelt worden ist, auch wenn diese Behandlung für die Ablehnung seiner Bewerbung nicht ursächlich geworden ist. Das ist bei einem Vermögensschaden in Form entgangener Erwerbsvorteile anders.

64 Dem Anspruchsteller kommt im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine Einstellung bei regelgerechtem Vorgehen der Anstellungskörperschaft besteht. Insoweit gelten die Grundsätze entsprechend, die der Bundesgerichtshof in Fällen der Nichtberücksichtigung eines Stellenbewerbers infolge einer Amtspflichtverletzung einer Behörde aufgestellt hat. Danach kann – sofern dafür nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit besteht – der Körperschaft der Nachweis überlassen werden, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist (BGH, Urteil vom 6. April 1995 – III ZR 183/94, BGHZ 129, 226, 233 ).

65 Ein der Lebenserfahrung entsprechender Sachverhalt mag den Ausführungen des Berufungsgerichts entnommen werden können, wonach der Kläger bis auf einige eher wenig gravierende – hinsichtlich ihrer Berechtigung nicht überprüfte – Kritikpunkte kompetent sei, zu dem wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten beigetragen habe und – im Gegensatz zu seinem Mitbewerber – mit den Geschäften der Beklagten bereits vertraut gewesen sei. Das Berufungsgericht hat aber jedenfalls den Gegenvortrag der Beklagten nicht erschöpfend gewürdigt. Der bloße Hinweis darauf, dass die Beklagte ihren Entscheidungsprozess nicht transparent gemacht habe, reicht dafür nicht aus. Immerhin hat das Berufungsgericht an anderer Stelle seines Urteils ausgeführt, der Kläger sei nicht nur wegen seines Alters, sondern auch wegen fachlicher Kritikpunkte nicht wieder beschäftigt worden.

66 Das Berufungsgericht hat in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen zur Ursächlichkeit des regelwidrigen Verhaltens der Beklagten für die Nichtwiederanstellung und die Nichtwiederbestellung des Klägers zu treffen.

67 2.

Der Antrag auf Verurteilung der Beklagten zum angemessenen Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers, mindestens in Höhe von 110.000 €, ist dem Grunde nach begründet, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt (II. 1. a – d, f, Rn. 16 – 57, 59). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Berufungsgericht dem Antrag aber nicht nur in Höhe von 36.600 € stattgeben.

 

68 a)

Nach § 15 Abs. 2 AGG ist auch der immaterielle Schaden angemessen zu ersetzen. Dabei hat der Tatrichter ein weites Ermessen. Die Entscheidung kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob die Rechtsnorm zutreffend ausgelegt, ein Ermessen ausgeübt, die Ermessensgrenze nicht überschritten und das Vorbringen der Parteien umfassend und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze berücksichtigt worden ist. Gemessen daran ist die Bestimmung des Entschädigungsbetrags durch das Berufungsgericht nicht frei von Rechtsfehlern.

 

69 aa)

Soweit sich die Revision des Klägers allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Altersdiskriminierung des Klägers wiege nicht besonders schwer, er sei nicht wegen einer angeblichen Minderung seiner Leistungsfähigkeit, sondern wegen der pauschalen Anwendung einer Altersgrenze benachteiligt worden und als Geschäftsführer habe er ohnehin damit rechnen müssen, nach Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr erneut bestellt zu werden, versucht sie nur, ihre eigene Wertung an die Stelle derer des Berufungsgerichts zu setzen. Rechtsfehler werden damit nicht aufgezeigt.

 

70 Das Gleiche gilt hinsichtlich der Würdigung des Berufungsgerichts, das Verschulden des Aufsichtsrats wiege nicht schwer und deshalb sei auch unter Berücksichtigung des Sanktions- und Präventionszwecks des § 15 Abs. 2 AGG eine eher niedrige Entschädigung angemessen. Die Revision des Klägers weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG kein Verschulden voraussetzt (vgl. BAG, NZA 2010, 1412 Rn. 64). Dennoch sind bei der Bemessung der Entschädigung das Vorliegen und die Schwere eines etwaigen Verschuldens zu berücksichtigen (Deinert in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 72).

71 Entgegen der Auffassung der Revision des Klägers ist die zugesprochene Entschädigung von 36.600 € nicht nur so gering, dass sie nicht wirksam, verhältnismäßig und abschreckend im Sinne des Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG ist. Es lässt sich aus Rechtsgründen nicht sagen, dass für ein Unternehmen wie die Beklagte mit einem Jahresumsatz im Jahr 2008 in Höhe von 229 Mio. € und einem Jahresüberschuss in Höhe von 8,5 Mio. € der Entschädigungsbetrag von 36.600 € keinerlei Sanktions- und Präventionswirkung haben könnte. Unter diesem Gesichtspunkt liegt die Bemessung noch im Rahmen des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens.

72 Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision des Klägers, die Entschädigung sei noch unterhalb der Grenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG geblieben. Damit will die Revision offenbar sagen, dass für den bestqualifizierten Bewerber die Entschädigung von drei Monatsgehältern – wie sie in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG für andere Bewerber höchstens vorgesehen ist – die Untergrenze darstelle. Das ist unzutreffend. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Entschädigung für den Bestqualifizierten nicht im Einzelfall auch geringer als drei Monatsgehälter sein kann.

73 bb)

Rechtsfehlerhaft ist aber die Erwägung des Berufungsgerichts, die Entschädigung von Nichtvermögensschäden nach § 15 Abs. 2 AGG könne niedriger ausfallen, wenn – wie hier – zugleich der Ersatz materieller Schäden nach § 15 Abs. 1 AGG geltend gemacht werde. Das Gesetz geht davon aus, dass beide Schäden parallel geltend gemacht werden können. Dann kann daraus aber keine Kürzung der Entschädigung für den Nichtvermögensschaden hergeleitet werden.

 

74 cc)

Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Entschädigung müsse niedriger ausfallen, weil die Beklagte die Wiedereinstellung des Klägers nicht nur wegen seines Alters, sondern aufgrund eines Motivbündels abgelehnt habe – u.a. wegen schlechter Leistungen -, und der Aufsichtsrat in der Lage gewesen wäre, auch eine nichtdiskriminierende Begründung für seine Entscheidung zu finden. Insoweit fehlen Feststellungen, dass die Leistung des Klägers tatsächlich Mängel aufgewiesen hat. Ohne solche Feststellungen bleibt die Möglichkeit offen, dass die angeblichen Unmutsäußerungen einzelner Aufsichtsratsmitglieder in der Sache nicht gerechtfertigt waren. Die bloße Möglichkeit eines nichtdiskriminierenden Motivs innerhalb eines Motivbündels ohne greifbare Anhaltspunkte kann auf die Höhe der Entschädigung keinen Einfluss haben.

 

75 b)

Damit ist die Sache auch hinsichtlich des abgewiesenen Teils des Zahlungsantrags an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die Abwägung zur Höhe des Entschädigungsanspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats vorgenommen werden kann.
Quicklink: uw130101

BFH, Urteil vom 18.04.2012, X R 5 / 10

 

Tatbestand

I.
Im Streitjahr 2002 bestand eine Betriebsaufspaltung zwischen dem
Einzelunternehmen des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) und einer GmbH,
an der er zu 100 % beteiligt war. Der Kläger vermietete das Betriebsgrundstück
an die GmbH; zum 31. Dezember 2002 hatte er in seinem Einzelunternehmen eine
kumulierte Mietforderung in Höhe von 23.008,07 € aktiviert. Außerdem gewährte
er der GmbH Darlehen, die seit dem 1. Januar 2000 zinsfrei gestellt waren
(Darlehensstand zum 31. Dezember 2002: 241.642,42 €), und bürgte für an die
Gesellschaft gewährte Bankdarlehen in Höhe von etwa 426.000 €.

Die
Ertragslage der GmbH hatte sich im Jahr 2002 nachhaltig verschlechtert. Sie
wies zum 31. Dezember 2002 einen Verlustvortrag in Höhe von 568.999 € aus. Am
9. Juli 2003 erklärte der Kläger Rangrücktritte für seine Darlehensforderungen
sowie für potentielle Regressforderungen gegen die GmbH für den Fall seiner
Inanspruchnahme aus den Bürgschaften.

Der
Kläger nahm im Jahresabschluss seines Einzelunternehmens zum 31. Dezember 2002
auf die Anteile an der GmbH eine Teilwertabschreibung in Höhe von 25.563,59 €
auf den Erinnerungswert von 1 € vor. Weiterhin schrieb er seine gegen die GmbH
bestehenden Darlehensforderungen –nicht jedoch die Mietforderungen– in vollem
Umfang ab und bildete eine Rückstellung für die drohende Inanspruchnahme aus
den übernommenen Bürgschaften in Höhe von 400.000 €.

Zwischen
den Beteiligten ist unstreitig, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der
Teilwertabschreibungen und die Bildung der Rückstellung in der Steuerbilanz
gegeben sind. Im Rahmen einer das Streitjahr umfassenden Außenprüfung sah der
Prüfer unter Verweis auf § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der
im Streitjahr geltenden Fassung jedoch nur Teilbeträge in Höhe von 50 % des
Aufwands aus den Teilwertabschreibungen auf die Darlehen und der Rückstellungsbildung
als abziehbar an. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–)
in dem angefochtenen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des
Gewinns 2002 vom 27. Januar 2006. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte
keinen Erfolg.

Das
Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2010, 1112 veröffentlichtem Urteil statt. Die vom Kläger vorgenommenen
Teilwertabschreibungen auf seine Darlehensforderungen und die Rückstellung für
eine Inanspruchnahme aus den übernommenen Bürgschaften seien in voller Höhe
gewinnmindernd zu berücksichtigen, da das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG nicht
eingreife. Im Ergebnis sei der für die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG
erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang mit den in § 3 Nr. 40 EStG
steuerfrei gestellten Einnahmen nicht gegeben.

Mit
seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die
Vorschrift des § 3c Abs. 2 EStG unzutreffend ausgelegt. Für das Vorliegen des
wirtschaftlichen Zusammenhangs i.S. des § 3c Abs. 2 EStG genüge jede objektive
kausale oder objektivierbar finale Verknüpfung. Soweit Leistungen durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien, könnten etwaige Aufwendungen des
Gesellschafters nur anteilig abgezogen werden. Gesellschaftlich veranlasst
seien unentgeltliche oder verbilligte Leistungen des Gesellschafters an die
Kapitalgesellschaft, da ein fremder Dritter keine Veranlassung gehabt hätte,
der Kapitalgesellschaft die Leistung unentgeltlich oder verbilligt zu gewähren.

Erfolge
eine Darlehensgewährung zu fremdüblichen Konditionen, stehe das Darlehen mit
vollumfänglich steuerpflichtigen Zinserträgen in Zusammenhang, so dass der
Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG nicht eröffnet sei. Erfolge die
Darlehensgewährung hingegen unentgeltlich oder teilentgeltlich, d.h. zu nicht
fremdüblichen Konditionen, stehe das Darlehen mit nach § 3 Nr. 40 EStG steuerbefreiten
Beteiligungserträgen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang.

Da
die Darlehen des Klägers ab dem 1. Januar 2000 zinsfrei gewährt worden seien
und eine Stellung von Sicherheiten nicht erkennbar sei, sei von einer nicht
fremdüblichen Darlehensgewährung auszugehen. Gegen eine Fremdüblichkeit spreche
auch die Erklärung des Rangrücktritts.

Im
Übrigen sei die Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.
Januar 2009 I R 52/08 (BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674) abzulehnen, da dieses
ausschließlich zum Bereich der Körperschaftsteuer ergangen sei und keine
Auswirkungen auf die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG habe.

Dies
gelte entsprechend für die Rückstellung für die drohende Inanspruchnahme aus
den übernommenen Bürgschaften. Auch hier sei ein wirtschaftlicher Zusammenhang
i.S. des § 3c Abs. 2 EStG der Bürgschaften mit Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG
gegeben.

Das
FA beantragt,

das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der
Kläger beantragt,

die
Revision zurückzuweisen.

Das
dem Revisionsverfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat
keinen Antrag gestellt.

In
der Sache nimmt es Bezug auf das BMF-Schreiben vom 8. November 2010 (BStBl I
2010, 1292, unter Nr. 2), dem die im Ertragssteuerrecht anzuwendende
wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde liege. Insbesondere sei zu berücksichtigen,
dass nach der Rechtsprechung des BFH in Fällen der Betriebsaufspaltung
Besitzunternehmen und Betriebskapitalgesellschaft aufgrund der personellen und
sachlichen Verflechtung in funktionaler Hinsicht eine Einheit bildeten. Gerade
in dem vorliegenden Betriebsaufspaltungsfall könne es bei der gebotenen
wirtschaftlichen Betrachtung keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass der
Besitzunternehmer die gewährten Darlehen nur deshalb in nicht fremdüblicher
Weise zinsfrei gestellt habe, um von dem erhöhten Gewinn der GmbH zu
profitieren, und zwar entweder durch anteilig steuerfreie Gewinnausschüttungen
nach § 3 Nr. 40 EStG oder –bei Thesaurierung der Gewinne– durch Erhöhung der
stillen Reserven. Dieser Umstand der gesellschaftlich veranlassten Darlehensgewährung
könne nicht „ausgeblendet“ werden.

Gründe

II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Recht hat das FG das Abzugsverbot des § 3c
Abs. 2 Satz 1 EStG auf die im Streitjahr vorgenommenen Teilwertabschreibungen
auf die Darlehensforderungen gegenüber der GmbH sowie auf den Aufwand für die
Bildung der Rückstellung für die drohende Inanspruchnahme aus den übernommenen
Bürgschaften nicht angewendet.

1.
Die Voraussetzungen für die vorgenommenen Teilwertabschreibungen auf die
Darlehensforderungen sowie für die Bildung der Rückstellung waren –insoweit
unstreitig zwischen den Beteiligten– dem Grunde nach gegeben.

a)
Die Darlehensforderungen waren gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, § 5 Abs. 1 EStG
i.V.m. § 253 des Handelsgesetzbuchs (HGB) und unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des BFH zu Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen in
Betriebsaufspaltungsfällen auf den Teilwert von Null abzuschreiben.

Nach
ständiger Rechtsprechung des BFH kann in Fällen der Betriebsaufspaltung eine
Forderung des Besitzunternehmens gegen die Betriebsgesellschaft nur nach
denselben Kriterien abgeschrieben werden, die für die Teilwertabschreibung der
Beteiligung am Betriebsunternehmen durch das Besitzunternehmen bestehen, wofür
eine Gesamtbetrachtung der Ertragsaussichten von Besitz- und Betriebsunternehmen
notwendig ist (z.B. BFH-Urteile vom 10. November 2005 IV R 13/04, BFHE 211,
294, BStBl II 2006, 618, und vom 14. Oktober 2009 X R 45/06, BFHE 227, 50,
BStBl II 2010, 274, m.w.N.). Diese Voraussetzungen lagen nach den bindenden
Feststellungen des FG, denen insoweit keine revisionsrechtlichen Bedenken
begegnen, vor.

Diese
Rechtsprechungsgrundsätze tragen dem Gesichtspunkt Rechnung, dass
Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft aufgrund der personellen und
sachlichen Verflechtung in funktionaler Hinsicht eine Einheit bilden und
statuieren damit die zu erfüllenden Voraussetzungen für Teilwertabschreibungen
auf Gesellschafterdarlehen in Betriebsaufspaltungsfällen dem Grunde nach.
Demgegenüber bezieht sich die noch zu erörternde Anwendbarkeit des
Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG auf die Frage, in welchem Umfang eine
–dem Grunde nach zulässige– Teilwertabschreibung auf Gesellschafterdarlehen
steuerlich zu berücksichtigen ist (vgl. im Übrigen BMF-Schreiben in BStBl I
2010, 1292, dessen Ausführungen zu Teilwertabschreibungen auf
Darlehensforderungen unter Nr. 2 sich allgemein auf Gesellschafterdarlehen
beziehen).

b)
Zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, dass die Verpflichtung aus den übernommenen
Bürgschaften gemäß § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 HGB als Rückstellung zu
passivieren war.

aa)
Die Voraussetzungen für die Bildung der Rückstellung für die drohende
Inanspruchnahme aus den vom Kläger übernommenen Bürgschaften lagen –insofern
unstreitig zwischen den Beteiligten– dem Grunde nach vor.

Eine
Bürgschaftsverpflichtung ist als Rückstellung zu passivieren, wenn eine
Inanspruchnahme des Bürgen droht (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juli 1990 VIII R
226/84, BFH/NV 1991, 588, und vom 15. Oktober 1998 IV R 8/98, BFHE 187, 201,
BStBl II 1999, 333). Da allein die Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG
auf den Aufwand aus der Rückstellungsbildung zwischen den Beteiligten streitig
ist, kann offenbleiben, ob die Rückgriffsforderung gegen den Hauptschuldner
(nach § 774 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu aktivieren und wegen
Wertminderung abzuschreiben oder –im Falle einer rechtlich und wirtschaftlich
noch nicht entstandenen Rückgriffsforderung– bei der Bemessung der Rückstellung
betragsmindernd zu berücksichtigen war (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 1993 X
R 60/89, BFHE 170, 397, BStBl II 1993, 437, m.w.N.; vom 8. Februar 1995 I R
72/94, BFHE 176, 575, BStBl II 1995, 412; vom 4. Februar 1999 IV R 54/97, BFHE
187, 418, BStBl II 2000, 139, und vom 11. Dezember 2001 VIII R 58/98, BFHE 197,
411, BStBl II 2002, 420).

bb)
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass der Bildung der Rückstellung § 5
Abs. 4a EStG nicht entgegenstand, nach dem in Steuerbilanzen Rückstellungen für
drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht gebildet werden dürfen. Rückstellungen
für Risiken aus einseitig verpflichtenden Verträgen –wie die Bürgschaftsverpflichtungen
des Klägers– werden nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschlüsse vom
11. April 2003 IV B 176/02, BFH/NV 2003, 919, und vom 22. August 2006 X B
30/06, BFH/NV 2006, 2253; ebenso Oberfinanzdirektion München, Verfügung vom 12.
April 2002, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2002, 1303 f.) von § 5 Abs. 4a EStG
nicht erfasst, da es insoweit an einem schwebenden Geschäft fehlt (vgl.
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199,
BStBl II 1997, 735).

cc)
Im Übrigen ergeben sich aus den Rangrücktrittserklärungen des Klägers für seine
Darlehensforderungen sowie für Rückgriffsforderungen aus den übernommenen Bürgschaften
schon aufgrund des Stichtagsprinzips (§ 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 242 Abs. 1 Satz
1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) keine steuerlichen Folgen für den grundsätzlichen
Ausweis im Streitjahr, da sie erst am 9. Juli 2003 ausgesprochen worden sind.

2.
Zu Recht hat das FG entschieden, dass –entgegen der Auffassung des FA– das
Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG auf die im Streitjahr vorgenommenen
Teilwertabschreibungen auf die Darlehensforderungen gegenüber der GmbH keine Anwendung
findet.

a)
Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen,
Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den § 3 Nr.
40 EStG zu Grunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem
Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen,
bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden.

b)
Maßgebend für die Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen Zusammenhangs
i.S. des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist der in der Vorschrift zum Ausdruck
kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut
der Norm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist
(Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 17. Mai 1960 2
BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, unter B.I.1.; BFH-Urteil vom 14. Mai 1974
VIII R 95/72, BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572, unter B.I.1.a, m.w.N.). Im
Rahmen des möglichen Wortsinns hat die Auslegung den Bedeutungszusammenhang des
Gesetzes, die systematische Stellung der Norm sowie den Gesetzeszweck zu
beachten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572, unter B.I.1.a;
BFH-Beschluss vom 4. Dezember 2006 GrS 1/05, BFHE 216, 168, BStBl II 2007, 508,
unter C.II.2.c bb). Ergänzend kommt der Entstehungsgeschichte der Vorschrift für
deren Auslegung Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteil vom 7. Mai 1987 IV R 150/84, BFHE
150, 130, BStBl II 1987, 670, unter 1.a).

aa)
Aus dem Wortlaut des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ergibt sich, dass ein rechtlicher
Zusammenhang nicht erforderlich ist und –im Gegensatz zu § 3c Abs. 1 EStG–
auch ein nur mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang für das Eingreifen des
Abzugsverbots ausreicht (ebenso Schmidt/Heinicke, EStG, 31. Aufl., § 3c Rz 37;
v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rz C 4 ff.; Otto, Die
Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem
Halbeinkünfteverfahren, Diss. 2006, S. 453 ff.; zwischen Veranlassungszusammenhang
und wirtschaftlichem Zusammenhang differenzierend Desens in
Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 3c EStG Rz 55).

bb)
Nach dem Normzweck des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sollen alle Ausgaben, die mit
nach § 3 Nr. 40 EStG nur hälftig besteuerten Einnahmen in Zusammenhang stehen,
ebenfalls nur hälftig steuerlich berücksichtigt werden, um eine inkongruente
Begünstigung auszuschließen.

Der
IX. Senat des BFH hat in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05
(BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171) zu privaten Veräußerungsgeschäften i.S. der
§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darauf abgestellt, dass dem
einkommensteuerrechtlich nur zur Hälfte berücksichtigten Veräußerungspreis auch
nur die Hälfte der korrespondierenden Anschaffungskosten gegenübergestellt
werden könne. In seinen Entscheidungen zur Frage der Anwendbarkeit des
Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs.
1 und 4 EStG (vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220;
vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399, und vom 18. März 2010 IX B
227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627) hat der IX. Senat auch auf den Zweck
des Abzugsverbots abgestellt, eine inkongruente Begünstigung auszuschließen:
Bei steuerbefreiten Einnahmen solle kein doppelter steuerlicher Vorteil durch
den zusätzlichen Abzug von mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen
erzielt werden.

Der
erkennende Senat teilt die Auffassung des IX. Senats des BFH zum Normzweck des
Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG. Da dem Halbeinkünfteverfahren die grundsätzliche
gesetzgeberische Entscheidung zu Grunde liegt, den Gewinn aus der Veräußerung
von Anteilen an einer Körperschaft wie eine Gewinnausschüttung zu besteuern,
weil „die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung
wirtschaftlich gleichkommt“ (so ausdrücklich die Begründung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung/Steuersenkungsgesetz –StSenkG–, BTDrucks 14/2683, S.
96), greift der in den Entscheidungen des IX. Senats dargestellte Normzweck des
§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht nur in Bezug auf substanzverwertende Veräußerungsfälle
i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c und j EStG, sondern auch für den
Bereich der laufenden Einnahmen i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d bis i
EStG.

cc)
Der Entstehungsgeschichte des Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG lassen
sich keine eindeutigen Aussagen zur Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen
Zusammenhangs entnehmen. In der Begründung des Entwurfs des StSenkG wird zu §
3c Abs. 2 EStG im Wesentlichen nur der Wortlaut der Vorschrift wiedergegeben
(vgl. BTDrucks 14/2683, S. 113).

dd)
Auch der Umstand, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum
Jahressteuergesetz 2008 –JStG 2008– (BGBl I 2007, 3150) die Initiative des
Bundesrats (BRDrucks 544/07 –Beschluss–, S. 10) nicht aufgegriffen worden
ist, in § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG eine entsprechende Anwendung von § 8b Abs. 3 Sätze
4 bis 8 des Körperschafsteuergesetzes (KStG) festzuschreiben, ist für die
Auslegung des Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ergiebig. Den
Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, warum § 3c Abs. 2 EStG
insoweit nicht ergänzt worden ist; außerdem ließen sich insoweit lediglich Rückschlüsse
auf das gesetzgeberische Verständnis der Vorschrift im Jahr 2007 herleiten.

Im
Schrifttum wird teilweise vertreten, die Einfügung eines entsprechenden
Verweises sei nicht erforderlich gewesen, da sich die Anwendung des § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG bereits aus dem Veranlassungszusammenhang ergebe (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/
Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 3c EStG, Rz 55; Neumann in
Neumann/Watermeyer, Die Unternehmensbesteuerung –Ubg– 2008, 748, 760). Nach
anderer Auffassung spreche dieser Umstand im Umkehrschluss dafür, dass im
betrieblichen Bereich außerhalb des Anwendungsbereichs des § 8b KStG
Gewinnminderungen aufgrund von Teilwertabschreibungen auf Darlehensforderungen
weiterhin steuerlich voll abzugsfähig seien (in diesem Sinne: Forst/Schaaf/Küpper,
Der Ertrag-Steuer-Berater 2009, 442, 443; Fuhrmann/Strahl, DStR 2008, 125;
Watermeyer in Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 758). Durch die Nichtaufnahme
der entsprechenden Anwendung von § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG in § 3c Abs. 2
EStG wäre –bei unterstellter Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG auf
Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen– insbesondere das einschränkende
Erfordernis einer qualifizierten Beteiligung mit mehr als 25 % am Grund- oder
Stammkapital der Gesellschaft gemäß § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG nicht übertragbar,
so dass nicht qualifiziert beteiligte Gesellschafter –je nach
Regelungsbereich– unterschiedlich behandelt würden (vgl. Watermeyer in
Neumann/ Watermeyer, Ubg 2008, 748, 760).

c)
Nach Auffassung des Senats ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG auf Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen im
Ausgangspunkt entscheidend, dass Darlehensforderungen selbständige Wirtschaftsgüter
sind, welche von der Beteiligung als solcher zu unterscheiden sind (BFH-Urteile
vom 20. April 2005 X R 2/03, BFHE 210, 29, BStBl II 2005, 694, und vom 14.
Januar 2009 I R 52/08, BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674, zu § 8b Abs. 3 KStG
in der Fassung vor dessen Ergänzung durch das JStG 2008; so auch im Ansatz BMF-Schreiben
in BStBl I 2010, 1292, Nr. 2).

Dies
gilt auch für sog. eigenkapitalersetzende Darlehen, die –unbeschadet ihrer
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis– eigenständige Schuldverhältnisse
und damit von der Beteiligung zu unterscheidende Wirtschaftsgüter darstellen
(BFH-Urteil in BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674; vgl. auch Senatsurteil in
BFHE 210, 29, BStBl II 2005, 694).

Dem
steht nicht entgegen, dass bei Beteiligungen im Privatvermögen i.S. des § 17
EStG Wertminderungen eigenkapitalersetzender Darlehen zu nachträglichen
Anschaffungskosten auf die Beteiligung führen können, die nach § 3c Abs. 2 Satz
1 EStG nur hälftig zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober
1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; vom 24. April 1997 VIII R
23/93, BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342, und vom 10. November 1998 VIII R
6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, jeweils m.w.N.). Nach der
Rechtsprechung des BFH darf dieser im Wege der extensiven Auslegung des § 17
EStG gewonnene und am spezifischen Normzweck orientierte erweiterte
Anschaffungskostenbegriff nicht dahingehend verallgemeinert werden, dass er
auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 17 EStG zur Geltung kommt (z.B.
BFH-Urteile vom 18. Dezember 2001 VIII R 27/00, BFHE 197, 483, BStBl II 2002,
733, und in BFHE 210, 29, BStBl II 2005, 694). Außerhalb des Anwendungsbereichs
des § 17 EStG –insbesondere in dem hier einschlägigen betrieblichen Bereich–
verbleibt es vielmehr bei dem allgemeinen Anschaffungskostenbegriff (BFH-Urteil
in BFHE 197, 483, BStBl II 2002, 733).

d)
Wertminderungen (Substanzverluste) eines (eigenkapitalersetzenden)
Gesellschafterdarlehens, wie sie durch Teilwertabschreibungen abgebildet
werden, unterliegen –unabhängig von der Frage der Fremdüblichkeit der
Darlehensüberlassung und einer etwaigen gesellschaftlichen Veranlassung–
mangels wirtschaftlichen Zusammenhangs mit nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig
steuerbefreiten Beteiligungserträgen nicht dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG.

aa)
Wegen der Selbständigkeit von Darlehensforderung und Beteiligung sind
Wertminderungen getrennt nach den für das jeweilige Wirtschaftsgut zur
Anwendung kommenden Vorschriften zu beurteilen (ebenso z.B. Eberhard, DStR
2009, 2226, 2228).

bb)
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise
steuerbefreiten Beteiligungserträgen ergibt sich nicht im Hinblick darauf, dass
die Darlehen seit dem 1. Januar 2000 zinsfrei gestellt waren.

(1)
Wird ein Darlehen durch einen Gesellschafter an seine Gesellschaft zu
Konditionen überlassen, die einem Fremdvergleich standhalten, ist davon
auszugehen, dass voll steuerpflichtige Zinserträge erwirtschaftet werden
sollen. Insoweit ist die Darlehensgewährung nicht durch das Gesellschaftsverhältnis
veranlasst. Eine Teilwertabschreibung des Gesellschafters auf die
Darlehensforderung ist dann vollumfänglich abziehbar; mangels eines
wirtschaftlichen Zusammenhangs mit hälftig steuerbefreiten Einnahmen nach § 3
Nr. 40 EStG greift das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ein
(ebenso HHR/Desens, § 3c EStG Rz 61; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
a.a.O., § 3c EStG, Rz 55; BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1292, Nr. 2).

