BFH, Urteil vom 30.01.2013, II R 6 / 12

 

Tatbestand

I.

1 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger)
sind die Gesamtrechtsnachfolger des während des Revisionsverfahrens
verstorbenen Klägers und Revisionsklägers R. R war Mitgesellschafter einer GmbH
(GmbH 1), die die alleinige Aktionärin einer AG war, und ferner
Mitgesellschafter einer weiteren GmbH (GmbH 2). Die GmbH 2 erlitt in den Jahren
2000 bis 2003 erhebliche Verluste, die die AG durch die Gewährung von Darlehen
in Höhe von mehr als 2 Mio. € finanzierte. Im Dezember 2003 verkauften die
Gesellschafter der GmbH 2 ihre Geschäftsanteile für einen Kaufpreis von 0 € an
die AG, die sie ihrerseits mit Vertrag vom 20. Dezember 2004 für 1 € an eine
dritte GmbH (GmbH 3) verkaufte, deren alleiniger Gesellschafter R war.

2 Die AG verzichtete am 30. Dezember 2004
auf die Rückzahlung der der GmbH 2 gewährten Darlehen, soweit dies erforderlich
war, um deren bilanzielle Überschuldung zu verhindern. Der Verzicht erfolgte
mit einer Besserungsabrede dergestalt, dass die Forderung der AG wieder
aufleben sollte, soweit ihre Erfüllung aus einem künftigen Bilanzgewinn oder
Liquidationsüberschuss der GmbH 2 möglich sein würde, frühestens aber mit
Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2007 und höchstens in Höhe von 1 Mio. € jährlich.
Die AG verkaufte diesen „Besserungsschein“ mit Vertrag vom 15.
Dezember 2005 für einen Kaufpreis von 1 € an R und trat ihn mit Wirkung ab dem
31. Dezember 2004 an ihn ab. In dem Kaufvertrag wurde ausgeführt, der Wert des
„Besserungsscheins“ übersteige den Kaufpreis in keinem Fall.

3 Da in den Geschäftsjahren 2007 und 2008
der Besserungsfall eintrat, wurden dem für R bei der GmbH 2 geführten
Darlehenskonto zum 31. Dezember 2007 und zum 31. Dezember 2008 Beträge von
961.593 € bzw. 1 Mio. € gutgeschrieben.

4 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt –FA–) sah in diesen Gutschriften am 31. Dezember 2007 und 31.
Dezember 2008 ausgeführte freigebige Zuwendungen der AG an R und setzte
demgemäß gegen ihn auf diese Stichtage Schenkungsteuer von 335.405 € und
350.000 € fest. Die Einsprüche blieben erfolglos.

5 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 952 veröffentlichte Urteil
nur hinsichtlich der Höhe der Steuerfestsetzung zum 31. Dezember 2007 teilweise
statt, indem es die Steuer auf 334.705 € (35 % von 956.300 €) herabsetzte, und
wies die Klage im Übrigen ab. Das FA habe zu Recht das Vorliegen freigebiger
Zuwendungen der AG an R angenommen. Es könne auf sich beruhen, ob der Abschluss
des Kaufvertrags vom 15. Dezember 2005 zu einer verdeckten Gewinnausschüttung
(vGA) geführt habe. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde dies die
Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Schenkungsteuer nicht infrage stellen.

6 Mit der Revision rügen die Kläger
Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) . Da der Verkehrswert der von R erworbenen
Forderung beim Abschluss des Kaufvertrags vom 15. Dezember 2005 nicht höher als
1 € gewesen sei, stelle der Kaufpreis eine angemessene Gegenleistung dar. Dies
schließe das Vorliegen freigebiger Zuwendungen aus.

7 Die Kläger beantragen,

die Vorentscheidung, die
Einspruchsentscheidungen vom 21. Februar 2011 und die Schenkungsteuerbescheide
vom 11. Januar 2011 aufzuheben.

8 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.

Gründe

II.

9 Die Revision ist begründet. Sie führt
zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidungen vom 21. Februar
2011 und der Steuerbescheide vom 11. Januar 2011 ( § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Unrecht angenommen, die AG
habe R am 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 etwas freigebig zugewandt.

