BFH, Urteil vom 27.10.2010, II R 37 / 09

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt von
ihrem späteren Ehemann –E– (Eheschließung am 6. Januar 1997) durch Vertrag vom
2. März 1996 ein mit banküblichen Sparbuchzinsen zu verzinsendes Darlehen über 2
750 000 DM zugesagt, das sie vereinbarungsgemäß zum Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen
Betriebs mit einem Herrenhaus verwendete. Nach den getroffenen Vereinbarungen
müssen Rückzahlungen bis zu einem Betrag von 50 000 DM sechs Monate vorher und
größere Summen (Höchstbetrag 200 000 DM) zwei Jahre vorher angekündigt werden.

Durch Zusatzvereinbarung vom 8. Januar 1997 wurde das
Darlehen für die Vergangenheit und für die Zukunft zinslos gestellt. Am 24.
Januar 1997 tilgte die Klägerin einen Teilbetrag des Darlehens (700 000 DM).
Das verbleibende Darlehen von 2 050 000 DM erließ E der Klägerin durch Vertrag
vom 22. November 2004 als Gegenleistung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht.

Nachdem dieser Sachverhalt dem Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt – FA–) im Jahr 2004 bekannt geworden war, vertrat
er die Auffassung, die zunächst zinsgünstige und dann unentgeltliche Gewährung
des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen, sowie der Verzicht
auf die bereits angefallenen Zinsen und das restliche Darlehen stellten
freigebige Zuwendungen des E an die Klägerin dar.

4 Das FA ging davon aus, dass die erste dieser freigebigen
Zuwendungen am 31. März 1996 (Tag der Fälligkeit des Kaufpreises für den
Betrieb der Land- und Forstwirtschaft) ausgeführt worden sei, und setzte dafür
durch Bescheid vom 21. April 2006 aufgrund eines Steuerwerts der Bereicherung
von 515 771 DM Schenkungsteuer in Höhe von 60 255,75 € (117 850 DM) fest. Es
nahm dabei an, der jährliche Zinsvorteil bestehe im Unterschied zwischen den
vereinbarten banküblichen Sparbuchzinsen, die 2 % betrügen, und dem in § 15
Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) bestimmten Zinssatz von 5,5 %. Die
Kapitalwerte des Zinsvorteils errechnete das FA nach der jeweiligen
tatsächlichen Laufzeit des am 24. Januar 1997 getilgten Teils des Darlehens und
des später erlassenen Restbetrags mit 19 477 DM und 496 294 DM, zusammen also
515 771 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.

5 In der Vereinbarung vom 8. Januar 1997 sah das FA eine
freigebige Zuwendung zum einen hinsichtlich des Verzichts auf die bereits
entstandenen Zinsen in Höhe von 14 972 DM und zum anderen mit einem Wert von
263 903 DM hinsichtlich des Zinsverzichts für die Zukunft. Unter
Berücksichtigung des nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (ErbStG)
zustehenden Freibetrags von 600 000 DM und des Anrechnungsbetrags für den
Vorerwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG von 60 255,75 € ergab sich daraus keine
festzusetzende Schenkungsteuer.

Für den am 22. November 2004 vereinbarten Erlass der
restlichen Darlehensschuld setzte das FA in der Einspruchsentscheidung
abweichend vom Steuerbescheid vom 19. September 2005 Schenkungsteuer in Höhe
von 157 750 € fest. Es rechnete dabei dem Nennwert der erlassenen
Darlehensforderung von 2 050 000 DM = 1 048 148 € nach § 14 Abs. 1 Satz 1
ErbStG einen Gesamtwert der Vorerwerbe von 406 296 € hinzu. Von der sich bei
einem Steuersatz von 19 % ergebenden Schenkungsteuer von 218 006 € zog das FA
die tatsächlich zu entrichtende Steuer für die Vorerwerbe von 60 255,75 € ab,
da die fiktive Steuer aus Vorerwerben (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) nach seiner
Berechnung lediglich 10 912 € beträgt.

Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Besteuerung
der zunächst zinsgünstigen und dann zinslosen Darlehensgewährung und vertrat
ferner die Auffassung, der am 22. November 2004 vereinbarte Darlehensverzicht
unterliege nicht mit dem Nennwert des restlichen Darlehensbetrags der
Schenkungsteuer, sondern sei mit dem 9,3-fachen Jahreswert des Zinsvorteils
abzuzinsen. Zudem stelle der Darlehensverzicht zu 800/2 750 eine nach § 13 Abs.
1 Nr. 4a ErbStG steuerfreie Freistellung von im Zusammenhang mit der Anschaffung
des Herrenhauses eingegangenen Verpflichtungen dar. Dieses Haus werde von ihr
und E bewohnt und sei daher ein Familienwohnheim im Sinne dieser Vorschrift. Es
besteht dabei Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass von dem Kaufpreis von 2
750 000 DM für den Betrieb 800 000 DM auf das Herrenhaus entfielen.

Die Klägerin beantragte, die Schenkungsteuerbescheide für
die Erwerbe vom 31. März 1996 und vom 22. November 2004 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 31. Mai 2006 aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die
Steuerfestsetzung für den Erwerb vom 31. März 1996 ab. In der Gewährung des
niedrig verzinslichen Darlehens liege eine freigebige Zuwendung des E an die
Klägerin.

Für die Zuwendung vom 22. November 2004 setzte das FG die
Schenkungsteuer in der Weise herab, dass statt von einem Steuerwert der
freigebigen Zuwendung von 1 048 148 € von einem Steuerwert von 991 831 €
ausgegangen wird. Die Voraussetzungen für eine teilweise Steuerbefreiung des
Darlehensverzichts nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG seien nicht erfüllt. Bei dem
Herrenhaus handele es sich nämlich nach § 33 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 3 BewG um
Betriebsvermögen, das nicht der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr.
4a ErbStG, sondern der Begünstigungsvorschrift des § 13a ErbStG unterfalle. Der
erlassene Darlehensbetrag sei aber nicht mit dem Nennwert anzusetzen, sondern
wegen der vereinbarten niedrigen Verzinsung und der Laufzeit von mehr als einem
Jahr abzuzinsen. Der der Abzinsung zugrunde zu legende jährliche Zinsverlust
betrage 1 % von 1 048 148,30 € (Nennwert der erlassenen Forderung). Es sei
nämlich von dem Unterschied zwischen den ursprünglich vereinbarten banküblichen
Sparbuchzinsen von 2 % und einem Zinssatz von 3 % auszugehen. Für die
Kapitalisierung dieses jährlichen Zinsverlustes sei die mittlere
Lebenserwartung des E zum Zeitpunkt des Erlasses maßgebend, die nach der
Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 2002/2004 noch 6,34 Jahre
betragen habe. Das Darlehen habe nämlich für die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft
der Klägerin mit E nicht gekündigt werden können, wie sich aus den Umständen
des Streitfalles ergebe. Die (künftigen) Erben des E hätten das Darlehen aber
unabhängig von etwa für die Zeit nach dessen Tod vereinbarten Einschränkungen
der ordentlichen Kündigung deshalb kündigen können, weil die Klägerin die
vereinbarten jährlichen Zinsen von 2 % nicht hätte bezahlen können und daher
den Erben das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 490 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) zugestanden hätte. Der mittleren Lebenserwartung des E
entsprechend sei ein sich aus einer Interpolation der Vervielfältiger für
sieben und sechs Jahre lt. Tabelle 2 zu § 12 Abs. 1 BewG von 5,839 bzw. 5,133
ergebender Vervielfältiger von 5,373 anzusetzen. Der Kapitalwert des
Zinsverlustes belaufe sich somit auf 1 % von 1 048 148,30 € × 5,373 = 56 317 €.
Der anzusetzende Gegenwartswert des erlassenen Darlehens betrage somit rd. 991
831 €.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 7 Abs. 1
Nr. 1 und § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Die Vorteile aus der Gewährung eines
zinslosen oder niedrig verzinslichen Darlehens unterlägen nicht der
Schenkungsteuer. Zumindest müsse aber insoweit ebenso wie für den
Darlehensverzicht die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG angewendet
werden. Das FG habe ferner den Gegenwartswert der erlassenen Darlehensschuld
unzutreffend berechnet. Der jährliche Zinsverlust betrage nicht 1 %, sondern
nach § 12 Abs. 3 BewG 5,5 % der erlassenen Darlehensschuld. Unzutreffend sei
auch der vom FG angesetzte Vervielfältiger. Das Darlehen sei auf längere,
unbestimmte Zeit gelaufen. Die Kündigungsmöglichkeiten seien auch nach dem Tod
des E dahingehend beschränkt gewesen, dass jeweils nur ein Teilbetrag des
Darlehens bis zu einer Höhe von 200 000 DM mit einer Kündigungsfrist von zwei
Jahren habe kündbar sein sollen. Ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen
Nichtentrichtung der vereinbarten Zinsen hätte den Erben des E aufgrund der
vereinbarten Zinslosigkeit des Darlehens nicht zugestanden. Für die Abzinsung
müsse daher der 9,3-fache Jahreswert des Zinsverlustes angesetzt werden. Der
erlassene Darlehensbetrag von 2 050 000 DM sei demgemäß mit 9,3 × 5,5 % = 51,15
% und somit um 1 048 575 DM auf 1 001 425 DM abzuzinsen. Davon seien 800/2 750
als Familienheim-Zuwendung steuerfrei. Hieraus ergebe sich ein Steuerwert der
Zuwendung von 710 101 DM = 363 068 €.

Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung der
Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung für die Zuwendung vom 31.
März 1996 von einem Steuerwert von 0 DM und für die Zuwendung vom 22. November
2004 ohne Berücksichtigung von Vorerwerben von einem Steuerwert von 363 068 €
auszugehen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin könne die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr.
4a ErbStG nicht beanspruchen, da das Herrenhaus bei dessen Anschaffung im März
1996 noch kein Familienwohnheim gewesen sei.

Gründe

Die Revision ist hinsichtlich der Zuwendung vom 31. März
1996 unbegründet und war daher insoweit zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung –FGO–). Bezüglich der Zuwendung vom 22. November 2004 ist
die Revision begründet; sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung
und unter Änderung des Schenkungsteuerbescheids vom 19. September 2005 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 zur Herabsetzung der
Schenkungsteuer auf 2 864 € (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

1. Das FG hat die Rechtmäßigkeit des für die Zuwendung vom
31. März 1996 ergangenen Schenkungsteuerbescheids in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 zutreffend bejaht.

a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter
Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der
Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 BGB). Dieser Schenkungsteuertatbestand setzt
objektiv eine Vermögensverschiebung voraus, d.h. eine Vermögensminderung auf
der Seite des Zuwendenden und eine Vermögensmehrung auf der Seite des
Bedachten, subjektiv den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (Urteil des
Bundesfinanzhofs – BFH– vom 9. Dezember 2009 II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl
II 2010, 363). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem
Recht (BFH-Urteile vom 25. November 2008 II R 38/06, BFH/NV 2009, 772, und vom
9. Dezember 2009 II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566).

b) In der zinslosen Gewährung eines Darlehens liegt eine
freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wie der BFH in ständiger
Rechtsprechung entschieden hat (grundlegend BFH-Urteil vom 12. Juli 1979 II R
26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631; ferner BFH-Urteile vom 4. Dezember
2002 II R 75/00, BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273; vom 29. Juni 2005 II R
52/03, BFHE 210, 459, BStBl II 2005, 800; vom 21. Februar 2006 II R 70/04,
BFH/NV 2006, 1300, und vom 11. April 2006 II R 13/04, BFH/NV 2006, 1665;
BFH-Beschluss vom 14. Januar 2010 II B 112/09, BFH/NV 2010, 901). Der Empfänger
eines zinslosen Darlehens erfährt durch die Gewährung des Rechts, das als
Darlehen überlassene Kapital unentgeltlich zu nutzen, eine Vermögensmehrung,
die der Schenkungsteuer unterliegt. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils beträgt
nach § 15 Abs. 1 BewG 5,5 %, wenn kein anderer Wert feststeht.

Wird das Darlehen nicht zinslos, sondern mit einem niedrigen
Zinssatz gewährt, liegt ebenfalls eine freigebige Zuwendung vor. In diesem Fall
ist der Jahreswert des Nutzungsvorteils mit 5,5 % abzüglich des vereinbarten
Zinssatzes zu berechnen, wenn kein anderer Wert feststeht (BFH-Beschluss vom
15. März 2001 II B 171/99, BFH/NV 2001, 1122, unter Hinweis auf das in einer
Grunderwerbsteuersache ergangene BFH-Urteil vom 17. April 1991 II R 119/88,
BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586).