(2)
Mit dem FA und dem BMF vertreten Teile des Schrifttums die Auffassung, dass bei
zinsloser Überlassung von Gesellschafterdarlehen die Erzielung zukünftiger
Beteiligungserträge angestrebt werde, so dass damit im wirtschaftlichen
Zusammenhang stehende Aufwendungen vom Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG
erfasst seien (HHR/Desens, § 3c EStG Rz 62; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
a.a.O., § 3c EStG, Rz 59, 55; Herrmann in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 3c
Rz 46). Am erforderlichen Zusammenhang i.S. des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG fehle
es jedoch, wenn der Verzicht auf Zinsen für die Darlehensgewährung dadurch
motiviert sei, nach Beendigung der Krise wieder voll steuerpflichtige
Zinseinnahmen zu erzielen, also der Zinsverzicht einem Fremdvergleich standhalte
und damit nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei (ebenso Forst,
Ubg 2010, 194, 197; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/ Witt, a.a.O., § 3c EStG,
Rz 55).

Diese
Auffassung beruft sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BFH zur
unentgeltlichen Nutzungsüberlassung, die auf die Entscheidung des Großen Senats
vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) zurückgeht.
Der Große Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348
entschieden, dass der von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährte
Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können, steuerrechtlich kein einlagefähiges
Wirtschaftsgut sei. Der BFH hat in mehreren Folgeentscheidungen zur Frage der
Einkünfteerzielungsabsicht bzw. zur Abgrenzung zwischen Betriebsausgaben bzw.
Werbungskosten und privat veranlasstem Aufwand betont, dass sich
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten für einen Gesellschafter bei Nutzungsüberlassungen
an seine Gesellschaft trotz der Unentgeltlichkeit ergeben könnten. Dies beruhe
auf der Überlegung, dass der von dem Gesellschafter gewährte Nutzungsvorteil in
der Regel den Gewinn der Kapitalgesellschaft erhöhe, an dem der Gesellschafter
nach Maßgabe der Gewinnausschüttung teilnehmen und –je nach Zuordnung zum
Betriebs- oder Privatvermögen– entsprechende betriebliche oder private
Beteiligungserträge erzielen könne (vgl. Urteile vom 24. Mai 1989 I R 45/85,
BFH/NV 1989, 697; vom 28. März 2000 VIII R 68/96, BFHE 191, 505; vom 25. Juli
2000 VIII R 35/99, BFHE 193, 264, BStBl II 2001, 698, und vom 2. Mai 2001 VIII
R 32/00, BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668).

(3)
Der erkennende Senat kann offenlassen, ob das Zinslosstellen des Darlehens ab
dem 1. Januar 2000 gesellschaftlich veranlasst war. Auch kann offenbleiben, ob
bzw. inwieweit § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG in den Fällen der unentgeltlichen Gewährung
von Nutzungsvorteilen anwendbar ist. Entscheidend ist nämlich, dass ein
wirtschaftlicher Zusammenhang mit den in § 3 Nr. 40 EStG genannten Einnahmen
jedenfalls bei Substanzverlusten von Darlehensforderungen, wie sie im Wege der
Teilwertabschreibung abgebildet werden, nicht gegeben ist.

(a)
Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG erstreckt sich –aufgrund der
Selbständigkeit von Darlehensforderung und Beteiligung als Wirtschaftsgüter–
nicht auf substanzbezogene Wertminderungen oder Verluste von
Gesellschafterdarlehen (ebenso: Herrmann in Frotscher, a.a.O., § 3c Rz 46; Förster,
GmbH-Rundschau –GmbHR– 2011, 393, 400; ders., Die Steuerberatung –Stbg–
2010, 199, 207; Watermeyer in Neumann/ Watermeyer, Ubg 2008, 748, 759 f.; vgl.
Ott, Steuern und Bilanzen –StuB– 2011, 178, 183; vgl. Eberhard, DStR 2009,
2226, 2227 ff.; a.A. hingegen Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/ Witt, a.a.O., §
3c EStG, Rz 55; BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1292, Nr. 2).

§
3c Abs. 2 Satz 1 EStG bezieht sich auf § 3 Nr. 40 EStG. Die Vorschriften des §
3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c und j EStG, die insbesondere Einnahmen aus der
Verwertung der Substanz des Kapitalanteils betreffen, verknüpfen das Halbeinkünfteverfahren
ausweislich ihres Wortlauts nur mit dem Kapitalanteil als solchem.
Substanzgewinne aus einer Wertsteigerung oder Veräußerung einer
Darlehensforderung sind von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c und j EStG nicht
erfasst und damit voll steuerpflichtig. Umgekehrt kann das Abzugsverbot des §
3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht substanzbezogene Wertminderungen oder Verluste von
Darlehensforderungen erfassen (ebenso Gosch, Festschrift Herzig,
Unternehmensbesteuerung, 2010, 63, 79; Förster, GmbHR 2011, 393, 400; ders.,
Stbg 2010, 199, 207; Eberhard, DStR 2009, 2226, 2228; Watermeyer in Neumann/
Watermeyer, Ubg 2008, 748, 759; im Ergebnis a.A. HHR/Desens, § 3c EStG Rz 62).
Gleichermaßen scheidet ein wirtschaftlicher Zusammenhang von
Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen mit den in § 3 Nr. 40 Satz 1
Buchst. d bis i EStG bezeichneten laufenden Einnahmen aus. Jedenfalls bei
substanzbezogenen Wertminderungen oder Verlusten der Darlehensforderung ist
nicht erkennbar, dass damit zukünftige Beteiligungserträge angestrebt werden
(ebenso Förster, GmbHR 2011, 393, 400; Eberhard, DStR 2009, 2226, 2228).

(b)
Für die Verneinung des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Beteiligungserträgen
bei Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen spricht außerdem, dass
eine spätere Wertaufholung nach vorgenommener Teilwertabschreibung in voller Höhe
steuerpflichtig wäre, da die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens für einen
solchen Fall nicht vorgesehen ist. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG ist nicht
anwendbar, da dort die Wertaufholung nur in Bezug auf den Anteil und nicht im
Hinblick auf die Darlehensforderung geregelt ist (ebenso Watermeyer in
Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 760; Förster, GmbHR 2011, 393, 400; ders.,
Stbg 2010, 199, 207).

Insbesondere
die Finanzverwaltung befürwortet insoweit eine „umgekehrte“ Anwendung
des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. der spätere Gewinn aus der Wertaufholung soll
nur hälftig steuerpflichtig sein (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1292, Nr. 4; Dötsch/Pung
in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 56).

Dieser
Schritt ist nach Auffassung des entscheidenden Senats unzulässig; der Wortlaut
bleibt nicht hinter dem vom Gesetzgeber verfolgten Normzweck zurück. Nach ständiger
Rechtsprechung des BVerfG und der Fachgerichte (vgl. Nachweise bei Drüen in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 355) und nach der
ganz herrschenden Lehre sind die Gerichte zur (ergänzenden) Rechtsfortbildung
berechtigt und verpflichtet. Führt die wortgetreue Auslegung des Gesetzes
ausnahmsweise zu einem sinnwidrigen Ergebnis, besteht also eine Divergenz
zwischen dem Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, sind die Gerichte nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Nachweise bei Drüen in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 4 AO Rz 380) sogar zu einer (gesetzeswortlaut-) abändernden
Rechtsfortbildung berufen. Als Instrumente werden hierbei die teleologische
Reduktion und die –im Streitfall allenfalls– einschlägige Extension
verwendet. Eine teleologische Extension zielt darauf ab, den zu engen Wortlaut
eines Gesetzes auf dessen weitergehenden Zweck auszudehnen (vgl. Nachweise bei
Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 382). Allerdings ist sie nicht bereits
dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung
rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den Wortlaut
abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis (BFH-Urteil vom 26. Juni
2007 IV R 9/05, BFHE 219, 173, BStBl II 2007, 893), zu einem der wirtschaftlichen
Vernunft widersprechenden Ergebnis (BFH-Urteil vom 12. August 1997 VII R
107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131) oder zu einem so unsinnigen Ergebnis
führen, dass es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (BFH-Urteil vom 17.
Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410).

Bei
Zugrundelegung dieses Maßstabs besteht keine Divergenz zwischen
Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck. Erst die Einbeziehung von
Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen in den Anwendungsbereich des §
3c Abs. 2 Satz 1 EStG würde zu dem Wertungswiderspruch führen, der eine
„umgekehrte“ Anwendung dieser Vorschrift notwendig erscheinen ließe.
Unterwirft man dagegen Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen nicht
dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, stehen Gesetzeswortlaut und
Normzweck in Einklang. Auf das Vorbringen des BMF, die „umgekehrte“
Anwendung des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sei keine unzulässige Analogie, da sie für
den Steuerpflichtigen günstig sei, kommt es insoweit nicht an.

cc)
Damit begründet der eigenkapitalersetzende Charakter des Darlehens –auch im
Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG– allenfalls einen Zusammenhang
zwischen Darlehen und Beteiligung, nicht jedoch zwischen der substanzbezogenen
Wertminderung des Darlehens, wie bei einer Teilwertabschreibung, und nach § 3
Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten Beteiligungserträgen (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674, zu § 8b Abs. 3 KStG 2002 in der Fassung vor
dessen Ergänzung durch das JStG 2008; im Ergebnis ebenso: Schmidt/Kulosa,
a.a.O., § 6 Rz 307; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 15 Rz 385; Herrmann in Frotscher, a.a.O., § 3c Rz 47; Gosch,
a.a.O, 63, 78 f.; Förster, GmbHR 2011, 393, 400; ders., Stbg 2010, 199, 206;
Forst, Ubg 2010, 194, 196; Ott, StuB 2011, 178, 183; ders., StuB 2010, 540, 541
ff.; Eberhard, DStR 2009, 2226, 2227 ff.; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2010,
1292, Nr. 2; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 55,
59; wohl auch Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 15 Rz 869).

dd)
Der Verneinung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen
Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen und nach § 3 Nr. 40 EStG
teilweise steuerbefreiten Beteiligungserträgen steht auch nicht die finanzgerichtliche
Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG in Fällen der
unentgeltlichen Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung entgegen.

(1)
Der BFH hat diese Frage bislang noch nicht entschieden.

In
der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass –während
der Zeit der entgeltlichen Überlassung des Grundstücks im Rahmen einer
Verpachtung– die Grundstücksaufwendungen in Zusammenhang mit den erzielten
Pachtzinsen stünden. Mit dem durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Übergang
in die unentgeltliche Überlassung durch Verzicht auf zukünftige Pachtzahlungen ändere
sich diese Veranlassung, so dass ab diesem Zeitpunkt die Aufwendungen für das
verpachtete Grundstück nicht mehr mit etwaigen Pachtzinsen in einem
Zusammenhang stünden, sondern mit zukünftigen Gewinnausschüttungen und
Betriebsvermögensmehrungen aus der Veräußerung oder Entnahme der Anteile an der
GmbH, die gemäß § 3 Nr. 40 EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterlägen. Damit dürften
die mit der Nutzungsüberlassung zusammenhängenden Betriebsausgaben nach § 3c
Abs. 2 Satz 1 EStG nur noch zur Hälfte berücksichtigt werden (so ausdrücklich
das FG Bremen in seinem Urteil vom 27. April 2006 1 K 204/05 (6),
EFG 2006, 1234, rkr.; im Ergebnis ebenso: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.
Oktober 2006 6 K 202/06, EFG 2007, 568, rkr.; FG Münster, Urteil vom
23. März 2011 7 K 2793/07 E, EFG 2011, 1135, Rev. X R 17/11; a.A.
hingegen FG Düsseldorf, Beschluss vom 19. April 2006 15 V 346/06 A
(F), nicht veröffentlicht, juris, rkr.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.
September 2009 2 K 1486/08, EFG 2011, 861, Rev. IV R 4/11).

In
der Literatur wird vertreten, dass die dargestellte Argumentation auf Fälle der
Darlehensgewährung übertragbar sei (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
a.a.O., § 3c EStG, Rz 55, 59).

(2)
Der Senat kann offenlassen, ob und inwieweit das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG auf Aufwendungen im Zusammenhang mit einer unentgeltlichen Überlassung
wesentlicher Betriebsgrundlagen anzuwenden ist. Jedenfalls ist die dargestellte
Rechtsauffassung eines Teils der Instanzrechtsprechung aus den bereits angeführten
Gründen nicht auf Substanzverluste von Gesellschafterdarlehen, wie bei
Teilwertabschreibungen, übertragbar.

3.
Das FG hat es ebenso zu Recht verneint, die im Streitjahr eingestellte Rückstellung
für die drohende Inanspruchnahme aus den übernommenen Bürgschaften dem
Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zu unterwerfen, da es auch insoweit an
dem notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang fehlt.

Zwar
wird teilweise die Auffassung vertreten, § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sei auf
Teilwertabschreibungen auf Rückgriffsforderungen aus übernommenen Bürgschaften
anwendbar, wenn die Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst
sei, insbesondere zu nicht fremdüblichen Konditionen übernommen worden sei
(BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1292, Nr. 6; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
a.a.O., § 3c EStG, Rz 57, 55).

Jedoch
liegen sowohl der Bürgschaft –selbst, wenn sie eigenkapitalersetzenden
Charakter hätte– als auch der Rückgriffsforderung aus einer Bürgschaftsinanspruchnahme
eigenständige Schuldverhältnisse zu Grunde, die unbeschadet ihrer etwaigen
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis von der Beteiligung als solcher
zu unterscheiden sind. Jedenfalls eine substanzbezogene Wertminderung einer
solchen Rückgriffsforderung unterliegt daher –unabhängig von der Frage der
Fremdüblichkeit der Bürgschaftsbedingungen– mangels eines wirtschaftlichen
Zusammenhangs mit nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten Beteiligungserträgen
nicht dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG (vgl. oben 2.d bb (3);
ebenso Hoffmann, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 18. Dezember 2001 VIII R 27/00,
GmbHR 2002, 331, 334 f.).

Gleiches
gilt für den Aufwand aus der Rückstellungsbildung, da dieser nicht anders
behandelt werden kann als die Teilwertabschreibung auf eine zu aktivierende Rückgriffsforderung.
Quicklink: uw121002

BFH, Urteil vom 18.04.2012, X R 7 / 10

 

Tatbestand

I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die in den
Streitjahren 2004 und 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

In
den Streitjahren bestand eine Betriebsaufspaltung zwischen dem
Einzelunternehmen des Klägers als Besitzunternehmen und einer GmbH als
Betriebsgesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger war.

Mit
Kontokorrentvertrag vom 2. Januar 1994 vereinbarten der Kläger und die GmbH die
Führung eines Kontokorrentkontos zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen
der GmbH und dem Kläger. Der Kontokorrentvertrag sah eine Verzinsung von 0,5 %
je Monat vor. Am 18. Dezember 1999 vereinbarten die Vertragsparteien –nach
einer vollständigen Aussetzung der Verzinsung für das Kalenderjahr 2000– ab
dem Kalenderjahr 2001 eine Absenkung der Verzinsung der jeweiligen
Kontokorrentvaluta auf 0,1 % je Monat. Der Kläger erfasste die Forderungen
gegenüber der GmbH im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens. Zum 31.
Dezember 2003 wies das Kontokorrentkonto eine Forderung des Einzelunternehmens
gegenüber der GmbH in Höhe von 477.849,70 €, zum 31. Dezember 2004 in Höhe von
550.078,33 € aus.

Am
3. Januar 2004 und am 4. Januar 2005 schlossen die GmbH und der Kläger jeweils
eine inhaltsgleiche Vereinbarung, mit welcher der Kläger auf einen Teil seiner
Forderungen gegenüber der GmbH in Höhe von jeweils 20.000 € unter Vereinbarung
eines Besserungsvorbehaltes verzichtete. Unter Punkt II. der Vereinbarungen ist
jeweils ausgeführt, der Darlehensforderungsverzicht gelte, solange die Vermögens-
und Ertragslage der GmbH sich nicht verbessert habe. Sobald der im
Jahresabschluss der GmbH zum 31. Dezember 2003 bzw. zum 31. Dezember 2004
ausgewiesene, nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag nicht mehr bestehe,
lebe die Darlehensschuld in Höhe des übersteigenden Betrages bis zur Höchstgrenze
des Forderungsverzichtsbetrages wieder auf. Schuldzinsen würden hinsichtlich
des Verzichtsbetrages nicht nachträglich geltend gemacht.

Der
Kläger behandelte die Forderungsverzichte in den Streitjahren jeweils in Höhe
von 20.000 € als Betriebsausgabe und ermittelte als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb einen Verlust in Höhe von 25.017,62 € im Jahr 2004 sowie in Höhe
von 8.117,37 € im Jahr 2005.

Der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) erkannte die
Forderungsverzichte unter Hinweis auf § 3c Abs. 2 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung
jeweils nur mit einem Anteil von 50 %, d.h. in Höhe von jeweils 10.000 € als
Betriebsausgaben an. Die hiergegen eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Das
Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2010, 1111 veröffentlichtem Urteil statt. Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG
greife bei Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen nicht
ein. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang –selbst ein mittelbarer– der
Gewinnminderung mit steuerbefreiten Einkünften nach § 3 Nr. 40 EStG liege nicht
vor.

Mit
seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG. Das vom FG
zur Begründung herangezogene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Januar
2009 I R 52/08 (BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674) sei zu § 8b Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG) in der Fassung vor dessen Ergänzung durch das Jahressteuergesetz 2008
(JStG 2008) ergangen und nicht übertragbar.

Ob
der durch Gesellschafterdarlehen veranlasste Aufwand in den Anwendungsbereich
des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG falle, sei nach dem Veranlassungszusammenhang im
Hinblick auf die zukünftigen Erträge zu beurteilen. Erfolge eine Darlehensgewährung
zu fremdüblichen Konditionen, stehe das gewährte Darlehen mit vollumfänglich
steuerpflichtigen Zinserträgen in einem Veranlassungszusammenhang, so dass der
Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht eröffnet sei. Erfolge die
Darlehensüberlassung hingegen zu nicht fremdüblichen Konditionen, stehe das
Darlehen mit nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten Beteiligungserträgen
in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, so dass insoweit § 3c Abs. 2 Satz 1
EStG zur Anwendung komme.

Im
Streitfall sei das Darlehen als nicht fremdüblich anzusehen. Das Darlehen werde
durch die Absenkung des Zinssatzes aufgrund der Vereinbarung vom 18. Dezember
1999 nicht zu einem marktüblichen Zinssatz verzinst. Von der GmbH als
Darlehensnehmerin seien keine Sicherheiten gestellt worden; bei
Darlehensvaluten von 477.849,70 € zum 31. Dezember 2003 und 550.078,33 € zum
31. Dezember 2004 hätten fremde Dritte solche verlangt. Des Weiteren sei die
GmbH in die Krise geraten; trotzdem habe der Kläger das Darlehen bei Eintritt
der Krise nicht zurückgefordert. Schließlich weise der Darlehensvertrag keine
Laufzeit auf und es seien keine Rückzahlungsmodalitäten vereinbart worden; ein
Darlehensvertrag unter fremden Dritten würde solche Vereinbarungen enthalten.

Das
FA beantragt,

das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die
Kläger beantragen,

die
Revision zurückzuweisen.

Das
dem Revisionsverfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat
keinen Antrag gestellt.

In
der Sache nimmt es Bezug auf das BMF-Schreiben vom 8. November 2010 (BStBl I
2010, 1292, unter Nr. 2), dem die im Ertragssteuerrecht anzuwendende
wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde liege. Insbesondere sei zu berücksichtigen,
dass nach der Rechtsprechung des BFH in Fällen der Betriebsaufspaltung
Besitzunternehmen und Betriebskapitalgesellschaft aufgrund der personellen und
sachlichen Verflechtung in funktionaler Hinsicht eine Einheit bildeten. Gerade
in dem vorliegenden Betriebsaufspaltungsfall könne es bei der gebotenen
wirtschaftlichen Betrachtung keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass der
Besitzunternehmer den gewährten Kontokorrentkredit nur deshalb in nicht fremdüblicher
Weise zunächst zinsfrei gestellt und ab dem Jahr 2001 zinsverbilligt weitergeführt
habe, um von dem erhöhten Gewinn der GmbH zu profitieren, und zwar entweder
durch anteilig steuerfreie Gewinnausschüttungen nach § 3 Nr. 40 EStG oder –bei
Thesaurierung der Gewinne– durch Erhöhung der stillen Reserven. Dieser Umstand
der gesellschaftlich veranlassten Darlehensgewährung könne nicht
„ausgeblendet“ werden.

Diese
Überlegungen seien auf Substanzverluste durch Forderungsverzichte übertragbar.
Im Übrigen erscheine es –bei einem Vergleich mit einem Verzicht auf eine
werthaltige Darlehensforderung– nicht folgerichtig, bei einem auf dem
Gesellschaftsverhältnis beruhenden Verzicht auf eine nicht mehr werthaltige
Forderung einen wirtschaftlichen Zusammenhang des Substanzverlusts mit
Beteiligungserträgen und damit die Einschlägigkeit des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG
zu verneinen. Verzichte demgegenüber der Besitzunternehmer auf eine werthaltige
Darlehensforderung gegen die Betriebskapitalgesellschaft, führe der Verzicht in
Höhe des werthaltigen Teils bei der Kapitalgesellschaft zu einer verdeckten
Einlage und beim Besitzunternehmer zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die
Beteiligung. Die aus der Beteiligung zufließenden Erträge –seien es Dividenden
oder ein Veräußerungserlös– unterlägen unstreitig der Besteuerung nach § 3 Nr.
40 EStG, eine mögliche Teilwertabschreibung auf die Beteiligung unstreitig dem
Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2 EStG.

Gründe

II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Der
Senat teilt zwar die Auffassung des FG, nach der im Streitfall § 3c Abs. 2 EStG
nicht anwendbar sei. Allerdings hätte das FG prüfen müssen, ob angesichts der
kurz nach dem jeweiligen Jahresbeginn vereinbarten Forderungsverzichte bereits
in der jeweiligen Schlussbilanz des Vorjahres, also zum 31. Dezember 2003 bzw.
zum 31. Dezember 2004, eine Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderungen
gegenüber der GmbH vorzunehmen war (unten 1.). Die Sache ist nicht spruchreif.
Dem Senat ist es nicht möglich, auf der Grundlage der Feststellungen des FG die
Höhe der eventuell vorzunehmenden Teilwertabschreibungen sowie die Höhe der
aufgrund der Forderungsverzichte zu berücksichtigenden Betriebsausgaben und
damit die Höhe des der Einkommensteuer 2004 und 2005 zu Grunde zu legenden
Gewinns des Einzelunternehmens selbst zu ermitteln (unten 2. und 3.).

1.
Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob Teilwertabschreibungen
auf die Darlehensforderungen aus dem Kontokorrentvertrag bereits zum 31.
Dezember 2003 und zum 31. Dezember 2004 vorzunehmen waren.

a)
Das FG muss fehlerhafte Bilanzansätze im Rahmen der gestellten Anträge und
unter Berücksichtigung des Verböserungsverbots auch ohne Vorlage einer
berichtigten Bilanz korrigieren, wenn sich der Fehler nach seiner Überzeugung
aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 26. Januar
1995 IV R 54/93, BFHE 177, 18, BStBl II 1995, 473; vom 4. November 1999 IV R
70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129; vom 25. November 2009 X R 27/05,
BFH/NV 2010, 1090; ebenso Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 4
EStG Rz 390, 399; Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz C
65 f.; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 980). Diese Verpflichtung trifft –auf der
Grundlage der Feststellungen des FG– im Rahmen der Revisionsanträge auch den
BFH, da bei einer Revision, die nicht ausschließlich auf die Verletzung von
Verfahrensrecht gestützt ist, das angefochtene Urteil gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2
FGO in vollem Umfang auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist (vgl. Senatsurteil
in BFH/NV 2010, 1090).

b)
Der Kläger hat als bilanzierender Gewerbetreibender die Forderungen aus dem
Kontokorrentvertrag vom 2. Januar 1994 zutreffend dem Umlaufvermögen seines
Einzelunternehmens zugeordnet.

Das
Kontokorrentkonto diente ausweislich des Vertrags vom 2. Januar 1994 der
Abwicklung und Verrechnung des laufenden Zahlungsverkehrs mit der GmbH und
enthielt daher nur Forderungen, die zum Verbrauch im laufenden Geschäftsbetrieb
im Sinne des Senatsurteils vom 28. Mai 1998 X R 80/94 (BFH/NV 1999, 359, unter
III.3.c der Gründe) bereitgehalten wurden.

c)
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 253 Abs. 3 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) sind die Forderungen aus dem Kontokorrentvertrag zum
jeweiligen Bilanzstichtag bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung
unter Beachtung der Rechtsprechung des BFH zu Teilwertabschreibungen auf
Gesellschafterdarlehen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zwingend auf den
niedrigeren Teilwert abzuschreiben.

aa)
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens
grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Bei Begründung der
Forderung durch Vertrag entsprechen die Anschaffungskosten dem Nennwert (BFH-Urteil
vom 23. November 1967 IV 123/63, BFHE 90, 484, BStBl II 1968, 176). Ist der
Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so
kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Für
Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 5 Abs. 1 EStG ermitteln, ergibt sich
aufgrund des Grundsatzes der Maßgeblichkeit und des handelsrechtlichen strengen
Niederstwertprinzips für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (§ 253 Abs. 3
HGB) bei gesunkenem Teilwert steuerrechtlich eine Pflicht zur
Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG (vgl. z.B. BFH-Urteil
vom 5. Mai 2004 XI R 43/03, BFH/NV 2005, 22).

bb)
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile vom 10. November 2005
IV R 13/04, BFHE 211, 294, BStBl II 2006, 618, und vom 14. Oktober 2009 X R
45/06, BFHE 227, 50, BStBl II 2010, 274, m.w.N.) kann in Fällen der
Betriebsaufspaltung der Teilwert einer Forderung des Besitzunternehmens gegen
die Betriebsgesellschaft –dem Grunde nach– jedoch nur nach denselben
Kriterien abgeschrieben werden, die für die Teilwertabschreibung der
Beteiligung am Betriebsunternehmen durch das Besitzunternehmen bestehen. Es ist
eine Gesamtbetrachtung der Ertragsaussichten von Besitz- und
Betriebsunternehmen notwendig; sind die Ertragsaussichten dauerhaft so gering,
dass der gedachte Erwerber des Besitzunternehmens für die Anteile am
Betriebsunternehmen einen Preis zahlen würde, der unter dem Buchwert der
Beteiligung am Betriebsunternehmen liegt, ist eine Teilwertabschreibung der
Darlehensforderung gerechtfertigt (Senatsurteil in BFHE 227, 50, BStBl II 2010,
274).

Diese
Rechtsprechungsgrundsätze tragen dem Gesichtspunkt Rechnung, dass
Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft aufgrund der personellen und
sachlichen Verflechtung in funktionaler Hinsicht eine Einheit bilden und
statuieren damit die zu erfüllenden Voraussetzungen für Teilwertabschreibungen
auf Gesellschafterdarlehen in Betriebsaufspaltungsfällen dem Grunde nach.
Demgegenüber bezieht sich die noch zu erörternde Anwendbarkeit des
Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG auf die Frage, in welchem Umfang eine
–dem Grunde nach zulässige– Teilwertabschreibung auf Gesellschafterdarlehen
steuerlich zu berücksichtigen ist (vgl. im Übrigen BMF-Schreiben in BStBl I
2010, 1292, dessen Ausführungen zu Teilwertabschreibungen auf
Darlehensforderungen unter Nr. 2 sich allgemein auf Gesellschafterdarlehen
beziehen).

cc)
Die gerade dargestellten Grundsätze gelten auch für eigenkapitalersetzende
Darlehen (Senatsurteil in BFHE 227, 50, BStBl II 2010, 274). Vorliegend hatten
die Forderungen des Klägers nach den bindenden Feststellungen des FG, denen insoweit
keine revisionsrechtlichen Bedenken begegnen, aufgrund der Überschuldung der
GmbH eigenkapitalersetzenden Charakter.

d)
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist es aufgrund der
Verzichtsvereinbarungen vom 3. Januar 2004 sowie vom 4. Januar 2005 nicht
fernliegend, dass der Teilwert der Forderungen des Klägers insoweit bereits zum
31. Dezember 2003 bzw. zum 31. Dezember 2004 (voraussichtlich dauerhaft)
gesunken war.