10 1. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als
Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der
Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

11 a) Eine freigebige Zuwendung setzt in
objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des
Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv)
unentgeltlich ist (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 23. November 2011 II
R 33/10 , BFHE 237, 179, BStBl II 2012, 473, [BFH 23.11.2011 – II R 33/10] Rz
20), und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (
BFH-Urteil vom 15. Dezember 2010 II R 41/08 , BFHE 232, 210, BStBl II 2011,
363, [BFH 15.12.2010 – II R 41/08] Rz 9).

12 b) Eine freigebige Zuwendung liegt auch
vor, wenn einer höherwertigen Leistung eine Gegenleistung von geringerem Wert
gegenübersteht und die höherwertige Leistung neben Elementen der Freigebigkeit
auch Elemente eines Austauschvertrags enthält, ohne dass sich die höherwertige
Leistung in zwei selbständige Leistungen aufteilen lässt (sog. gemischte
Schenkung). Über eine –teilweise– Unentgeltlichkeit und die Frage einer
Bereicherung ist dabei nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Bei
einer gemischten Schenkung unterliegt der Schenkungsteuer nur der
(unselbständige) freigebige Teil der Zuwendung. Dieser Teil ist die
Bereicherung i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und bestimmt sich nach dem
Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Bedachten zum Verkehrswert
der Leistung des Schenkers (BFH-Urteile in BFHE 232, 210, [BFH 15.12.2010 – II
R 41/08] BStBl II 2011, 363, [BFH 15.12.2010 – II R 41/08] Rz 10, 14, und vom
23. Mai 2012 II R 21/10 , BFHE 237, 466, BStBl II 2012, 793, [BFH 23.05.2012 –
II R 21/10] Rz 22).

13 Für die Ermittlung des Verkehrswerts
kommt es dabei auf den Bewertungsstichtag an. Spätere Entwicklungen wie etwa
das vorzeitige Ableben des Rentenberechtigten, wenn sich der Beschenkte im
Rahmen einer gemischten Schenkung zur Zahlung einer Rente verpflichtet hat,
können dabei abweichend von der Ermittlung des Steuerwerts (vgl. § 14 Abs. 2
des Bewertungsgesetzes ) nicht berücksichtigt werden ( BFH-Urteil vom 17.
Oktober 2001 II R 72/99 , BFHE 196, 296, BStBl II 2002, 25 [BFH 17.10.2001 – II
R 72/99] ).

14 2. Diese Voraussetzungen einer gemischten
Schenkung sind nach den vom FG getroffenen Feststellungen ( § 118 Abs. 2 FGO )
im Streitfall nicht erfüllt.

15 a) Das FG hat nicht festgestellt, dass
der Verkehrswert der von R erworbenen Forderung beim Abschluss des Kaufvertrags
vom 15. Dezember 2005 höher als 1 € gewesen sei. Der Kaufpreis stellte daher
eine angemessene Gegenleistung für den Erwerb der Forderung dar. Die AG hatte
demgemäß auch nicht den für das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung
erforderlichen Willen zur Freigebigkeit. Dies schließt das Vorliegen einer
freigebigen Zuwendung aus.

16 b) Dass später der Besserungsfall
eingetreten ist und die Forderung daher werthaltig wurde, ist unerheblich. Dies
hatte nicht zur Folge, dass sich der zum Verkehrswert erfolgte Verkauf der
Forderung rückwirkend in eine freigebige Zuwendung umwandelte. Der Eintritt des
Besserungsfalls hat den für die Besteuerung maßgebenden Sachverhalt nicht
rückwirkend verändert. Es handelt sich dabei vielmehr um eine spätere
Entwicklung, die bei der Prüfung, ob am Stichtag eine gemischte Schenkung
vorliegt, keine Rolle spielt.

17 c) Die am 31. Dezember 2007 und 31.
Dezember 2008 vorgenommenen Gutschriften auf dem bei der GmbH 2 für R geführten
Darlehenskonto sind auch nicht i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG „auf
Kosten“ der AG erfolgt. Da R nicht nur der Gläubiger der gegen die GmbH 2
gerichteten Forderung, sondern zugleich über die GmbH 3 bereits seit Abschluss
des Vertrags vom 20. Dezember 2004 und somit lange vor dem am 15. Dezember 2005
vereinbarten Kauf der Forderung von der AG und auch vor dem Eintritt des
Besserungsfalls mittelbar alleiniger Gesellschafter der GmbH 2 war, ist der
Besserungsfall in seinem Verantwortungs- und Zurechnungsbereich und nicht in
jenem der AG eingetreten.

