BGH, Urteil vom 11.10.2010, II ZR 266 / 08

 

Tatbestand

Die
beklagte GmbH betreibt in Bonn die Bundeskunsthalle. Gesellschafter sind die Bundesrepublik
Deutschland und die 16 Bundesländer. Der Kläger wurde 1989 zum Geschäftsführer
bestellt.

Während die
Anstellungsverträge vom 18. Dezember 1989 und 19. Dezember 1991 jeweils
befristet auf fünf Jahre abgeschlossen worden waren, sah die zuletzt am 20.
Juli 1995 geschlossene Vereinbarung eine feste Vertragsdauer bis zum 31.
Dezember 2001 und anschließend – vorbehaltlich eines spätestens bis zum 31.
Dezember 1999 zu fassenden anders lautenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung
– die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses auf unbestimmte Zeit vor. Im
Jahre 1995 war § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten gestrichen worden. Dieser hatte gelautet: „“Die
Bestellung (des Geschäftsführers) kann nur bei Vorliegen eines wichtigen
Grundes widerrufen werden.““

Nach Abberufung
des Klägers als Geschäftsführer kündigte die Beklagte am 25. Juni 2007 aufgrund
eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung den
Geschäftsführeranstellungsvertrag zum 31. Dezember 2007. Der Kläger hat die Feststellung
begehrt, dass das Dienstverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden
sei. Zudem hat er die Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Funktion als
Direktor und Intendant, hilfsweise in einer ähnlichen leitenden Stellung, und
die Zahlung seiner Vergütung verlangt. Die Klage ist in erster Instanz
erfolglos geblieben.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers unter Zurückweisung der weitergehenden
Klage den Fortbestand des Dienstverhältnisses festgestellt, die Beklagte zur
Weiterbeschäftigung des Klägers in einer seiner früheren Tätigkeit ähnlichen
leitenden Stellung verurteilt und dem Zahlungsbegehren überwiegend stattgegeben.
Der Senat hat die Revision der Beklagten insoweit zugelassen, als diese zur
Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt worden ist. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde
der Beklagten hat der Senat zurückgewiesen.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hält nach Auslegung des zwischen den
Parteien geltenden Anstellungsvertrages § 53 Abs. 3 BAT im Vertragsverhältnis
der Parteien für anwendbar. Das Anstellungsverhältnis des Klägers sei deshalb
nicht mehr ordentlich kündbar und durch die Kündigung nicht beendet.
Dementsprechend habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf weitere
Beschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden
Funktion.

II. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Zu Recht und von der Revision als der Beklagten günstig
nicht angegriffen hat das Berufungsgericht allerdings das als Hauptantrag
formulierte Begehren des Klägers, ihn zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen
als Geschäftsführer (Direktor und Intendant) über den 31. Dezember 2007 hinaus
weiter zu beschäftigen, zurückgewiesen. Ein schuldrechtlicher Anspruch auf
Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer einer GmbH lässt sich aus dem
Anstellungsvertrag nicht herleiten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2002 – II ZR
146/02, ZIP 2003, 28, 29; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., Anh
zu § 6 Rn. 28; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, 10. Aufl., § 35 Rn. 294). Organ-
und Anstellungsverhältnis sind nach dem Trennungsgrundsatz in ihrem Bestand
voneinander unabhängig (BGH, Urteil vom 10. Mai 2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010,
1288 Rn. 9; Urteil vom 26. Juni 1995 – II ZR 109/94, ZIP 1995, 1334, 1335; Urteil
vom 9. Februar 1978 – II ZR 189/76, WM 1978, 319 f.). Aus dieser rechtlichen
Trennung folgt grundsätzlich, dass beide Rechtsverhältnisse nach den jeweiligen
dafür geltenden Vorschriften beendet werden. Die Möglichkeit des jederzeitigen
Widerrufs der Geschäftsführerbestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG gewährleistet
der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung eine weitgehende
Organisationsfreiheit. Dieses Recht schließt den vom Kläger ursprünglich
geltend gemachten „anstellungsvertraglichen Beschäftigungsanspruch“ hinsichtlich
einer Tätigkeit als Geschäftsführer aus. Denn das Gesetz gewährt in § 38 Abs. 1
GmbHG dann, wenn – wie hier – im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt
ist (vgl. § 38 Abs. 2 GmbHG), die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit „unbeschadet
der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen“ (BGH, Urteil vom
28. Oktober 2002 – II ZR 146/02, ZIP 2003, 28, 29).

2. Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des
Berufungsgerichts hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf Beschäftigung in
einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion.

Der Senat hat sich in früheren Entscheidungen bereits damit
befasst, ob der aus seiner Organstellung Abberufene gehalten sein kann, eine
andere angemessene Beschäftigung unterhalb der Organstellung bei der
Gesellschaft auszuüben (BGH, Urteil vom 14. Juli 1966 – II ZR 212/64, WM 1966,
968, 969; Urteil vom 9. Februar 1978 – II ZR 189/76, WM 1978, 319). Die hiervon
zu unterscheidende Frage, ob der abberufene Geschäftsführer aus dem
fortbestehenden Anstellungsverhältnis einen Anspruch auf Tätigkeit und
Beschäftigung in der Gesellschaft hat, konnte der Senat in seiner Entscheidung
vom 12. November 1952 (II ZR 260/51, BGHZ 8, 35, 45 f.) offenlassen. Teilweise
wird ein solcher Anspruch in der Literatur bejaht, dem im Rahmen einer
Interessenabwägung von der Gesellschaft entgegengehalten werden könne, die
Gesellschaft habe im Einzelfall ein schützenswertes Interesse an einer Nichtbeschäftigung
(Scholz/Schneider/Sethe aaO; Leuchten, GmbHR 2001, 750). Einen Anspruch des
Geschäftsführers auf Beschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit
vergleichbaren leitenden Funktion lehnt der Senat indes grundsätzlich ab
(ebenso LG Köln, GmbHR 1997, 1104, 1105; Kleindiek aaO; Ulmer/Paefgen, GmbHG,
2006, § 38 Rn. 117; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 346; Baumann in
Oppenländer/Trölitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 13 Rn. 74.; Röder/ Lingemann,
DB 1993, 1341, 1347; Fonk, NZG 1998, 408, 411; Moll in Festschrift Schwerdtner,
2003, S. 453, 461 f; Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1, 10). Ausgangspunkt dafür
ist die Auslegung des Anstellungsvertrages. Dieser kann zwar im Fall der
Abberufung des Geschäftsführers aus der Organstellung einen Anspruch auf
Beschäftigung in einer ähnlichen Position als leitender Angestellter vorsehen.
Der Anstellungsvertrag hat aber regelmäßig nur die Beschäftigung als
Geschäftsführer zum Inhalt. Eine Tätigkeit unterhalb der Organebene ist
typischerweise nicht vereinbart. Sie stellt ein aliud zu der
Geschäftsführertätigkeit dar und kann deshalb aus dem Anstellungsvertrag nicht
hergeleitet werden.

Dies entspricht auch der typischen Interessenlage der
Beteiligten. Der abberufene Geschäftsführer hat kein existenzielles Interesse
an einer Weiterbeschäftigung, weil er aufgrund des fortbestehenden
Anstellungsvertrages in Verbindung mit § 615 BGB grundsätzlich einen Anspruch
auf Fortzahlung des Gehalts hat. Er hat nur insoweit ein Interesse an einer
Weiterbeschäftigung, als die Nichtbeschäftigung von ihm als Ansehensverlust
oder Minderung der Lebensfreude empfunden wird. Die Gesellschaft dagegen hat
ein Interesse daran, im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit die
Leitungspositionen in ihrem Unternehmen mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen.
Zwischen dem abberufenen Geschäftsführer und der Gesellschaft besteht aber im
Regelfall kein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis mehr. Bei einer Abwägung
dieser Interessen überwiegt regelmäßig das Interesse der Gesellschaft.

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass in dem
Anstellungsvertrag der Parteien ausdrücklich oder im Wege der Auslegung eine
Pflicht der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers begründet ist. Dafür
spricht auch nichts.

 
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