In
der Einleitung der jeweiligen Vereinbarung wird auf die Höhe der Forderungen,
wie sie sich aus der Bilanz des klägerischen Einzelunternehmens zum 31.
Dezember 2003 bzw. zum 31. Dezember 2004 ergibt, Bezug genommen. Weiter wird in
den Forderungsverzichtsvereinbarungen ausgeführt, diese würden im Hinblick auf
die finanzielle Situation der GmbH geschlossen. Ebenso wird in beiden
Vereinbarungen das Wiederaufleben der Darlehensforderungen im Rahmen des
Besserungsvorbehaltes davon abhängig gemacht, dass der zum 31. Dezember 2003
bzw. zum 31. Dezember 2004 ausgewiesene, nicht durch Eigenkapital gedeckte
Fehlbetrag der GmbH nicht mehr bestehe. Zumindest in Höhe der Teilverzichte
waren die Forderungen zum Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärungen nicht
mehr werthaltig. Nach den bindenden Feststellungen des FG waren die
Wertminderungen in Höhe der Teilverzichte zumindest an den Bilanzstichtagen am
31. Dezember 2004 bzw. am 31. Dezember 2005 auch dauerhaft.

e)
Ein unrichtiger Bilanzansatz ist grundsätzlich im Fehlerjahr oder –soweit dies
wegen Bestandskraft, Festsetzungsverjährung oder mangels Korrekturvorschriften
nicht möglich ist– nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs in
der ersten, verfahrensrechtlich noch „offenen“ Schlussbilanz
richtigzustellen, und zwar grundsätzlich erfolgswirksam (grundlegend Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl
III 1966, 142; Senatsurteile vom 16. Mai 1990 X R 72/87, BFHE 161, 451, BStBl
II 1990, 1044, m.w.N., und vom 26. November 2008 X R 23/05, BFHE 224, 61, BStBl
II 2009, 407).

2.
Diese Grundsätze hat das FG nicht hinreichend beachtet. Die Vorentscheidung ist
daher aufzuheben und die Sache –mangels Spruchreife– an das FG zurückzuverweisen.
Die vom FG getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung in
dieser Sache nicht zu.

Im
zweiten Rechtsgang wird das FG zunächst der Frage nachgehen müssen, ob und
gegebenenfalls in welcher Höhe bereits zu den Bilanzstichtagen am 31. Dezember
2003 bzw. am 31. Dezember 2004 der Teilwert der Forderungen gegenüber der GmbH
aus dem Kontokorrentvertrag vom 2. Januar 1994 voraussichtlich dauerhaft
gemindert und bei Beachtung der Rechtsprechung des BFH zu
Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung (vgl. oben unter II.1.c bb) eine Teilwertabschreibung gemäß
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG vorzunehmen war.

a)
Bejahendenfalls wird das FG zu beurteilen haben, ob der –insoweit unrichtige–
Bilanzansatz im Fehlerjahr oder nach dem Grundsatz des formellen
Bilanzenzusammenhangs in der ersten, verfahrensrechtlich noch
„offenen“ Schlussbilanz im Rahmen der gestellten Anträge und unter
Berücksichtigung des Verböserungsverbots zu korrigieren ist (vgl. oben unter
II.1.e).

aa)
Ergeben die nachzuholenden Feststellungen, dass die Forderungen des Klägers
gegenüber der GmbH, auf die er am 3. Januar 2004 verzichtet hatte, bereits zum
31. Dezember 2003 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ganz oder teilweise
abzuschreiben waren, wird das FG zu untersuchen haben, ob der Fehler noch in
der Schlussbilanz des Jahres 2003 oder erst in der verfahrensrechtlich
„offenen“ Schlussbilanz des Jahres 2004 berücksichtigt werden kann.

bb)
Entsprechendes gilt für die Forderungen, auf die der Kläger am 4. Januar 2005
verzichtet hatte. Hier kommt eine Berücksichtigung des Fehlers in der
verfahrensrechtlich noch „offenen“ Schlussbilanz des Jahres 2004 in
Betracht.

b)
Durften hingegen nach den nachzuholenden Feststellungen die
Teilwertabschreibungen mangels voraussichtlich dauernder Wertminderung oder
mangels Vorliegens der nach der Rechtsprechung des BFH zu
Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung zu erfüllenden Anforderungen (vgl. oben unter II.1.c bb)
nicht (vollumfänglich) in Höhe der Forderungsverzichte zum 31. Dezember 2003
oder zum 31. Dezember 2004 vorgenommen werden, ergeben sich die weiteren
steuerlichen Folgen aus der Tatsache, dass die Forderungen (spätestens) zum
Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärungen in Höhe der Teilverzichte nicht
mehr werthaltig waren.

aa)
Da sich die Forderungsverzichte auf im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr
werthaltige Forderungen beziehen, kann mangels Wertetransfers keine verdeckte
Einlage bewirkt werden (zur verdeckten Einlage grundlegend: Beschluss des Großen
Senats des BFH vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307).
Dem Gesellschafter entstehen deshalb keine nachträglichen Anschaffungskosten
auf seine Beteiligung, so dass der vom BMF vorgetragene Vergleich mit der
verdeckten Einlage durch Verzicht auf eine werthaltige Forderung nicht greift.
Für den Gesellschafter ergibt sich aufgrund der fehlenden Werthaltigkeit der
Forderung –bei einer im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung– ein
laufender Aufwand (BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 57/94, BFHE 184, 63,
BStBl II 1998, 652, unter B.II.1.b; Schmidt/Kulosa, EStG, 31. Aufl., § 6 Rz
757).

bb)
Der beim Kläger als Gesellschafter entstehende Aufwand würde auf den
ausgesprochenen Forderungsverzichten selbst beruhen und nicht –wie das FG meint–
auf einer aufgrund der Forderungsverzichte am Ende des jeweiligen Streitjahres
vorzunehmenden Teilwertabschreibung.

Die
Vereinbarung der Besserungsabrede würde nichts an einem eventuellen
Betriebsausgabenabzug aus den ausgesprochenen Forderungsverzichten ändern, da
auch eine solche Vereinbarung zu einer Ausbuchung der Verbindlichkeit in Höhe
des Forderungsverzichts bei der Gesellschaft führen würde (vgl. BFH-Urteile vom
30. Mai 1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588, und vom 29. Januar
2003 I R 50/02, BFHE 202, 74, BStBl II 2003, 768; vgl. HHR/H. Richter, § 5 EStG
Rz 1787; ebenso Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 550
„Gesellschafterfinanzierung; Eigenkapitalersatz; Restrukturierung“;
BMF-Schreiben vom 2. Dezember 2003, BStBl I 2003, 648).

3.
Im Hinblick auf einen gegebenenfalls in den Streitjahren 2004 und 2005 zu berücksichtigenden
Aufwand aus eventuell vorzunehmenden Teilwertabschreibungen (oben unter II.2.a)
oder aus den ausgesprochenen Forderungsverzichten vom 3. Januar 2004 sowie vom
4. Januar 2005 (oben unter II.2.b) wird das FG bei seiner Entscheidung im
Rahmen der gestellten Anträge und unter Beachtung des Verböserungsverbots zu
berücksichtigen haben, dass die Vorschrift des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG auf
Teilwertabschreibungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG und auf den Aufwand
aus den Forderungsverzichten keine Anwendung findet.

a)
Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen,
Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den § 3 Nr.
40 EStG zu Grunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem
Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen,
bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden.

b)
Maßgebend für die Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen Zusammenhangs
i.S. des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist der in der Vorschrift zum Ausdruck
kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut
der Norm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist
(Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 17. Mai 1960 2
BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, unter B.I.1.; BFH-Urteil vom 14. Mai 1974
VIII R 95/72, BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572, unter B.I.1.a, m.w.N.). Im
Rahmen des möglichen Wortsinns hat die Auslegung den Bedeutungszusammenhang des
Gesetzes, die systematische Stellung der Norm sowie den Gesetzeszweck zu
beachten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572, unter B.I.1.a;
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Dezember 2006 GrS 1/05, BFHE 216,
168, BStBl II 2007, 508, unter C.II.2.c bb). Ergänzend kommt der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift für deren Auslegung Bedeutung zu (vgl.
BFH-Urteil vom 7. Mai 1987 IV R 150/84, BFHE 150, 130, BStBl II 1987, 670,
unter 1.a).

aa)
Aus dem Wortlaut des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ergibt sich, dass ein rechtlicher
Zusammenhang nicht erforderlich ist und –im Gegensatz zu § 3c Abs. 1 EStG–
auch ein nur mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang für das Eingreifen des
Abzugsverbots ausreicht (ebenso Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3c Rz 37; v.
Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3c Rz C 4 ff.; Otto, Die
Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem
Halbeinkünfteverfahren, Diss. 2006, S. 453 ff.; zwischen
Veranlassungszusammenhang und wirtschaftlichem Zusammenhang differenzierend
HHR/Desens, § 3c EStG Rz 55).

bb)
Nach dem Normzweck des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sollen alle Ausgaben, die mit
nach § 3 Nr. 40 EStG nur hälftig besteuerten Einnahmen in Zusammenhang stehen,
ebenfalls nur hälftig steuerlich berücksichtigt werden, um eine inkongruente
Begünstigung auszuschließen.

Der
IX. Senat des BFH hat in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05
(BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171) zu privaten Veräußerungsgeschäften i.S. der
§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darauf abgestellt, dass dem
einkommensteuerrechtlich nur zur Hälfte berücksichtigten Veräußerungspreis auch
nur die Hälfte der korrespondierenden Anschaffungskosten gegenübergestellt
werden könne. In seinen Entscheidungen zur Frage der Anwendbarkeit des
Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs.
1 und 4 EStG (vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220;
vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399, und vom 18. März 2010 IX B
227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627) hat der IX. Senat auch auf den Zweck
des Abzugsverbots abgestellt, eine inkongruente Begünstigung auszuschließen:
Bei steuerbefreiten Einnahmen solle kein doppelter steuerlicher Vorteil durch
den zusätzlichen Abzug von mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen
erzielt werden.

Der
erkennende Senat teilt die Auffassung des IX. Senats des BFH zum Normzweck des
Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG. Da dem Halbeinkünfteverfahren die grundsätzliche
gesetzgeberische Entscheidung zu Grunde liegt, den Gewinn aus der Veräußerung
von Anteilen an einer Körperschaft wie eine Gewinnausschüttung zu besteuern,
weil „die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung
wirtschaftlich gleichkommt“ (so ausdrücklich die Begründung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung/Steuersenkungsgesetz
–StSenkG–, BTDrucks 14/2683, S. 96), greift der in den Entscheidungen des IX.
Senats dargestellte Normzweck des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht nur in Bezug
auf substanzverwertende Veräußerungsfälle i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a
bis c und j EStG, sondern auch für den Bereich der laufenden Einnahmen i.S. von
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d bis i EStG.

cc)
Der Entstehungsgeschichte des Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG lassen
sich keine eindeutigen Aussagen zur Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen
Zusammenhangs entnehmen. In der Begründung des Entwurfs des StSenkG wird zu §
3c Abs. 2 EStG im Wesentlichen nur der Wortlaut der Vorschrift wiedergegeben
(vgl. BTDrucks 14/2683, S. 113).

dd)
Auch der Umstand, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2008
(BGBl I 2007, 3150) die Initiative des Bundesrats (BRDrucks 544/07 –Beschluss–,
S. 10) nicht aufgegriffen worden ist, in § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG eine
entsprechende Anwendung von § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG festzuschreiben, ist
für die Auslegung des Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ergiebig.
Zu den Gewinnminderungen in Zusammenhang mit einer Darlehensforderung i.S. des §
8b Abs. 3 Satz 4 KStG zählen –neben Teilwertabschreibungen– auch solche aus
Forderungsverzichten in Bezug auf Gesellschafterdarlehen, da bei einer im
Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung in Höhe der nicht mehr werthaltigen
Restforderung ein entsprechender Aufwand entsteht (so ausdrücklich die Begründung
des JStG 2008, BTDrucks 16/6290, S. 73; ebenso Blümich/Rengers, § 8b KStG Rz
283; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/ UmwStG, Freiburg 2011, § 8b KStG
Rz 60l und 60n; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und
EStG, § 8b KStG, Rz 130; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz,
3. Aufl., § 8b Rz 182). Den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden,
warum § 3c Abs. 2 EStG insoweit nicht ergänzt worden ist; außerdem ließen sich
insoweit lediglich Rückschlüsse auf das gesetzgeberische Verständnis der
Vorschrift im Jahr 2007 herleiten.

Im
Schrifttum wird teilweise vertreten, die Einfügung eines entsprechenden
Verweises sei nicht erforderlich gewesen, da sich die Anwendung des § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG bereits aus dem Veranlassungszusammenhang ergebe (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/
Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 55; Neumann in Neumann/ Watermeyer, Die
Unternehmensbesteuerung –Ubg– 2008, 748, 760). Nach anderer Auffassung
spreche dieser Umstand im Umkehrschluss dafür, dass im betrieblichen Bereich außerhalb
des Anwendungsbereichs des § 8b KStG Gewinnminderungen aufgrund von
Teilwertabschreibungen auf Darlehensforderungen weiterhin steuerlich voll
abzugsfähig seien (in diesem Sinne: Forst/ Schaaf/Küpper, Der Ertrag-Steuer-Berater
2009, 442, 443; Fuhrmann/Strahl, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2008, 125;
Watermeyer in Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 758). Durch die Nichtaufnahme
der entsprechenden Anwendung von § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG in § 3c Abs. 2
EStG wäre –bei unterstellter Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG auf
Teilwertabschreibungen bzw. Forderungsverzichte in Bezug auf
Gesellschafterdarlehen– insbesondere das einschränkende Erfordernis einer
qualifizierten Beteiligung mit mehr als 25 % am Grund- oder Stammkapital der
Gesellschaft gemäß § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG nicht übertragbar, so dass nicht
qualifiziert beteiligte Gesellschafter –je nach Regelungsbereich–
unterschiedlich behandelt würden (vgl. Watermeyer in Neumann/Watermeyer, Ubg
2008, 748, 760).

c)
Nach Auffassung des Senats ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG auf Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen sowie auf
Forderungsverzichte in Bezug auf Gesellschafterdarlehen im Ausgangspunkt entscheidend,
dass Darlehensforderungen selbständige Wirtschaftsgüter sind, welche von der
Beteiligung als solcher zu unterscheiden sind (BFH-Urteile vom 20. April 2005 X
R 2/03, BFHE 210, 29, BStBl II 2005, 694, und in BFHE 224, 132, BStBl II 2009,
674, zu § 8b Abs. 3 KStG in der Fassung vor dessen Ergänzung durch das JStG
2008; so auch im Ansatz BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1292, Nr. 2).

Dies
gilt auch für sog. eigenkapitalersetzende Darlehen, die –unbeschadet ihrer
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis– eigenständige Schuldverhältnisse
und damit von der Beteiligung zu unterscheidende Wirtschaftsgüter darstellen
(BFH-Urteil in BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674; vgl. auch Senatsurteil in
BFHE 210, 29, BStBl II 2005, 694).

Dem
steht nicht entgegen, dass bei Beteiligungen im Privatvermögen i.S. des § 17
EStG Wertminderungen eigenkapitalersetzender Darlehen sowie der Verzicht auf
eine Forderung aus einem eigenkapitalersetzenden Darlehen zu nachträglichen
Anschaffungskosten auf die Beteiligung führen können, die nach § 3c Abs. 2 Satz
1 EStG nur hälftig zu berücksichtigen sind (vgl. in Bezug auf
Teilwertabschreibungen: BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE
170, 53, BStBl II 1993, 340; vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397,
BStBl II 1999, 342, und vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl
II 1999, 348, jeweils m.w.N., sowie in Bezug auf Forderungsverzichte: z.B. BFH-Beschluss
vom 16. Mai 2001 I B 143/00, BFHE 195, 351, BStBl II 2002, 436, m.w.N.). Nach
der Rechtsprechung des BFH darf dieser im Wege der extensiven Auslegung des §
17 EStG gewonnene und am spezifischen Normzweck orientierte erweiterte
Anschaffungskostenbegriff nicht dahingehend verallgemeinert werden, dass er
auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 17 EStG zur Geltung kommt (z.B.
Urteile vom 18. Dezember 2001 VIII R 27/00, BFHE 197, 483, BStBl II 2002, 733,
und in BFHE 210, 29, BStBl II 2005, 694). Außerhalb des Anwendungsbereichs des §
17 EStG –insbesondere in dem hier einschlägigen betrieblichen Bereich–
verbleibt es vielmehr bei dem allgemeinen Anschaffungskostenbegriff (BFH-Urteil
in BFHE 197, 483, BStBl II 2002, 733).

d)
Substanzverluste eines (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehens
aufgrund von Wertminderungen oder Forderungsverzichten unterliegen –unabhängig
von der Frage der Fremdüblichkeit der Darlehensüberlassung und einer etwaigen
gesellschaftlichen Veranlassung– mangels wirtschaftlichen Zusammenhangs mit
nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten Beteiligungserträgen nicht dem
Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG.

aa)
Wegen der Selbständigkeit von Darlehensforderung und Beteiligung sind
Substanzverluste getrennt nach den für das jeweilige Wirtschaftsgut zur
Anwendung kommenden Vorschriften zu beurteilen (vgl. z.B. Eberhard, DStR 2009,
2226, 2228).

bb)
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise
steuerbefreiten Beteiligungserträgen ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die
Absenkung des Zinssatzes auf 0,1 % je Monat durch Abschluss der Vereinbarung
vom 18. Dezember 1999.

(1)
Wird ein Darlehen durch einen Gesellschafter an seine Gesellschaft zu
Konditionen überlassen, die einem Fremdvergleich standhalten, ist davon
auszugehen, dass voll steuerpflichtige Zinserträge erwirtschaftet werden
sollen. Insoweit ist die Darlehensgewährung nicht durch das Gesellschaftsverhältnis
veranlasst. Eine Teilwertabschreibung des Gesellschafters auf die
Darlehensforderung sowie Betriebsausgaben, die aus einem Verzicht auf die Darlehensforderung
resultieren, sind dann vollumfänglich abziehbar; mangels eines wirtschaftlichen
Zusammenhangs mit hälftig steuerbefreiten Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG greift
das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ein (vgl. HHR/Desens, § 3c
EStG Rz 61; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 55, 57;
BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1292, Nr. 2).

(2)
Mit dem FA und dem BMF vertreten Teile des Schrifttums die Auffassung, dass bei
zinsloser Überlassung von Gesellschafterdarlehen die Erzielung zukünftiger
Beteiligungserträge angestrebt werde, so dass damit im wirtschaftlichen
Zusammenhang stehende Aufwendungen vom Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG
erfasst seien (HHR/Desens, § 3c EStG Rz 62; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
a.a.O., § 3c EStG, Rz 59, 55; Herrmann in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 3c
Rz 46). Am erforderlichen Zusammenhang i.S. des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG fehle
es jedoch, wenn der Verzicht auf Zinsen für die Darlehensgewährung dadurch
motiviert sei, nach Beendigung der Krise wieder voll steuerpflichtige
Zinseinnahmen zu erzielen, also der Zinsverzicht einem Fremdvergleich
standhalte und damit nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei
(ebenso Forst, Ubg 2010, 194, 197; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/ Witt,
a.a.O., § 3c EStG, Rz 55). Erfolge die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens
teilentgeltlich, also verbilligt, sei die Vorteilsgewährung in einen
entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten; soweit die
Aufwendungen anteilig dem unentgeltlichen Teil zuzuordnen sind, seien sie nach §
3c Abs. 2 Satz 1 EStG nur hälftig abziehbar (HHR/ Desens, § 3c EStG Rz 62; Dötsch/Pung
in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 57, 55; vgl. auch BMF-Schreiben
in BStBl I 2010, 1292, Nr. 2).

Diese
Auffassung beruft sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BFH zur
unentgeltlichen Nutzungsüberlassung, die auf die Entscheidung des Großen Senats
vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) zurückgeht.
Der Große Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348
entschieden, dass der von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährte
Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können, steuerrechtlich kein einlagefähiges
Wirtschaftsgut sei. Der BFH hat in mehreren Folgeentscheidungen zur Frage der
Einkünfteerzielungsabsicht bzw. zur Abgrenzung zwischen Betriebsausgaben bzw.
Werbungskosten und privat veranlasstem Aufwand betont, dass sich
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten für einen Gesellschafter bei Nutzungsüberlassungen
an seine Gesellschaft trotz der Unentgeltlichkeit ergeben könnten. Dies beruhe
auf der Überlegung, dass der von dem Gesellschafter gewährte Nutzungsvorteil in
der Regel den Gewinn der Kapitalgesellschaft erhöhe, an dem der Gesellschafter
nach Maßgabe der Gewinnausschüttung teilnehmen und –je nach Zuordnung zum
Betriebs- oder Privatvermögen– entsprechende betriebliche oder private
Beteiligungserträge erzielen könne (vgl. Urteile vom 24. Mai 1989 I R 45/85,
BFH/NV 1989, 697; vom 28. März 2000 VIII R 68/96, BFHE 191, 505; vom 25. Juli
2000 VIII R 35/99, BFHE 193, 264, BStBl II 2001, 698, und vom 2. Mai 2001 VIII
R 32/00, BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668). Zum Fall der Überlassung eines Gesellschafterdarlehens
zu einem deutlich unter dem Marktzins liegenden Zinssatz hat der BFH in seinem
Urteil in BFHE 193, 264, BStBl II 2001, 698 unter Bezugnahme auf die
Entscheidung des Großen Senats in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 ausgeführt,
Entsprechendes müsse für ein teilentgeltliches Darlehen gelten. Die teilweise
unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital durch den Gesellschafter könne
darin begründet sein, dass dieser aufgrund der entsprechend höheren
Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaft in der Zukunft insgesamt einen Überschuss
aus dem Darlehen erwarte. Denn der Betrag, den die Kapitalgesellschaft nicht
als Betriebsausgaben für die Zinsen des Gesellschafterdarlehens aufwenden müsse,
stehe ihr für Ausschüttungen zur Verfügung.

(3)
Im Streitfall ist nicht maßgebend, ob die im Wege der Vereinbarung vom 18.
Dezember 1999 geänderten Darlehensbedingungen gesellschaftlich veranlasst waren
und einem Fremdvergleich standhalten. Auch kann offenbleiben, ob bzw. inwieweit
§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG in den Fällen der teilentgeltlichen Gewährung von
Nutzungsvorteilen anwendbar ist. Entscheidend ist nämlich, dass ein
wirtschaftlicher Zusammenhang mit den in § 3 Nr. 40 EStG genannten Einnahmen
jedenfalls bei Substanzverlusten von Darlehensforderungen, wie bei
Teilwertabschreibungen oder Forderungsverzichten, nicht gegeben ist.

(a)
Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG erstreckt sich –aufgrund der
Selbständigkeit von Darlehensforderung und Beteiligung als Wirtschaftsgüter–
nicht auf Substanzverluste von Gesellschafterdarlehen (ebenso: Herrmann in
Frotscher, a.a.O., § 3c Rz 46; Förster, GmbH-Rundschau –GmbHR– 2011, 393,
400; ders., Die Steuerberatung –Stbg– 2010, 199, 207; Watermeyer in
Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 759 f.; vgl. Ott, Steuern und Bilanzen –StuB–
2011, 178, 183; vgl. Eberhard, DStR 2009, 2226, 2227 ff.; a.A. hingegen Dötsch/Pung
in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 55; BMF-Schreiben in BStBl I
2010, 1292, Nr. 2).

§
3c Abs. 2 Satz 1 EStG bezieht sich auf § 3 Nr. 40 EStG. Die Vorschriften des §
3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c und j EStG, die insbesondere Einnahmen aus der
Verwertung der Substanz des Kapitalanteils betreffen, verknüpfen das Halbeinkünfteverfahren
ausweislich ihres Wortlauts nur mit dem Kapitalanteil als solchem.
Substanzgewinne aus einer Wertsteigerung oder Veräußerung einer
Darlehensforderung sind von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c und j EStG nicht
erfasst und damit voll steuerpflichtig. Umgekehrt kann das Abzugsverbot des §
3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht Substanzverluste von Darlehensforderungen erfassen
(ebenso Gosch, Festschrift Herzig, Unternehmensbesteuerung, 2010, 63, 79; Förster,
GmbHR 2011, 393, 400; ders., Stbg 2010, 199, 207; Eberhard, DStR 2009, 2226,
2228; Watermeyer in Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 759; im Ergebnis a.A.
HHR/Desens, § 3c EStG Rz 62). Gleichermaßen scheidet ein wirtschaftlicher
Zusammenhang von Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen bzw. von
Aufwand aus Forderungsverzichten mit den in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d bis i
EStG bezeichneten laufenden Einnahmen aus. Jedenfalls bei Substanzverlusten der
Darlehensforderung ist nicht erkennbar, dass damit zukünftige Beteiligungserträge
angestrebt werden (ebenso Förster, GmbHR 2011, 393, 400; Eberhard, DStR 2009,
2226, 2228).

(b)
Für die Verneinung des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Beteiligungserträgen
bei Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen spricht außerdem, dass
eine spätere Wertaufholung nach vorgenommener Teilwertabschreibung in voller Höhe
steuerpflichtig wäre, da die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens für einen
solchen Fall nicht vorgesehen ist. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG ist nicht
anwendbar, da dort die Wertaufholung nur in Bezug auf den Anteil und nicht im Hinblick
auf die Darlehensforderung geregelt ist (ebenso Watermeyer in
Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 760; Förster, GmbHR 2011, 393, 400; ders.,
Stbg 2010, 199, 207).

(aa)
Gerade der vorliegende Fall des Forderungsverzichts unter Besserungsvorbehalt
spricht aus systematischer Sicht gegen das Vorliegen eines wirtschaftlichen
Zusammenhangs: Das Wiederaufleben der Forderung wäre voll gewinnwirksam, obwohl
die Forderung nur zur Hälfte aufwandswirksam ausgebucht worden wäre (ebenso Förster,
Stbg 2010, 199, 207).

Insbesondere
die Finanzverwaltung befürwortet insoweit eine „umgekehrte“ Anwendung
des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. der spätere Gewinn aus der Wertaufholung bzw.
aus der Einbuchung der Forderung soll nur hälftig steuerpflichtig sein (Dötsch/
Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 56, 58).

Dieser
Schritt ist nach Auffassung des erkennenden Senats unzulässig; der Wortlaut
bleibt nicht hinter dem vom Gesetzgeber verfolgten Normzweck zurück. Nach ständiger
Rechtsprechung des BVerfG und der Fachgerichte (vgl. Nachweise bei Drüen in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 355) und nach der
ganz herrschenden Lehre sind die Gerichte zur (ergänzenden) Rechtsfortbildung
berechtigt und verpflichtet. Führt die wortgetreue Auslegung des Gesetzes
ausnahmsweise zu einem sinnwidrigen Ergebnis, besteht also eine Divergenz
zwischen dem Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, sind die Gerichte nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Nachweise bei Drüen in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 4 AO Rz 380) sogar zu einer (gesetzeswortlaut-) abändernden
Rechtsfortbildung berufen. Als Instrumente werden hierbei die teleologische
Reduktion und die –im Streitfall allenfalls– einschlägige Extension
verwendet. Eine teleologische Extension zielt darauf ab, den zu engen Wortlaut
eines Gesetzes auf dessen weitergehenden Zweck auszudehnen (vgl. Nachweise bei
Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 382). Allerdings ist sie ist nicht
bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung
rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den Wortlaut
abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis (BFH-Urteil vom 26. Juni
2007 IV R 9/05, BFHE 219, 173, BStBl II 2007, 893), zu einem der wirtschaftlichen
Vernunft widersprechenden Ergebnis (BFH-Urteil vom 12. August 1997 VII R
107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131) oder zu einem so unsinnigen Ergebnis
führen, dass es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (BFH-Urteil vom 17.
Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410).

(bb)
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes besteht keine Divergenz zwischen
Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck. Erst die Einbeziehung von
Teilwertabschreibungen oder Forderungsverzichten in Bezug auf Gesellschafterdarlehen
in den Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG würde zu dem
Wertungswiderspruch führen, der eine „umgekehrte“ Anwendung des § 3c
Abs. 2 Satz 1 EStG notwendig erscheinen ließe. Unterwirft man dagegen
Substanzverluste bei Gesellschafterdarlehen, wie bei Teilwertabschreibungen
oder Forderungsverzichten, nicht dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG,
stehen Gesetzeswortlaut und Normzweck in Einklang. Auf das Vorbringen des BMF,
die „umgekehrte“ Anwendung des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sei keine
unzulässige Analogie, da sie für den Steuerpflichtigen günstig sei, kommt es
insoweit nicht an.

(cc)
Damit begründet der eigenkapitalersetzende Charakter des Darlehens –auch im
Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG– allenfalls einen Zusammenhang
zwischen Darlehen und Beteiligung, nicht jedoch zwischen der substanzbezogenen
Wertminderung des Darlehens, wie bei einer Teilwertabschreibung, und nach § 3
Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten Beteiligungserträgen (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674, zu § 8b Abs. 3 KStG 2002 in der Fassung vor
dessen Ergänzung durch das JStG 2008; im Ergebnis ebenso: Schmidt/Kulosa,
a.a.O., § 6 Rz 307; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 15 Rz 385; Herrmann in Frotscher, a.a.O., § 3c Rz 47; Gosch,
a.a.O., 63, 78 f.; Förster, GmbHR 2011, 393, 400; ders., Stbg 2010, 199, 206;
Forst, Ubg 2010, 194, 196; Ott, StuB 2011, 178, 183; ders., StuB 2010, 540, 541
ff.; Eberhard, DStR 2009, 2226, 2227 ff.; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2010,
1292, Nr. 2; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG, Rz 55,
59; wohl auch Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 15 Rz 869). Entsprechendes gilt für
Substanzverluste durch Forderungsverzichte. Auch insoweit begründet der
eigenkapitalersetzende Charakter des Darlehens allenfalls einen Zusammenhang
zwischen Darlehen und Beteiligung, nicht jedoch zwischen dem Substanzverlust
durch den Forderungsverzicht und nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten
Beteiligungserträgen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674; im
Ergebnis ebenso: Schulze zur Wiesche/ Ottersbach, Verdeckte Gewinnausschüttungen
und verdeckte Einlagen im Steuerrecht, 2004, S. 432; Gosch, a.a.O., 2010, 63,
78 f.; Förster, Stbg 2010, 199, 206; wohl ebenso Schmidt/ Kulosa, a.a.O., § 6
Rz 757 i.V.m. 307; a.A. Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 3c
EStG, Rz 55, 57, 59; wohl auch Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 869).