18 d) Aus dem BFH-Urteil vom 21. April 2009
II R 57/07 (BFHE 224, 279, BStBl II 2009, 606 [BFH 21.04.2009 – II R 57/07] )
ergibt sich nichts anderes. Nach diesem Urteil ist zwar die Schenkung einer
Forderung, hinsichtlich der eine Besserungsabrede getroffen wurde, ausgeführt,
sobald der Besserungsfall eingetreten ist. In dem dieser Entscheidung zugrunde
liegenden Fall war die Forderung, auf die sich die vereinbarte Besserungsabrede
bezog, aber nicht zum Verkehrswert verkauft, sondern von vornherein freigebig
zugewandt worden. Dies war die Voraussetzung für die Prüfung, wann die dem
Grunde nach vorliegende freigebige Zuwendung ausgeführt worden war.

19 3. Der Annahme einer freigebigen
Zuwendung der AG an R steht auch entgegen, dass es im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft
zu ihren Gesellschaftern oder zu den Gesellschaftern einer an ihr beteiligten
Kapitalgesellschaft neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich
offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine
freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gibt.

20 a) Gewinnausschüttungen einer
Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter erfolgen nicht freigebig. Sie
beruhen vielmehr auf dem Gesellschaftsverhältnis, und zwar unabhängig davon, ob
sie offen oder verdeckt vorgenommen werden, und haben daher jedenfalls im
Verhältnis zu den Gesellschaftern ausschließlich ertragsteuerrechtliche Folgen.

21 aa) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen
auch vGA. Eine vGA ist gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem
Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen
Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass oder zumindest ihre
Mitveranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist der Fall, wenn ein
ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem
Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte ( BFH-Urteile vom 13. Dezember 2006
VIII R 31/05 , BFHE 216, 214, BStBl II 2007, 393, [BFH 13.12.2006 – VIII R
31/05] und vom 27. März 2012 VIII R 27/09 , BFH/NV 2012, 1127, Rz 18). Die
Zuwendung eines Vorteils an den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft
außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung beruht somit zumindest
auch auf dem Gesellschaftsverhältnis, wenn sie nicht ausschließlich betrieblich
veranlasst ist (BFH-Urteile in BFHE 216, 214, [BFH 13.12.2006 – VIII R 31/05] BStBl II 2007, 393, [BFH 13.12.2006 – VIII R 31/05] und in BFH/NV 2012, 1127,
Rz 18 f.).

22 bb) Die vGA mindern das Einkommen einer
Kapitalgesellschaft nicht ( § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes
–KStG–). Unter einer vGA im Sinne dieser Vorschrift ist eine
Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die nicht
auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht, sich auf den gemäß § 4 Abs. 1 Satz
1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG für die Gewinnermittlung maßgebenden
Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des
Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres auswirkt und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst
oder mitveranlasst ist. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis hat
der BFH für den größten Teil der zu entscheidenden Fälle bejaht, wenn die Kapitalgesellschaft
ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie einem
Gesellschaftsfremden unter ansonsten vergleichbaren Umständen nicht zugewendet
hätte. Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln
eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1
des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung die
Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet ( BFH-Urteile vom 24.
August 2011 I R 5/10 , BFH/NV 2012, 271, Rz 27; vom 31. Januar 2012 I R 1/11 ,
BFHE 236, 368, BStBl II 2012, 694, [BFH 31.01.2012 – I R 1/11] Rz 10, und vom
15. Februar 2012 I R 19/11 , BFHE 236, 452, Rz 16, je m.w.N.). Zudem setzt die
Annahme einer vGA voraus, dass die Minderung des Unterschiedsbetrages gemäß § 4
Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bei der Körperschaft geeignet
ist, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz
2 EStG auszulösen ( BFH-Urteile vom 20. August 2008 I R 19/07 , BFHE 222, 494, BStBl
II 2011, 60 [BFH 20.08.2008 – I R 19/07] ; in BFH/NV 2012, 271, Rz 27, und in
BFHE 236, 452, Rz 16, je m.w.N.).