Da die unentgeltliche Gewährung eines zinslosen oder
zinsgünstigen Darlehens eine (sonstige) freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs.
1 Nr. 1 ErbStG darstellt (BFH-Urteil vom 30. März 1994 II R 105/93, BFH/NV
1995, 70; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 15.
Aufl., § 7 Rz 9), ist es unerheblich, dass zivilrechtlich in der bloßen
vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache in der Regel keine das
Vermögen mindernde Zuwendung liegt, wie sie für eine Schenkung gemäß § 516 Abs.
1 BGB erforderlich ist; eine Schenkung gemäß §§ 516 ff. BGB setzt nämlich eine
Zuwendung voraus, durch die der Schenker die Substanz seines Vermögens
vermindert und das Vermögen des Beschenkten entsprechend vermehrt (Urteile des
Bundesgerichtshofs – BGH– vom 11. Dezember 1981 V ZR 247/80, BGHZ 82, 354, und
vom 1. Juli 1987 IVb ZR 70/86, BGHZ 101, 229; BGH-Beschluss vom 11. Juli 2007
IV ZR 218/06, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2008, 192; Urteil
des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Februar 1996 2 U 139/95, Neue Juristische
Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1996, 717). Der Begriff der
freigebigen Zuwendung ist weiter als derjenige einer Schenkung im
zivilrechtlichen Sinn.

c) Die Steuerfestsetzung für die Zuwendung vom 31. März 1996
ist somit nicht zu beanstanden. Das FA hat bereits berücksichtigt, dass die
teilweise Tilgung des Darlehens und der Erlass des restlichen Darlehens
rückwirkende Ereignisse i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung
(AO) darstellen (BFH-Urteil in BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631).

d) Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG kann
für die Zuwendung vom 31. März 1996 nicht berücksichtigt werden, weil die
Vorschrift lediglich Zuwendungen unter Ehegatten betrifft und die Klägerin und
E seinerzeit noch nicht verheiratet waren. Die spätere Eheschließung spielt
keine Rolle; denn für die Besteuerung kommt es auf die Verhältnisse zum
Zeitpunkt der Entstehung der Steuer mit Ausführung der freigebigen Zuwendung an
(§ 11 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Ein rückwirkendes Ereignis i.S. des §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO stellt die Eheschließung nicht dar.

2. Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Steuerbefreiung
nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG sei bezüglich des Herrenhauses für die
Zuwendungen vom 8. Januar 1997 und 22. November 2004 nicht anwendbar.

a) Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem
anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland belegenen, zu
eigenen Wohnzwecken genutzten Haus oder einer im Inland belegenen, zu eigenen
Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung (Familienwohnheim) verschafft oder den
anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der
Anschaffung oder der Herstellung des Familienwohnheims freistellt, bleiben nach
§ 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG steuerfrei. Es muss sich dabei nicht um eine
freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handeln. Die Vorschrift gilt
vielmehr auch für Abfindungsleistungen für einen Erb- oder
Pflichtteilsverzicht, die nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG als Schenkungen unter
Lebenden gelten (Meincke, a.a.O., § 13 Rz 19). Die Steuerbefreiung bezieht sich
nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur auf das Haus verstanden als Gebäude,
sondern auch auf das Grundstück, dessen wesentlicher Bestandteil es nach § 94
Abs. 1 Satz 1 BGB ist (BFH-Urteil vom 26. Februar 2009 II R 69/06, BFHE 224,
151, BStBl II 2009, 480).

25 b) Entgegen der Auffassung des FG steht der Anwendbarkeit
des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG kein Vorrang der Steuervergünstigungen
nach § 13a ErbStG entgegen.

aa) Zum einen ist für jeden der Schenkungsteuer
unterliegenden Vorgang gesondert zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen
für eine Steuerbefreiung oder Steuervergünstigung erfüllt sind. Sind die
Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gegeben, kann diese nicht mit der Begründung
versagt werden, bei Verwirklichung eines anderen steuerbaren Tatbestands könne
eine Steuervergünstigung beansprucht werden. Derartige hypothetische
Betrachtungen scheiden aus, weil es für die Besteuerung nur auf den tatsächlich
verwirklichten Tatbestand ankommt (§ 38 AO). Es ist zudem nicht erkennbar,
warum eine bloße Steuervergünstigung einer Steuerbefreiung vorgehen soll.

bb) Zum anderen hat das FG zu Unrecht angenommen, das
Herrenhaus werde von den Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG bei Vorliegen
der allgemeinen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfasst.