(dd)
Der Verneinung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Teilwertabschreibungen
auf Gesellschafterdarlehen bzw. Betriebsausgaben, die auf einem
Forderungsverzicht beruhen und nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreiten
Beteiligungserträgen steht auch nicht die finanzgerichtliche Rechtsprechung zur
Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG in Fällen der unentgeltlichen Überlassung
wesentlicher Betriebsgrundlagen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entgegen.

(1)
Der BFH hat diese Frage bislang noch nicht entschieden. In der
finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass –während der
Zeit der entgeltlichen Überlassung des Grundstücks im Rahmen einer Verpachtung–
die Grundstücksaufwendungen in Zusammenhang mit den erzielten Pachtzinsen stünden.
Mit dem durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Übergang in die
unentgeltliche Überlassung durch Verzicht auf zukünftige Pachtzahlungen ändere
sich diese Veranlassung, so dass ab diesem Zeitpunkt die Aufwendungen für das
verpachtete Grundstück nicht mehr mit etwaigen Pachtzinsen in einem
Zusammenhang stünden, sondern mit zukünftigen Gewinnausschüttungen und
Betriebsvermögensmehrungen aus der Veräußerung oder Entnahme der Anteile an der
GmbH, die gemäß § 3 Nr. 40 EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterlägen. Damit dürften
die mit der Nutzungsüberlassung zusammenhängenden Betriebsausgaben nach § 3c
Abs. 2 Satz 1 EStG nur noch zur Hälfte berücksichtigt werden (so ausdrücklich
das FG Bremen in seinem Urteil vom 27. April 2006 1 K 204/05 (6),
EFG 2006, 1234, rkr.; im Ergebnis ebenso: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.
Oktober 2006 6 K 202/06, EFG 2007, 568, rkr.; FG Münster, Urteil vom
23. März 2011 7 K 2793/07 E, EFG 2011, 1135, Rev. X R 17/11; a.A.
hingegen FG Düsseldorf, Beschluss vom 19. April 2006 15 V 346/06 A
(F), nicht veröffentlicht, juris, rkr.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.
September 2009 2 K 1486/08, EFG 2011, 861, Rev. IV R 4/11).

In
der Literatur wird vertreten, dass die dargestellte Argumentation auf Fälle der
Darlehensgewährung übertragbar sei (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
a.a.O., § 3c EStG, Rz 55, 59).

(2)
Es kann im Streitfall offenbleiben, ob und inwieweit das Abzugsverbot des § 3c
Abs. 2 Satz 1 EStG auf Aufwendungen im Zusammenhang mit einer unentgeltlichen Überlassung
wesentlicher Betriebsgrundlagen anzuwenden ist. Jedenfalls ist die dargestellte
Rechtsauffassung aus den bereits angeführten Gründen nicht auf Substanzverluste
von Gesellschafterdarlehen, wie bei Teilwertabschreibungen und
Forderungsverzichten, übertragbar.
Quicklink: uw121003

BGH, Beschluss vom 14.02.2012, II ZB 15 / 11

 

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 22. April
2009 verstorbenen J. B. Dessen
Erben sind ausweislich eines privatschriftlichen Testaments R. B. und
M. B. Der Erblasser war
mit einer Hafteinlage von 10.000 € Kommanditist der O. GmbH
& Co. KG.

Der
Antragsteller hat unter Beifügung einer Ausfertigung des
Testamentsvollstreckerzeugnisses und einer beglaubigten Ablichtung des
Testaments folgende Eintragung in das Handelsregister beantragt:

Der
Gesellschafter J. B. ist
verstorben. Seine Beteiligung ist auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus R. B. und
M. B. , im Wege der
Gesamtrechtsnachfolge übergegangen. Es ist Testamentsvollstreckung angeordnet.

Die
übrigen Gesellschafter haben sich gemäß einer Erklärung der Komplementärin dem
Antrag angeschlossen.

Das
Amtsgericht – Registergericht – hat dem Antragsteller mit Zwischenverfügung vom
31. März 2011 mitgeteilt, dass die Erben nicht als Erbengemeinschaft eingetragen
werden könnten, dass ein schützenswertes Interesse an der Eintragung eines
Testamentsvollstreckervermerks nicht bestehe und dass die Vorlage eines
Erbscheins jedenfalls dann erforderlich sei, wenn das Nachlassgericht die
Nachlassakten nicht auf Anforderung übersende.

Die
dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Es hat die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zugelassen und zur
Begründung ausgeführt: Bislang habe nur das Kammergericht entschieden, dass ein
Testamentsvollstreckervermerk in Bezug auf einen Kommanditanteil nicht
eingetragen werden könne. Ein Teil des Schrifttums sehe das anders. Deshalb sei
eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage angemessen.

Mit
der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Eintragungsantrag
weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft und damit unzulässig, soweit sie sich
dagegen richtet, dass das Registergericht die Eintragung der Erbengemeinschaft
als Rechtsnachfolgerin des Erblassers abgelehnt und einen Erbschein als möglicherweise
erforderlich angesehen hat.

Die
Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG nur statthaft, wenn sie vom
Beschwerdegericht oder vom Oberlandesgericht zugelassen wird. Hier hat das
Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nur beschränkt auf den Antrag bezüglich
der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks zugelassen. Das ergibt sich
zwar nicht aus dem Tenor, aber, was ausreichend ist (st. Rspr., vgl. nur BGH,
Urteil vom 27. September 2011 – II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18, für die
vergleichbare Frage bei der Revisionszulassung), aus den Gründen des
Beschlusses.

Die
vom Beschwerdegericht gegebene Begründung für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde betrifft allein die Frage, ob bei einer Vererbung eines
Kommanditanteils mit Anordnung der Testamentsvollstreckung ein
Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister eingetragen werden kann.

Eine
Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde auf diese Frage ist möglich. Es
handelt sich um einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des
Streitstoffs, auf den der Antragsteller selbst seine Rechtsbeschwerde hätte
begrenzen können. Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das
Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, auf einen derart
abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Zulassungsentscheidung so
auszulegen, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde lediglich beschränkt
auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen hat (BGH, Beschluss vom 7.
Dezember 2009 – II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4; Urteil vom 27. September 2011
– II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18, jeweils zur Revisionszulassung; Unger in
Schulte-​Bunert/Weinreich,
FamFG, 3. Aufl., § 70 Rn. 12; Meyer/Holz in Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 70 Rn.
38; Müther in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, § 70 Rn. 19).

III.
Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.

1.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Beschwerdegericht insoweit ausgeführt:
Das Registergericht habe zu Recht die Eintragung eines
Testamentsvollstreckervermerks abgelehnt. Dabei schließe sich das Gericht der
Auffassung des Kammergerichts in dessen Beschluss vom 4. Juli 1995 (WM 1995,
1890) an. Danach sei ein Testamentsvollstreckervermerk nicht eintragungsfähig.
Eine im Schrifttum vertretene Gegenmeinung berufe sich allein auf ein Publizitätserfordernis.
Dieses bestehe aber nicht, weil sich die Haftungsverhältnisse in Bezug auf den
Kommanditanteil durch die Testamentsvollstreckung nicht änderten.

2.
Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

a)
Das Beschwerdegericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass eine
Testamentsvollstreckung sich auf einen Kommanditanteil beziehen kann. Das
entspricht, sofern die übrigen Gesellschafter einverstanden sind oder der
Gesellschaftsvertrag es vorsieht, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 191 ff.).

b)
Unzutreffend ist aber die Annahme des Beschwerdegerichts, eine derartige
Testamentsvollstreckung könne nicht im Handelsregister vermerkt werden.
Jedenfalls wenn eine Dauervollstreckung im Sinne des § 2209 BGB angeordnet ist,
kann ein entsprechender Testamentsvollstreckervermerk im Handelsregister eingetragen
werden (ebenso Ulmer, NJW 1990, 73, 82; D. Mayer in Handbuch der
Testamentsvollstreckung, 4. Aufl., Rn. 5.212; ders., ZIP 1990, 976, 978; Plank,
ZEV 1998, 325, 327 ff.; Schaub, ZEV 1996, 68 f.; Weidlich, Die
Testamentsvollstreckung im Recht der Personengesellschaften, 1992, S. 90 f.;
Winkler, Der Testamentsvollstrecker nach bürgerlichem, Handels- und
Steuerrecht, 20. Aufl., Rn. 373; Aderhold in Westermann, Handbuch
Personengesellschaften, Stand: September 2008, Rn. 2448; MünchKommHGB/K.
Schmidt, 2. Aufl., § 177 Rn. 37; Staudinger/Reimann, BGB (2003), Vorbem. zu §§
2197-​2228
Rn. 102; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 139 Rn. 89;
von Gerkan/Haas in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 177 Rn. 18;
Oetker, HGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 15; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
HGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 22; Koller in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl., § 177
Rn. 7; aA KG, WM 1995, 1890 ff.; Reinke, Rpfleger 1994, 1, 5 f.;
Soergel/Damrau, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 44; Krafka/Kühn, Registerrecht, 8.
Aufl., Rn. 769; MünchKommBGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 2205 Rn. 46; anders auch für
eine Testamentsvollstreckung an einem Handelsgeschäft RGZ 132, 138; offen
gelassen von BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 190).

aa)
Grundsätzlich werden in das Handelsregister allerdings nur die Tatsachen und
Rechtsverhältnisse eingetragen, deren Eintragung gesetzlich vorgesehen ist.
Aufgrund der Funktion des Handelsregisters, Umstände zu verlautbaren, die für
den Rechtsverkehr von wesentlicher Bedeutung sind, lässt die Rechtsprechung
aber auch darüber hinausgehende Eintragungen zu, wenn ein erhebliches Bedürfnis
des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information besteht (BGH, Beschluss
vom 28. Februar 1983 – II ZB 8/82, BGHZ 87, 59, 62; Beschluss vom 30. Januar
1992 – II ZB 15/91, ZIP 1992, 395, 397; Beschluss vom 10. November 1997 – II ZB
6/97, ZIP 1998, 152). Die dem Handelsregister zukommende Publizitätsfunktion
soll es der Öffentlichkeit – wie den Arbeitnehmern, den künftigen oder gegenwärtigen
Gläubigern, den Gesellschaftern und den potentiellen Anteilserwerbern – ermöglichen,
sich über die Rechtsverhältnisse von Kaufleuten und Gesellschaften zu
unterrichten (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324,
344).

bb)
Im vorliegenden Fall besteht ein schutzwürdiges Bedürfnis des Rechtsverkehrs,
durch das Handelsregister über die angeordnete Dauertestamentsvollstreckung
informiert zu werden.

Nach
§ 177 HGB wird die Kommanditgesellschaft beim Tod eines Kommanditisten mit den
Erben fortgesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
geht der Kommanditanteil dabei nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die
Erbengemeinschaft über. Vielmehr erwerben die zur Nachfolge des Kommanditisten
bestimmten Erben im Wege der Sonderrechtsnachfolge jeweils eigenständige
Gesellschaftsanteile im Umfang ihrer Erbquoten (BGH, Urteil vom 22. November
1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 191 ff.; Urteil vom 10. Februar 1977 – II ZR
120/75, BGHZ 68, 225, 229 ff.; Urteil vom 4. Mai 1983 – IVa ZR 229/81, NJW
1983, 2376; Urteil vom 14. Mai 1986 – IV ZR 155/84, BGHZ 98, 48, 50 ff.). Ist
an dem Nachlass eine Testamentsvollstreckung angeordnet, erfasst sie auch diese
im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangenen Gesellschaftsanteile, sofern
das im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist oder die übrigen Gesellschafter
zustimmen (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 191
ff.). Allein der Testamentsvollstrecker ist – soweit der Erblasser ihm nicht
nur beschränkte Rechte eingeräumt hat – nach §§ 2205, 2211 BGB befugt, die
Rechte und Pflichten der Erben hinsichtlich des Kommanditanteils auszuüben und über
den Anteil zu verfügen. Eine sich aus dem Gesellschaftsrecht ergebende Einschränkung
besteht lediglich insoweit, als er die persönliche und nicht auf den Nachlass
beschränkbare (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 191
ff., 197 f.) Haftung der Kommanditisten-​Erben nach §§ 128,
171, 172 Abs. 4 HGB nicht erweitern darf.

Daraus
ergeben sich Folgerungen für die Haftungsverhältnisse. Durch die
Testamentsvollstreckung werden die Gesellschafter-​Erben zwar nicht davor
geschützt, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in den Grenzen der §§ 171
ff. HGB persönlich in Anspruch genommen zu werden. Eine Beschränkung der
Haftung auf den Nachlass würde den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen
widersprechen. Die Eigengläubiger des Gesellschafter-​Erben können aber nach
§ 2214 BGB nicht auf das Nachlassvermögen Zugriff nehmen (Lange/Kuchinke,
Erbrecht, 5. Aufl., S. 697). Das der Testamentsvollstreckung unterliegende
Nachlassvermögen und damit auch der Kommanditanteil dienen während der Dauer
der Testamentsvollstreckung nur den Nachlassgläubigern, nicht auch den Eigengläubigern
der Gesellschafter-​Erben
als Haftungsmasse. Insoweit entfaltet die Testamentsvollstreckung eine
unmittelbare haftungsrechtliche Außenwirkung.

Ein
Interesse des Rechtsverkehrs an der Verlautbarung der Testamentsvollstreckung
besteht auch insofern, als der Testamentsvollstrecker nicht berechtigt ist, die
Haftsumme des Kommanditisten-​Erben zu erhöhen,
jedenfalls ohne dessen dadurch ausgelöste persönliche Haftung mittels einer
Leistung aus dem Nachlass sogleich auszuschließen (MünchKommBGB/Zimmermann, 5.
Aufl., § 2205 Rn. 44). Tut er das dennoch, überschreitet er damit seine
Vertretungsbefugnis oder missbraucht sie (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 – II
ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 197 f.). Das Registergericht wird einen solchen
Gesellschafterbeschluss nicht eintragen. Dennoch kann ein entsprechendes
Vertrauen der Gesellschaftsgläubiger auf die Wirksamkeit der Haftsummenerhöhung
begründet werden, wenn ihnen die Erhöhung von der Gesellschaft nach § 172 Abs.
2 HGB mitgeteilt wird. Besteht eine Testamentsvollstreckung, ist diese
Mitteilung indes für den Nachlass ohne Folgen, sofern ihr nicht sowohl der
Testamentsvollstrecker als auch der Gesellschafter-​Erbe zugestimmt haben.

Die Vertreter der
Gegenmeinung, nach der die Eintragung der Testamentsvollstreckung unzulässig
sein soll, berufen sich zu Unrecht darauf, dass die Publizitätsfunktion des
Handelsregisters das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten betreffe, die
Testamentsvollstreckung aber allein das Verhältnis des Gesellschafters zu
Dritten (KG, WM 1995, 1890 ff.). Das Handelsregister soll nach § 106 Abs. 2 Nr.
1, §§ 107, 162 HGB auch Auskunft über die Personen geben, die an der
Gesellschaft beteiligt sind. Sie haben entscheidenden Einfluss auf die
Geschicke der Gesellschaft. Deshalb hat der Rechtsverkehr ein berechtigtes
Interesse, über diese Personen informiert zu werden. Das gilt im Grundsatz auch
für die Kommanditisten. Diese sind zwar im gesetzlichen Regelfall von der Geschäftsführung
ausgeschlossen (§ 164 Satz 1 Halbsatz 1 HGB). Sie haben aber an etwaigen Änderungen
des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken und ihnen steht gemäß § 164 Satz 1
Halbsatz 2 HGB ein Widerspruchsrecht bei Handlungen zu, die über den gewöhnlichen
Geschäftsbetrieb hinausgehen. Da diese Rechte gemäß §§ 2205, 2211 BGB,
jedenfalls soweit nicht in die unentziehbare Rechtsstellung des Gesellschafters
eingegriffen wird (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 – II ZB 1/89, BGHZ
108, 187, 198 f.), allein der Testamentsvollstrecker ausüben kann, hat der
Rechtsverkehr ein berechtigtes Interesse, nicht nur die Namen der
Kommanditisten zu erfahren, sondern auch über die angeordnete
Testamentsvollstreckung unterrichtet zu werden.
Quicklink: uw120601

OFD Rheinland, Mitteilung vom 14.12.2011, Kurzinformation Körperschaftsteuer 56 / 2011

Tatbestand

In jüngster Zeit ist vermehrt die Frage gestellt worden, ob es möglich ist, in der Krise befindliche Kapitalgesellschaften unter Einsatz von Genussrechten steuerneutral zu entschulden. Dazu werden nicht werthaltige Gesellschafterdarlehen in Genussrechte umgewandelt (sog. „Dept-Mezzanine-Swap”). Die Genussrechte werden dabei gezielt so ausgestaltet, dass sie handelsbilanziell als Eigenkapital zu werten sind (siehe dazu die Stellungnahme des Hauptfachausschusses des IDW, HFA 1/1994, Wpg 1994, WPG Jahr 1994 Seite 419), aber zugleich die Voraussetzungen des § KSTG § 8 Abs. KSTG § 8 Absatz 3 Satz 2, Halbsatz 2 KStG nicht erfüllen. Es fehlt in der Regel an einer Beteiligung am Liquidationserlös. Hier wird die Auffassung vertreten, dass die Genussrechte handelsrechtlich Eigenkapital, steuerlich aber Fremdkapital darstellten und deshalb in der Steuerbilanz ein erfolgsneutraler Passivtausch zu erfolgen habe.

Dieser Sichtweise ist nicht zu folgen.

Die Vorschrift des § KSTG § 8 Abs. KSTG § 8 Absatz 3 Satz 2, Halbsatz 2 KStG beinhaltet nur Regelungen zur Einkommensermittlung und trifft keine Aussage zur steuerbilanziellen Behandlung der Genussrechte. Die Rechtsfolge dieser Vorschrift besteht also nur in einer außerbilanziellen Hinzurechnung der Genussrechtsvergütungen (BFH v. 29. 6. 1994, BFH 29.06.1994 Aktenzeichen I R 137/93, BStBl II 2002, BSTBL Jahr 2002 II Seite 366, DStR 1994, DSTR Jahr 1994 Seite 1802 und BMF v. 28. 5. 2002, IV A 2 – 5 2742 – 32/02, BStBl I 2002, BSTBL Jahr 2002 I Seite 603, DStR 2002, DSTR Jahr 2002 Seite 910).

Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine handelsbilanzielle Umqualifizierung der Verbindlichkeit in Eigenkapital infolge des Maßgeblichkeitsprinzips auch eine steuerbilanzielle Umqualifizierung in Eigenkapital nach sich zieht. Infolge einer solchen Umqualifizierung kommt es zu einem handels- und steuerbilanziellen Ertrag, der im Falle fehlender Werthaltigkeit der Forderung nicht durch den Abzug einer verdeckten Einlage außerbilanziell kompensiert wird.
Quicklink: uw120802

BFH, Beschluss vom 30.11.2011, II B 60 / 11

 

Tatbestand

I. Die Klägerin,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist mit S verheiratet.

S
erhielt von seinem Vater (V) mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. Juni
2010 (URNr. 1175/2010 B) einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück A,
verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 zum Alleineigentum. Die
Vertragsteile waren sich über den Eigentumsübergang einig und beantragten
entsprechend der Bewilligung des V die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch.
Eine Auflassungsvormerkung wurde nicht eingetragen. S räumte zugunsten des V
ein Nutzungsrecht an einem zur Wohnung gehörenden Raum ein und verpflichtete
sich, an seinen Bruder 50.000 € zur Abfindung von dessen väterlichen
Pflichtteilsansprüchen zu zahlen. Die Überlassung des Miteigentumsanteils am
Grundstück an S sollte unentgeltlich erfolgen, soweit dessen Wert die von S zu
erbringenden Gegenleistungen übersteigen sollte. S hatte sich die
unentgeltliche Zuwendung auf seine Pflichtteilsansprüche anrechnen zu lassen;
eine Ausgleichspflicht nach §§ 2050 Abs. 3, 2052 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
sollte nicht bestehen. S verzichtete mit Wirkung für sich und seine Abkömmlinge
gegenüber V auf seine Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche bei
dessen Ableben. V war berechtigt, die unentgeltliche Rückauflassung des
Vertragsobjekts u.a. dann zu verlangen, wenn S dieses zu Lebzeiten des V ohne
dessen Zustimmung veräußern sollte. Im Hinblick darauf stimmte V der Veräußerung
eines Hälfteanteils an dem S übertragenen Miteigentumsanteil an die Klägerin
unwiderruflich zu.

Mit
notarieller Urkunde ebenfalls vom 30. Juni 2010 (URNr. 1176/2010 B) übertrug S
als ehebezogene Zuwendung ohne besonderes Entgelt die Hälfte seines mit dem
Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 verbundenen Miteigentumsanteils an dem
Grundstück auf die Klägerin. Die Vertragsteile erklärten die Auflassung und
beantragten die Eintragung der Ehegatten als Miteigentümer im Grundbuch. Auf
die Zwischeneintragung des S als Alleineigentümer wurde verzichtet. Dem S wurde
das Recht eingeräumt, im Fall der Scheidung oder bei einem Vorversterben der Klägerin
die Zuwendung zurückzuverlangen.

Der
Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt –​FA-​-) ging
davon aus, dass V jeweils einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück
dem S und der Klägerin freigebig zugewendet habe. Für die Zuwendung an die Klägerin
setzte das FA ausgehend von einem geschätzten Grundbesitzwert mit Bescheid vom
16. November 2010 Schenkungsteuer in Höhe von 23.200 € gegen die Klägerin fest.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Klageverfahren ist beim Finanzgericht (FG)
unter dem Az. X anhängig.

Den
Antrag der Klägerin, die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheids auszusetzen,
lehnten das FA und das FG ab. Das FG führte zur Begründung seines Beschlusses
aus, dass ein Zwischenerwerber schenkungsteuerrechtlich nicht bereichert sei,
wenn er den Gegenstand sogleich weiterschenke, selbst wenn zivilrechtlich zwei
Zuwendungen anzunehmen seien. Bei einer solchen Kettenschenkung seien regelmäßig
Personen beteiligt, die enge persönliche Beziehungen zueinander hätten. Die
Weitergabe des geschenkten Gegenstands sei zwischen den Beteiligten abgestimmt
und durch Verträge vorbereitet. Der Zwischenerwerb führe deshalb nicht zu einer
Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Mit
der Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Aussetzungsbegehren weiter. Zur Begründung
trägt sie vor, dass die Übertragungsvorgänge voneinander unabhängig seien. S
habe ihr aufgrund seiner eigenen Entscheidung einen hälftigen Anteil an dem
Miteigentumsanteil am Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an der
Wohnung Nr. 1 übertragen. Zum Zeitpunkt dieser Übertragung sei S bereits
hinsichtlich des gesamten ihm überlassenen Miteigentumsanteils am Grundstück
bereichert gewesen, weil er uneingeschränkt darüber habe verfügen können. V
habe bei der Überlassung an S keine Auflagen zur Verwendung oder Nutzung des
Grundstücks gemacht.

Die
Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Vollziehung
des Schenkungsteuerbescheids vom 16. November 2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2011 ab Fälligkeit bis zum Abschluss des
Klageverfahrens vor dem FG München auszusetzen.

Das FA beantragt, die
Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.
Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben; die
Vollziehung des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids ist ab Fälligkeit bis
zum Abschluss des Klageverfahrens beim FG auszusetzen. Entgegen der Auffassung
des FG ist es ernstlich zweifelhaft, dass die Übertragung des
Miteigentumsanteils am Grundstück durch V auf S und die anschließende Übertragung
eines hälftigen Anteils am Miteigentumsanteil durch S auf die Klägerin aus
schenkungsteuerrechtlicher Sicht eine freigebige Zuwendung eines hälftigen
Miteigentumsanteils von V an die Klägerin beinhaltet.

1.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der
Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder
teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an
der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m.
Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer
Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit
oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige
Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs –​BFH-​- vom 26. August
2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826).

2.
Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung
(AdV) des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids erfüllt. Eine freigebige
Zuwendung des V an die Klägerin liegt nicht vor.

a)
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG)
gilt als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der
Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Bei
der Prüfung der Frage, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen
Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG beteiligt ist, kommt es ausschließlich
auf die Zivilrechtslage an; denn die Schenkungsteuer ist eine Verkehrsteuer
(vgl. BFH-​Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl II
2010, 363, unter II.1.a aa). Wird dem Bedachten der Schenkungsgegenstand nicht
unmittelbar von dessen ursprünglichem Inhaber zugewendet, sondern noch ein
Dritter zwischengeschaltet, kommt es für die Bestimmung der Person des
Zuwendenden darauf an, ob der Dritte über eine eigene Entscheidungsmöglichkeit
hinsichtlich der Verwendung des Schenkungsgegenstands verfügte (BFH-​Urteile
vom 13. Oktober 1993 II R 92/91, BFHE 172, 520, BStBl II 1994, 128; vom 10. März
2005 II R 55/03, BFH/NV 2005, 1309). Maßgeblich für die Beurteilung sind
insoweit die Ausgestaltung der Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen
Abstimmung untereinander sowie die mit der Vertragsgestaltung erkennbar
angestrebten Ziele der Parteien. Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich
damit aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den
Umständen ergeben (vgl. Piltz, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge
–​ZEV-​- 1994, 55).

Erhält
jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend
einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt,
liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des
Zuwendenden an den Dritten vor (vgl. BFH-​Urteil in BFHE 172, 520, BStBl II
1994, 128). Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung
der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der
Mittelsperson an den Dritten kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-​Urteil in BFHE
172, 520, BStBl II 1994, 128).

Wendet
der Bedachte den ihm zugewendeten Gegenstand ohne Veranlassung des Zuwendenden
und ohne rechtliche Verpflichtung freigebig einem Dritten zu, scheidet die
Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus. Dies gilt auch
dann, wenn der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte
den zugewendeten Gegenstand unmittelbar im Anschluss an die Schenkung an einen
Dritten weiterschenkt (vgl. BFH-​Urteil vom 14. März 1962 II 218/59 U, BFHE 74,
554, BStBl III 1962, 206).

Nach
diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, wer Zuwendender und Bedachter ist,
wenn Eltern ein Grundstück schenkweise auf ein Kind übertragen und das Kind
unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Miteigentumsanteil
an dem erhaltenen Grundstück an seinen Ehegatten weiterschenkt. In solchen Fällen
kann, wenn das Kind nicht zur Weiterschenkung verpflichtet ist und die Eltern
die Weitergabe des Miteigentumsanteils am Grundstück nicht veranlasst haben, entgegen
der Auffassung des FG schenkungsteuerrechtlich regelmäßig nicht von einer
Zuwendung der Eltern an das Schwiegerkind ausgegangen werden.

b)
Im Streitfall ist eine der Schenkungsteuer unterliegende Zuwendung des V an die
Klägerin nicht gegeben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass
zivilrechtlich zwei Schenkungen vorliegen, und zwar eine Zuwendung des
Miteigentumsanteils am Grundstück durch den Übergeber V an seinen Sohn S,
soweit der Wert des Miteigentumsanteils den Wert des Nutzungsrechts zugunsten
des V und die an den Bruder zu zahlende Abfindung übersteigt, und eine
Zuwendung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück durch S an seine
Ehefrau, die Klägerin.

V
hat den gesamten Miteigentumsanteil am Grundstück seinem Sohn S und nicht
anteilig seiner Schwiegertochter, der Klägerin, zugewendet. Die Schenkung des V
an S war bereits ausgeführt, als S den zugewendeten Miteigentumsanteil am
Grundstück zur Hälfte auf die Klägerin übertragen hat. Eine ausgeführte Grundstücksschenkung
setzt –​was vorliegend gegeben war-​- ein wirksames Schenkungsversprechen, die
Auflassung und die Eintragungsbewilligung voraus (vgl. Viskorf, Finanz-​Rundschau
2005, 854). Die Eintragung des S im Grundbuch war hierfür nicht erforderlich
(vgl. BFH-​Urteil vom 26. September 1990 II R 150/88, BFHE 163, 214, BStBl II
1991, 320).