23 cc) Eine vGA besteht in ihrem Wesen
darin, dass eine Beurteilung eines Sachverhalts geltend gemacht wird, die
diesen nicht als Grundlage einer Gewinnausschüttung erscheinen lässt, vielmehr
eine solche „verdeckt“. Vermögensvorteile werden den Gesellschaftern
damit in einer Form zugeführt, in der sie nicht als Ausschüttung erscheinen,
sondern unter anderer Bezeichnung verborgen sind. Entscheidend ist somit, ob
Leistungen an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht
auf das Gesellschaftsverhältnis (societatis causa) gewährt werden ( BFH-Urteil
vom 23. Oktober 1985 I R 247/81 , BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195 [BFH 23.10.1985
– I R 247/81] ).

24 Eine vGA kann daher beispielsweise bei
einem zwischen der Kapitalgesellschaft und einem Gesellschafter geschlossenen
Kaufvertrag vorliegen, nämlich wenn die Kapitalgesellschaft einen überhöhten
Kaufpreis an den Gesellschafter zahlt oder wenn der vom Gesellschafter an die
Gesellschaft zu entrichtende Kaufpreis unangemessen niedrig ist ( BFH-Urteile
vom 17. Oktober 2001 I R 103/00 , BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, [BFH
17.10.2001 – I R 103/00] und vom 6. April 2005 I R 22/04 , BFHE 209, 460, BStBl
II 2007, 658 [BFH 06.04.2005 – I R 22/04] ; Wassermeyer, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz C 60a, 60c;
Schallmoser/Eisgruber/Janetzko in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 265;
Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 80).

25 dd) Eine vGA an einen Gesellschafter
einer Kapitalgesellschaft liegt unter den dargelegten allgemeinen
Voraussetzungen auch dann vor, wenn die Kapitalgesellschaft den
Vermögensvorteil unmittelbar einer dem Gesellschafter nahestehenden Person
zuwendet (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 236, 452, [BFH 15.02.2012 – I R 19/11] Rz 16). Das „Nahestehen“ in diesem Sinn kann familienrechtlicher,
gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art
sein ( BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 54/05 , BFHE 218, 244, BStBl II
2007, 830 [BFH 19.06.2007 – VIII R 54/05] ). Die Zuwendung eines Vorteils an
eine dem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft nahestehende Person ist
unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein
vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat, soweit andere Ursachen für
die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu dem Gesellschafter
auszuschließen sind (BFH-Urteile in BFHE 218, 244, [BFH 19.06.2007 – VIII R
54/05] BStBl II 2007, 830, [BFH 19.06.2007 – VIII R 54/05] und vom 7. November
2007 II R 28/06 , BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258, [BFH 07.11.2007 – II R
28/06] m.w.N.).

26 Die Zuwendung des Vermögensvorteils an
die dem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft nahestehende Person ist im
Hinblick auf die Anwendung der Vorschriften über die vGA so zu beurteilen, als
hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen an die
nahestehende Person weitergegeben (BFH-Urteil in BFHE 218, 244, [BFH 19.06.2007
– VIII R 54/05] BStBl II 2007, 830, [BFH 19.06.2007 – VIII R 54/05] m.w.N.).

27 ee) Ist Gesellschafterin einer
Kapitalgesellschaft eine andere Kapitalgesellschaft, so stehen dieser deren
Gesellschafter nahe. Leistungen, die eine Kapitalgesellschaft unmittelbar an
einen Gesellschafter ihres eigenen Gesellschafters (mittelbarer Gesellschafter)
erbringt, können daher vGA sein (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 271, Rz 27). In
einem solchen Fall ist der normale Weg der Gewinnausschüttung der
Beteiligungsgesellschaft an die Muttergesellschaft und der Muttergesellschaft
an ihren Gesellschafter abgekürzt. Es liegt dann eine vGA der
Beteiligungsgesellschaft an die Muttergesellschaft und eine vGA der
Muttergesellschaft an ihren Gesellschafter vor (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145,
165, [BFH 23.10.1985 – I R 247/81] BStBl II 1986, 195, [BFH 23.10.1985 – I R
247/81] unter B.II.4.).