Der Freibetrag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und der verminderte
Wertansatz (§ 13a Abs. 2 ErbStG) gelten gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 2 ErbStG für
inländisches land-und forstwirtschaftliches Vermögen i.S. des § 141 Abs. 1 Nr.
1 und 2 BewG, vermietete Grundstücke, Grundstücke i.S. des § 69 BewG und die in
§ 13 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Gesetzes vom
24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) genannten Gebäude oder Gebäudeteile bei bestimmten,
in der Vorschrift näher genannten Erwerben unter der Voraussetzung, dass dieses
Vermögen ertragsteuerlich zum Betriebsvermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft
gehört. Der in § 141 Abs. 1 Nr. 3 BewG genannte Wohnteil (§ 141 Abs. 4 i.V.m. §
34 Abs. 3 BewG) wird danach von den Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG nur
erfasst, wenn er nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des § 13 Abs. 4 Satz 1
und 2 EStG unter § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG fällt. Nach dem Veranlagungszeitraum
1986 angeschaffte Objekte fallen nicht unter die Übergangsvorschrift und sind
daher ertragsteuerlich stets Privateigentum (Kube in Kirchhof, EStG, 9. Aufl.,
§ 13 Rz 27).

Das Herrenhaus der Klägerin stand danach im Privateigentum
und erfüllte somit von vornherein nicht die Voraussetzungen für die
Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG.

c) Der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG
auf die Zuwendungen vom 8. Januar 1997 und 22. November 2004 steht auch nicht
entgegen, dass das Herrenhaus bei der Anschaffung durch die Klägerin noch kein
Familienwohnheim war, weil die Klägerin und E seinerzeit noch nicht miteinander
verheiratet waren.

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die
Anwendbarkeit dieser Vorschrift gegeben sind, kommt es gemäß § 11 i.V.m. § 9
Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausführung der
Zuwendung an (BFH-Urteil in BFHE 224, 151, BStBl II 2009, 480, unter II.2.a).
Liegt zu diesem Zeitpunkt ein Familienwohnheim vor, so genügt dies (H.-U.
Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz,
Bewertungsgesetz, 3. Aufl., § 13 ErbStG Rz 35). Es ist nicht zusätzlich
erforderlich, dass es sich bereits bei der Anschaffung oder Herstellung um ein
Familienwohnheim gehandelt hat. Dies gilt sowohl für die Übertragung des
Eigentums oder Miteigentumsanteils an dem Familienwohnheim als auch bei der
Freistellung von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung
oder Herstellung des Familienwohnheims (ebenso Beschluss des FG München vom 3.
Februar 2006 4 V 2881/05, Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 686; Jülicher
in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 Rz 66). Für eine unterschiedliche
Behandlung dieser Fallgruppen gibt es keine Grundlage.

d) Steuerfrei gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG sind
danach jeweils bezogen auf den auf das Herrenhaus entfallenden Anteil an dem
Darlehen der am 8. Januar 1997 vereinbarte Verzicht auf die bereits
entstandenen und künftig entstehenden Zinsen und der Erlass des restlichen
Darlehens am 22. November 2004.

e) Da das FG von einer anderen Auffassung ausgegangen ist,
war die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie die Zuwendung vom 22. November
2004 betrifft.

3. Die Sache ist spruchreif.

a) Das FG hat dem Grunde nach zutreffend angenommen, dass
der Erlass des restlichen Darlehens nicht mit dem Nennwert, sondern mit einem
abgezinsten Wert anzusetzen sei, den Abzinsungsbetrag jedoch fehlerhaft
berechnet.

aa) Die Bewertung des Darlehenserlasses richtet sich gemäß §
12 Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG (Allgemeine
Bewertungsvorschriften). Kapitalforderungen, die nicht in § 11 BewG bezeichnet
sind, und Schulden sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG mit dem Nennwert
anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert
begründen. Derartige Umstände können in einer langfristigen Zinslosigkeit oder
einer langfristigen niedrigen Verzinsung in Verbindung mit längerer
Unkündbarkeit liegen (BFH-Urteil vom 20. Januar 1988 I R 146/85, BFHE 152, 265,
BStBl II 1988, 372, m.w.N.).