Der
zwischen V und S geschlossene Überlassungsvertrag enthielt keine Verpflichtung
des S zur Weiterübertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück
auf die Klägerin. Es sind ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass V
den S zu einer Weiterübertragung auf die Klägerin veranlasst haben könnte.
Eltern haben regelmäßig kein Interesse daran, ihre Grundstücke im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge nicht auf ihre Kinder, sondern unmittelbar auf
Schwiegerkinder zu übertragen (vgl. Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 3. Aufl., § 7
ErbStG Rz 94; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. Aufl., § 7
Rz 127; Gebel, ZEV 2005, 263, 264; Reymann, ZEV 2006, 55; Spiegelberger,
Festschrift für Spindler 2011, 809, unter II.4.). Das gilt insbesondere dann,
wenn –​wie im Streitfall-​- für bestimmte Fälle ein Rückübertragungsanspruch
des zuwendenden Elternteils gegenüber dem bedachten Kind vereinbart wird.
Insoweit ist unerheblich, dass auch bei einer Zuwendung von Eltern an das
Schwiegerkind nach Scheitern der Ehe Rückforderungsansprüche der Eltern nach
den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und nach Bereicherungsrecht
entstehen können (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Februar 2010 XII ZR
189/06, BGHZ 184, 190). Denn diese Rückforderungsansprüche betreffen das Verhältnis
der Eltern zum Schwiegerkind und nicht das Verhältnis zum eigenen Kind.

Eine
freigebige Zuwendung des V an die Klägerin kann nicht im Hinblick darauf
angenommen werden, dass V der Veräußerung eines hälftigen Miteigentumsanteils
am Grundstück durch S an die Klägerin zugestimmt hat. Selbst wenn sich die
Zustimmung zur Veräußerung, also zu einer entgeltlichen Übertragung, auf eine
unentgeltliche Überlassung erstreckt haben sollte, kann ein bloßes Einverständnis
des V mit der Weiterübertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils durch S auf
die Klägerin keine Zuwendung des V an die Klägerin begründen.

Außerdem
spricht gegen eine solche Zuwendung, dass nach den abgeschlossenen Verträgen S
für die Überlassung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück an seinen Bruder
50.000 € zu zahlen hatte, während die Klägerin den hälftigen Miteigentumsanteil
ohne besonderes Entgelt erhalten hat. Die Bereicherung der Klägerin um den Wert
des hälftigen Miteigentumsanteils beruht ausschließlich auf der Zuwendung des
S, der die Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Bruder nicht anteilig auf die
Klägerin abgewälzt hat.

c)
Bei der summarischen Prüfung im Rahmen des Verfahrens wegen AdV kann
dahinstehen, wie die im Vertrag zwischen V und S vereinbarte Anrechnung der
unentgeltlichen Zuwendung auf seine „Pflichtteilsansprüche“ (Tz IV.3.
der notariellen Urkunde) zu verstehen ist. Denn S hat gegenüber V auf seine
gesetzlichen Pflichtteilsansprüche bei dessen Ableben verzichtet.

d) Anhaltspunkte für
einen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 der Abgabenordnung) liegen nicht vor.
Quicklink: uw121004

BGH, Urteil vom 29.11.2011, II ZR 306 / 09

 

Tatbestand

1

Die Klägerin, die S. und U. U. Familienstiftung, ist die mit
Testament vom 25. Oktober 2001 eingesetzte Alleinerbin des am 26. Oktober 2002
verstorbenen Verlegers Dr. S. U. , der Beklagte ist der Sohn des Erblassers.
Der Erblasser war als persönlich haftender Gesellschafter an der S. Verlag GmbH
& Co. KG und der I. Verlag GmbH & Co. KG jeweils zu 51 %, an der
Verlagsleitung GmbH zu 55 % sowie an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
betreffend den Grundbesitz L. straße , F. beteiligt. Mit notarieller Urkunde
vom 24. Oktober 2001 räumte er unter anderem für den Zeitpunkt seines
Versterbens einem Treuhänder für die zu diesem Zeitpunkt aufsichtsrechtlich
noch nicht genehmigte gemeinnützige S. U. -Stiftung ohne Gegenleistung
Unterbeteiligungen in Höhe von jeweils 30 % an den genannten Gesellschaften ein
mit der Maßgabe, dass nach seinem Tod sein Erbe Hauptbeteiligter sei. Der
Treuhänder trat die Rechte aus den Unterbeteiligungen am 23. Oktober 2002 an
die zu diesem Zeitpunkt rechtswirksam entstandene S. U. -Stiftung ab.

2

In § 16 des notariellen Vertrags vom 24. Oktober 2001 heißt
es zur Geschäftsführung:

I. Geschäftsführer der Innengesellschaft ist der
Hauptbeteiligte. …

II. Der Hauptbeteiligte hat die Unterbeteiligte zu
unterrichten und anzuhören, ehe er bei der Wahrnehmung ihm als Gesellschafter
der Hauptgesellschaften zustehender Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung
vornimmt. Für Handlungen, die über gewöhnliche Gesellschafterentscheidungen in
den Beteiligungen hinausgehen (entsprechend § 116 Abs. 2 HGB), ist die
Zustimmung der Unterbeteiligten einzuholen.

3

§ 18 lautet:

Verteilung von Gewinn und Verlust

I. Auszugehen ist von dem Gewinn oder Verlust, der für den
Hauptbeteiligten in den Hauptgesellschaften steuerlich maßgeblich ist.

II. Der so berechnete verteilungsfähige Gewinn
beziehungsweise etwaige Verlust wird unter die Gesellschafter im Verhältnis
ihrer Kapitalkonten verteilt. …

4

Seit dem Tod des Erblassers streiten die Parteien – soweit
für das Revisionsverfahren noch von Interesse – darüber, ob die der S. U.
-Stiftung eingeräumten Unterbeteiligungen in den Nachlass gefallen und bei der
Berechnung des vom Beklagten geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs zu
berücksichtigen sind.

5

Das Landgericht hat dem Klagebegehren, es solle festgestellt
werden, dass der Erblasser durch den notariellen Vertrag vom 24. Oktober 2001
der S. U. -Stiftung Unterbeteiligungen von jeweils 30 % an den vier genannten
Gesellschaften schenkungsweise auf den Zeitpunkt seines Todes rechtswirksam
eingeräumt habe, entsprochen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist
erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

6

Die hinsichtlich der Verurteilung nach den weiteren
Klageanträgen gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des
Beklagten ist mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2011 (IV ZR
8/09) zurückgewiesen worden.

Gründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner
Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Die Feststellungsklage sei zulässig. Der Klageantrag sei auf
die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet, da es um
die Zugehörigkeit von Rechten zum Nachlass und die Bewertung der Grundlagen für
die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Beklagten im Verhältnis zur
Klägerin als Alleinerbin gehe. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Der
Erblasser habe der S. U. -Stiftung durch notariellen Vertrag vom 24. Oktober
2001 rechtswirksam Unterbeteiligungen von jeweils 30 % an den genannten
Gesellschaften schenkungsweise auf den Zeitpunkt seines Todes eingeräumt. Zwar
liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der unentgeltlichen
vertraglichen Begründung der Beteiligung an einer Innengesellschaft – anders
als bei der Beteiligung an einer Außengesellschaft – kein Vollzug der
Schenkung, da in einer Innengesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen der
Hauptbeteiligte dem Unterbeteiligten nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags
lediglich schuldrechtlich verpflichtet sei. Auf eine – hier vorliegende –
Unterbeteiligung, bei der dem Unterbeteiligten über eine bloße Einräumung von
schuldrechtlichen Forderungen auf Vermögensleistungen hinaus eine
mitgliedschaftliche Position eingeräumt werde, die ihm die Möglichkeit gebe,
maßgeblichen Einfluss auf das Schicksal der Innengesellschaft und seiner
Beteiligung auszuüben, sei diese Rechtsprechung jedoch nicht anzuwenden. In
einem solchen Fall sei die Schenkung bereits mit dem Abschluss des notariell
beurkundeten Gesellschaftsvertrags gemäß § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen.

10

II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

11

Das Berufungsgericht hat dem Feststellungsantrag der
Klägerin zu Recht entsprochen. Der Erblasser hat der S. U. -Stiftung die
Unterbeteiligungen an den Gesellschaften durch Schenkung unter Lebenden auf den
Todesfall zugewendet; die Schenkungen waren mit der Einräumung der
Unterbeteiligungen im notariellen Vertrag vom 24. Oktober 2001 vollzogen, §
2301 Abs. 2, §§ 516 ff. BGB.

12

1. Die Feststellungsklage ist zulässig.

13

Die Klage ist auf die Feststellung des Bestehens eines
Rechtsverhältnisses im Sinn von § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet; die Klägerin hat
ein Interesse an der von ihr begehrten Feststellung.

14

a) Mit der Klage auf Feststellung des Bestehens eines
Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO kann nicht nur die Feststellung des
Bestehens des Rechtsverhältnisses im Ganzen, sondern auch die Feststellung
einzelner, aus dem umfassenden Rechtsverhältnis hervorgehender Berechtigungen
verlangt werden (BGH, Urteil vom 26. Januar 1955 – IV ZR 180/54, LM Nr. 5 zu §
2100 BGB; Urteil vom 12. Dezember 1994 – II ZR 269/93, NJW 1995, 1097 m.w.N.;
Urteil vom 10. März 2004 – IV ZR 123/03, BGHZ 158, 226, 227 f. m.w.N.; Urteil
vom 20. Februar 2008 – VIII ZR 139/07, NJW 2008, 1303 Rn. 9 [BGH 20.02.2008 –
VIII ZR 139/07]; Roth in Stein/ Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 26).
Demgegenüber können einzelne rechtserhebliche Vorfragen oder Elemente eines
Rechtsverhältnisses oder bloße Berechnungsgrundlagen nicht Gegenstand einer
Feststellungsklage sein (BGH, Urteil vom 3. Mai 1977 – VI ZR 36/74, BGHZ 68,
331, 332; Urteil vom 20. Januar 1993 – IV ZR 139/91, NJW-RR 1993, 391; Urteil
vom 12. Dezember 1994 – II ZR 269/93 NJW 1995, 1097 m.w.N.). Ebenso wenig kann
die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage ohne Bezug zu einem konkreten
Rechtsverhältnis erstrebt werden (BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 – VIII ZR
289/99, NJW 2001, 445, 447 m.w.N.; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., §
256 Rn. 22; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 90 Rn.
9; Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 256 Rn. 33).

15

b) Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich
vorliegend weder um die Erstellung eines reinen Rechtsgutachtens noch um die
unselbständige Festlegung von Berechnungsgrundlagen für den
Pflichtteilsanspruch des Beklagten. Vielmehr begehrt die Klägerin die
Feststellung einzelner, aus dem umfassenden Rechtsverhältnis des
Pflichtteilsanspruchs hervorgehender gegenseitiger Berechtigungen und
Verpflichtungen. Sind die jeweiligen Unterbeteiligungen an den genannten
Gesellschaften der S. U. -Stiftung durch den Erblasser rechtswirksam zu
Lebzeiten auf den Zeitpunkt seines Todes geschenkt worden, so sind sie nicht in
den Nachlass gefallen. Ein Pflichtteilsanspruch des Beklagten könnte sich
hierauf nicht erstrecken. Handelte es sich demgegenüber bei der Einräumung der
Unterbeteiligungen lediglich um ein Vermächtnis, wäre dieses gegenüber dem
Pflichtteilsanspruch des Beklagten nachrangig und deshalb bei dessen Berechnung
nicht von den Nachlassaktiva abzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September
1987 – IVa ZR 97/86, NJW 1988, 136, 137; MünchKommBGB/Lange, 5. Aufl., § 2311
Rn. 20).

16

c) Anders als die Revision meint, kann die Klägerin nicht
darauf verwiesen werden, durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage
klären zu lassen, dass dem Beklagten über einen bestimmten Betrag hinaus kein
weitergehender Pflichtteilsanspruch zustehe. Die Erhebung einer solchen Klage
wäre zwar grundsätzlich möglich. Sie hätte aber bei dem hier gegebenen
umfangreichen Nachlass zur Folge, dass nicht nur über die von der Klägerin
rechtshängig gemachten Hauptstreitpunkte, sondern über zahlreiche weitere
Fragen, insbesondere die Zugehörigkeit bestimmter Gegenstände zum Nachlass
sowie deren Bewertung, in einem gerichtlichen Verfahren gestritten werden
müsste. Für die Beurteilung der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungklage
kommt es vielmehr maßgeblich darauf an, ob sie im konkreten Einzelfall
prozessökonomisch sinnvoll ist, weil sie einzelne zwischen den Parteien
streitige Punkte so klären kann, dass der Streit zwischen ihnen insgesamt
ausgeräumt wird und sich weitere Prozesse erübrigen (vgl. BGH, Urteil vom 17.
Januar 1951 – II ZR 16/50, BGHZ 1, 65, 74; Urteil vom 27. Juni 1990 – IV ZR
104/89, NJW-RR 1990, 1220, 1221; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 256
Rn. 22). Dies ist hier der Fall. Denn es liegt nicht fern, dass nach Klärung
der aus Sicht der Klägerin maßgeblichen Hauptpunkte zwischen den Parteien
insgesamt eine vergleichsweise Einigung über den Pflichtteilsanspruch erzielt
wird, die eine – von der Klägerin nicht gewünschte – Einbeziehung weiterer
Streitpunkte in einen Rechtsstreit entbehrlich macht.

17

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet.

18

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der
Erblasser der S. U. -Stiftung die Unterbeteiligungen an den vier Gesellschaften
rechtswirksam durch Schenkung unter Lebenden aufschiebend bedingt durch seinen
Tod zugewendet hat. Die unentgeltliche Zuwendung einer durch den Abschluss
eines Gesellschaftsvertrages entstehenden Unterbeteiligung, mit der dem
Unterbeteiligten über eine schuldrechtliche Mitberechtigung an den
Vermögensrechten des dem Hauptbeteiligten zustehenden Gesellschaftsanteils
hinaus mitgliedschaftliche Rechte eingeräumt werden, ist mit dem Abschluss des
Gesellschaftsvertrages im Sinn von § 2301 Abs. 2, § 518 Abs. 2 BGB vollzogen.

19

a) Bei den der S. U. -Stiftung zugewendeten
Unterbeteiligungen handelt es sich um Beteiligungen eines Dritten
(Unterbeteiligten) an den Gesellschaftsanteilen des Hauptbeteiligten. Zwischen
dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten kommt eine bürgerlich-rechtliche
Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen zustande, in der dem Dritten eine
schuldrechtliche Mitberechtigung zumindest am Gewinn des Gesellschaftsanteils
des Hauptbeteiligten eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 11. Juli 1968 – II ZR
179/66, BGHZ 50, 316, 320; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., Vor § 705 Rn. 92;
MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 230 Rn. 192, 194; Blaurock, Handbuch
Stille Gesellschaft, 7. Aufl., § 30.1). Auf die Unterbeteiligungsgesellschaft
sind grundsätzlich die Vorschriften der §§ 230 bis 236 HGB analog anzuwenden
(MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., Vor § 705 Rn. 92 m.w.N.). Der Gesellschaftsvertrag
der Unterbeteiligungsgesellschaft kann jedoch abweichend hiervon regeln, dass
der Unterbeteiligte über eine schuldrechtliche Forderung auf
Vermögensleistungen hinaus mitgliedschaftliche Teilhaberechte in der (Innen-)
Gesellschaft erwerben soll (K. Schmidt, DB 2002, 829, 832; MünchKommHGB/ K.
Schmidt, 2. Aufl., § 230 HGB Rn. 209, 237).

20

Die Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil kann
Gegenstand einer Schenkung sein, das Schenkungsversprechen bedarf gemäß § 518
Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung (BGH, Urteil vom 6. März 1967 –
II ZR 180/65, WM 1967, 685). Wird die Unterbeteiligung – wie hier – zu
Lebzeiten, jedoch erst auf den Zeitpunkt des Todes des Schenkers zugewendet,
liegt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden nur dann vor, wenn die Schenkung
bereits vollzogen wurde (§ 2301 Abs. 2 BGB). Hierfür ist erforderlich, dass der
Schenker alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, um die Schenkung zu
vollziehen. Dementsprechend genügt es für den Vollzug einer Schenkung, dass für
den Beschenkten ein Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht begründet wird, das sich
bei Eintritt der Bedingung, hier des Todesfalls, zwangsläufig zu einem
Vollrecht entwickelt (BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – III ZR 91/70, WM 1971,
1338, 1339 m.w.N.; Urteil vom 10. Mai 1989 – IVa ZR 66/88, NJW-RR 1989, 1282
m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

21

b) Die Schenkung der Unterbeteiligungen an die S. U.
-Stiftung wurde durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages in der
notariellen Urkunde vom 24. Oktober 2001 als Schenkung unter Lebenden auf den
Todesfall vollzogen, § 2301 Abs. 2, §§ 516 ff. BGB.

22

aa) Nach der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 24. September 1952 – II ZR 136/51, BGHZ 7,
174, 178 f.; Urteil vom 29. Oktober 1952 – II ZR 16/52, BGHZ 7, 378, 379 f.,
jeweils für die stille Gesellschaft; Urteil vom 6. März 1967 – II ZR 180/65, WM
1967, 685; offen gelassen in BGH, Urteil vom 2. Juli 1990 – II ZR 243/89, BGHZ
112, 40, 46; so auch OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 1996, 1123, 1124; OLG
Düsseldorf, NZG 1999, 652, 653) kann die unentgeltliche Einräumung einer
Unterbeteiligung – ebenso wie die unentgeltliche Zuwendung der stillen
Beteiligung an einer Gesellschaft -mangels dinglicher Mitberechtigung des Unterbeteiligten
am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft nicht vollzogen werden. Dies
kann weder durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages über die Begründung
der Innengesellschaft noch durch die Einbuchung des Gesellschaftsanteils in die
Bücher der Gesellschaft geschehen. Das Wesen der Unterbeteiligung als
Innengesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen besteht gerade darin, dass nur der
Hauptbeteiligte an der Hauptgesellschaft beteiligt ist und dass er dem anderen
nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages lediglich schuldrechtlich zur Teilhabe
zumindest am Gewinn seines Gesellschaftsanteils verpflichtet ist. Geht die
Verpflichtung des Hauptbeteiligten dahin, einen anderen durch Einräumung einer
Unterbeteiligung lediglich schuldrechtlich an den Vermögensrechten des ihm an
der Hauptgesellschaft zustehenden Gesellschaftsanteils zu beteiligen, soll es
nach dem Parteiwillen gerade nicht zu einer Vermögensübertragung kommen.
Vielmehr erschöpft sich die Zusage in einer schuldrechtlichen Verpflichtung,
die im Falle der unentgeltlichen Erteilung des Versprechens der notariellen
Form bedarf. Ein solches Schenkungsversprechen kann auch nicht dadurch
vollzogen werden, dass der Hauptbeteiligte den vereinbarten Anteil des
Unterbeteiligten buchmäßig, steuerlich oder in anderer Weise als Vermögen des
anderen führt. Denn auch durch eine derartige Handhabung wird der
Unterbeteiligte nicht stärker als schuldrechtlich an dem Gesellschaftsanteil
des Hauptbeteiligten als Partner der Innengesellschaft beteiligt. Auch wenn nur
ein schuldrechtlicher Anspruch zugewendet werden soll, so stellt doch dessen
Anerkennung in den Geschäftsbüchern oder gegenüber dem Finanzamt nicht die
Bewirkung der versprochenen Leistung dar; vielmehr wird lediglich eine
schuldrechtliche Verpflichtung des Schenkers durch eine andere ersetzt.

23

bb) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat im
Schrifttum teilweise Zustimmung erfahren (vgl. Schneider, DB 1954, 739 [BGH
05.07.1954 – VI ZR 109/53]; Meyer, Die Unterbeteiligung an
Handelsgesellschaftsanteilen, 1971, S. 79 ff.; Thomsen, Die Unterbeteiligung an
einem Personengesellschaftsanteil, S. 31; Böttcher/ Zartmann/Faut, Stille
Gesellschaft und Unterbeteiligung, 3. Aufl., S. 106; Blaurock, Unterbeteiligung
und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 156 f.; Soergel/Hadding/Kießling,
BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 12). Demgegenüber wird sie von zahlreichen anderen
Stimmen im Schrifttum, die die Schenkung einer Unterbeteiligung mit dem
Abschluss des die Innengesellschaft begründenden Gesellschaftsvertrages als
vollzogen ansehen wollen, abgelehnt (vgl. Hueck, NJW 1953, 140, [BGH 21.11.1952
– V ZR 49/51] für die stille Gesellschaft; Friehe, Die Unterbeteiligung bei
Personengesellschaften, S. 53 f.; Ulbrich, Die Unterbeteiligungsgesellschaft an
Personengesellschaftsanteilen, S. 101 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und
Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 225 ff.; Brandner/Bergmann, Festschrift
Sigle, 2000, S. 327, 330 ff.; Coenen, Formfreie Schenkung der
Gesellschafterstellung in einer stillen Gesellschaft und einer
Unterbeteiligung, S. 170 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. II, § 2 II 4
c, S. 111 f.; Staudinger/Wimmer-Leonhardt, BGB, Stand 2005, § 518 Rn. 41;
Hueck, ZHR 83 [1920], 1 ff., 22 ff.; Herzfeld, AcP 137 [1933], 270, 297). Eine
weitere Ansicht (MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 230 Rn. 224,103; K.
Schmidt, DB 2002, 829 ff.; MünchKommBGB/J. Koch, 5. Aufl., § 518 Rn. 37, 33,
35; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., Vor § 705 Rn. 96; § 705 Rn. 45 f.) folgt der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls für den Fall nicht, dass dem
Beschenkten mit der Beteiligung an der Innengesellschaft nicht nur
vermögensrechtliche Ansprüche, sondern auch mitgliedschaftliche Rechte wie
Stimm-, Verwaltungs- und Kontrollrechte zugewendet werden. In diesem Fall liege
ebenso wie bei der Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft die
Verschaffung des Rechts regelmäßig in der Begründung der Mitgliedschaft. Diese
begründe als Zuwendungsgegenstand eine Rechtsposition, über die der
Zuwendungsempfänger als Gesellschafter der Innengesellschaft vergleichbar einem
Stammrecht grundsätzlich rechtlich und tatsächlich verfügen könne. Dieser
Auffassung hat sich der Bundesfinanzhof in seiner neueren Rechtsprechung
angeschlossen (BFHE 220, 513, 515 f. [BFH 16.01.2008 – II R 10/06] = NJW-RR
2008, 986 Rn. 13 f.).

24

cc) Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob
die Rechtsprechung des Senats, nach der die unentgeltliche Zuwendung einer
Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil weder durch Abschluss des
Gesellschaftsvertrages noch durch die handels- und steuerliche Einbuchung
vollzogen ist, mit der Folge, dass eine solche Schenkung aus Rechtsgründen
nicht vollzogen werden könnte, grundsätzlich zu überdenken ist.

25

Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, hat der
Erblasser der S. U. -Stiftung nicht nur schuldrechtliche Ansprüche auf
Beteiligung am Gewinn des Hauptbeteiligten in den Hauptgesellschaften und auf
eine Abfindung bei Auflösung der Innengesellschaft eingeräumt, sondern sie
erhielt auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der
Innengesellschaft. Nach § 16 Abs. 2 des notariellen Vertrags vom 24. Oktober
2001 hat der Hauptbeteiligte die Unterbeteiligte zu unterrichten und anzuhören,
bevor er bei der Ausübung der ihm als Gesellschafter der Hauptgesellschaften zustehenden
Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung vornimmt. Für Handlungen, die über
gewöhnliche Entscheidungen im Sinn von § 116 Abs. 1, 2 HGB in den
Beteiligungsgesellschaften hinausgehen, ist sogar die Zustimmung der
Unterbeteiligten einzuholen.

26

Jedenfalls für den Fall der unentgeltlichen Einräumung einer
so ausgestalteten Unterbeteiligung folgt der Senat der Auffassung, dass die
Schenkung mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags vollzogen ist. Zwar kommt es
auch bei der Zuwendung einer solchen Unterbeteiligung – anders als bei der
Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft – nicht zu einer
dinglichen Mitberechtigung an der Hauptgesellschaft, da die Innengesellschaft –
wie bei einer solchen Fallgestaltung regelmäßig – über kein Gesamthandsvermögen
verfügt. Beschränkt sich aber die Unterbeteiligung nicht nur auf
schuldrechtliche Ansprüche gegen den zuwendenden Hauptbeteiligten auf
Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, sondern werden dem
Unterbeteiligten in der Innengesellschaft darüber hinaus mitgliedschaftliche
Rechte eingeräumt, durch die er Einfluss auf die Innengesellschaft nehmen kann,
erhält er nicht nur die Stellung eines schuldrechtlichen Gläubigers, sondern
eine in dem Anteil an der Innengesellschaft verkörperte mitgliedschaftliche
Rechtsposition. Das rechtfertigt die Annahme, dass die unentgeltliche Zuwendung
einer derartigen Beteiligung an einer Innengesellschaft ebenso wie die
unentgeltliche Einräumung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft mit dem
Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen ist.

27

dd) Entgegen der Meinung der Revision steht schließlich der
Annahme, die Schenkung der Unterbeteiligungen sei im Sinn von § 2301 Abs. 2 BGB
vollzogen, nicht entgegen, dass der Erblasser dem Treuhänder der S. U.
-Stiftung die Unterbeteiligungen erst für den Zeitpunkt seines Versterbens
eingeräumt hat. Wird die Schenkung einer Unterbeteiligung – wie hier – mit dem
Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen, hat der Erblasser zu Lebzeiten
alles aus seiner Sicht Erforderliche und Mögliche getan und damit dem
Beschenkten eine gesicherte und unentziehbare Anwartschaft eingeräumt, die sich
bei Eintritt der Bedingung zwangsläufig zu einem Vollrecht entwickelt hat (vgl.
BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338, 1339). Dass der S.
U. -Stiftung nicht nur ein obligatorischer Anspruch auf Abschluss eines
Unterbeteiligungsvertrages gegen die Klägerin als Erbin, sondern schon die
Beteiligung an der Innengesellschaft selbst zugewendet wurde, wird, wie das
Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch daraus deutlich, dass die mit
Abschluss des Gesellschaftsvertrages gegründete Innengesellschaft nach dem Tod
des Erblassers mit dessen Erben als Hauptbeteiligten „fortgesetzt“
werden sollte.
Quicklink: uw140201

BGH, Urteil vom 29.11.2011, II ZR 306 / 09

Tatbestand

Die Klägerin, die S. und U. U. Familienstiftung, ist die mit Testament vom 25. Oktober 2001 eingesetzte Alleinerbin des am 26. Oktober 2002 verstorbenen Verlegers Dr. S. U. , der Beklagte ist der Sohn des Erblassers. Der Erblasser war als persönlich haftender Gesellschafter an der S. Verlag GmbH & Co. KG und der I. Verlag GmbH & Co. KG jeweils zu 51 %, an der Verlagsleitung GmbH zu 55 % sowie an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffend den Grundbesitz L. straße , F. beteiligt. Mit notarieller Urkunde vom 24. Oktober 2001 räumte er unter anderem für den Zeitpunkt seines Versterbens einem Treuhänder für die zu diesem Zeitpunkt aufsichtsrechtlich noch nicht genehmigte gemeinnützige S. U. -Stiftung ohne Gegenleistung Unterbeteiligungen in Höhe von jeweils 30 % an den genannten Gesellschaften ein mit der Maßgabe, dass nach seinem Tod sein Erbe Hauptbeteiligter sei. Der Treuhänder trat die Rechte aus den Unterbeteiligungen am 23. Oktober 2002 an die zu diesem Zeitpunkt rechtswirksam entstandene S. U. -Stiftung ab.

 

In § 16 des notariellen Vertrags vom 24. Oktober 2001 heißt es zur Geschäftsführung:

I. Geschäftsführer der Innengesellschaft ist der Hauptbeteiligte. …

II. Der Hauptbeteiligte hat die Unterbeteiligte zu unterrichten und anzuhören, ehe er bei der Wahrnehmung ihm als Gesellschafter der Hauptgesellschaften zustehender Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung vornimmt. Für Handlungen, die über gewöhnliche Gesellschafterentscheidungen in den Beteiligungen hinausgehen (entsprechend § 116 Abs. 2 HGB), ist die Zustimmung der Unterbeteiligten einzuholen.

 

§ 18 lautet:

Verteilung von Gewinn und Verlust

I. Auszugehen ist von dem Gewinn oder Verlust, der für den Hauptbeteiligten in den Hauptgesellschaften steuerlich maßgeblich ist.

II. Der so berechnete verteilungsfähige Gewinn beziehungsweise etwaige Verlust wird unter die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalkonten verteilt. …

 

Seit dem Tod des Erblassers streiten die Parteien – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – darüber, ob die der S. U. -Stiftung eingeräumten Unterbeteiligungen in den Nachlass gefallen und bei der Berechnung des vom Beklagten geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen sind.