28 ff) Entgegen der Ansicht des FG kann die
Gewährung eines unangemessenen Vermögensvorteils durch eine Kapitalgesellschaft
an einen ihrer Gesellschafter oder an einen Gesellschafter einer an ihr
beteiligten Kapitalgesellschaft nur unter dem ertragsteuerrechtlichen
Gesichtspunkt einer vGA gewürdigt, nicht aber zusätzlich als freigebige
Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG angesehen werden. Durch die
Gewährung eines solchen Vermögensvorteils wird der für offene Ausschüttungen
zur Verfügung stehende Gewinn der Kapitalgesellschaft gemindert. Die sich durch
die Gewinnminderung ergebenden Folgen werden auf der Seite der
Kapitalgesellschaft durch § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und auf der Seite des
einkommensteuerpflichtigen Gesellschafters durch § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
geregelt. Die vGA werden ertragsteuerrechtlich somit im Ergebnis wie offene
Gewinnausschüttungen behandelt.

29 Damit ließe es sich nicht vereinbaren,
wenn eine vGA anders als eine offene Gewinnausschüttung zugleich als freigebige
Zuwendung der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter oder an einen
Gesellschafter einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft angesehen würde
(Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz , Kommentar, 16. Aufl., §
7 Rz 74; Götz in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 7
Rz 45; Albrecht, Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis 2003, 141,
148; Crezelius, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge –ZEV– 2008,
268, 273; derselbe, ZEV 2011, 393, 396 f.; Viskorf, ZEV 2012, 442, 446;
Wälzholz, ZEV 2008, 273, 276; vgl. dazu bereits Urteil des Reichsfinanzhofs vom
21. Januar 1943 III e 38/41, RStBl 1943, 589; a.A. Hartmann in
Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 7 ErbStG Rz 103.2).

30 Es spielt dabei entgegen der Auffassung
der Finanzverwaltung (gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der
Länder vom 14. März 2012, BStBl I 2012, 331, Abschn. 2.6.2) und einer in der
Literatur vertretenen Ansicht (Gebel in Troll/ Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz
191 f.; Weinmann in Moench/ Weinmann, § 7 ErbStG Rz 190) keine Rolle, ob alle
Gesellschafter der Kapitalgesellschaft vGA in gleicher Höhe erhalten. Auch wenn
dies nicht der Fall ist und beispielsweise nur ein Gesellschafter eine
überhöhte Vergütung erhält, führt das über die gesellschaftsrechtliche
Beteiligungsquote hinaus Verteilte nicht zu einer freigebigen Zuwendung der
Kapitalgesellschaft an den Gesellschafter. Vielmehr unterliegt die Zahlung des
unangemessenen Teils der Vergütung als vGA der Einkommensteuer, da sie durch
das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG,
Rz 219 f.; Kamps, Die Steuerberatung 2006, 107, 113 ff.). Dies schließt das
Vorliegen einer freigebigen Zuwendung der Kapitalgesellschaft an den
Gesellschafter aus. Für vGA kann insoweit nichts anderes gelten wie für
Vermögensübertragungen von einem Gesellschafter auf eine Kapitalgesellschaft,
die als gesellschaftsrechtliche Vorgänge nicht als freigebige Zuwendungen an die
Gesellschaft zu beurteilen sind ( BFH-Urteil vom 17. Oktober 2007 II R 63/05 ,
BFHE 218, 429, BStBl II 2008, 381 [BFH 17.10.2007 – II R 63/05] ; Viskorf, ZEV
2012, 442, 446).

31 gg) Ob es Fälle gibt, in denen ein und
derselbe Lebenssachverhalt tatbestandlich sowohl der Einkommen- als auch der
Schenkungsteuer unterfällt, und in welchem Verhältnis die beiden Steuerarten in
solchen Fällen stehen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 12. September 2011 VIII B
70/09 , BFH/NV 2012, 229, Rz 19; Fischer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter,
ErbStG, 4. Aufl., § 7 Rz 131), kann im Streitfall auf sich beruhen; denn sowohl
offene als auch verdeckte Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft an
ihre Gesellschafter oder an die Gesellschafter einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft
sind tatbestandlich, wie dargelegt, keine freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG .

32 b) Der Annahme einer freigebigen
Zuwendung der AG an R steht somit auch entgegen, dass dieser über die GmbH 1
mittelbarer Gesellschafter der AG war.

33 4. Da das FG von einer anderen Ansicht
ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidungen
sind ebenfalls aufzuheben.
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