bb) Die Voraussetzungen für den Ansatz des erlassenen
Darlehens mit einem geringeren Wert als dem Nennwert sind im Streitfall
erfüllt. Das Darlehen war aufgrund der Zusatzvereinbarung vom 8. Januar 1997
zinslos und nach den vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO)
jedenfalls für die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft der Klägerin mit E
nicht kündbar. Da die statistische Lebenserwartung des E bei der Vereinbarung
des Erlasses des restlichen Darlehens noch 6,34 Jahre betrug, war das Darlehen
längerfristig nicht kündbar.

cc) Bei der Berechnung des Abzinsungsbetrags ist entgegen
der Auffassung des FG nicht von der ursprünglich vereinbarten niedrigen
Verzinsung, sondern aufgrund der der Besteuerung zugrunde gelegten
Zusatzvereinbarung vom 8. Januar 1997 von der Zinslosigkeit des Darlehens
auszugehen. Da die Vertragsparteien eine Verzinsung in der Zusatzvereinbarung
vom 8. Januar 1997 ausdrücklich ausgeschlossen hatten, ist der in § 12 Abs. 3
Satz 2 BewG vorgesehene Abzinsungsfaktor von 5,5 % anzuwenden, um die
Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten (BFH-Urteil vom 17. Oktober
1980 III R 52/79, BFHE 132, 298, BStBl II 1981, 247).

Zu Unrecht hat das FG auch einen aus der Lebenserwartung des
E abgeleiteten Vervielfältiger angewendet. Da das Darlehen auf unbestimmte
Dauer lief, ist als Abzinsungsbetrag gemäß § 13 Abs. 2 BewG das 9,3-fache des
Jahresbetrags der mit 5,5 % berechneten Zinsen anzusetzen. Das Darlehen war
nicht bis zum Tod des E befristet, sondern sollte jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt
lediglich nicht kündbar sein. Da das Darlehen zinslos war, hätten die Erben des
E das Darlehen nicht außerordentlich wegen Nichtzahlung von Zinsen durch die
Klägerin kündigen können. Es wäre danach allenfalls eine ordentliche Kündigung
des Darlehens durch die Erben nach Maßgabe des Darlehensvertrags möglich
gewesen. Es ist somit davon auszugehen, dass das Darlehen nach dem Tod des E
von unbestimmter Dauer gewesen wäre.

dd) Das erlassene Darlehen mit einem Nennwert von 2 050 000
DM ist danach mit dem 9,3-fachen von 5,5 %, also 51,15 %, abzuzinsen. Von dem
verbleibenden Betrag von 1 001 425 DM entfallen auf das Herrenhaus 800/2 750,
also 291 324 DM, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei sind. Es
verbleibt mithin ein anzusetzender Wert der freigebigen Zuwendung von 710 101
DM = 363 068 €.

b) Der am 8. Januar 1997 vereinbarte Verzicht auf die
bereits entstandenen und künftig entstehenden Zinsen ist gemäß § 13 Abs. 1 Nr.
4a Satz 1 ErbStG ebenfalls zu 800/2 750, also mit einem Teilbetrag von 81 128
DM steuerfrei. Der in der Einspruchsentscheidung angesetzte Wert der Zuwendung
von 278 875 DM vermindert sich somit auf 197 747 DM.

4. Die Steuer für die Zuwendung vom 22. November 2004
berechnet sich danach wie folgt:

 

Steuerwert der Bereicherung 363.068,00
Steuerwert der Vorerwerbe* 364.815,00
Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ./. 307.000,00
steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet auf volle hundert €) 420.800,00
Steuersatz 15 % Schenkungsteuer 63.120,00
Steuerabzug für Vorerwerbe (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) 60.255,75
festzusetzende Steuer (abgerundet) 2.864,00
*Berechnung des Steuerwerts der Vorerwerbe DM
Vorerwerb vom 31. März 1996 515.771,00
Vorerwerb vom 8. Januar 1997 197.747,00
Summe 713.518,00
= 364.815,00 €

 
Quicklink: uw110607