Das Landgericht hat dem Klagebegehren, es solle festgestellt werden, dass der Erblasser durch den notariellen Vertrag vom 24. Oktober 2001 der S. U. -Stiftung Unterbeteiligungen von jeweils 30 % an den vier genannten Gesellschaften schenkungsweise auf den Zeitpunkt seines Todes rechtswirksam eingeräumt habe, entsprochen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Die hinsichtlich der Verurteilung nach den weiteren Klageanträgen gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Beklagten ist mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2011 (IV ZR 8/09) zurückgewiesen worden.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Feststellungsklage sei zulässig. Der Klageantrag sei auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet, da es um die Zugehörigkeit von Rechten zum Nachlass und die Bewertung der Grundlagen für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Beklagten im Verhältnis zur Klägerin als Alleinerbin gehe. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Der Erblasser habe der S. U. -Stiftung durch notariellen Vertrag vom 24. Oktober 2001 rechtswirksam Unterbeteiligungen von jeweils 30 % an den genannten Gesellschaften schenkungsweise auf den Zeitpunkt seines Todes eingeräumt. Zwar liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der unentgeltlichen vertraglichen Begründung der Beteiligung an einer Innengesell-schaft – anders als bei der Beteiligung an einer Außengesellschaft – kein Vollzug der Schenkung, da in einer Innengesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen der Hauptbeteiligte dem Unterbeteiligten nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags lediglich schuldrechtlich verpflichtet sei. Auf eine – hier vorliegende – Unterbeteiligung, bei der dem Unterbeteiligten über eine bloße Einräumung von schuldrechtlichen Forderungen auf Vermögensleistungen hinaus eine mitgliedschaftliche Position eingeräumt werde, die ihm die Möglichkeit gebe, maßgeblichen Einfluss auf das Schicksal der Innengesellschaft und seiner Beteiligung auszuüben, sei diese Rechtsprechung jedoch nicht anzuwenden. In einem solchen Fall sei die Schenkung bereits mit dem Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrags gemäß § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen.

II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Das Berufungsgericht hat dem Feststellungsantrag der Klägerin zu Recht entsprochen. Der Erblasser hat der S. U. -Stiftung die Unterbeteiligungen an den Gesellschaften durch Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall zugewendet; die Schenkungen waren mit der Einräumung der Unterbeteiligungen im notariellen Vertrag vom 24. Oktober 2001 vollzogen, § 2301 Abs. 2, §§ 516 ff. BGB.

1. Die Feststellungsklage ist zulässig.

Die Klage ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinn von § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet; die Klägerin hat ein Interesse an der von ihr begehrten Feststellung.

a) Mit der Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO kann nicht nur die Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses im Ganzen, sondern auch die Feststellung einzelner, aus dem umfassenden Rechtsverhältnis hervorgehender Berechtigungen verlangt werden (BGH, Urteil vom 26. Januar 1955 – IV ZR 180/54, LM Nr. 5 zu § 2100 BGB; Urteil vom 12. Dezember 1994 – II ZR 269/93, NJW 1995, 1097 m.w.N.; Urteil vom 10. März 2004 – IV ZR 123/03, BGHZ 158, 226, 227 f. m.w.N.; Urteil vom 20. Februar 2008 – VIII ZR 139/07, NJW 2008, 1303 Rn. 9; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 26). Demgegenüber können einzelne rechtserhebliche Vorfragen oder Elemente eines Rechtsverhältnisses oder bloße Berechnungsgrundlagen nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BGH, Urteil vom 3. Mai 1977 – VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 332; Urteil vom 20. Januar 1993 – IV ZR 139/91, NJW-RR 1993, 391; Urteil vom 12. Dezember 1994 – II ZR 269/93 NJW 1995, 1097 m.w.N.). Ebenso wenig kann die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage ohne Bezug zu einem konkreten Rechtsverhältnis erstrebt werden (BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 – VIII ZR 289/99, NJW 2001, 445, 447 m.w.N.; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 256 Rn. 22; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 90 Rn. 9; Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 256 Rn. 33).

b) Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich vorliegend weder um die Erstellung eines reinen Rechtsgutachtens noch um die unselbständige Festlegung von Berechnungsgrundlagen für den Pflichtteilsanspruch des Beklagten. Vielmehr begehrt die Klägerin die Feststellung einzelner, aus dem umfassenden Rechtsverhältnis des Pflichtteilsanspruchs hervorgehender gegenseitiger Berechtigungen und Verpflichtungen. Sind die jeweiligen Unterbeteiligungen an den genannten Gesellschaften der S. U. -Stiftung durch den Erblasser rechtswirksam zu Lebzeiten auf den Zeitpunkt seines Todes geschenkt worden, so sind sie nicht in den Nachlass gefallen. Ein Pflichtteilsanspruch des Beklagten könnte sich hierauf nicht erstrecken. Handelte es sich demgegenüber bei der Einräumung der Unterbeteiligungen lediglich um ein Vermächtnis, wäre dieses gegenüber dem Pflichtteilsanspruch des Beklagten nachrangig und deshalb bei dessen Berechnung nicht von den Nachlassaktiva abzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1987 – IVa ZR 97/86, NJW 1988, 136, 137; MünchKommBGB/Lange, 5. Aufl., § 2311 Rn. 20).

c) Anders als die Revision meint, kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage klären zu lassen, dass dem Beklagten über einen bestimmten Betrag hinaus kein weitergehender Pflichtteilsanspruch zustehe. Die Erhebung einer solchen Klage wäre zwar grundsätzlich möglich. Sie hätte aber bei dem hier gegebenen umfangreichen Nachlass zur Folge, dass nicht nur über die von der Klägerin rechtshängig gemachten Hauptstreitpunkte, sondern über zahlreiche weitere Fragen, insbesondere die Zugehörigkeit bestimmter Gegenstände zum Nachlass sowie deren Bewertung, in einem gerichtlichen Verfahren gestritten werden müsste. Für die Beurteilung der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungklage kommt es vielmehr maßgeblich darauf an, ob sie im konkreten Einzelfall prozessökonomisch sinnvoll ist, weil sie einzelne zwischen den Parteien streitige Punkte so klären kann, dass der Streit zwischen ihnen insgesamt ausgeräumt wird und sich weitere Prozesse erübrigen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1951 – II ZR 16/50, BGHZ 1, 65, 74; Urteil vom 27. Juni 1990 – IV ZR 104/89, NJW-RR 1990, 1220, 1221; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 256 Rn. 22). Dies ist hier der Fall. Denn es liegt nicht fern, dass nach Klärung der aus Sicht der Klägerin maßgeblichen Hauptpunkte zwischen den Parteien insgesamt eine vergleichsweise Einigung über den Pflichtteilsanspruch erzielt wird, die eine – von der Klägerin nicht gewünschte – Einbeziehung weiterer Streitpunkte in einen Rechtsstreit entbehrlich macht.

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Erblasser der S. U. -Stiftung die Unterbeteiligungen an den vier Gesellschaften rechtswirksam durch Schenkung unter Lebenden aufschiebend bedingt durch seinen Tod zugewendet hat. Die unentgeltliche Zuwendung einer durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages entstehenden Unterbeteiligung, mit der dem Unterbeteiligten über eine schuldrechtliche Mitberechtigung an den Vermögensrechten des dem Hauptbeteiligten zustehenden Gesellschaftsanteils hinaus mitgliedschaftliche Rechte eingeräumt werden, ist mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Sinn von § 2301 Abs. 2, § 518 Abs. 2 BGB vollzogen.

a) Bei den der S. U. -Stiftung zugewendeten Unterbeteiligungen handelt es sich um Beteiligungen eines Dritten (Unterbeteiligten) an den Gesellschaftsanteilen des Hauptbeteiligten. Zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten kommt eine bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen zustande, in der dem Dritten eine schuldrechtliche Mitberechtigung zumindest am Gewinn des Gesellschaftsanteils des Hauptbeteiligten eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 11. Juli 1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316, 320; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., Vor § 705 Rn. 92;MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 230 Rn. 192, 194; Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 7. Aufl., § 30.1). Auf die Unterbeteiligungsgesellschaft sind grundsätzlich die Vorschriften der §§ 230 bis 236 HGB analog anzuwenden (MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., Vor § 705 Rn. 92 m.w.N.). Der Gesellschaftsvertrag der Unterbeteiligungsgesellschaft kann jedoch abweichend hiervon regeln, dass der Unterbeteiligte über eine schuldrechtliche Forderung auf Vermögensleistungen hinaus mitgliedschaftliche Teilhaberechte in der (Innen-)Gesellschaft erwerben soll (K. Schmidt, DB 2002, 829, 832; MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 230 HGB Rn. 209, 237).

Die Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil kann Gegenstand einer Schenkung sein, das Schenkungsversprechen bedarf gemäß § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung (BGH, Urteil vom 6. März 1967 – II ZR 180/65, WM 1967, 685). Wird die Unterbeteiligung – wie hier – zu Lebzeiten, jedoch erst auf den Zeitpunkt des Todes des Schenkers zugewendet, liegt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden nur dann vor, wenn die Schenkung bereits vollzogen wurde (§ 2301 Abs. 2 BGB). Hierfür ist erforderlich, dass der Schenker alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, um die Schenkung zu vollziehen. Dementsprechend genügt es für den Vollzug einer Schenkung, dass für den Beschenkten ein Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht begründet wird, das sich bei Eintritt der Bedingung, hier des Todesfalls, zwangsläufig zu einem Vollrecht entwickelt (BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338, 1339 m.w.N.; Urteil vom 10. Mai 1989 – IVa ZR 66/88, NJW-RR 1989, 1282 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

b) Die Schenkung der Unterbeteiligungen an die S. U. -Stiftung wurde durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages in der notariellen Urkunde vom 24. Oktober 2001 als Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall vollzogen, § 2301 Abs. 2, §§ 516 ff. BGB.

aa) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 24. September 1952 – II ZR 136/51, BGHZ 7, 174, 178 f.; Urteil vom 29. Oktober 1952 – II ZR 16/52, BGHZ 7, 378, 379 f., jeweils für die stille Gesellschaft; Urteil vom 6. März 1967 – II ZR 180/65, WM 1967, 685; offen gelassen in BGH, Urteil vom 2. Juli 1990 – II ZR 243/89, BGHZ 112, 40, 46; so auch OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 1996, 1123, 1124; OLG Düsseldorf, NZG 1999, 652, 653) kann die unentgeltliche Einräumung einer Unterbeteiligung – ebenso wie die unentgeltliche Zuwendung der stillen Beteiligung an einer Gesellschaft – mangels dinglicher Mitberechtigung des Unterbeteiligten am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft nicht vollzogen werden. Dies kann weder durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages über die Begründung der Innengesellschaft noch durch die Einbuchung des Gesellschaftsanteils in die Bücher der Gesellschaft geschehen. Das Wesen der Unterbeteiligung als Innengesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen besteht gerade darin, dass nur der Hauptbeteiligte an der Hauptgesellschaft beteiligt ist und dass er dem anderen nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages lediglich schuldrechtlich zur Teilhabe zumindest am Gewinn seines Gesellschaftsanteils verpflichtet ist. Geht die Verpflichtung des Hauptbeteiligten dahin, einen anderen durch Einräumung einer Unterbeteiligung lediglich schuldrechtlich an den Vermögensrechten des ihm an der Hauptgesellschaft zustehenden Gesellschaftsanteils zu beteiligen, soll es nach dem Parteiwillen gerade nicht zu einer Vermögensübertragung kommen. Vielmehr erschöpft sich die Zusage in einer schuldrechtlichen Verpflichtung, die im Falle der unentgeltlichen Erteilung des Versprechens der notariellen Form bedarf. Ein solches Schenkungsversprechen kann auch nicht dadurch vollzogen werden, dass der Hauptbeteiligte den vereinbarten Anteil des Unterbeteiligten buchmäßig, steuerlich oder in anderer Weise als Vermögen des anderen führt. Denn auch durch eine derartige Handhabung wird der Unterbeteiligte nicht stärker als schuldrechtlich an dem Gesellschaftsanteil des Hauptbeteiligten als Partner der Innengesellschaft beteiligt. Auch wenn nur ein schuldrechtlicher Anspruch zugewendet werden soll, so stellt doch dessen Anerkennung in den Geschäftsbüchern oder gegenüber dem Finanzamt nicht die Bewirkung der versprochenen Leistung dar; vielmehr wird lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung des Schenkers durch eine andere ersetzt.

bb) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat im Schrifttum teilweise Zustimmung erfahren (vgl. Schneider, DB 1954, 739; Meyer, Die Unterbeteiligung an Handelsgesellschaftsanteilen, 1971, S. 79 ff.; Thomsen, Die Unterbeteiligung an einem Personengesellschaftsanteil, S. 31; Böttcher/Zartmann/Faut, Stille Gesellschaft und Unterbeteiligung, 3. Aufl., S. 106; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 156 f.; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 12). Demgegenüber wird sie von zahlreichen anderen Stimmen im Schrifttum, die die Schenkung einer Unterbeteiligung mit dem Abschluss des die Innengesellschaft begründenden Gesellschaftsvertrages als vollzogen ansehen wollen, abgelehnt (vgl. Hueck, NJW 1953, 140, für die stille Gesellschaft; Friehe, Die Unterbeteiligung bei Personengesellschaften, S. 53 f.; Ulbrich, Die Unterbeteiligungsgesellschaft an Personengesellschaftsanteilen, S. 101 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 225 ff.; Brandner/Bergmann, Festschrift Sigle, 2000, S. 327, 330 ff.; Coenen, Formfreie Schenkung der Gesellschafterstellung in einer stillen Gesellschaft und einer Unterbeteiligung, S. 170 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. II, § 2 II 4 c, S. 111 f.; Staudinger/Wimmer-Leonhardt, BGB, Stand 2005, § 518 Rn. 41; Hueck, ZHR 83 [1920], 1 ff., 22 ff.; Herzfeld, AcP 137 [1933], 270, 297). Eine weitere Ansicht (MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 230 Rn. 224,103; K. Schmidt, DB 2002, 829 ff.; MünchKommBGB/J. Koch, 5. Aufl., § 518 Rn. 37, 33, 35; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., Vor § 705 Rn. 96; § 705 Rn. 45 f.) folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls für den Fall nicht, dass dem Beschenkten mit der Beteiligung an der Innengesellschaft nicht nur vermögensrechtliche Ansprüche, sondern auch mitgliedschaftliche Rechte wie Stimm-, Verwaltungs- und Kontrollrechte zugewendet werden. In diesem Fall liege ebenso wie bei der Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft die Verschaffung des Rechts regelmäßig in der Begründung der Mitgliedschaft. Diese begründe als Zuwendungsgegenstand eine Rechtsposition, über die der Zuwendungsempfänger als Gesellschafter der Innengesellschaft vergleichbar einem Stammrecht grundsätzlich rechtlich und tatsächlich verfügen könne. Dieser Auffassung hat sich der Bundesfinanzhof in seiner neueren Rechtsprechung angeschlossen (BFHE 220, 513, 515 f. = NJW-RR 2008, 986 Rn. 13 f.).

cc) Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob die Rechtsprechung des Senats, nach der die unentgeltliche Zuwendung einer Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil weder durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages noch durch die handels- und steuerliche Einbuchung vollzogen ist, mit der Folge, dass eine solche Schenkung aus Rechtsgründen nicht vollzogen werden könnte, grundsätzlich zu überdenken ist.

Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, hat der Erblasser der S. U. -Stiftung nicht nur schuldrechtliche Ansprüche auf Beteiligung am Gewinn des Hauptbeteiligten in den Hauptgesellschaften und auf eine Abfindung bei Auflösung der Innengesellschaft eingeräumt, sondern sie erhielt auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft. Nach § 16 Abs. 2 des notariellen Vertrags vom 24. Oktober 2001 hat der Hauptbeteiligte die Unterbeteiligte zu unterrichten und anzuhören, bevor er bei der Ausübung der ihm als Gesellschafter der Hauptgesellschaften zustehenden Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung vornimmt. Für Handlungen, die über gewöhnliche Entscheidungen im Sinn von § 116 Abs. 1, 2 HGB in den Beteiligungsgesellschaften hinausgehen, ist sogar die Zustimmung der Unterbeteiligten einzuholen.

Jedenfalls für den Fall der unentgeltlichen Einräumung einer so ausgestalteten Unterbeteiligung folgt der Senat der Auffassung, dass die Schenkung mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags vollzogen ist. Zwar kommt es auch bei der Zuwendung einer solchen Unterbeteiligung – anders als bei der Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft – nicht zu einer dinglichen Mitberechtigung an der Hauptgesellschaft, da die Innengesellschaft – wie bei einer solchen Fallgestaltung regelmäßig – über kein Gesamthandsvermögen verfügt. Beschränkt sich aber die Unterbeteiligung nicht nur auf schuldrechtliche Ansprüche gegen den zuwendenden Hauptbeteiligten auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, sondern werden dem Unterbeteiligten in der Innengesellschaft darüber hinaus mitgliedschaftliche Rechte eingeräumt, durch die er Einfluss auf die Innengesellschaft nehmen kann, erhält er nicht nur die Stellung eines schuldrechtlichen Gläubigers, sondern eine in dem Anteil an der Innengesellschaft verkörperte mitgliedschaftliche Rechtsposition. Das rechtfertigt die Annahme, dass die unentgeltliche Zuwendung einer derartigen Beteiligung an einer Innengesellschaft ebenso wie die unentgeltliche Einräumung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen ist.

dd) Entgegen der Meinung der Revision steht schließlich der Annahme, die Schenkung der Unterbeteiligungen sei im Sinn von § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen, nicht entgegen, dass der Erblasser dem Treuhänder der S. U. -Stiftung die Unterbeteiligungen erst für den Zeitpunkt seines Versterbens eingeräumt hat. Wird die Schenkung einer Unterbeteiligung – wie hier – mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen, hat der Erblasser zu Lebzeiten alles aus seiner Sicht Erforderliche und Mögliche getan und damit dem Beschenkten eine gesicherte und unentziehbare Anwartschaft eingeräumt, die sich bei Eintritt der Bedingung zwangsläufig zu einem Vollrecht entwickelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338, 1339). Dass der S. U. -Stiftung nicht nur ein obligatorischer Anspruch auf Abschluss eines Unterbeteiligungsvertrages gegen die Klägerin als Erbin, sondern schon die Beteiligung an der Innengesellschaft selbst zugewendet wurde, wird, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch daraus deutlich, dass die mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages gegründete Innengesellschaft nach dem Tod des Erblassers mit dessen Erben als Hauptbeteiligten „fortgesetzt“ werden sollte.
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FG Köln, Urteil vom 16.11.2011, 9 K 3087 / 10

 

Tatbestand

Streitig ist die
Anwendbarkeit der Steuervergünstigungen nach § 13 a Abs. 1 und 2 i. V. m. Abs.
4 Nr. 3 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in der für das Streitjahr 2005 geltenden
Fassung für den Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden
Personengesellschaft, wenn zu deren Vermögen Anteile an einer inländischen
Kapitalgesellschaft gehören.

Der Kläger hielt im
Jahre 2005 Geschäftsanteile zum Nennbetrag von 6.500.000 DM
(= 3.323.397,20 €) und damit 100 % des Stammkapitals der A Investitions-
und Beteiligungs-​GmbH
(A GmbH) sowie desweiteren alle Anteile an der A-​tec GmbH. Ende des
Jahres 2005 verfolgte der Kläger das Ziel, seiner Ehefrau sowie seinen sieben
Kindern einen Teil seiner Beteiligungen an der A GmbH sowie an der A-​tec GmbH im Wege einer
vorweggenommenen Erbfolge zu übertragen. Die Beschenkten sollten jedoch nicht
einzelne GmbH-​Beteiligungen
erhalten, sondern die Anteile sollten in eine gesamthänderische Verbundenheit
gebracht werden, um hierdurch eine Stärkung des familiären Zusammenhalts und
eine zukünftige gemeinsame Entwicklung und Kontrolle des Familienvermögens zu
bewirken.

Zur Erreichung dieses
Ziels führte der Kläger mit notariellem Vertrag vom 28.12.2005 eine Kapitalerhöhung
bei der B GmbH & Co. KG durch, an der zu diesem Zeitpunkt der Kläger selbst
als Komplementär mit einer Einlage in Höhe von 100.000 €, die B Verwaltungs-​GmbH als
Komplementärin – deren Anteile der Kläger ebenfalls hielt – ohne Einlage sowie
Herr B1, ein Sohn des Klägers, als Kommanditist mit einer Einlage i. H. v.
5.000 € beteiligt waren. Im Rahmen dieser Kapitalerhöhung wurde die Komplementäreinlage
des Klägers um 3.372.268,04 € auf insgesamt 3.472.268,04 € dadurch erhöht, dass
der Kläger seine Geschäftsanteile an der A GmbH an die B GmbH & Co. KG
abtrat. Desweiteren übertrug er seine Anteile an der A-​tec GmbH durch Verkauf
auf die B GmbH & Co. KG. Das Vermögen der B GmbH & Co. KG bestand damit
im Wesentlichen aus diesen GmbH-​Beteiligungen. Im
Übrigen handelte es sich bei der B GmbH & Co. KG um eine Einheits-​KG, da diese daneben
auch noch die Anteile an der B Verwaltungs-​GmbH – also ihrer
eigenen Komplementär-​GmbH
– hielt.

Mit Schenkungs- und
Nießbrauchsvertrag vom 28.12.2005 übertrug der Kläger mit Wirkung zum
31.12.2005, 24.00 Uhr, Anteile an der vermögensverwaltenden B GmbH & Co. KG
in Höhe von jeweils 312.954,12 € (= 9 % des Gesamtkapitals der B GmbH & Co.
KG von 3.477.268,04 €) auf seine Ehefrau sowie auf sechs seiner Kinder. Auf
seinen Sohn B1 übertrug der Kläger in Anbetracht von dessen bereits bestehender
Kommanditbeteiligung in Höhe von 5.000 € einen Anteil in Höhe von 307.954,12 €.
Hinsichtlich dieser im Wege der Schenkung übertragenen Beteiligungen behielt
sich der Kläger den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Wegen der
Ausgestaltung des vereinbarten Nießbrauchsvorbehalts im Einzelnen wird auf den
Schenkungsvertrag Bezug genommen.

Desweiteren wurde
vereinbart, dass der Schenker die mit der Schenkung verbundenen Steuern trage.

Der Komplementäranteil
des Klägers betrug nach diesen schenkweisen Übertragungen 973.635,08 €.

Laut
Gesellschaftsvertrag der B GmbH & Co. KG vom 29.12.2005 ist Gegenstand
dieses Unternehmens der Erwerb, das Halten und die Verwaltung von Vermögen
aller Art. Die Gesellschaft ist ferner berechtigt, sich an anderen Unternehmen
zu beteiligen und alle sonstigen Geschäfte und Maßnahmen vorzunehmen, die den
Unternehmenszweck zu fördern geeignet sind. Die Gesellschaft ist jedoch nicht
berechtigt, in irgendeiner Weise gewerblich tätig zu werden.

Im Rahmen der
Schenkungsteuererklärungen vom 02.05.2006 gab der Kläger an, dass nichtnotierte
Anteile an Kapitalgesellschaften im Wert von jeweils 527.211 € den Erwerbern
geschenkt worden seien. Hierzu legte der Kläger die vorläufige Bilanz der B
GmbH & Co. KG zum 31.12.2005 vor, die die im Anlagevermögen gehaltenen
Beteiligungen an verbundenen Unternehmen, und zwar an der A-​tec GmbH, der A GmbH
sowie der B Verwaltungs-​GmbH ausweist. Ferner
fügte er eine Aufstellung bei, aus der ersichtlich ist, dass für jeden Erwerber
ein Anteil von 9 % an den zum Anlagevermögen der B GmbH & Co. KG
gehörenden Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Ansatz gebracht wurde.
Dabei wurde der Wert des Erwerbs für die A-​tec GmbH mit 4.517 €
(für den Sohn B1 mit 4.446 €), für die A GmbH mit 520.444 € (für den Sohn B1
mit 512.348 €) und für die B Verwaltungs-​GmbH mit 2.250 € (für
den Sohn B1 mit 2.215 €), somit insgesamt 527.211 € (519.009 €) angesetzt.

In den Anlagen zu
diesen Schenkungsteuererklärungen wies der Kläger jedem Erwerber eine
Freibetragsanteil gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 1 ErbStG in Höhe von 28.125 € zu.
Desweiteren beantragte er für die Übertragung begünstigter nichtnotierter
Anteile an Kapitalgesellschaften in Höhe von 527.211 € (519.009 €) den
Bewertungsabschlag von 35 % nach § 13 a Abs. 2 ErbStG.

Am 24.07.2009 erließ
der Beklagte gegenüber dem Kläger acht Schenkungsteuer-​bescheide, die jeweils
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Dabei wurden die festgesetzten
Schenkungsteuern in voller Höhe nach § 25 ErbStG gestundet.
Steuervergünstigungen gemäß § 13 a ErbStG wurden unter Hinweis auf H 26 der
Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) nicht gewährt, da der Kläger als Schenker
nicht unmittelbar an den im Anlagevermögen der B GmbH & Co. KG gehaltenen
Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sei.

Gegen diese
Schenkungsteuerbescheide legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein.

Im Laufe des
Einspruchsverfahrens wurden die Schenkungsteuerbescheide am 17.06.2010
geändert. Dabei wurden die Werte für die Anteile an den verbundenen Unternehmen
heraufgesetzt, hinsichtlich der A-​tec GmbH auf 5.085 €
(5.006 €), bei der A GmbH auf 675.979 € (665.464 €) und bei der B Verwaltungs-​GmbH auf 2.318 €
(2.281 €). Die geänderten Bescheide wurden Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

Im Rahmen des
Einspruchsverfahrens vertrat der Kläger die Auffassung, es handele sich bei der
B GmbH & Co. KG zwar um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft ohne
Betriebsvermögen, da die Gesellschaft keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehe.
Intention des Klägers als Schenker sei es jedoch gewesen, seiner Ehefrau und
seinen Kindern seine Beteiligung an der A GmbH im Wege der vorweggenommenen
Erbfolge zu übertragen. Dazu habe der Kläger im Rahmen eines Gesamtplans am
28.12.2005 eine Kapitalerhöhung bei der vermögensverwaltenden B GmbH & Co.
KG durch die Einlage seiner Beteiligung an der A GmbH vorgenommen. Noch am
gleichen Tage habe der Kläger seine Anteile an der vermögensverwaltenden B GmbH
& Co. KG an seine Ehefrau und an seine Kinder übertragen. Diese Schenkung
sei vertragsgemäß zum 31.12.2005, 24.00 Uhr, wirksam geworden. Der Kläger sei
somit noch am Tag der Schenkung unmittelbar an der A GmbH beteiligt gewesen.
Dabei seien auch die Vertragswerke von der Reihenfolge her so abgewickelt
worden, dass zuerst der Notarvertrag unterzeichnet worden sei, mit dem die
Beteiligung an der A GmbH auf die B GmbH & Co. KG übertragen worden sei und
erst im Anschluss hieran sei die Schenkung der Anteile an der B GmbH & Co.
KG auf die Ehefrau und die Kinder des Klägers erfolgt. Nach der herrschenden
Auffassung im Fachschrifttum seien die Vergünstigungen des § 13 a Abs. 1
und 2 i. V. m. Abs. 4 Nr. 3 ErbStG für diese Übertragung zu gewähren, da der
Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, die nicht nach § 12
Abs. 5 ErbStG zu bewerten sei, nach der Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG
als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter gelte. Die Erwerber hätten nach
dieser gesetzlichen Fiktion schließlich nicht die Anteile an der
vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG erhalten, sondern die dahinterstehenden
einzelnen Wirtschaftsgüter. Damit sei den Erwerbern für schenkungsteuerliche
Belange unmittelbar die Beteiligung an der von der B GmbH & Co. KG
gehaltenen, über 25 % betragenden inländischen Beteiligung an der A GmbH
übertragen worden. Also hätten die Erwerber auch unmittelbar eine Beteiligung
im Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG mit der Folge zugewandt erhalten, dass
sowohl der Freibetrag als auch der Bewertungsabschlag zu gewähren seien. Dies
entspreche auch der ertragsteuerlichen Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2
Nr. 2 AO bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften.

Mit
Einspruchsentscheidungen vom 02.09.2010 wurden die Einsprüche des Klägers gegen
die Schenkungsteuerbescheide als unbegründet zurückgewiesen. Dabei stellte der
Beklagte im Wesentlichen darauf ab, dass die Begünstigung erworbener Anteile
gemäß § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG zwingend voraussetze, dass der Schenker zum
Zeitpunkt der Steuerentstehung zu mehr als 25 % unmittelbar an der übertragenen
Kapitalgesellschaft beteiligt sei. Trotz der Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 3
ErbStG, wonach der Erwerb einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden
Personengesellschaft als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter gelte, könnten
nach den Anweisungen in H 26 der ErbStR die Vergünstigungen nach § 13 a Abs. 1
und 2 i. v. m. Abs. 4 Nr. 3 ErbStG nicht gewährt werden. Die genannte Fiktion
ändere nichts daran, dass der Kläger nur mittelbar über das Gesamthandsvermögen
der KG an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sei.

Die ertragsteuerliche
Bruchteilbetrachtung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften nach § 39
Abs. 2 Nr. 2 AO sei schenkungsteuerlich zudem unbeachtlich.

Im Rahmen seiner
hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass aus
steuerlicher Sicht die Wirtschaftsgüter einer vermögensverwaltenden
Personengesellschaft aufgrund der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2
AO dem Gesellschafter in dem Umfang zugerechnet würden, in dem er
vermögensmäßig an der Personengesellschaft beteiligt sei. Damit sei das Halten von
Anteilen an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft nicht als ein
Wirtschaftsgut in Gestalt einer Gesellschaftsbeteiligung anzusehen. Vielmehr
werde für steuerliche Zwecke gleichsam durch die Personengesellschaft
hindurchgesehen (Transparenzprinzip). Diese Betrachtungsweise müsse auch bei
der Zuwendung eines Anteils an einer steuerlich transparenten
vermögensverwaltenden Personengesellschaft gelten.

Für diese Auffassung
spreche auch der eindeutige Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG. Danach
gelte der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer
Personengesellschaft, die nicht nach § 12 Abs. 5 ErbStG zu bewerten sei, als
Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter. Durch diese Formulierung werde
eindeutig der Gedanke des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO in das Erbschaftsteuerrecht
integriert. Danach sei nämlich der Erwerb eines Anteils an einer
vermögensverwaltenden Personengesellschaft schenkungsteuerlich als Übertragung
der einzelnen Wirtschaftsgüter und eben nicht als Übertragung eines Anteils an
einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft anzusehen. In diesem Sinne
würden nach § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die einzelnen Wirtschaftsgüter und damit
auch unmittelbar die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft erworben.

Die Entscheidung, was
Gegenstand des unentgeltlichen Erwerbs eines Anteils an einer
vermögensverwaltenden Personengesellschaft sei, werde nicht im Rahmen der
Auslegung des Begriffs der „Unmittelbarkeit“ in § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG
getroffen. Vielmehr handele es sich bei der Ermittlung des Gegenstands der
Zuwendung um eine Vorfrage, die nach der Gesetzessystematik der Anwendung des §
13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG vorgehe. Da § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG für den
unentgeltlichen Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft
abschließend die Frage nach dem Schenkungsgegenstand regele, könne diese
bereits geklärte vorgreifliche Frage im Rahmen der Auslegung des Begriffs der
Unmittelbarkeit in § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG nicht – wie in H 26 der ErbStR
geschehen – zum zweiten Mal gestellt und – wie dort geschehen – abweichend
beantwortet werden. Damit sei für die Anwendung des § 13 a ErbStG entgegen der
vom Beklagten vertretenen Auffassung die Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG
sehr wohl auch für erbschaftsteuerliche Zwecke relevant, weil das der
Unmittelbarkeit ansonsten entgegenstehende Gesamthandsvermögen durch die
Bruchteilsbetrachtung des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verdrängt werde, womit
nicht nur für ertragsteuerliche Zwecke eine Unmittelbarkeit gegeben sei.

Damit sei der die
Mitgliedschaft an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft übertragende
Gesellschafter durch § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG an einer Kapitalgesellschaft
unmittelbar im Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG beteiligt, die sich im
Vermögen der betreffenden vermögensverwaltenden Personengesellschaft befinde.

Die Rechtsauffassung
der Finanzverwaltung stehe hingegen im Gegensatz zur Regelung des § 10 Abs. 1
Satz 3 ErbStG. Insoweit sei nicht erklärlich, wie die Rechtsauffassung der
Finanzverwaltung mit § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG in Übereinstimmung zu bringen
sei, wonach der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer
Personengesellschaft oder einer anderen Gesamthandsgemeinschaft, die nicht
unter § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG falle, als Erwerb der anteiligen
Wirtschaftsgüter anzusehen sei.

In diesem Zusammenhang
sei darüberhinaus auch auf einen Erlass des Bayerischen Staatsministeriums der
Finanzen vom 23.03.2009 (DStR 2009, 908) hinzuweisen, in dem die
Finanzverwaltung sowohl für atypische stille Unterbeteiligungen als auch für
atypisch stille Beteiligungen feststelle, dass es sich um begünstigtes Vermögen
im Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG handele. Wenn aber die mittelbare
Beteiligung an einer Personengesellschaft über eine Unterbeteiligung begünstigt
sei, könne für eine mittelbare Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft über
eine vermögensverwaltende und damit transparente Personengesellschaft nichts
anderes gelten.

Die Unmittelbarkeit in
§ 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG könne nur so verstanden werden, dass das Erfordernis
lediglich für solche Beteiligungen gelten könne, die von einer anderen
Kapitalgesellschaft oder gewerblichen Personengesellschaft gehalten würden.
Solche Beteiligungen seien nur im Rahmen der betreffenden Gesellschaft
begünstigungsfähig, da § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG insoweit nicht gelte.

Zudem sei zu
berücksichtigen, dass die Vorgehensweise des Klägers im Rahmen der Übertragung
seiner Beteiligung an der A GmbH durch Einlage in die vermögensverwaltende B
GmbH & Co. KG sowie der taggleichen Übertragung dieser Beteiligung an die
Erwerber sich als gesamtplanmäßige Übertragung der Beteiligung an der A GmbH
darstelle. Dies werde besonders deutlich anhand der Tatsache, dass die B GmbH
& Co. KG selbst über kein wesentliches Betriebsvermögen verfüge.

Nach der
Gesamtplanrechtsprechung des BFH würden verschiedene, in sachlichem und
zeitlichem Zusammenhang stehende Teilakte im Hinblick auf die Anwendung
steuergesetzlicher Normen zu einer einheitlichen Transaktion zusammengefasst.
Eine solche Zusammenfassung werde angenommen, wenn die Teilschritte vom
Steuerpflichtigen im Voraus geplant würden, ihre Ausführung vom
Steuerpflichtigen beherrscht werde und das geplante Ergebnis erreicht werde.
Wenngleich die Gesamtplangrundsätze bislang fast ausschließlich zugunsten der
Finanzverwaltung diskutiert und angewandt würden, ergäben sich aus ihr auch
Argumentationsmöglichkeiten zugunsten des Steuerpflichtigen.

Rechtsfolge eines
anzunehmenden Gesamtplanvorgehens sei die zusammengefasste Betrachtung der
einzelnen Teilschritte. Im Zuge der anzustellenden Gesamtbetrachtung seien dann
die für die jeweilige Norm geltenden Grundsätze zu beachten. Im Falle der einen
Gesamtplan verfolgenden Übertragung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
würden folglich die dargestellten Grundsätze zu § 13 a ErbStG gelten, so dass
es erst gar nicht der Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bedürfe, um eine
Unmittelbarkeit im Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG annehmen zu können.

Im Streitfall habe der
Kläger im Rahmen eines solchen Gesamtplans den Entschluss gefasst, sich von der
Unternehmensbeteiligung zu trennen und diese seiner Ehefrau und seinen Kindern
zukommen zu lassen. Die Umsetzung dieses Vorhabens sei am 28.12.2005 erfolgt,
zunächst durch die Einlage seiner Beteiligung an der A GmbH in die
vermögensverwaltende B GmbH & Co. KG, die eigens zum Zweck einer
vorweggenommenen Erbfolge als Familiengesellschaft gegründet worden sei. Die
eingelegte Beteiligung stelle im Wesentlichen das gesamte Betriebsvermögen der
Gesellschaft dar. Taggleich sei die Beteiligung an der vermögensverwaltenden B
GmbH & Co. KG auf die Ehefrau und die Kinder übertragen worden. Dieser
Gesamtplan habe dazu geführt, dass der Kläger seine unmittelbare Beteiligung im
Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG an die Erwerber übertragen habe.

Im Laufe des
Klageverfahrens sind die angegriffenen Schenkungsteuerbescheide am 17.12.2010
erneut geändert worden. Der Wert der Beteiligung an der A GmbH wurde dabei auf
690.934 € (680.186 €) heraufgesetzt. Die geänderten Bescheide sind zum
Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Der Kläger beantragt,
die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide vom 17.12.2010 dahingehend zu
ändern, dass für die schenkweise Übertragung der Anteile an der B GmbH
& Co. KG die Vergünstigungen nach § 13 a ErbStG gewährt werden, er regt an,
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte
beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist hierzu auf
seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Gründe

Die Klage ist
begründet.

Die angegriffenen
Schenkungsteuerbescheide sind insoweit rechtswidrig, als es der Beklagte
abgelehnt hat, dem Kläger für die Schenkung seiner Anteile an der B GmbH &
Co. KG an seine Ehefrau und seine Kinder die Vergünstigungen des § 13 a Abs. 1
und Abs. 2 ErbStG a. F. zu gewähren. Denn mit der Übertragung dieser Anteile
hat der Kläger zugleich Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13 a
Abs. 4 Nr. 3 ErbStG a. F. auf die Erwerber übertragen, für die die genannten
Vergünstigungen zu gewähren sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind im
Streitfall die Tatbestandsvoraussetzungen für begünstigtes Vermögen im Sinne
dieser Vorschrift gegeben.

I. Gemäß § 13 a Abs. 1
Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 3 ErbStG in der für das Jahr 2005 geltenden Fassung
bleiben beim Erwerb durch Schenkung unter Lebenden Anteile an
Kapitalgesellschaften bis zu einem Wert von 225.000 € außer Ansatz, wenn die
Kapitalgesellschaft zur Zeit der Steuerentstehung Sitz oder Geschäftsleitung im
Inland hat, der Schenker am Nennkapital der Gesellschaft zu mehr als einem
Viertel unmittelbar beteiligt war und er dem Finanzamt unwiderruflich erklärt,
dass der Freibetrag für die Schenkung in Anspruch genommen wird. Gemäß Absatz 2
dieser Vorschrift ist der verbleibende Wert des Anteilsvermögens lediglich mit
65 % anzusetzen. Begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ist
jedoch nur dann gegeben, wenn der Schenker an der Kapitalgesellschaft
unmittelbar beteiligt ist (vgl. BFH-​Urteil vom 16. Februar
2005 II R 6/02, BStBl. II 2005, 411).

II. Im Streitfall
liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für ein nach § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG
begünstigtes Vermögen vor. Denn der Kläger war auch nach Einbringung bzw.
Übertragung seiner Anteile an den betreffenden Kapitalgesellschaften in bzw.
auf die B GmbH & Co. KG weiterhin an diesen Gesellschaften unmittelbar
beteiligt. Die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Kläger
auch noch im Zeitpunkt der Schenkung an denjenigen Kapitalgesellschaften
unmittelbar beteiligt gewesen ist, die im Rahmen der Übertragung der Anteile an
der B GmbH & Co. KG auf die Erwerber übergegangen sind, ist nach Auffassung
des Senats zu bejahen.

1. Denn bei der B GmbH
& Co. KG handelt es sich um eine sogenannte nicht unternehmerische
Personengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand kein Gewerbebetrieb ist, die
also über kein Betriebsvermögen verfügt, sondern allein ihr aus Beteiligungen
an Kaptalgesellschaften bestehendes Anlagevermögen verwaltet. Für eine solche
vermögensverwaltende Personengesellschaft kommt im Erbschaftsteuerrecht die
Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG in der im Streitjahr 2005 geltenden
Fassung zur Anwendung. Diese bestimmt, dass der unmittelbare oder mittelbare
Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, die nicht nach § 12
Abs. 5 ErbStG zu bewerten ist – die also über kein Betriebsvermögen verfügt -,
als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt. Mit dieser durch das
Jahressteuergesetz 1997 (BGBl I 1996, 2049) mit Wirkung ab dem 01.01.1996 neu
eingeführten Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG hat der Gesetzgeber eine
gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass der Erwerb eines Anteils an einer
vermögensverwaltenden Personengesellschaft wie eine gemischte Schenkung
besteuert werden kann. Danach gilt der unmittelbare oder mittelbare Erwerb
einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft als
Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter dieser Gesellschaft (vgl. Weinmann in
Mönch/Weinmann, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand März 2010, § 10 Rn.
26/27; Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand Februar
2011, § 10 Rn. 15.1). Unabhängig von der für den vorliegenden Streitfall nicht
weiter bedeutsamen Zielsetzung, die den Gesetzgeber zur Einführung der Regelung
des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bewogen hat (vgl. BT-​Drucks. 13/5952, 88),
gilt jedenfalls sowohl beim unmittelbaren als auch beim mittelbaren Erwerb
einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft nicht der
Gesellschaftsanteil als solcher als Erwerbsgegenstand, sondern
Erwerbsgegenstand sind die anteiligen Wirtschaftsgüter des
Gesellschaftsvermögens der betreffenden Gesellschaft. Dem Erwerber der
Beteiligung sind die einzelnen Wirtschaftsgüter und sonstigen Besitzpositionen
des Gesamthandvermögens und die Gesellschaftsschulden anteilig als
Bruchteilseigentum zuzurechnen. Damit wird beim Erwerb von Anteilen an nicht
unternehmerischen Personengesellschaften nicht der ermittelte Anteilssteuerwert
der Wertermittlung zugrundegelegt, sondern es wird von einem Erwerb der
anteiligen Wirtschaftsgüter ausgegangen, wobei mit anteilig ein der
verhältnismäßigen Vermögensbeteiligung entsprechender Anteil am einzelnen – zum
Gesamthandsvermögen gehörenden – Wirtschaftsgut gemeint ist, der wie ein
Miteigentumsanteil behandelt wird (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher,
Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand März 2009, § 10 Rn. 59).

Dementsprechend wird
im Fachschrifttum auch ganz überwiegend die Ansicht vertreten, dass eine
widerspruchsfreie Gesetzesanwendung von § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG sowie § 13 a
Abs. 4 Nr. 3 ErbStG es erfordere, bei vermögensverwaltenden
Personengesellschaften davon auszugehen, dass deren Gesellschafter unmittelbar
an denjenigen Kapitalgesellschaften beteiligt sind, die zum zivilrechtlichen
Gesamthandsvermögen dieser Gesellschaft gehören (vgl. Jülicher in
Troll/Gebel/Jülicher, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand Juli 2011, §
13 b Rn. 216/217; Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz,
Stand April 2010, § 13 b Rn. 54; S. Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck, Kommentar
zum Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2009, § 13 b Rn. 109/110; Tiedtke/Wälzholz
in Tiedtke, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 1. Aufl. 2009, § 13 b Rn. 42 –
45; Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 2009, S. 421/422;
Völkers/Weinmann/Jordan, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 3. Auflage 2009,
S. 58/59; Wohlschlegel, DStR 1997, 1589 (1592); Stobbe/Brüninghaus, BB 1998,
1611 (1612); Hörger/Pauli, GmbHR 1999, 945 (946); Götz, ErbStb 2004, 84, Kamps,
FR 2009, 353 (355); a. A. Weinmann in Mönch/Weinmann, Kommentar zum
Erbschaftsteuergesetz, Stand November 2011, § 13 b Rn. 53; Meincke, Kommentar
zum Erbschaftsteuergesetz, 14. Aufl. 2004, § 13 a Rn. 20).

Wird also unter
Berücksichtigung der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG mit der Übertragung
eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft nicht ein
Gesellschaftsanteil als solcher übertragen, sondern der dem übertragenen Anteil
entsprechende verhältnismäßige Anteil an den einzelnen im Gesamthandsvermögen
der betreffenden vermögensverwaltenden Personengesellschaft vorhandenen
Wirtschaftsgüter, so ist nach Ansicht des Senats im Streitfall zwingend davon
auszugehen, dass nicht ein einheitlicher Gesellschaftsanteil an der A GmbH
& Co. KG als vermögensverwaltender Personengesellschaft übertragen worden
ist, sondern der der übertragenen Beteiligung entsprechende verhältnismäßige
Anteil an den einzelnen Wirtschaftsgütern dieser Gesellschaft. Da sich im
Gesellschaftsvermögen der A GmbH & Co. KG im Wesentlichen nur die
Beteiligung an der A GmbH und der A-​tec GmbH befunden
haben, hat der Kläger mithin seine unmittelbare Beteiligung an diesen
Kapitalgesellschaften auf seine Ehefrau und seine Kinder übertragen.

2. Dieses auf
erbschaftsteuerlicher Ebene aus § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abgeleitete Ergebnis
findet seine Bestätigung im Übrigen auf ertragsteuerlicher Ebene in § 39 Abs. 2
Nr. 2 AO.

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2
AO werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den
Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die
Besteuerung erforderlich ist. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift wird somit
die Gesamthandsgemeinschaft steuerrechtlich als Bruchteilsgemeinschaft
angesehen und behandelt. Vom Anwendungsbereich des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO erfasst
wird insbesondere die vermögensverwaltende Personengesellschaft. Die getrennte
Zurechnung der Wirtschaftsgüter im Sinne dieser Vorschrift ist für die
Besteuerung deshalb erforderlich, weil die vermögensverwaltende
Personengesellschaft bei der Ertragsteuer nur insoweit Steuerrechtssubjekt
(partielle Steuerrechtsfähigkeit) ist, als sie in der gesamthänderischen
Verbundenheit ihrer Gesellschafter die Merkmale eines Besteuerungstatbestandes
verwirklicht, die den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.
Die getrennte Zurechnung ist also für die Besteuerung erforderlich, wenn eine
Gesamthandsgemeinschaft nicht selbst Steuerschuldnerin ist, jedoch den
Besteuerungstatbestand erfüllt. Die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO wird im
Bereich der vermögensverwaltenden Personengengesellschaft – anders als bei der
mitunternehmerischen Personengesellschaft – nicht durch die Vorschrift des § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 1. Halbsatz EStG verdrängt (vgl. BFH-​Urteile vom 13. Juli
1999 VIII R 72/98, BStBl. II 1999, 820; vom 28. November 2002 III R 1/01,
BStBl. II 2003, 250, vom 6. Oktober 2004 IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 sowie
vom 2. April 2008 IX R 18/06, BStBl. II 2008, 679).

Dementsprechend werden
auch Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die sich im Gesamthandsvermögen
einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft befinden, für Zwecke der
Besteuerung nach § 17 EStG gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ihren Gesellschaftern
anteilig wie Bruchteilseigentümern zugerechnet (vgl. BFH-​Urteil vom 4. Juli
2007 VIII R 68/05, BStBl. II 2007, 937; weitere Nachweise bei Ebling in
Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand Mai 2011, § 17 Rn. 276;
Weber-​Grellet
in Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 30. Auflage 2011, § 17 Rn.
55).

Diesen
ertragsteuerlichen Befund, wonach Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die von
einer nicht unternehmerischen Personengesellschaft gehalten werden, ihren
Gesellschaftern anteilig wie Bruchteilseigentümern zugerechnet werden, sieht
der Senat aber als weitere Bestätigung dafür an, dass die Einbringung von
Anteilen an Kapitalgesellschaften in eine vermögensverwaltende
Personengesellschaft die unmittelbare – steuerrechtliche – Verbindung von
Gesellschaftern und Kapitalgesellschaft nicht entfallen lässt. Die insoweit
gebotene Bruchteilsbetrachtung überspielt die formale – zivilrechtliche –
Verknüpfung der Kapitalgesellschaftanteile mit dem Gesamthandsvermögen der
betreffenden Personengesellschaft.

3. Auch der Umstand,
dass diese steuerrechtliche Betrachtungsweise der zivilrechtlichen Ausgangslage
entgegensteht, führt letztlich zu keinem abweichenden Ergebnis.

So ist es zwar
zutreffend, dass in zivil- bzw. gesellschaftsrechtlicher Hinsicht die
Personengesellschaft selbst Eigentümerin des gesamthänderisch gebundenen
Gesellschaftsvermögens ist und dem einzelnen Gesellschafter nur eine ungeteilte
Mitberechtigung an diesem Gesamthandsvermögen zusteht (für die KG ergibt sich
dies aus § 161 Abs. 2 i. V. m. § 105 Abs. 3 HGB i. V. m. §§ 718, 719 BGB). Der
Anteil des Gesellschafters an diesem Gesellschaftsvermögen stellt weder ein
dingliches noch ein selbständiges Recht dar, das ein vom Recht der anderen
Gesellschafter unabhängiges Teilrecht am Gesellschaftsvermögen insgesamt oder
an einzelnen Wirtschaftsgütern vermitteln könnte. Von daher hat der einzelne
Gesellschafter keine Berechtigung an einzelnen zum gesellschaftlichen
Gesamthandsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern, insbesondere kein anteiliges
Bruchteilseigentum an diesen (vgl. dazu Sprau in Palandt, Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 70. Auflage 2011, § 719 Rn. 1 sowie Stürner in
Jauernig, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 14. Auflage 2011, §§ 718 –
720, Rn. 4 ff., beide mit weiteren Nachweisen). Auch der Gesetzeswortlaut des §
10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG, wonach der Erwerb einer Beteiligung an einer nicht
unternehmerischen Personengesellschaft als Erwerb der anteiligen
Wirtschaftsgüter „gilt“, zeigt, dass das Gesetz damit eine vom Zivilrecht
abweichende Fiktion, insbesondere eine dem Wesen der Gesamthand widersprechende
Rechtslage schafft (vgl. Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck, Kommentar zum
Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2009, § 10 Rn. 31; Gebel in
Troll/Gebel/Jülicher, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand März 2009, §
10 Rn. 59; Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand
Februar 2011, § 10 Rn. 15.1).

Hieraus folgt jedoch
nicht, dass es dem Erbschaftsteuerecht verwehrt wäre, zivilrechtliche Begriffe
und Rechtsinstitute entsprechend seinem spezifisch steuerrechtlichen Normzweck
auszulegen und anzuwenden. Denn auch wenn es sich bei den Erwerbs- und
Zuwendungsvorgängen, die Regelungsgegenstand der Erbschaft- und
Schenkungstreuer sind, um zivilrechtlich geregelte Vorgänge des Rechtsverkehrs
handelt, schließt es dies nicht aus, dass die zivilrechtlichen Gestaltungen und
Begriffe nach den steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhängen selbständig
interpretiert werden können und müssen. Es gilt danach keine Vermutung dafür,
dass dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmale einer Steuerrechtsnorm im
Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses ausgelegt und angewendet werden
müssen (vgl. BFH-​Urteil
vom 8. Dezember 1993 II R 61/89, BFH/NV 1994, 373). Zivilrecht und Steuerrecht
sind vielmehr nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete, für die es keine
Vorrangigkeit oder Maßgeblichkeit des Zivilrechts gibt, allenfalls eine
Vorherigkeit der zivilrechtlichen Ausgangslage. Steuerrechtliche
Tatbestandsmerkmale sind daher auch dann, wenn sie dem Zivilrecht entnommen
sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, dem Zweck des
Steuergesetzes und dem Inhalt der Einzelregelung zu interpretieren (vgl.
BVerfG-​Beschluss
vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212).

Nur im Bereich des
Vermögensübergangs ist allein die Zivilrechtslage ausschlaggebend, sodass das
Erbschaftsteuerrecht allein an den zivilrechtlichen Eigentumserwerb oder an den
Erwerb einer anderweitigen – vermögensbezogenen – zivilrechtlichen
Rechtszuständigkeit anknüpft. Der Erwerb einer lediglich wirtschaftlichen
Rechtsposition i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist hingegen erbschaftsteuerlich
unbeachtlich (vgl. BFH-​Urteile
vom 22. September 1982 II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; vom 26. November 1986
II R 190/81, BStBl. II 1987, 175 sowie vom 25. Januar 2001 II R 39/98, BFH/NV
2001, 908).

Im Streitfall geht es
jedoch nicht um eine vom Zivilrecht abweichende Bestimmung des Vermögensübergangs,
sondern um die Frage, wem ein Vermögensgegenstand im Zeitpunkt seiner
Übertragung zuzurechnen ist. Hierfür können aber § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG und
§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO eine vom Zivilrecht abweichende, durch die spezifisch
steuerrechtliche Zielsetzung geprägte Bestimmung vornehmen. Von daher bleibt es
dem Steuerecht unbenommen die zivilrechtliche Struktur des
Gesellschaftsvermögens der vermögensverwaltenden Personengesellschaft als
Gesamthandseigentum der Gesellschaft selbst für spezifische steuerrechtliche
Zwecke dahingehend zu verändern, dass insoweit von einem Bruchteilseigentum der
Gesellschafter an den im Gesellschaftsvermögen stehenden Wirtschaftsgütern
auszugehen ist.

4. Der Beklagte kann
seine abweichende Rechtsauffassung auch nicht darauf stützen, dass § 13 a Abs.
4 Nr. 3 ErbStG als Spezialvorschrift den Regelungsgehalt der § 10 Abs. 1 Satz 3
ErbStG und § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO verdrängt. Zwar stellt § 13 a Abs. 4 Nr. 3
ErbStG als diejenige Vorschrift, in der die Tatbestandsvoraussetzungen für die
Gewährung einer Steuervergünstigung geregelt werden, an sich die speziellere
Regelung gegenüber der allgemeinen, den Erwerbsgegenstand bestimmenden Norm des
§ 10 Abs. 1 Satz 3 dar. Der Begriff der unmittelbaren Beteiligung am
Nennkapital einer Kapitalgesellschaft könnte aber nur dann in einem von § 10
Abs. 1 Satz 3 ErbStG abweichenden Sinne verstanden werden, wenn der Gesetzgeber
mit der Regelung des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG tatsächlich ein insoweit von §
10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG unterschiedliches Verständnis vom Erwerbsgegenstand zum
Ausdruck bringen wollte. Hierfür wäre aber erforderlich, dass über den Wortlaut
der Vorschrift hinaus die Gesetzesbegründung und/oder der Sinn und Zweck der
Regelung zu erkennen geben, dass – anders als im Rahmen des § 10 Abs. 1 Satz 3
ErbStG – für die Anwendung der Steuervergünstigungen des § 13 a ErbStG
jedenfalls erforderlich ist, dass die Beteiligung am Nennkapital der
übertragenen Kapitalgesellschaft durch den Erblasser oder Schenker selbst und
in eigener Person und nicht vermittelt durch eine vermögensverwaltende
Personengesellschaft gehalten wird. Dies ist jedoch nicht der Fall.

a) Ausweislich der
Gesetzesmaterialien (BT-​Drucks.
13/901, S. 157/158, Gesetzesbegründung zu der im Jahressteuergesetz enthaltenen
Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 2 a ErbStG; die Gesetzesbegründung zu der mit
Jahressteuergesetz 1997 eingeführten Regelung des § 13 a ist insoweit
unergiebig, vgl. BT-​Drucks.
13/4839, S. 68) verfolgt der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 13 a Abs. 4
Nr. 3 ErbStG das Ziel, die Vergünstigungen für Betriebsvermögen auch für
Kapitalanteile an sogenannten familienbezogenen Kapitalgesellschaften zu
gewähren. Danach werde der Übergang von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit
Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, an deren Nennkapital der Erblasser oder
Schenker zur Zeit der Entstehung der Steuer mindestens zu einem Viertel
beteiligt sei, in Höhe des Freibetrags von der Erbschaft- und Schenkungssteuer
freigestellt. Die Einführung einer Beteiligungsgrenze sei zur Verhinderung von
missbräuchlichen Gestaltungen geboten. Die Beteiligungsgrenze von 25 % werde
als Indiz dafür gesehen, dass der Anteilseigner unternehmerisch in die
Gesellschaft eingebunden sei und nicht nur als Kapitalanleger auftrete.
Insgesamt wird mit dieser zusätzlichen Regelung den für diese Gesellschaften
typischen unternehmerischen Risiken im weiteren Sinne auf der Seite der
Anteilseigner Rechnung getragen.

Aus diesen Darlegungen
des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien ist erkennbar, dass es dem
Gesetzgeber mit der von ihm getroffenen Regelung entscheidend darum gegangen
ist, Begünstigungen nur für eine echte unternehmerische Beteiligung zu gewähren
und nicht für eine bloße Kapitalanlage. Diese Aufgabenstellung hat der
Gesetzgeber dadurch gelöst, dass er die Begünstigung nur dann gewährt, wenn der
Erblasser oder Schenker über eine Beteiligungsquote von mehr als 25 % verfügt.

Aus den Gesetzesmaterialien
ist aber nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der
„Unmittelbarkeit“ der Beteiligung einen darüber hinausgehenden sachlichen Zweck
verfolgt hat oder eine inhaltliche Beschränkung der Vergünstigung vornehmen
wollte. Dies spricht bereits in erheblichem Maße dafür, dass der Gesetzgeber
mit dem Begriff der unmittelbaren Beteiligung an der übertragenen
Kapitalgesellschaft nicht die Zielsetzung verfolgt hat, insoweit eine von der
allgemeinen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abweichende, speziellere
Regelung vorzunehmen.

b) Aber auch unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Steuervergünstigungsregelung des § 13 a
Abs. 4 Nr. 3 ErbStG ist nicht ersichtlich, dass die unmittelbare Beteiligung
des Erblassers oder Schenkers an der betreffenden Kapitalgesellschaft
unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, die Vergünstigung zielgenau nur
bestimmten Vermögenseinheiten zukommen zu lassen und insbesondere Missbräuche
zu vermeiden.

Ausweislich der
Gesetzesmaterialien (vgl. BT-​Drucks. 13/901, S.
157/158) ist es das Anliegen des Gesetzgebers bei der Einführung der
Steuervergünstigung des § 13 a ErbStG gewesen, zur Sicherung und Stärkung des
Wirtschaftsstandorts Deutschland dafür zu sorgen, dass auch die steuerlichen
Rahmenbedingungen attraktive Anreize bieten, in inländische Unternehmen zu
investieren. So hätten in den letzten Jahrzehnten erfolgreiche gewerbliche
Unternehmer und Freiberufler erhebliches Betriebsvermögen schaffen können, das
heute nach und nach auf die sogenannte Erbengeneration übergehe. Dieses
Vermögen sei aber meistens mittel- oder langfristig im Betrieb gebunden und
könne daher nicht kurzfristig für Erbschaftsteuerzahlungen aufgebracht werden.
Damit der Unternehmensübergang steuerschonend erfolgen könne, habe der Gesetzgeber
bereits im Standortsicherungsgesetz schenkung- und erbschaftsteuerliche
Erleichterungen geschaffen. Im Interesse einer notwendigen weiteren
Verringerung der steuerlichen Belastung für die Unternehmensnachfolge, vor
allem von mittelständischen Unternehmen, würden die bereits vorhandenen
Freibetragsregelungen noch einmal erweitert. Die Bundesregierung strebe damit
im Zusammenhang mit bestehenden Erleichterungen auf die Zahlung von
Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen (Stundung) für europäische Verhältnisse vorbildliche
schenkung- und erbschaftsteuerliche Vergünstigungen für den Übergang von
Betriebsvermögen an.

Der Bundesfinanzhof
hat in seinem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 22.05.2002
(II R 61/99, BStBl. II 2002, 598, 611) darauf abgestellt, nach der
Gesetzesbegründung sollten mit den Vergünstigungen nach § 13 a ErbStG in erster
Linie die besonderen Belastungen berücksichtigt werden, die bei einer
Aufrechterhaltung des Betriebs in seiner Sozialgebundenheit entstünden. Die
Vergünstigungen setzten eine durch Widmung für betriebliche Zwecke
verselbständigte Funktionseinheit voraus, die in besonderer Weise
gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet sei. In diesem Zusammenhang werde
immer wieder auf die Sicherstellung der Betriebsfortführung und der damit
verbundenen Erhaltung von Produktivität und Arbeitsplätzen hingewiesen. Ob
diese Voraussetzungen gegeben seien, sei nicht davon abhängig, in welcher
Rechtsform Vermögen organisiert sei. Entscheidend könne nur sein, ob
tatsächlich eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde und ob es sich bei dem
Vermögen um im gemeinwohlgebundenes Vermögen handele.

Hieran anknüpfend hat
der Bundesfinanzhof an anderer Stelle die Position vertreten, dass die
Gleichstellung der Anteile an Kapitalgesellschaften mit dem Betriebsvermögen im
Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG einschließlich der Anteile an
Personengesellschaften im Sinne der dort herangezogenen Vorschriften des
Einkommensteuergesetzes nur gerechtfertigt sei, wenn die durch den
Anteilserwerb ausgelösten steuerlichen Belastungen den Bestand des Betriebs
gleichermaßen berührten, wie das beim Erwerb vom Betriebsvermögen im Sinne des
§ 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG der Fall sei. Dabei sei auf den Bestand des
Betriebes der Kapitalgesellschaft abzustellen. Der Erwerb von im
Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften unterfalle
nämlich bereits § 13 a Abs. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG.
Beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften sei jedoch eine vergleichbare
Betroffenheit des Bestandes des Betriebs der Kapitalgesellschaft schon
allgemein nicht gegeben (vgl. BFH-​Urteil vom 16. Februar
2005 II R 6/02, BStBl II 2005, 411).

Dieser Darstellung der
mit den Steuervergünstigungen des § 13 a ErbStG verfolgten gesetzgeberischen
Zielsetzung, so wie diese sich aus den Gesetzesmaterialien und in der
Interpretation durch den Bundesfinanzhof ergibt, entnimmt der Senat, dass auch
denjenigen unternehmerischen Beteiligungen der Freibetrag und der
Bewertungsabschlag zu Gute kommen soll, die in Gestalt einer Beteiligung an
einer Kapitalgesellschaft ausgeübt werden. Diesen unternehmerischen
Beteiligungen soll der identische Schutz bzw. die identische Vergünstigung wie
der Beteiligung am Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer
gewerblichen Personengesellschaft gewährt werden. Insoweit kommt es mithin
entscheidend darauf an, dass die Beteiligung an der betreffenden
Kapitalgesellschaft als gleichfalls schutzwürdig im Sinne der gesetzgeberischen
Intention, dem Sinn und Zweck der Vergünstigung nach § 13 a ErbStG angesehen
werden kann.

Vor dem Hintergrund
dieser Zielsetzungen und dieses Schutzzwecks des § 13 a ErbStG kann es aber
keinen Unterschied machen, ob der Schenker oder Erblasser in eigener Person zu
mehr als 25 % am Nennkapital einer Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs
beteiligt ist oder als Gesellschafter einer vermögensverwaltenden
Personengesellschaft in identischem Beteiligungsumfang Bruchteilseigentümer der
Anteile an dieser Kapitalgesellschaft ist. In beiden Alternativen handelt es
sich angesichts des Beteiligungsumfangs um eine unternehmerische Beteiligung
und nicht lediglich um eine Kapitalanlage. Ein am Normzweck orientierter
sachlicher Grund, die Fälle unterschiedlich zu behandeln, ist nicht erkennbar.

5. Soweit die
Finanzverwaltung in H 26 und R 53 Abs. 2 Satz 3 der ErbStR 2003 die Auffassung
vertritt, eine über eine Personengesellschaft gehaltene „mittelbare“
Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erfülle nicht die gesetzlichen
Voraussetzungen des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG, da insoweit keine
„unmittelbare“ Beteiligung am Nennkapital der Kapitalgesellschaft vorliege,
wird diese formale Betrachtungsweise der durch § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG
und § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO vorgegebenen Vermögensstruktur der
vermögensverwaltenden Personengesellschaft nicht gerecht. Sie lässt sich auch
nicht aus den Gesetzesmaterialien oder aus dem Gesetzeszweck ableiten.

III. Die angefochtenen
Schenkungsteuerbescheide sind daher entsprechend den vorstehend aufgeführten
Grundsätzen zu ändern. Dem Kläger sind im Rahmen der einzelnen
Schenkungssteuerbescheide für die übertragenen Kapitalgesellschaftsanteile an
der A GmbH (Wert je Erwerber: 690.934 € bzw. 680.186 €), an der A-​tec GmbH (Wert je
Erwerber: 5.085 € bzw. 5.006 €) sowie an der B Verwaltungs-​GmbH (Wert je
Erwerber: 2.318 bzw. 2.281 €) je Erwerber der von ihm unwiderruflich beantragte
anteilige Freibetrag in Höhe von 28.125,- € sowie der Bewertungsabschlag in
Höhe von 35% zu gewähren.

Die in diesem Umfang
geänderten Bescheide sind dem Kläger nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils
neu bekanntzugeben.

IV. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

V. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr.
10, 711 Satz 1 ZPO.

VI. Die Revision wird
gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur
Fortbildung des Rechts zugelassen. Bislang liegt noch keine höchstrichterliche
Rechtsprechung zu der Frage vor, ob die Steuervergünstigungen des § 13 a ErbStG
auch in den Fällen zu gewähren sind, in denen der Schenker lediglich über eine
vermögensverwaltende Personengesellschaft an der von dieser Personengesellschaft
gehaltenen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, ob mithin auch in diesem Fall
begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG gegeben ist.

Zudem weicht das
vorliegende Urteil von den Richtlinien der Finanzverwaltung ab, sodass auch aus
diesem Grunde die Revisionszulassung geboten ist.
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OLG Dresden, Beschluss vom 09.11.2011, 12 W 1002 / 11

 

Gründe

I.

Die Satzung der
Beteiligten in der Fassung vom 04.09.1990 enthält zur Ergebnisverwendung unter §
8 Abs. 2 folgende Regelungen:

„Ein Jahresüberschuss
ist, soweit er nicht zur Tilgung von Verlustvorträgen zu verwenden ist, zu
einem Viertel des Überschusses vor Belastung mit Steuern vom Einkommen und
Ertrag in einer Gewinnrücklage einzustellen. Soweit der Jahresüberschuss nicht
im übrigen zu verwenden ist, ist er an die Gesellschafter auszuschütten.“

Die Gesellschafter der
Beteiligten verwendeten die in den Jahre 1996, 1998, 1999 und 2002 bis 2007
erwirtschafteten Gewinne abweichend von diesen Regelungen. Für die Geschäftsjahre
1996, 1998 und 1999 wurde die Gewinnrücklage aus dem Jahresüberschuss nach
Steuern und nicht ausgehend von dem Überschuss vor Belastung mit Steuern mit
der Folge gebildet, dass ein höherer Betrag ausgeschüttet wurde. Die Gewinne
der Geschäftsjahre 2002 bis 2006 wurden voll ausgezahlt. Der Gewinn aus dem
Geschäftsjahr 2007 sollte ausgehend von dem Jahresüberschuss nach Steuern
verwendet werden, tatsächlich wurde er indes entsprechend der Satzung
verwendet.

In der notariell
beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 08.06.2011 wurde einstimmig
folgender Beschluss gefasst:

„Die
Gesellschafter bestätigen hiermit die für die Geschäftsjahre 1996, 1998, 1999,
2002, 2003, 2004, 2005, 2006 und 2007 in Durchbrechung des § 8 Abs. 2 der
Satzung beschlossenen Ausschüttungen an die Gesellschafter.“

Das Registergericht
hat die Anmeldung dieses Beschlusses am 01.08.2011 zurückgewiesen. Es ist der
Ansicht, dass die bestätigten Gewinnverwendungsbeschlüsse, da sie nicht bewusst
entgegen § 8 Abs. 2 der Satzung gefasst wurden, nicht satzungsdurchbrechend
gewesen seien. Unabhängig davon sei nur eine – hier nicht vorliegende –
zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung eintragungsfähig.

Die Beteiligte hat
gegen diesen am 04.08.2011 zugestellten Beschluss am 02.09.2011 Beschwerde
eingelegt. Sie trägt vor: Der Beschluss vom 08.06.2011 sei
eintragungspflichtig, er bestätige unwirksame Satzungsdurchbrechungen. Darauf,
ob die Gesellschafter seinerzeit das Bewusstsein hatten, von der Satzung
abzuweichen, komme es insoweit nicht an.

Das Registergericht
hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht am
28.09.2011 vorgelegt.

II.

Die nach §§ 382 Abs.
3, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat
Erfolg. Das Amtsgericht hat den Vollzug der Anmeldung zu Unrecht abgelehnt. Die
in der notariell beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 08.06.2011 bestätigten
Gewinnverwendungsbeschlüsse stellten nicht lediglich punktuelle
Satzungsdurchberechnungen dar und waren, auch wenn sich die Gesellschafter
seinerzeit der Abweichung von den statuarischen Gewinnverwendungsregelungen
nicht bewusst gewesen sein sollten, unwirksam. Denn sie genügen den insoweit maßgeblichen
Anforderungen an eine Satzungsänderung (§§ 53, 54 GmbHG) nicht. Der die
Durchbrechung bestätigende Beschluss vom 08.06.2011 bedarf daher der
Eintragung.

1.
Satzungsdurchbrechungen sind Gesellschafterbeschlüsse, die eine von der Satzung
abweichende Regelung treffen. Nach herrschender Ansicht wird zwischen
punktuellen und zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechungen unterschieden.
Eine punktuelle Satzungsdurchbrechung liegt vor, wenn sich die Abweichung von
der Satzung auf einen konkreten Einzelfall beschränkt, die Wirkung des
Beschlusses sich daher in der betreffenden Maßnahme erschöpft. Durch eine
Satzungsdurchbrechung kann aber auch ein von der Satzung abweichender
rechtlicher Zustand begründet werden. Dann müssen allerdings die Anforderungen
der §§ 53, 54 GmbHG gewahrt werden (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1993, Az.: II ZR
81/92, nach juris: BGHZ 123, 15 Rn. 13; OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.03.2010,
Az.: 12 W 376/10, nach juris: MDR 2010, 822 Rn. 46; OLG Köln, Urteil vom
26.10.2000, Az.: 18 U 79/00, nach juris: DB 2000, 2465 Rn. 21; OLG Nürnberg,
Urteil vom 10.11.1999, Az.: 12 U 813/99, nach juris: MDR 2000, 653 Rn. 81; OLG
Köln, Urteil vom 11.10.1995, Az.: 2 U 159/94, nach juris: NJW-​RR 1996, 1439
Leitsatz; Harbath in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 2011, § 53 Rz. 48; Bayer
in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., 2009, § 53 Rz. 27, 28; Priester/Veil
in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., 2007, § 53 Rz. 29; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8.
Aufl., 1997, § 53 Rz. 30 f.; Priester, Satzungsänderung und
Satzungsdurchbrechung, ZHR 151 (1987), 40).

Für den Begriff der
Satzungsdurchbrechung ist es unerheblich, ob die Gesellschafter sich bei der
Beschlussfassung der Satzungswidrigkeit bewusst waren (vgl.: RGZ 81, 368, 371f;
Priester, Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung ZHR 151 (1987), 40, 48;
Inhester in Inhester/Saenger, GmbHG, 21. Aufl., 2010, § 53 Rz. 23; Roth in
Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., 2009, § 53 Rz. 29; Harbath in Münchener
Kommentar zum GmbHG, 2011, § 53 Rz. 49; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19.
Aufl., 2010, § 53 Rn. 20; Priester/Veil in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., 2007, § 53
Rz. 30; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., 2009, § 53 Rz. 29). Auch
der BGH hat in seiner Entscheidung vom 07.06.1993 (Az.: II ZR 81/92, nach
juris: BGHZ 123, 15) nicht angenommen, dass eine Satzungsdurchbrechung nur
gegeben ist, wenn sich die Gesellschafter der Abweichung von der Satzung
bewusst sind. Zwar waren sich die Gesellschafter dort der Abweichung von der
Satzung bewusst (vgl. Rz. 12). Der BGH hat aber in dieser Entscheidung für alle
Fälle der zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung die Einhaltung der für
eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften verlangt und dieses
Erfordernis nicht auf bewusste Durchbrechungen beschränkt.

2. Nach diesen Grundsätzen
waren die Beschlüsse über die Gewinnverwendung in den Jahren 1996, 1998, 1999,
2002 bis 2007 unwirksam.

Diese
Gewinnverwendungsbeschlüsse entfalteten nämlich eine Dauerwirkung und können
daher nicht als lediglich punktuelle Satzungsdurchbrechungen qualifiziert
werden (vgl. Ekkenga in Münchener Kommentar zum GmbHG, 2010, § 29 Rz. 156; Zöllner
in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., 2010, §§ 53, 48; andere Ansicht allerdings
ohne nähere Auseinandersetzung: Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.,
2009, § 53 Rz. 31; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., 1997, § 53 Rz. 32;
Priester, Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung, ZHR 151 (1987) 40, 52; Lawall,
Satzungsdurchbrechende Beschlüsse im GmbH-​Recht, DStR 1996,
1169, 1173). Regelungen zur Gewinnverwendung, insbesondere zur Bildung von Rücklagen,
erschöpfen sich nicht in der Maßnahme. Ausschüttungen aus satzungsgemäßen
Gewinnrücklagen haben Wirkungen über die laufende Abrechnungsperiode hinaus.
Sie schmälern die Gewinnrücklage um den entgegen der Satzungsregelung ausgeschütteten
Betrag. Die sich aufgrund der satzungsdurchbrechenden Beschlüsse ergebenden
Gewinnrücklagen sind zudem im Folgejahr in der Bilanz auszuweisen und bilden
die Grundlage für die Ermittlung der sich dann ergebenden Gewinnrücklage. Darüber
hinaus haben der Rechtsverkehr und potentielle Gesellschafter ein berechtigtes
Interesse daran zu erfahren, dass die in den Bilanzen ersichtlichen Gewinnrücklagen
nicht entsprechend den satzungsmäßigen Gewinnverwendungsregelungen gebildet
wurden. Die hier fraglichen Beschlüsse hätten daher zu ihrer Wirksamkeit der
notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG) und der Eintragung in das
Handelsregister (§ 54 Abs. 3 GmbHG) bedurft. Da es hieran fehlt, ist der die
fraglichen Beschlüsse bestätigende Beschluss vom 08.06.2011 antragsgemäß
einzutragen.

III.

Eine Kostenfestsetzung
und die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens sind nicht
veranlasst, da für das Beschwerdeverfahren eine Gebühr nicht zu erheben ist,
vgl. § 131c Abs. 1 KostO.
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BGH, Urteil vom 26.10.2011, IV ZR 72 / 11

 

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten, ihrem Bruder, Übertragung des hälftigen
Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück. Die Eltern der Parteien
errichteten am 20. Februar 1986 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie
sich gegenseitig als Erben einsetzten sowie bestimmten, Erben des Überlebenden
von ihnen sollten ihre gemeinschaftlichen Kinder sein. Nach dem Tod des Vaters
errichtete die Erblasserin, die Mutter der Parteien, am 18. Januar 2005 ein
Testament mit folgendem Inhalt:

„Ich,
Regina P. , vermache mein Haus mit Grundstück … meinem Sohn
Klaus P. . …

Meine
Tochter Doris P. … hat als Erbvorauszahlung ab 18.12.1984 in
bar einen Betrag von 172.300,- DM erhalten, Belege liegen bei.

Meine
Tochter bekommt mein Bargeld auf meinem Sparkonto bei der Kreissparkasse. …“

Mit
Vertrag vom 28. November 2006 übereignete die Erblasserin dem Beklagten das von
ihr bewohnte Hausgrundstück, welches sie von ihren Eltern geerbt hatte. Die Überlassung
an den Beklagten, der den Wert der ihm gemachten Zuwendung gemäß §§ 2050 ff.
BGB nicht zur Ausgleichung bringen sollte, erfolgte unentgeltlich. § 3 Nr. 7
des Vertrages bestimmt ferner, dass weitere Gegenleistungen, insbesondere die
Vereinbarung von Wart- und Pflegeleistungen, von den Vertragsteilen trotz
Belehrung durch den Notar nicht gewünscht werden.

Die
Klägerin verlangt vom Beklagten Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils
an dem Grundstück, weil es sich um eine beeinträchtigende Schenkung gemäß §
2287 BGB handele. Der Beklagte hat Hilfswiderklage in Höhe von 42.610,53 €
erhoben. Im Falle seiner Verurteilung stehe ihm jedenfalls ein Gegenanspruch
auf Zahlung in Höhe des Wertes der hälftigen Schenkungen zu, die die Klägerin
nach dem Tod des Vaters in den Jahren 1995 bis 2002 über insgesamt 39.706,06 €
erhalten habe. Hinzu komme die Hälfte des Kontovermögens der Erblasserin von
45.515 €, welches an die Klägerin geflossen sei.

Das
Landgericht hat der Klage und der Hilfswiderklage stattgegeben. Das
Berufungsgericht hat die nur vom Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen.

II.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien seien als Erben zu gleichen
Teilen bedacht worden. Die Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder sei nicht
nur für den Vater, sondern auch für die Mutter der Parteien wechselbezüglich
und damit bindend gewesen. Allein der Umstand, dass die Vermögensverhältnisse
der Eltern der Parteien unterschiedlich gewesen seien und das Hausgrundstück
der Mutter gehört habe, zwinge nicht zur Verneinung der Wechselbezüglichkeit.
Der Klägerin stehe auch gemäß § 2287 BGB ein Anspruch auf Übertragung des hälftigen
Miteigentumsanteils zu. Die Voraussetzungen für ein lebzeitiges Eigeninteresse
der Mutter der Parteien an der Begünstigung des Beklagten lägen nicht vor, da
in § 3 Nr. 7 des Vertrages ausdrücklich festgehalten worden sei, dass Wart- und
Pflegeleistungen nicht gewünscht seien. Ob die Klägerin selbst Vorempfänge
erhalten habe, sei im Rahmen des Anspruchs aus § 2287 BGB unerheblich. Sein
Zweck sei es vielmehr, zunächst die Situation zu bereinigen, die durch die
beeinträchtigende Schenkung entstanden sei.

III.
Die Stattgabe der Klage ohne Beweisaufnahme verletzt den Anspruch des Beklagten
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in
entscheidungserheblicher Weise.

1.
Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Klägerin
gegen den Beklagten ein Anspruch auf Übertragung des hälftigen
Miteigentumsanteils an dem Wohnhausgrundstück gemäß § 2287 Abs. 1 i.V.m. §§ 818
ff. BGB zustehen könnte. Die Regelung ist auf wechselbezügliche letztwillige
Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des
erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden
(Senatsurteil vom 26. November 1975 IV ZR 138/74, BGHZ 66, 8, 15).

Ohne
Erfolg greift der Beklagte hierbei die Feststellungen des Berufungsgerichts an,
dass die Erbeinsetzung der Parteien durch die Erblasserin wechselbezüglich zu
ihrer Erbeinsetzung durch ihren Ehemann i.S. von § 2270 Abs. 1 BGB ist. Zwar
kann der Umstand, dass ein Ehegatte über ein wesentlich größeres Vermögen verfügt
als der andere, bei der Auslegung dazu führen, dass die Schlusserbeneinsetzung
durch den vermögenden Ehegatten nicht wechselbezüglich zu der Erbeinsetzung
durch den vorverstorbenen vermögenslosen Ehegatten ist, weil der vermögende
Ehegatte an der eigenen Erbeinsetzung durch seinen vermögenslosen Ehegatten häufig
kein Interesse hat, sondern seine Freiheit behalten will, wen er als
Schlusserben einsetzt (RGZ 116, 148, 150; OLG Celle FamRZ 2003, 887, 888; OLG
Brandenburg FamRZ 1999, 1541, 1543; BayObLG ZEV 1994, 362, 364; FamRZ 1984,
1154, 1155; OLG Hamm ZEV 1995, 146, 147; OLG Saarbrücken FamRZ 1990, 1285,
1286).

Der
Beklagte hat hierzu geltend gemacht, die Erblasserin sei Alleineigentümerin des
Hausgrundstücks gewesen, während sonstiges wesentliches Kapitalvermögen der
Eltern nicht vorhanden gewesen sei. Das Berufungsgericht hat die
unterschiedlichen Vermögensverhältnisse der Eheleute aber durchaus gesehen.
Ferner hat es erkannt, dass unterschiedliche Vermögensverhältnisse nicht ohne
Weiteres dazu führen, dass die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung
durch den vermögenden Ehegatten mit der eigenen Erbeinsetzung durch den vermögenslosen
Ehegatten verneint werden müsste (vgl. OLG Hamm aaO; BayObLG aaO). Soweit sich
das Berufungsgericht auf dieser Grundlage die Überzeugung gebildet hat, dass
trotz unterschiedlicher Vermögensverhältnisse Wechselbezüglichkeit bestehe, ist
das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat hiergegen nichts
Durchgreifendes vorgebracht.

2.
Unter Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art.103
Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht sodann allerdings ohne Beweisaufnahme
angenommen, dass die Voraussetzungen für ein lebzeitiges Eigeninteresse der
Erblasserin an der Begünstigung des Beklagten nicht vorgelegen haben.

a)
Gemäß § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe (bzw. bei einem
gemeinschaftlichen Testament der Schlusserbe), nachdem ihm die Erbschaft
angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern,
wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen,
eine Schenkung gemacht hat. Da die Benachteiligungsabsicht mit der Absicht, den
Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden ist, wäre sie von
Ausnahmefällen abgesehen in einer solchen Lage praktisch immer
gegeben (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1972 IV ZR 125/70, BGHZ 59,
343, 350). Dennoch greift die Vorschrift nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung
ein. Erforderlich ist vielmehr, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu
lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht
vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm
vorgenommenen Schenkung hatte (Senat aaO; ferner Senatsurteile vom 23. April
1986 IVa ZR 97/85, FamRZ 1986, 980 unter III 3; vom 23. September
1981 IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 282; vom 26. November 1975 aaO).
Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines
objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch
unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und
gerechtfertigt erscheint (Senatsurteil vom 12. Juni 1980 IVa ZR
5/80, BGHZ 77, 264, 266). Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht,
wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch
Pflege geht (Senatsurteile vom 27. Januar 1982 IVa ZR 240/80, BGHZ
83, 44, 46; vom 23. September 1981 IVa ZR 185/80, NJW 1982, 43 unter
3; vom 26. November 1975 aaO 16) oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer
sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die
ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will (Senatsurteile
vom 27. Januar 1982 und vom 26. November 1975 je aaO). Beweispflichtig für die
Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags-
bzw. Schlusserbe (Senatsurteil vom 23. September 1981 aaO).

b)
Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, das Fehlen eines
lebzeitigen Eigeninteresses ergebe sich aus der Regelung in § 3 Nr. 7 des Überlassungsvertrages,
wonach Wart- und Pflegeleistungen nicht gewünscht seien. Hierbei verkennt es
aber, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung
auch dann vorliegen kann, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung
Leistungen etwa zur Betreuung im weiteren Sinne übernimmt,
tatsächlich erbringt und auch in der Zukunft vornehmen will. Im Falle der Übernahme
einer rechtlichen Verpflichtung zu Gegenleistungen handelt es sich hingegen
bereits nicht mehr um eine Schenkung i.S. des § 2287 Abs. 1 BGB (vgl. Musielak
in MünchKomm, BGB 5. Aufl. § 2287 Rn. 12, 18).

Hier
hat der Beklagte im Einzelnen und unter Beweisantritt vorgetragen, dass er für
die Erblasserin in den Jahren 1986 bis 2009 zahlreiche Leistungen erbracht
habe, die er selbst mit einem Wert von 93.887,08 € bemisst. Hierbei geht es um
den Winterdienst, Gartenpflege mit Rasenmähen, Heckenschnitt etc. sowie die
monatliche Fahrt zum Großeinkauf im Zeitraum von 1986 bis Februar 2009, das wöchentliche
Besorgen des Haushalts (Putzen, Staubsaugen, Betten abziehen) nach der
Erkrankung der Erblasserin ab 2003, wöchentliche Einkäufe und Botengänge für
die Erblasserin ab 2004 sowie die Übernahme sämtlicher Fahrdienste. Über den
Umfang dieser von der Klägerin bestrittenen Leistungen des Beklagten und den
hierzu mit der Erblasserin getroffenen Übereinkünften muss Beweis erhoben
werden. Ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin kann insbesondere auch
dann in Betracht kommen, wenn der Beschenkte sich um Haus, Garten, Einkäufe,
Reinigung etc. kümmert, zumal die Erblasserin gerade ein Interesse daran hatte,
dass sie in dem Haus wohnen bleiben kann und es als Familienbesitz erhalten
wird.

c)
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass ein lebzeitiges
Eigeninteresse nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen
werden muss, sondern auch lediglich einen Teil der Schenkung zu rechtfertigen
und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht auszuschließen
vermag. Die sich dann stellende Frage, ob der Vertrags- bzw. Schlusserbe Übereignung
des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages verlangen kann, bis zu
dem er die Schenkung hinnehmen muss, oder ob er nur Zahlung des Betrages
beanspruchen kann, der dem Teilwert der Schenkung entspricht, ist entsprechend
den Grundsätzen zu beantworten, die für die gemischte Schenkung entwickelt
wurden (Senatsurteil vom 12. Juni 1980 aaO 271 f.). Das geschenkte Grundstück
kann hiernach nur bei entsprechender Zug-​um-​Zug-​Leistung
herausverlangt werden, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist,
wenn also derjenige Wertanteil der Schenkung, der hinzunehmen ist, geringer
wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil. Hierbei
ist allerdings keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der vom
Beklagten erbrachten Leistungen mit dem Wert des Grundstücks vorzunehmen.
Vielmehr hat auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen noch in
Zukunft erfolgen sollten und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu
erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende
Gesamtabwägung zu erfolgen (OLG Oldenburg FamRZ 1992, 1226, 1227;
Palandt/Weidlich, BGB 70. Aufl. § 2325 Rn. 9).

3.
Sollte hiernach ein Anspruch der Klägerin in Betracht kommen, so ist dieser
unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie selbst Vorempfänge erhalten hat,
die im Falle einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 2050 ff. BGB berücksichtigt
werden müssten. Der Anspruch aus § 2287 BGB stellt einen rein persönlichen
Anspruch des Vertrags- bzw. Schlusserben dar und fällt nicht in den Nachlass
(vgl. Senatsurteile vom 4. März 1992 IV ZR 309/90, FamRZ 1992, 665
unter 3 d; vom 21. Juni 1989 IVa ZR 302/87, NJW 1989, 2389 unter 4;
vom 28. September 1983 IVa ZR 168/82, BGHZ 88, 269, 271; vom 3. Juli
1980 IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 3). Der Anspruch aus § 2287 BGB darf
deshalb nicht in die Auseinandersetzung des Nachlasses hineingezogen werden.
Insbesondere kann der Beschenkte die Herausgabe des Geschenks nicht mit der
Begründung verweigern, dass der Vertrags- bzw. Schlusserbe selbst Vorempfänge
erhalten habe und nach § 2050 BGB ausgleichspflichtig sei. Derartige
Ausgleichspflichten sind erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung vorzunehmen
und nicht vorweg beim Anspruch aus § 2287 BGB.

IV.
Das Berufungsgericht wird auch zu prüfen haben, ob eine etwaige Änderung des
landgerichtlichen Urteils Auswirkungen auf die erhobene Hilfswiederklage haben
kann.
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